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Ich bin nicht Mary (fm:Sonstige, 15470 Wörter)

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Veröffentlicht: Oct 25 2011 Gesehen / Gelesen: 30539 / 22414 [73%] Bewertung Geschichte: 9.66 (140 Stimmen)
Marianthi verliebt sich in Finn. Aber zu ihrem ganzen Glück steht ihr Mary im Weg.

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© lucy Dieser Text darf nur zum Eigengebrauch kopiert und nicht ohne die schriftliche Einwilligung des Autors anderweitig veröffentlicht werden. Zuwiderhandlungen ziehen strafrechtliche Verfolgung nach sich.

Ich bin nicht Mary

Die Gegend um den Escher-Wyss-Platz und die Hardstrasse in Zürich West um vier Uhr dreissig an einem Samstag Morgen sind kein guter Ort für eine junge, hüsche Frau ohne Begleitung. Zu viele junge Männer mit zuviel Testosteron, Alkohol und illegalen Betäubungsmittel im Blutkreislauf hängen auf den Parkplätzen rum oder drehen in ihren gepimpten Karren Runden. Saufen, johlen, dealen, ab und zu auch Prügeleien oder Schlimmeres sind hier die Regel. Die Idioten in ihren tiefer gelegten 200-Pferdestärken-Karren mit den abgedunkelten Scheiben und den Soundanlagen welche AC/DC vor Neid erblassen liessen, Abfall auf den Strassen und Trottoirs, der Gestank von Urin und Kotze unter der Brücke und in den dunklen Ecken machen die Gegend zu einer eigentlichen no-go-area für Singlefrauen.

Es dauert immer noch knapp zwei Stunden, bis das erste Tram fährt, alle Taxis sind besetzt mit Partyvolk aus den umliegenden Clubs welche die Fabriken in diesem Quartier ersetzt haben oder vom Jazzlokal in der ehemaligen Schiffsmotorenfabrik, in welcher auch die zweite Bühne des Schauspielhauses untergebracht ist.

Nein, das ist die falsche Umgebung für eine junge, hübsche Frau in sexy Kleidern. Mary weiss das. Vielleicht geht sie deshalb so schnell, das Staccato ihrer Absätze auf dem Asphalt wie ein Metronom auf Speed, während sie sich durch die Trauben von Menschen bewegt, anscheinend ohne Notiz von ihrer Umgebung zu nehmen und immer wieder mal um einen Kerl herumkurvend, welcher sich ihr in den Weg stellt. Und immer peinlich darauf bedacht, keinen Augenkontakt herzustellen. Schau so nem Burschen in die Augen und als nächstes erwartet er, dass du dich auf den Rücken legst und die Beine für ihn spreizt, oder zumindest dass du auf die Knie sinkst um seinen - zumindest in seinen Augen - göttlichen Schwanz zu lutschen. Nein, nie in die Augen schauen. Nicht hier und nicht um diese Zeit.

Sie nähert sich der Seitenstrasse, in welche sie einbiegen will und in der, allerdings erst viel weiter Richtung Stadtzentrum, um diese Zeit eine kleine Bäckerei mit drei, vier Tischchen bereits geöffnet hat und in der sie einen Kaffee trinken wird bevor sie ein Taxi bestellt und sich nach Hause chauffieren lässt.

"Hey, Süsse! Brauchst bestimmt nen Schwanz"! macht sie ein Kerl lallend an.

Sie ist nicht dumm genug, zu antworten oder seinen Blick zu erwidern. Die einzige Reaktion ist das beschleunigte 'Tack, Tack' ihrer high heels.

"Komm schon, Schlampen wie du müssen gehörig gefickt werden."

Nun kann sie sich ein Lächeln nicht verkneifen, allerdings hält sie weiterhin den Kopf gesenkt und beeilt sich, in die Seitenstrasse einzubiegen. 'Schlampen wie du müssen gehörig gefickt werden', wiederholt sie im Stillen. Wenn der Idiot nur wüsste, denkt sie. Das Allerletzte was Mary braucht, ist, gehörig gefickt zu werden. Was sie stattdessen braucht ist einen Cappuccino, ein Brötchen und dann eine lange, heisse Dusche zuhause, um all den Dreck der Nacht abzuwaschen.

Vierzig Minuten später verlässt sie das Quippini und setzt sich in den Fonds eines Taxis wo sie den Kopf ans Fenster lehnt und hinausschaut. Im Osten, über den Alpen, hellt sich der Himmel bereits auf, das Dunkel der Nacht weicht dem purpur-orange der Morgendämmerung, die Berge schwarz gezackt am Horizont.

Sie braucht nicht auf den Fahrer oder in den Rückspiegel zu schauen um zu wissen dass er sie anstarrt, in ihren Ausschnitt und auf ihre Beine, hoffend, einen Blick auf ihr Höschen erhaschen zu können, falls sie denn eines trägt. Nein, sie braucht seine Blicke nicht zu sehen, sie kann sie deutlich genug auf ihrem Körper spüren. Und obwohl es ihr egal ist ob er sie anstarrt oder nich, bittet sie ihn doch, sich auf die Strasse zu konzentrieren und nicht auf ihre Brüste.

"Die sind es nicht Wert, unsere beider Genicke dafür zu brechen." Der Fahrer grunzt etwas Unverständliches und tritt aufs Gas, bemüht, sie schnell zuhause abzuladen und dann Feierabend zu machen.

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