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Abschleppdienst (fm:1 auf 1, 5246 Wörter) [13/15] alle Teile anzeigen

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Veröffentlicht: Feb 15 2019 Gesehen / Gelesen: 10126 / 7637 [75%] Bewertung Teil: 9.00 (29 Stimmen)
Während Gudrun am Westbahnhof auf Stefan wartet, lernt sie den Wiener Charme immer intensiver kennen ...

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Abschleppdienst

"Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." (Friedrich Nietzsche)

Gudrun sah gar nicht mehr auf die Uhr. Besser gesagt, versuchte sie es zu vermeiden, auf ihr Handgelenk und die dortige Armbanduhr hin zu blicken, weil sie ohnehin ein gutes Zeitgefühl hatte.

Dass die berühmten zehn Minuten, in denen Stefan kommen wollte, eine reine Floskel gewesen waren, hatte sie schon von Anfang an gedacht. So wie sie den intensiven Verkehr da draußen am Gürtel gesehen hatte, konnte sie sich nicht einmal vorstellen, hier selbst hinter dem Lenkrad zu sitzen und sich dann derart rasch in den Kolonnen und dem Geschlängel zu bewegen. Dazu das stetige Hupen, Überholen, Abbremsen und Beschleunigen, noch schnell bei Gelb oder Dunkelgelb sich über die Kreuzung werfen, den einen Fußgänger noch blitzartig sich bei Rot über den Zebrastreifen flüchten lassen und vor allen den Radfahrern erbost hinter her zu hupen oder fuchteln ... das schien hier ganz typisch zu sein für einen Werktag.

Unvorstellbar auf den ersten Eindruck hin, sich hier zurecht finden zu können und wollen. War für ein Unterschied zu bester Luft und weiter Fernsicht und vor allem Ruhe, von der sie daheim umgeben war. Und doch war genau diese Art von Ruhe es gewesen, die sie innerlich mehr und hektischer aufgewühlt hatte als dieser Trubel und der nicht abreißen wollende Strom aus Lärm, Lichtern, Hupen, Bremsen und Beschleunigen. Von dem Duft der Stadt, nein dem Gestank der Stadt dann ganz zu schweigen. Das begann nicht nur auf der Straße mit den wahrlich bald schon sichtbaren Abgasen. Nein das waren die vielen Kochgerüche, die sich hier in der großen Halle zusammen gesammelt hatten. Ob nun Türke mit Kebab oder Chinese mit seinen Fertiggerichten oder Italiener mit seiner Pizza - alles war hier ausgelegt auf Hektik, Schnelligkeit, im Gehen essen und beim Essen noch telefonieren und beim Telefonieren noch weiß Gott was alles machen ... sie kam in dem Sinn aus einem heilsamen Stauen gar nicht heraus.

In zehn Minuten wollte er kommen, schnaubte sie nun bereits ein wenig verächtlich, wo sich der Zeiger der bestens ersichtlichen Uhr im unteren Hallenbereich doch schon sehr verdächtig gegen vierzig Minuten hin bewegte.

Wie gesagt - sie wusste nicht recht, wo die beiden wirklich ihr Haus hatten. Ein wenig eine Seitengasse, sodass es durchaus wie im Grünen von Wien galt, hatte sie Erinnerung. Aber das konnte ja weiß Gott wo sein - über der Donau war ja auch noch Wien als Beispiel oder im Westen im Wienerwald, wie sie aus dem Zug ja gesehen hatte, ehe sie im Tunnel untergetaucht waren. Ja vermutlich dort wo in der Gegend, dreizehnter oder vierzehnter Bezirk, dachte sie sich zu erinnern - aber zu wetten hätte sie sich nicht getraut.

Ein wenig unruhig wurde sie mit der Zeit nun doch. Es wird doch kein Unfall passiert sein, so hektisch wie er schon geklungen hat, machte sie sich kurz einen Selbstvorwurf. Sie hätte ja doch auch ein Taxi nehmen können, sagte sie sich nun - aber dafür wiederum wäre dann ein wenig mehr Information notwendig gewesen, als dass sie zu wissen glaubte, dass die neu zugezogene Familie Schwarz vermutlich im westlichen Teil von Wien wohnte.

Nochmals griff sie in ihre Tasche und warf einen Blick auf ihr Handy. Es leuchtete schon sehr verdächtig rot blinkend entgegen - das klare Signal, dass die Batterie nicht mehr sehr lange halten würde. Ja natürlich - sie hatte vergessen gehabt, es aufzuladen und die Ladegeräte hatte alle ihr Heinz mitgenommen. Warum auch immer der sogar zwei brauchte, war wohl ein anderes Kapitel, ärgerte sie sich kurz ein weiteres Mal beim Gedanken an ihren Ehemann. Aber das war eben so - Gedanken verloren, wie er war. Grad dass er nicht ihre Wäsche trug, wenn er so verträumt zu späterer Zeit aus den Federn kroch.

NEIN, schalt sie sich. Jetzt hör endlich auf, an den Deppen zu denken, zwang sie sich zu anderen Gedanken hin. Und nein - es war keine Nachricht und kein versäumter Anruf auf ihrem Display zu sehen. Verdammt, vier Prozent nur noch - das reicht dann wohl bei mir nur mehr noch für eine halbe Stunde maximal, aber dann musste Stefan ja doch ganz sicher da sein.

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