Triathlon Plus (fm:Romantisch, 18876 Wörter) | ||
Autor: postpartem | ||
Veröffentlicht: Feb 20 2022 | Gesehen / Gelesen: 25729 / 20012 [78%] | Bewertung Geschichte: 9.82 (466 Stimmen) |
Eine geteilte Liebe führt zur gemeinsamen. |
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dranzuhängen. Wir waren zu schnell, er musste nach wenigen Metern abreißen lassen.
Das Ziel war jetzt nicht mehr weit entfernt, nur noch wenige Kilometer. Ich stand vorn im Wind, sah das Trikot der Vereinsfahrerin schon vor mir aufleuchten. Sie kämpfte sich in Unterlenkerhaltung weiter allein aufs Ziel zu. Ich machte Platz, damit meine Gefährtin sah, was vielleicht noch drin war. Sie trat tatsächlich gleich noch heftiger rein. Ich ging mit.
Wir redeten kein Wort, aber fuhren uns gemeinsam in einen Rausch. Wir waren nur noch zwanzig Meter hinter der Führenden, als wir auf der Zielgeraden einbogen. Ich war kein Sprinter, sah gegen echte solche meist ganz schön alt aus. Aber jetzt spielte ich Zugpferd, spürte, dass sie selbst die Geschwindigkeit, die ich auf dem Tacho sah, aber gar nicht glauben konnte, in meinem Windschatten mitging.
Die andere Fahrerin richtete sich nicht weit vor der Ziellinie auf, schaute kurz zur Seite, sah nur mich zu ihr aufschließen. Reagierte nicht, auch nicht, als der orangene Blitz mit einer Irrsinns-Geschwindigkeit aus meinem Windschatten auftauchte, als ich Platz machte.
Sie durch den Geschwindigkeitsüberschuss mit einer ganzen Radlänge auf der Ziellinie schlug. Wow. Wow. Wow. War das geil. Meine orangene Partnerin warf mir einen begeisterten Blick zu, als wir ausrollten, dann war sie von Leuten umringt, wohl ihrem Privat-Tross.
Auch ich war nicht alleine da, suchte unter den Zuschauern am Rand meine zwei Freunde, die mich hierhergefahren hatten. Stieg ab, versuchte langsam meinen Puls zu beruhigen, der immer noch brutal hoch war. Da waren sie, Michael und Uwe kamen auf mich zu, und klopften mir auf die Schulter. Uwe hielt mein Rad, während ich den Helm abmachte, und die Fahrbrille abnahm.
Dann fühlte ich nur, wie mich eine Hand an der Schulter herumdrehte und im nächsten Moment sprang eine Frau in meine Arme. Sprang mich richtig an, hängte sich an meinen Hals, schlang ihre Beine um mich, und drückte mir einen fetten Kuss auf die Lippen. Ich wusste überhaupt nicht, wie mir geschah, aber das orangene Trikot klärte so einiges.
"Danke, danke, danke, danke, danke", stammelte sie mir noch ins Ohr, dann ließ sie sich absinken, und wurde gleich von zwei anderen Frauen in den Arm genommen, als sie mich losgelassen hatte.
Ich hatte nicht einmal ihr Gesicht richtig gesehen, jetzt, ohne Helm und Brille, die sie ebenfalls abgelegt hatte. Sah noch ihren blonden Haarschopf in der Menge verschwinden, und drehte mich wieder meinen Freunden zu.
Denen musste ich auf dem ganzen Rückweg den Rennverlauf und das irre Finale im Detail erzählen. Ich kriegte mich immer noch nicht ein. Der ganze Frust des Rennens ausgelöscht, hatte mir die Aktion mehr gebracht, als eine Platzierung weiter vorne das getan hätte. So zufrieden mit mir und der Welt als solcher war ich Ewigkeiten nicht mehr gewesen.
~~~
Keine zwei Wochen später. Endlich Wochenende. Bis zum nächsten Rennen waren es noch drei weitere Wochen. Aber an diesem Samstagmorgen stand meine zweitliebste Unternehmung mit dem Rad auf dem Programm. Eine Tour in den Harz, der ebenfalls nur knapp über fünfzig Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt war.
Und da der Berg, der zu meiner Trekking-Rad Zeit mein weißer Wal gewesen war. Fünfzehn Prozent Steigung an den steilsten Stellen, wohlgemerkt nachdem man schon kilometerlang Steigungen um die zehn meistern musste, eine lange, brutale Rampe, bei der ich zum ersten Mal auf meiner Pulsuhr sah, dass mein Puls auch auf zweihundert gehen kann. Was mit dem Trekking-Rad meist der Punkt gewesen war, wo es eben nicht mehr ging.
Mit dem Rennrad hatte ich ihn dann bezwungen. Eine Herausforderung war es immer noch. Auf die ich mich freute. Geniales Wetter empfing mich auf den ersten Kilometern. Es war noch kühl, ich war selbstverständlich früh losgefahren, damit ich am Berg ankam, bevor die Mittagshitze das Ganze noch verschärfte.
Kaum Verkehr auf der Strecke, die ich fuhr. Ordentlich Rückenwind, das war jetzt schön, aber nicht das beste Omen für die Rückfahrt, wenn er sich nicht drehte. So schön es ist, in einem Feld zu fahren, das irre Geräusch der sirrenden Räder, die Mühelosigkeit in der Gruppe, so schön ist auch diese einsame Fahrt, durch ein landschaftliches schönes Gebiet.
Kein Fahren auf Zeit, reiner Genuss, und die Freude auf die Herausforderung. Und die Abfahrt. Beim letzten Mal hatte ich bei Tempo 65 Schiss bekommen, bei der Güte der Straße und den engen Kurven kein Wunder. Zwei Harztouren, und man brauchte neue Bremsbelege. Oder nur eine, zum Beispiel, wenn man den Brocken runterfährt. "Hey", tönte es plötzlich hinter mir. Überrascht sah ich jemanden zu mir aufschließen, nahm das Tempo leicht raus.
Und dann war sie neben mir. Wie ich, in einer leichten Jacke, also ohne das Signal-Orange, das mich so angezogen hatte. Aber den Helm und das Rad erkannte ich sofort. Das erfreute Lächeln sprach zudem dafür, dass sie mich lange davor erkannt hatte.
"Kennen wir uns nicht, junge Frau?", fragte ich irgendwie blöde, weil mir nichts Besseres einfiel.
"Dich vergesse ich mein Leben lang nicht", gab sie zurück. "Wie das Rennen."
"Ich auch nicht. Glückwunsch nochmal, ich hatte nicht mal Zeit, dir zu gratulieren."
"Der Dank gebührt dir. Ohne dich wäre das nichts mehr geworden. Sie war mir fünf Kilometer davor weggefahren, alleine hätte ich sie nicht mehr eingeholt."
"Ja, das haben wir sauber hinbekommen, nicht? Dabei habe ich das zumindest gar nicht mit Absicht gemacht, war einfach nur eine Folge von unserem abgefahrenen Kreiseln."
"Lief traumhaft, stimmt. Was machst du jetzt, Trainingsrunde?"
"Auf dem Weg in den Harz. Kommst du hier auch aus der Gegend?"
"Na, genau aus dem Kaff, wo du auch herkommst. Ich habe dich schon öfter mal trainieren sehen. Und bei dem Rundenrennen in Harsum."
"Ernsthaft? Na ja, da waren ja getrennte Rennen, wenn du auch am Start warst. Soll ich mich geschmeichelt fühlen, dass ich dir aufgefallen bin? Bei dem Rennen habe ich ganz schön alt ausgesehen, mit den ganzen Sprintwertungen und so. Fast noch aufs Mett gelegt, als ich eine Kurve zu ambitioniert angegangen bin."
"Dein Rad. Sorry, dich da enttäuschen zu müssen. Dein Rad ist mir aufgefallen. Titanium, nicht wahr? Sieht man nicht so oft."
"Ja, eins von hundert, Koga. Sieht im Original noch viel besser aus, aber der Vorbesitzer kam auf die irre Idee, das Ding blau zu lackieren. Obwohl das auch nicht schlecht aussieht."
"Ich finde es schön. Ich sehe dich immer nur alleine fahren, hast du keine Trainingspartner, oder eine Gruppe?"
"Nee, ich bin ein Einzelkämpfer. Und du?"
"Auch meist alleine, ich mach hauptsächlich Triathlon und bin meist mit meiner Zeitfahrmaschine unterwegs. Deshalb hast du mich wohl nicht erkannt. Ich hab dir öfter schön mal meinen Hintern gezeigt auf ein paar von deinen Trainingsstrecken."
Das stimmte allerdings. Jetzt erinnerte ich mich sogar ganz deutlich. Eine schwarz-gelbe, richtig geile Zeitfahrmaschine, die vor allem Richtung Salzgitter öfter an mir vorbeigeschossen war. Meist so schnell, dass ich nicht mal ausmachen konnte, ob da Männlein oder Weiblein drauf saß.
"So, so. Du zeigst mir also gerne deinen Hintern. Ist auch sehr ansehnlich."
"Stimmt. Soll ich vorausfahren?"
"Du bist ja lustig. Nein, bleib ruhig hier. Wenn ich dich nicht einbremse, heißt das. Triathlon. Würde ich auch gerne machen. Vom Laufen wäre es nicht so das Problem, ich bin früher Lang- und Mittelstrecke gelaufen. Beim Schwimmen hört's dann auf. Kann nicht mal richtig kraulen. Mit Brustschwimmen kann man natürlich nichts werden."
"Gibt auch Duathlon. Probiere das doch mal."
"Das ginge natürlich. Aber das wären zusätzliche Trainingseinheiten. Aus dem Laufen bin ich lange raus. Aber sicher eine Überlegung wert. Und was hast du heute vor, nur eine lockere Runde?"
"Ja, nur ein bisschen rollen. Einfach, weil ich Lust hatte, ist sonst ein Ruhetag. Ist doch herrliches Wetter."
"Na, dann können wir sicher ein Stück zusammen rollen. Ich heiße Frank, nebenbei."
"Sandra."
Das wusste ich natürlich. Selbstverständlich hatte ich mir die Ergebnisliste im Internet angeschaut. Ihren Nachnamen wusste ich auch. Aber nicht, dass sie aus meiner Heimatstadt kam.
"Das war irre, wie gut wir uns ergänzt haben. Ich habe das vorher noch nie probiert, Kreiseln meine ich. Das war wie ein Rausch", sprach ich sie nach einer kleinen, aber gar nicht unangenehmen oder verkrampften Redepause an.
"Ich auch nicht. Und so war es auch für mich. Du hast dich richtig für mich gequält auf der Zielgeraden. Alles nochmal reingehauen, nicht wahr?"
"Ja, schon. Hast du mal auf den Tacho geschaut gehabt, was wir für eine Endgeschwindigkeit hatten? Sowas sehe ich sonst nur, wenn ich extreme Steigungen runterbürste."
"Gesehen nicht, aber gefühlt. Am nächsten Morgen aber auch. So kaputt bin ich nach den meisten Triathlons nicht gewesen. Ich bin eigentlich nicht so die Bergziege. Deshalb habe ich bei dem Rennen auch mit gar nichts gerechnet."
"Die kleinen Hügel da. Na, komm doch mal mit in den Harz. Ich steuere gerade meinen weißen Wal an, fünfzehn Prozent und auch davor richtig Freude."
"Bist du pervers. Ich würde tausend Tode sterben."
"Glaube ich nicht. Mich hast du jedenfalls nachhaltig beeindruckt."
"Ist das so? Warte. Wollen wir da vorne mal kurz anhalten? Hast du dein Handy dabei?"
"Nummer tauschen? Mal zusammen eine Runde drehen?"
"Ah, tauschen. Das ja. Ich dachte schon, du meintest was Anderes, als du angesetzt hast. Ja, daran hatte ich gedacht. Dass wir uns für sowas verabreden."
Hoppla, junge Frau. Nicht auf den Mund gefallen. Und offenbar hatte sie nicht nur Sport im Kopf. An der Stelle, wo wir hielten, führte ein Wirtschaftsweg in den angrenzenden Wald. Neben dem sich gestapelte Baumstämme befanden, auf die sie zielsicher zuhielt. Wir stiegen ab und lehnte unsere Räder dagegen. Überrascht, aber auch erfreut, sah ich sie ihren Helm abnehmen.
Erfreut, weil sie offenbar ein richtiges Gespräch mit mir führen wollte. Und ich endlich sehen würde, wer sich da bei mir so stürmisch bedankt hatte. Sie schob die Fahrbrille auf ihren Kopf und setzte sich auf den dicken Baumstamm, der vor den anderen einladend auf uns wartete. Sah mich mit schräggelegtem Kopf aufmunternd an und zückte ihr Handy, das sie wie ich in der Rückentasche der Jacke mit sich führte.
Ihr wohl sonst lockiges blondes Haar hatte sie mit einem Gummi zum Pferdeschwanz gezähmt. Unzählige Sommersprossen und eine kleine Stupsnase, graue Augen, an denen kleine Fältchen waren. Ich schätzte sie auf Mitte Dreißig. Komisch, auf dem Rad und während des Rennens hatte ich sie eher jünger eingeschätzt.
"Ich höre?"
Ah, meine Nummer. Ich sagte sie folgsam an. Sie tippte sie rasch ein und drehte mir dann schnell den Kopf zu.
"Kriegst du auch keinen Ärger, wenn dein Eheweib die Nummer einer fremden Frau auf deinem Handy findet?"
"Da hat es sich schon lange ausgeweibt. Ehelich und darüber hinaus."
Ihr ohnehin schon vorhandenes Dauergrinsen schien sich zu vertiefen.
"So? Schwer vorstellbar. Da hast du meine", kommentierte sie das Absenden einer SMS, dessen Ankunft mein Smartphone mit einem "Bing" bestätigte.
"Ist so, völlig ungebunden. Schon einige Jahre jetzt. Mein letzter Kuss liegt allerdings erst knapp zwei Wochen zurück. Irgendein blonder Derwisch hat mich angesprungen. Dafür konnte ich nichts."
"Ich auch nicht. Das musste raus. Was hast du für ein Pedalsystem? Look? Geil, dann musst du mich irgendwann mal dein Prunkstück reiten lassen. Von der Größe passt es sicher prima, kleiner Mann."
Fuck. Ihr war natürlich völlig klar, wie zweideutig das klang. Wurde ich rot? Aber sie hatte Recht, zumindest mit Helmen hatten wir annähernd die gleiche Größe, als wir abgestiegen waren. Na gut, wenn ihr Spielen Spaß machte, sollte sie haben.
"Da müssten wir uns erst näher kennenlernen, bevor ich dich auf mein Prunkstück lasse. Obwohl ich dir zutraue, dass du damit gut umgehen kannst."
"Worauf du dich verlassen kannst. Näher kennenlernen würde ich mir auch wünschen, nebenbei. So einfach irgendwo aufsteigen und losreiten, tue ich nämlich auch nicht. Auch wenn das jetzt so klingt."
"Du bist mir echt eine Marke."
"Ich hatte bis vor kurzem auch eine, wenn dich das beruhigt."
"Was?"
"Ich bin Polizistin. Jetzt aber nicht mehr im aktiven Dienst. Sondern bilde die Frischlinge an der Fachhochschule aus."
"Alles klar, Frau Kommissar. Bin ich jetzt verhaftet?"
"Ich nehme dich gern in Gewahrsam. Aber ich will dich nicht lange aufhalten. Du hast ja noch eine ganz hübsche Tour vor dir, nicht wahr?"
Die mich in diesen Minuten gar nicht mehr so lockte, wie sie das noch eine halbe Stunde zuvor getan hatte.
"Ich kann dich nicht dazu überreden, mitzukommen? Ich schieb dich notfalls an den steilsten Stellen auch an. Wir kommen gemeinsam auf den Gipfel", zahlte ich ihr das Ganze mit gleicher Münze zurück.
Was sie immens zu freuen schien.
"Lass man stecken, ist was für ein andermal. Ich starte nächste Woche bei einem Triathlon, in Kiel, da fahre ich in der Vorbereitung alles ein bisschen runter. Hm. Aber wenn dich nicht nur Brust, sondern Kraulen ebenfalls interessiert, ich wollte morgen ins Schwimmbad. Das Wetter ist doch völlig genial. Ein paar richtige Bahnen werde ich schon schwimmen wollen, aber Anfängern was zu zeigen, tue ich gern."
"Das ist eine großartige Idee. Mann, im Schwimmbad bin ich schon Ewigkeiten nicht mehr gewesen. Dann können wir da auch absprechen, was wir zukünftig alles miteinander anstellen können. Uns für einen gemeinsamen Ritt verabreden und so. Nicht ganz so lockere Runden drehen."
"Na, das klingt doch richtig vielversprechend", gab sie mit blitzendem Lächeln zurück.
"Nur so interessehalber: Bist du immer gleich so... aufgeschlossen?"
"So oft treffe ich keine Männer, mit denen ich sofort harmoniere. Und die sich ungefragt quälen, damit ich als Erste ans Ziel komme. Zusätzlich so ein Prachtstück haben wie du, das mich schon ganz fickerig macht. Ist dir zehn Uhr zu früh morgen? Ich würde dann schon um neun meine Bahnen schwimmen, da ist das Becken angenehm leer."
"Wunderbar. Wo finde ich dich da?"
"Am großen Becken, vor der DLRG-Hütte für gewöhnlich."
Sie fuhr noch ein kleines Stück mit mir gemeinsam, bevor sie abbog, um ihre Runde in Richtung Heimat fortzusetzen. Was für eine ungewöhnliche Frau. Ich kriegte bis zum Berg das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Der sorgte dann schon für angestrengtere Gesichtszüge. Aber ebenfalls ein großartiges Gefühl, weil es jedes Mal leichter wurde, da raufzukommen. Die Abfahrt war dann wieder die totale Abfahrt, sozusagen.
Die Rückfahrt aufgrund des Windes wie erwartet grenzwertig. Ich war ganz schön erschossen, als ich nachhause kam. Aber das Dauergrinsen war wieder da. Es war nun nicht so, dass mich Frauen nach meiner Ehe nicht mehr interessierten.
Ich traf allerdings kaum auf welche. Meine Arbeit machte ich von zuhause, meine Freunde lebten in Hannover, dreißig Kilometer weiter, und nur einer davon hatte eine Beziehung, Michael. Mit meiner Ex-Frau, wohlgemerkt. Was kein Problem war, wir kamen weiter gut klar. Einzeln, als Paar sah ich sie nicht oft. Meine Ex-Frau jetzt auch immer seltener.
Nach der Ehe hatte ich keine Beziehungen. Eine Weile ganz viel Sex, über eine einschlägige Seite gefundene schnelle Kontakte und schnelle Nummern. War am Anfang aufregend, aber nach vielleicht einem Jahr irgendwie unbefriedigend. Bei den letzten Kontakten stimmte die Chemie auch nicht mehr so richtig. Ich sah es als Abnutzungserscheinung, und wollte mir eine Pause gönnen.
In der ich eben anfing, viel faul vor dem Fernseher zu hängen, mich mit reichlichst Süßigkeiten und fast täglichem Pizza und Calzone-Konsum in die "Form" zu bringen, die letztlich zur Aufnahme des Hobbys führte, das mich so nachhaltig und extrem begeistert hatte. Meine freie Zeit erfüllte und bestimmte.
Und mir jetzt diese hochinteressante Frau ins Leben gespült hatte? Es spielte keine Rolle, ob da nun mehr draus wurde, oder nicht. Einfach, dass sie mich interessant genug fand, um Zeit mit mir verbringen zu wollen, tat mir unheimlich gut.
Die Perspektive, jemanden zu haben, mit dem ich mich gemeinsam dem Asphalt anvertrauen könnte, machte mich schon happy. Jemand, der meine Leidenschaft teilte, also die für den Radsport, vielleicht... na, lieber nicht gleich übers Ziel hinausschießen.
Im Schwimmbad war ich schon seit meiner Kindheit nicht mehr gewesen. Das hing vor allem damit zusammen, dass dieses direkt an einem Badesee lag, auf der Bezahlseite, wo das Schwimmbad angrenzte, sogar mit Sandstrand, soweit ich mich erinnerte. Auf der freien Seite nur eine große Liegewiese.
Dort hatte ich viele schöne Stunden in meiner Jugend verbracht. Als Erwachsener aber einen unserer Wohnung näheren Baggersee vorgezogen. Als ich an der Kasse den Eintritt bezahlte, war ich schon ganz schön aufgeregt. Und deutlich zu früh dran. Prompt fand ich sie erst einmal nicht. Unschlüssig stand ich eine Weile herum, drehte eine Runde, sah dann erst die leere Decke, die nach dem vereinbarten Treffpunkt ihre sein konnte. Es waren wirklich noch nicht viele Leute da. Eigentlich konnte es nur die sein.
Tatsächlich, da tauchte ein vertrautes Gesicht an der Dusche vor dem Eingang zum Beckenbereich auf, und duschte sich rasch ab. Schnell räumte ich mein Handtuch aus dem Rucksack, und legte es neben ihre Sachen.
"Schau an, da konnte es ja jemand gar nicht erwarten", begrüßte sie mich lächelnd. Ein knapper einteiliger Badeanzug, in dem sie mir da entgegentrat, das nasse Haar wieder zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Der Lokation voll angemessen, aber irgendwie wirkte sie für mich aus dem Kontext gerissen, so ohne Radfahrklamotten.
"Einen wunderschönen guten Morgen. Und ja, ich gebe es zu, ich bin ohnehin jemand, der lieber zu früh als zu spät dran ist, aber heute hatte ich dafür einen Extra-Motivationsschub. Training dann für den Tag komplett absolviert?"
"Was das Schwimmen angeht, ja. Heute Abend jogge ich noch eine Runde."
Während ich mir mein T-Shirt und die kurzen Cargo-Pants auszog, schnappte sie sich ihr Handtuch und trocknete sich kurz ab. Im Gegensatz zu mir war ihr das Radfahren nicht so anzusehen. Es war bereits Anfang August, und selbstverständlich hatte ich einiges an Sonne in diesem herrlichen Sommer abgekriegt. Im Gesicht, an den Armen, an den Beinen hoch bis knapp übers Knie, wo dann die Radfahrhosen für gewöhnlich saßen.
Also ein vergleichsweise bleicher Körper und richtig braungebrannte Gliedmaßen. Es sah selbstverständlich total lächerlich aus. Zumindest kannte sie ja die Hintergründe. Sie machte die Träger ihres Anzugs runter und wickelte sich das Handtuch um. Oh, da schaute man vielleicht besser nicht so hin. Als höflicher normaler Mann schaut man geradeaus, und hofft, in der peripheren Vision trotzdem was Hübsches zu erhaschen.
Sie machte es mir auch nicht gerade leicht, legte den nassen Badeanzug ausgebreitet vor der Decke in die Sonne, öffnete ihr Haar, und spritze mich ordentlich nass, als sie sich das Wasser rausschüttelte wie ein Hund.
"Du bist ja drauf. Ich brauchte eigentlich noch gar keine Abkühlung."
"Das war prophylaktisch", meinte sie mit verschmitzten Grinsen, und beugte sich dann vor, um in ihren Sachen zu kramen. Brachte damit ihren vom Handtuch gerade noch ausreichend bedeckten Hintern in mein Gesichtsfeld. "Es wird gleich wärmer werden."
Das wurde es schlagartig. Es war ja nichts zu sehen, aber das Wissen, dass sie darunter nackt war... Ließ sich gerade extra viel Zeit, weil sie genau das erreichen wollte? Auf jeden Fall dauerte es wirklich lange, bis sie mit spitzen Fingern einen Bikini aus ihrer Sporttasche zog. Routiniert hatte sie das Unterteil blitzschnell angelegt.
Um mich zu beschäftigen, holte ich mir mein Sonnenöl raus. Als mich ihr wieder zuwandte, stand sie nur mit dem Bikini-Höschen bekleidet in der warmen Morgensonne und trocknete sich weiter ab. Uff. Wunderschöne kleine Brüste hatte sie. Überhaupt kein Problem, die zu zeigen. Keinen Grund, das nicht zu tun, auf jeden Fall.
Sie ließ sich ordentlich Zeit und zog das Oberteil erst im Sitzen an. Grinste mich frech an.
"In deiner Hand nutzt dir auch Faktor 20 nichts. Der Trick ist, es aufzutragen. Oder soll ich das machen?"
Ja, ich saß da konsterniert mit der albernen Flasche in der Hand wie Sepp.
"Das geht schon, danke. Wow, man sieht, dass du nicht nur Rad fährst."
"Wow hört jede Frau gern. Aber du sprichst meine Bräune an? Oder doch meinen Luxuskörper? Nicht schlecht für eine Frau über vierzig, oder?"
"Trifft für Beides zu. Oder alles drei. Dass du über vierzig bist, kann ich kaum glauben, ich hätte dich auf Anfang, Mitte dreißig geschätzt."
"Schmeichler. Mach ruhig so weiter. Wie war dein Gipfelerlebnis auf deinem weißen Wal?"
"Großartig. Obwohl Gipfelerlebnisse zu zweit natürlich noch schöner wären", wagte ich den Wiedereinstieg in das Spielchen. Obwohl dies mit einer nur spärlich bekleideten Frau deutlich mehr Überwindung kostete. Vor allem so einer umwerfenden wie sie.
"Du sprichst mir aus der Seele. Hältst du es noch eine halbe Stunde aus? Ins Wasser zu gehen, meine ich?"
"Aber klar. Nur als kleine Warnung, der Schwimmteufel bin ich eher nicht, ich schwimme gerne mal im See bis zur Mitte oder so, aber sonst kühle ich mich damit meist nur ab, spiele am liebsten toter Mann, und sowas."
"Dass du Brust magst, hattest du ja schon erzählt. Und gerade gezeigt. Für toter Mann wirkst du mir viel zu lebendig. Für einen Bergfloh hat der Herr ganz schöne Muckis, vorher kommt das? Fitness-Studio etwa?"
"Nö, das sind die traurigen Überreste einer relativ vielseitigen Leichtathletik-Karriere als Jugendlicher. Bei uns im Verein haben wir alles gemacht, und nicht nur unsere Spezialdisziplin, weil es immer wieder Mannschaftswertungen gab. Bei mir war das sogar Zehnkampf, aber auch Speerwurf, Weitsprung und selbst im Sprint war ich nicht schlecht, meist als Startläufer in irgendwelchen Staffeln. Hauptsächlich aber Mittel- und Langstrecke, am liebsten fünf und zehntausend Meter."
"Wann hast du aufgehört?"
"So mit siebzehn, achtzehn. Wie das halt so ist, da waren dann andere Sachen interessanter."
"Meine richtige Aktiven-Zeit endete mit zweiundzwanzig. Ich bin zwar immer noch im Verein, und starte manchmal noch für ihn, aber jetzt ist es wirklich nur noch zum Spaß. Kein echter Leistungssport mehr. Es hätte fast noch für die olympischen Spiele gereicht damals, aber da kam Charly dazwischen."
"Dein Ehemann?"
"Nein, meine Tochter Charlotte, ich wurde schwanger und musste meine Berufung ins Team sausen lassen. Nicht, dass ich darum böse war. Ich hatte mir immer ein Kind gewünscht, und auch nie das Gefühl gehabt, irgendwas deswegen verpasst zu haben. Sie ist jetzt gerade volljährig geworden. Immer noch mein kleiner Augenstern, auch wenn sie jetzt langsam erschreckend schnell richtig erwachsen wird."
"Aber ganz losgelassen hat es dich trotzdem nicht."
"Nein, als das wieder möglich wurde, habe ich erst mit dem Laufen, und später dann mit den anderen Disziplinen wieder angefangen, jetzt sind es drei Jahre, dass ich intensiv trainiere."
"Bist du... auch geschieden?"
"Nein, mein Mann ist vor drei Jahren gestorben."
"Oh, das tut mir leid."
"Vorher habe ich ihn zwei Jahre gepflegt. Das war die Zeit, wo ich aus dem aktiven Polizeidienst ausgeschieden bin und stattdessen anfing, an der Fachhochschule zu arbeiten. Da hast du mein Leben im Zeitraffer."
"Dann bist du, wenn ich richtig mitgerechnet habe, jetzt einundvierzig?"
"Genau. Willst du mich jetzt mit deinem Intellekt beeindrucken?"
"Wenn meine Rechenkünste da schon ausreichen, lasse ich's gern dabei bewenden. Du scheinst ja eh mehr von meinem Körper fasziniert."
"Du hast eine Stelle ausgelassen am Rücken, da kriegst du einen Sonnenbrand, lass mich mal machen. Und natürlich, meine Intelligenz reicht notfalls für zwei."
"Dein Selbstbewusstsein anscheinend auch."
"Ich habe nicht das Gefühl, dass dich das stört. So, fertig."
Schon dieser kurze Moment, wo sie ganz nah an mich ran gerückt war, war elektrisierend. Mann, Mann, Mann. Das war gar nichts eindeutig Sexuelles, einfach nur die Nähe einer Frau zu spüren. Mit so einer Ausstrahlung noch dazu. Aber zugleich schon irgendwie ein Gefühl von Vertrautheit, Selbstverständlichkeit. Wundervoll.
"So braun wie du bist, brauchst du dich wahrscheinlich gar nicht mehr eincremen?"
"Doch, na klar, geht ja nicht nur darum, den Sonnenbrand zu vermeiden, sondern die Haut zu schützen. Aber so sehr ich dein Bedürfnis verstehe, mich jetzt anzufassen, leider habe ich mich vor dem Schwimmen bereits eingecremt."
"Du scheinst dir über meine Bedürfnisse ja wirklich viel Gedanken zu machen."
"Ich hoffe, das beruht auf Gegenseitigkeit, obwohl du bereits bewiesen hast, dass es bei dir auch ohne Nachdenken funktioniert."
"Wirklich interessante Sachen funktionieren nach meiner Überzeugung nur so. Geschehen von selbst."
"Ein tiefer Denker auch noch. Womit verdienst du dir deine Brötchen, wenn ich fragen darf?"
"Solche zu übersetzen hauptsächlich. Ich bin Fachübersetzer für philosophische Primär und Sekundärliteratur, manchmal auch psychologische und soziologische Texte."
"Das ist bestimmt nicht leicht. Welche Sprachen?"
"Hauptsächlich Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Nicht leicht... ich mach das jetzt schon so lange, da denke ich nicht mehr drüber nach. Jeder Text ist in sich eine kleine Herausforderung, und das ist gut so, sonst würde es wahrscheinlich irgendwann langweilig werden."
"Ja, so nehme ich dich wahr, wie jemanden, der Herausforderungen mag. Auch große?"
"Hatten wir nicht etabliert, dass wir in etwa gleich groß sind?"
"Ja, kleiner Mann. Schöner kleiner Mann."
"Über Schönheit kann man sich streiten. Na, über deine nicht. Die ist über jeden Zweifel erhaben."
"Jetzt willst du mich mit Worten eincremen. Das brauchst du aber auch nicht. Was natürlich nicht heißen soll, dass damit aufhören sollst."
"Auch noch in Zugzwang bringen. Du bist mir ja ein Herzchen. Und nebenbei die außergewöhnlichste Frau, die mir je über den Weg gelaufen ist. Was man auf der Straße doch so alles auflesen kann."
"Ja, wenn man es schafft, dranzubleiben."
"Du bildest dir wahrscheinlich ein, das war dein Hintern, aber in Wahrheit war's dein Trikot, was das ausgelöst hat."
"Es ist ein Etappen-Rennen, das hast du nur noch nicht begriffen", meinte sie und legte sich vergnügt auf ihren Bauch. "Und Konditionierung. Oder willst du bestreiten, dass dein Blick jetzt nicht gerade dort automatisch landete?"
"Ich bestreite gar nichts, nur du verstehst noch nicht, dass das gar nicht nötig ist."
"Und du begreifst noch nicht, dass du noch nicht einmal in Ziel-Nähe bist."
"Warum an Ziele denken, wenn die Fahrt doch schon recht aufregend ist?"
"Ja, dass ich dich aufrege, ist mir schon aufgefallen. Ich bestreite auch nicht, dass ich daran meine Freude haben."
"Nur Freude? Deinem Beruf zum Trotz würde ich das eher als diebisches Vergnügen auslegen."
Jetzt fing sie an zu lachen, was so ansteckend war, dass ich mitmachen musste. Okay, kreiseln konnten wir offenbar nicht nur mit unseren Rädern. So irre Gespräche hatte ich höchstens mal mit meinem besten Freund Uwe geführt. Na, thematisch erheblich abweichend. Auch war er längst nicht so attraktiv.
"Langsam kriege ich Lust", begann sie die nächste Runde. "Du nicht?"
"Auch das. Ach, du meinst ins Wasser?"
"Du wolltest doch was lernen. Ich zeige es dir gerne."
"Deine Zeigefreudigkeit ist mir nicht entgangen. Und ich vertraue dir. "
"Zeigefreudigkeit? Ich verstehe nicht, was du meinst", kam ihre trockene Antwort, bei der sie aufstand und ihr Oberteil abmachte.
Diese Frau. Vorführen wollte ich nun so auch nicht lassen. Sie griff sich bereits ihr Handtuch für die Umkleideaktion.
"Warte mal. Jetzt möchte ich mich erst einmal mit den Fakten vertraut machen", eröffnete ich und trat dicht an sie ran. So, dass ich ihren Körper gerade noch so nicht berührte, was schwieriger war, als es klingt. Ich nahm meine rechte Hand und streckte sie flach über unsere Köpfe, berührte sie damit aber nicht.
"Von wegen, kleiner Mann", sprach ich, mühsam meine Verunsicherung durch ihre Nähe und ihren verblüfft-faszinierten Blick unterdrückend. "Ich bin mindestens zwei Zentimeter größer als du."
"Bist du dir sicher, dass deine Hand gerade ist?", erwiderte sie nach doch einiger Pause, in der wir uns tief in die Augen sahen. Und legte dann ihre freie auf meine. "Das sieht mir mehr nach Augenhöhe aus."
Machte keine Anstalten sich auch nur einen Millimeter zurückzuziehen. Im Gegenteil, sie beließ ihre Hand auf meiner, und obwohl ihre Mundwinkel verdächtig zuckten, schien Belustigung durchaus nicht ihre einzige Empfindung zu sein. Hoppla, das wurde langsam ein Eigentor. Oder etwas Anderes.
"Eins einundsiebzig steht in meinem Ausweis", gab ich die Vorankündigung meines Rückzugs, wobei wir gleichzeitig die Hände sinken ließen.
"Siehst du, in meinem auch", schien sie diesen irren Moment beenden zu wollen, hielt mich dann aber mit einem "Warte" vom Zurückweichen zurück. Lehnte sich ganz langsam nach vorn, bis sich erst unsere Körper, dann unsere Lippen berührten. Und gab mir einen schmatzenden Kuss.
"Nicht, dass du mir nachher erzählst, das wäre mir nur gelungen, weil ich dich überrumpelt habe, beim ersten Mal."
Überrumpelt fühlte ich mich auch diesmal. Sehr, sehr angenehm überrumpelt. Uff. Fast hätte ich vergessen, dass ich als Gentleman, trotz ihrer Routine bei der Abwicklung des Vorgangs, nicht unbedingt auf die Umziehaktion starren sollte.
War ich froh, dass ich mich im letzten Moment gegen meine in der Vergangenheit bevorzugten engen Badehosen, und für die zeitgemäßeren Shorts ähnelnden Dinger entschieden hatte. Nicht erst seit diesem Moment fühlte ich, dass ich nicht nur mental und emotional mehr und mehr auf sie reagierte. Herrschaftszeiten.
"Na los", kam ihre Aufforderung nun mit neuer Bekleidung. "Keine Müdigkeit vorschützen."
Wir duschten uns kurz ab, wobei ich den kalten Wasserstrahl durchaus als willkommene Abkühlung empfand. So wurde mein Fall ins Wasser, der eigentlich nicht völlig unerwartet kam, aber von ihr doch so geschickt durch ihren Schubser initiiert, als wir uns gerade auf die kleine Leiter am Beckenrand zubewegten, doch etwas weniger schockierend.
Als ich prustend an die Wasseroberfläche zurückfand, tauchte sie annähernd spritzerlos per Kopfsprung nur wenige Zentimeter neben mir ein. Und war das nur der Auftakt zu einem ausgelassenen Herumtoben im Wasser. Wie ich es als Kind eigentlich überhaupt nicht gemocht hatte, nämlich untergetaucht zu werden, an den Beinen festgehalten, und was ihr da alles einfiel.
Dass ich das in meinen Vierzigern mal so genießen konnte, und mit gleicher Ausgelassenheit heimzahlte, hätte ich mir damals nicht träumen lassen können. Nun gut, zu der Zeit waren keine so attraktiven Frauen beteiligt gewesen.
Der Höhepunkt war, dass sie sich plötzlich an mich klammerte und dann einfach mit mir auf den Boden des an dieser Stelle aufgrund der Nähe zum Sprungturm relativ tiefen Beckens sinken ließ. Mich dort noch eine Weile fest umklammert hielt, bis wir auftauchen mussten, und beide nach Luft schnappten.
Nach einer Weile zeigte sie mir dann tatsächlich, wie man Freistil schwimmt. Gerade geschickt stellte ich mich zu Beginn nicht an, aber wenn sie mit ihren Studenten ähnlich nachsichtig und geduldig umging, erfreute sie sicher auch bei ihnen einiger Beliebtheit. Als wir am Ende aus dem Wasser kletterten, hatte ich den Bewegungsablauf geschnallt und konnte ihn halbwegs umsetzen.
Ich hatte allen Grund mich zu bedanken. Tat das, nachdem ich ihr beim Abduschen den Vortritt gelassen hatte, indem ich sie kurz in meine Arme zog, und ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen drückte.
"Nicht, dass du glaubst, du wärest die Einzige, die weiß, wie man sich ordentlich bedankt. Für deine hervorragende Anleitung."
"Es war mir ein Vergnügen. Nun werde ich mir den Rest des Tages überlegen müssen, wofür ich in dir heute noch Dankbarkeit erzeugen könnte", hörte ich sie hinter mir witzeln, als mir das kalte Wasser über Kopf und Körper lief.
Wieder dehnte sie den Moment vor dem Anlegen des Bikini-Oberteils genüsslich aus, wobei ich mir mittlerweile keinerlei Mühe mehr gab, meine stille Freude über diesen Augenschmaus zu verbergen.
"Na, du hast dich sehr ordentlich geschlagen. Ob ich dich allerdings schnell deiner augenscheinlichen Vorliebe für Brust entwöhnen kann..."
"Gib es doch zu, alles Eigennutz. Du willst mich einfach vollständig in deine Welt locken. Dabei wird es sicher trotzdem noch Ewigkeiten dauern, bis ich damit irgendwie in die Nähe von Wettbewerbsfähigkeit gelangen könnte."
"Was den Triathlon angeht, schon. Ansonsten bist du schon ganz hervorragend im Rennen", gab sie grinsend zurück und zog ihr Oberteil im Sitzen an.
Wir legten uns beide auf die Seite, und schmunzelten uns eine Weile still an.
"Aber ich hätte eine Idee, womit ich dich weiter locken könnte. Was machst du am nächsten Wochenende?"
"Du meinst mit dir nach Kiel? Das ist allerdings eine großartige Idee. Nur zu gerne."
"Es ist allerdings ein Sprintwettbewerb, also deutlich kürzer als sonst."
"Auch schnelle Nummern haben manchmal ihren Reiz."
"Wenn du das sagst. Ich bevorzuge allerdings die längere Quälerei diesen Sprintsachen."
"Das wundert mich nicht. Ich auch, wenn dich das beruhigt."
"Tut es. Aber es ist wirklich ein ganz schöner Aufwand für ein kurzes Vergnügen. Was mich persönlich im Gegensatz zu anderen Dingen nicht wirklich stört. Aber hier führe ich dir sicherheitshalber nochmal vor Augen, dass wir von jeweils mindestens drei Stunden Fahrt, beginnend um sechs Uhr morgens sprechen. Mein Start ist zwar erst um halb eins, aber ab Viertel vor elf muss ich präsent sein, zuvor noch die Startunterlagen abholen und ich habe gern vorher Ruhe, um mich vorzubereiten. Willst du das wirklich auf dich nehmen wollen?"
"Und wie. Jede Minute in deiner Gegenwart hat sich bisher mehr als nur gelohnt. Bin ich denn Teil einer größeren Jubeltruppe, die deinen Zieleinlauf beklatscht?"
"Nein, wir wären ganz intim unter uns. Ursprünglich wollte ein Mann aus unserem Verein ebenfalls starten, aber er hat sich vor drei Wochen schwerer verletzt, und fällt aus."
"Umso besser, Intimität mit dir wird mir von Minute zu Minute mehr zum echten Bedürfnis."
"Na sowas. Ich habe jetzt auch eins. Cremst du mir bitte den Rücken ein? Allmählich ist es Zeit für die Auffrischung bei mir. Nur den oberen Teil zwischen den Schulterblättern, ich komm zwar hin, aber kugele mir irgendwann noch einmal den Arm dabei aus."
Ja, das konnte ich nachvollziehen und kam ihrer Aufforderung selbstverständlich unverzüglich nach. Das hatte keinerlei erotische Komponente, so eilig, wie ich das durchführte. Ich spürte allerdings schon, dass ihr Schwimmen dort für mehr Muskeln gesorgt hatte, als ich das bei Frauen gemeinhin kannte.
Wie sie sich dann selbst den Rest ihres Körpers einschmierte, war dann allerdings schon ein Augenschmaus, der mich etwas anregte. Was sie selbstverständlich bemerkte.
"Na, bedauerst du jetzt, dass du mir nicht vorgeschlagen hast, das für mich zu übernehmen?"
"So lange, wie ich keine Frau mehr berührt habe, könnte das nur in Peinlichkeiten enden", flutschte mir meine ehrliche Antwort heraus.
Ihr eben noch verschmitztes Lächeln transformierte sich in ein verständnisvolles.
"Ja, das wäre dann dich nicht für mich, sondern wegen mir quälen. Das will ich nicht. Und es ist bei selbstverständlich nicht anders."
"Du Arme, auch schon so lange keine Frau mehr berührt?"
Zack, hatte sie mir mit dem eilig gegriffenen nassen Handtuch einen verpasst.
"Aber hallo. Polizei! Ich werde von einer Frau verprügelt."
"Ich kenne die Beschuldigte. Sie ist über jeden Zweifel erhaben. Das war verdient."
"Du bist befangen. Amtsmissbrauch. Skandal. Ich geh an die Presse. Und melde es dem Tierschutzbund."
Weiter kam ich nicht. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und küsste mich. Kein Schmatzer diesmal, nichts Eiliges. Ihre Lippen pressten einfach sanft und weich auf meinen, kein Zungenkuss. Und doch so wunder wunderschön. Oh mein Gott. Lass diesen Moment niemals enden. Sie löste sich nur langsam.
"Noch Klagen?"
"Nein. Schlag mich gern nochmal."
"Das könnte dir so passen. Sag mal, kriegst du auch langsam Hunger? Hast du was mitgenommen?"
"Ehm... nein. Das hat einen besonderen Grund. Ich war hier eigentlich nur in meiner Kindheit und frühen Jugend. Dann meist auf der anderen Seite des Sees. Woran ich vor allem erinnere, ist, dass mir hier die Pommes irgendwie immer besser als irgendwo anders geschmeckt haben. Weiß nicht warum."
"Weil sie dazu gehörten und trotzdem etwas Seltenes und Besonderes waren. Das ganze Ritual, die Vorfreude, das lange Warten in der Schlange, der Duft von der Pommes-Bude... der Geruch vom Sonnenöl der anderen beim Warten..."
"Ich sehe, wir verstehen uns nicht nur beim Radfahren. Magst du? Haben die jetzt überhaupt schon auf?"
"Wir waren ziemlich lange im Wasser. Klar hat die schon auf. Es ist bald zwölf. Komm, kleiner Mann. Die liebe Tante spendiert dir Pommes... mit Mayo oder Ketchup?"
"Selbstverständlich beidem. Liebe Tante? Wenn du mir so kommst, musst du mich ans Händchen nehmen, wenn wir da hingehen."
"War klar, dass du das sagst. Na dann komm."
Sie fischte ihre Börse aus der Sporttasche und nahm mich tatsächlich an die Hand.
"Kleiner Strahlemann. Dir geht es richtig gut, hm?"
"Bei so einer lieben Tante. Die einem Pommes kauft. Händchen hält. Und noch dazu so gut küsst. Das war mir allerdings als Kind immer ziemlich unangenehm."
"Das wirkte eben nicht so."
"Nein, das schmeckte nach mehr."
"Nicht gierig werden, kleiner Mann. Alles zu seiner Zeit. Jetzt gibt's Pommes."
"Ja, gleichgroße Strahlefrau. Dir scheint es auch nicht unbedingt schlecht zu gehen."
"Ich kann mich nicht beschweren. Siehst du, sogar eine Schlange. Alles, was dazugehört."
"Ja, diesmal wirklich. Nur wusste ich das damals noch nicht."
Wir waren am Ende der Schlange angekommen. Zwei junge Mädchen drehten sich kurz zu uns um, und fingen an zu kichern. Ja, lacht ihr nur über meine angesetzten Arme und Beine. Ihr habt nicht die mindeste Ahnung, wie sehr sich das gelohnt hatte. Oder lachten sie etwa über unser Händchenhalten?
Kein Grund damit aufzuhören. Das schien Sandra ähnlich zu sehen. Die Schlange rückte schnell auf. Selbst einfach nur still nebeneinander zu stehen, fühlte sich großartig an. War das alles irre. Ich fühlte mich wie ein frisch verliebter Teenager. Der gerade Kindheitserinnerungen neu erlebte. Mit der erwachsensten Frau, die mir je begegnet war.
Erst als sie zahlte, und wir dann unsere Hände auch fürs Tragen brauchte, ließen wir einander los. Aßen gemeinsam auf ihrer Decke, lachten viel, gingen bald darauf noch einmal ins Wasser. Ich musste dort meinen "toten Mann" vorführen, und wurde von einer darüber gleitenden Frau mit einem kurzen Kuss wieder zum Leben erweckt, bevor ich unterging.
Diesmal hatte sie sich nicht umgezogen, sondern den Bikini angelassen. Wir legten uns nebeneinander auf den Rücken und ließen uns von der Sonne trocknen. Schon nach kurzer Zeit griff sie meine Hand. Hielt sie einfach nur in inniger Verbindung fest. Auch zum späteren Kaffeetrinken am kleinen Café dort gingen wir Hand in Hand. Und gönnten uns danach ein Eis, genossen für einen kurzen Moment den Schatten, den die dort aufgestellten Schirme spendeten.
"Ich muss bald los", kam von ihr der Satz, den ich eigentlich nicht hören wollte.
"Du musst?"
"Ja, ich muss. Mein Töchterchen wird bald nachhause kommen, und wie immer schlechte Laune und Hunger haben."
"Wie kann man in deiner Gegenwart schlechte Laune haben? Unvorstellbar."
"Es hat tatsächlich nichts mit mir zu tun. Ich sag ja, sie wird langsam erwachsen. Probleme mit ihrem Freund, über die sie nicht mit mir sprechen will. Nur stundenlang mit ihren Freundinnen am Handy."
"Ist sie auch sportlich aktiv irgendwie?"
"Nein. Als Kind hat sie geturnt für ein paar Jahre, aber dann hatte sie keine Lust mehr. Nicht mal an den Radtouren, die wir ganz früher gemacht hatten, hatte sie wirklich Spaß. Ganz der Vater, der war am glücklichsten vor dem Fernseher. Oder vor dem Grill, wenn's unbedingt draußen sein musste. Selbst hierher waren sie nur unter Androhung von Liebesentzug zu kriegen."
"Auch das kann ich nicht nachvollziehen. Und kann mit Fug und Recht behaupten, meinen absolut schönsten Tag hier gerade mit dir erlebt zu haben."
Wie sie mich ansah. Ging mir durch und durch.
"So geht mir das auch. Es muss ja nicht unser letzter sein."
"Ich freue mich auf jeden Fall auf die Fahrt nach Kiel mit dir. Obwohl..."
"Obwohl?"
"Ich kann mir gerade nicht vorstellen, die Zeit bis dahin völlig ohne dich auszuhalten."
"Ist dir das nicht auch ein bisschen unheimlich? Ich meine..."
"Wie schnell wir gemeinsam Fahrt aufnehmen? Ja, klar, irgendwie schon. Andererseits genieße ich das viel zu sehr, um mich davon irritieren zu lassen."
"Das tue ich auch. Obwohl ich mich selbst gar nicht wiedererkenne. Wenn du glaubst, heute die "normale" Sandra erlebt zu haben, täuscht du dich. Du löst irgendwas in mir aus, setzt irgendwas in mir frei... wie soll ich das sagen, ja, was ich auch bin. Oder immer gern gewesen wäre. Aber irgendwie nie sein konnte. Das geht mir dir alles so leicht... und das ist mir ein bisschen unheimlich."
"Das geht mir exakt genauso. Auch das ist unheimlich. Dass wir selbst im Empfinden auf einer Wellenlänge liegen. Das habe ich noch nie mit einem Menschen erlebt. Und, das zur Warnung: es macht mich schon jetzt süchtig. Nach deiner Nähe, deinem Lachen, deinem wunderbaren Humor."
"Das trifft sich gut. Trotzdem... wir sollten langsam zurück, und zusammenpacken. Du kennst das sicher noch, es sollten wenigstens zwei Stunden nach einer größeren Mahlzeit vergangen sein, bevor man läuft."
"Du wolltest wirklich nur joggen?"
"Na ja, schon etwas engagierter, aber nicht über Puls 120. Wieso, willst du mit?"
"Wollen schon, aber ich würde dich sicher einbremsen."
"Ach Quatsch. Ich laufe vor dir her, wenn dir die Luft ausgeht, und meine Hinteransicht wird schon die nötigen Kräfte mobilisieren."
"Da könntest du Recht haben. Wo willst du laufen?"
"Hier in der Gegend sind doch schöne Strecken, wenn das nicht zu weit für dich ist. Ich wohne hier in der Nähe. Wir könnten uns auf der anderen Seite am Parkplatz treffen, so um halb acht?"
"Das machen wir."
Wahnsinn. Die Perspektive sie später noch wieder zu sehen, ließ den Abschied erträglich werden. Ein letzter kurzer Kuss, nach dem Verlassen des Schwimmbads. Wieder so ein irres Ding ohne Zunge, wie ich das gar nicht kannte, aber diesmal lagen wir uns richtig in den Armen. Alles nur kurz, wohl dosiert.
Ich flog trotzdem nachhause. Konnte es irgendwie gar nicht begreifen, was da passiert war. Ich hatte sie erst das dritte Mal gesehen. Ich hatte es vorhin beinahe ausgesprochen, irgendwie war ich schon leicht verliebt. Selbst das war nicht so, wie das kannte. Keine Schmetterlinge im Bauch, keine Angst, nur ein unglaubliches Vertrauen in sie, und allem, was die Zukunft für uns bereithielt.
Ich war vorbereitet. Nicht nur auf sie. In meinem Schuhschrank lagen die fast unbenutzten teuren Laufschuhe, die ich bei irgendeinem Sale mal mitgenommen hatte, auf die Hälfte reduziert. Weil ich es eben immer vorgehabt hatte, doch noch mal aktiv zu werden.
Nur hatte ich da schon Trainingserfolge beim Radfahren gehabt, lief da schon alles glatt, und der erste viel zu schnell begonnene Lauf zeigte mir an, dass eben wieder fast bei Null anfangen müsste. Verschob das auf dem Winter, wo die Straßen zu glatt waren. Vergaß es dann aber, als ich mir stattdessen eine Trainingsrolle kaufte, und drinnen radeln konnte.
Es war noch immer ziemlich warm, als wir uns auf dem Parkplatz trafen. Sie trug eine von diesen modernen, engen Laufhosen, die Radfahrhosen nicht unähnlich sahen, und tatsächlich ein Lauftrikot in leuchtendem Orange. Okay, gewohnte Reize, das konnte mir nur helfen. Ich konnte jede kleine Hilfe gebrauchen.
Beim letzten Versuch hatte sich mein Körper einfach an meine früheren Möglichkeiten erinnert, ich war dementsprechend losgeschossen und nach kurzer Zeit eingebrochen. Sandra bestimmte das Tempo, und das tat sie gut. Wir fingen wirklich im Jogging-Tempo an, unterhielten uns dabei, ohne dass ich außer Atem kam.
Mir war völlig klar, dass sie sich mir zuliebe total zurücknahm. Sie warf zwischendurch kurz einen Blick auf ihre Puls-Uhr und schmunzelte. Dann zog sie langsam das Tempo an, so graduell, dass ich es erst gar nicht merkte. Irgendwann war es dann plötzlich kein Joggen mehr, sondern hatte richtig was mit Laufen zu tun.
Da hatten wir den Punkt erreicht, von wo aus sie in einem großen Bogen zurücklaufen wollte. Eine wunderschöne Gegend, selbst an so einem herrlichen Abend nur wenige Spaziergänger unterwegs, aber andere Leute, die entweder mit Trekking-Rädern, oder Mountainbikes dort langbürsteten, oder wie wir liefen.
Und eben solche ließen wir immer öfter hinter uns, wir fegten zwar nicht an ihnen vorbei, aber waren schneller unterwegs. Verblüfft bemerkte ich, dass die keineswegs am Joggen waren. Das nebenbei Reden hatte ich zwar einstellen müssen, und ihre angekündigte Hilfe musste ich immer öfter in Anspruch nehmen, nämlich sie vor mir herlaufen zu lassen, aber ich blieb dran.
Gegen Ende der Runde war ich langsam am Ende meiner Kräfte, aber ich hielt eisern durch, auch wenn ich langsam Sternchen sah.
"Siehst du, das ging doch prima", wurde ich auf dem Parkplatz gelobt. "Joggen klappt schon mal. So weit unter Puls 120 war ich auf dem letzten Stück gar nicht mehr."
Nur konnte ich erst einmal nicht antworten, weil ich völlig außer Atem war.
"Alles okay?", kam nach kurzer Zeit ihre besorgte Frage.
"Geht... schon... gleich", kriegte ich mühsam über meine Lippen.
"Komm, wir setzten uns eine Weile ins Gras", schlug sie vor. "Oje, habe ich dich kaputtgemacht? Das wollte ich nicht."
"Brauch nur'n Moment."
Ja, sitzen war gut. Mein Atem beruhigte sich langsam wieder. Auch mein Puls kam langsam runter. Zudem hatte sie ihren Arm um mich geschlungen. Und wartete geduldig, dass ich mich erholte.
"Puh. Das war... nicht ganz so schlimm, wie es mir vorgestellt habe. Dein Verdienst. Nur gegen Ende wurde es bisschen hart", erklärte ich, als sich soweit alles normalisiert hatte.
"Du warst ganz tapfer", meinte sie, und strich zärtlich durch mein verschwitztes Haar. Ihr Blick brachte meinen Puls dann gleich wieder ein bisschen rauf. Der folgende Kuss dann richtig. Wie gerade unser Lauf begann er ruhig, verspielt, sanft. Lernten unsere Zungen sich richtig kennen. Wurde langsam etwas intensiver, unmerklich fast, dann kurz davor, leidenschaftlich zu werden.
Verweilten wir an dieser Grenze, beide jeweils eine Hand bewegungslos auf den Rücken des anderen gelegt. Ich könnte nicht einmal sagen wie lange. Lehnten unsere Köpfe aneinander, als sich unsere Lippen schließlich trennten. Erlebten den Moment in wunderbarer Stille.
Relativer Stille. Der See war noch immer gut besucht, auch wenn jetzt nur noch wenige ins Wasser gingen. Die hier noch rumhingen, hatten andere Dinge im Kopf, kleine Grillpartys, große Gelage, und zwischendrin immer wieder Pärchen, die wie wir vollauf mit dem Ambiente und sich selbst zufrieden waren.
Einige bolzende, und offenbar reichlich angesäuselte, junge Männer verlagerten ihr vermeintliches Spielfeld etwas nervig immer mehr in unsere Richtung. Das schien auch Sandra langsam zu stören.
"Wollen wir langsam? Vielleicht nochmal um den See?"
"Im Ernst? Ob ich jetzt nochmal laufen kann..."
"Hihi, nee, nur spazieren gehen. Vielleicht gar nicht mal um den See, sondern drüben in den Park, hier wird's mir gerade etwas zu laut."
"Das klingt machbar", meinte ich zuversichtlich und wollte aufstehen. Tod und Teufel. Erst einmal blieb es bei dem Willen. Da erreichte mich schon ihre helfende Hand und ein amüsiertes Grinsen.
"Wenn du zu kaputt bist, brauchen wir natürlich nicht", gab sie zu Bedenken.
"Das geht schon. Wahrscheinlich kommen die weichen Knie zu fünfzig Prozent von dem Kuss eben."
"Ja, der war schön. Wie der ganze Tag heute, ein Traum. Ein wunderschöner Traum."
"Dann warte erst einmal die Nacht ab."
"Die für dich wahrscheinlich früh kommen wird, mein tapferer kleiner Held. Aber mit Sicherheit ohne mich. Außer in deinen Träumen vielleicht."
"Da ganz bestimmt."
"Ich hoffe, das ist okay, wenn wir es ruhig angehen lassen?"
"Na ja, bis morgen kann ich mich notfalls noch gedulden. Dann bist du fällig."
"Auch das klingt mir mehr nach einem Trauminhalt."
"Okay, einigen wir uns auf übermorgen."
"Einigen wir uns darauf, wenn wir es beide wollen?"
"Doch jetzt schon?"
"Du hast mir nicht richtig zugehört, es kein Sprint, es ist ein Etappenrennen."
"Ja, das hast du gesagt. Aber hattest du dabei geglaubt, dass wir die erste Etappe heute schon hinter uns bringen?"
"Nein, auf keinen Fall. Du hast Recht. Übermorgen klingt durchaus realistisch."
"Oho. Das klingt vielversprechend."
"Jetzt mal ernst: Ist es okay, wenn wir uns Zeit lassen?"
"Natürlich. Ich habe mein ganzes Leben auf dich gewartet, ohne zu wissen, dass es dich überhaupt gibt. So fühlt es sich jedenfalls an. Was, wann, wie passiert, ist völlig bedeutungslos. Nur los wirst du mich jetzt nicht mehr."
"Ja, genauso fühlt es sich an", sagte sie ganz leise und schlang ihren Arm um meine Hüfte. "Und außerdem..."
"Und außerdem?"
"Du bist gestern deinen weißen Wal hochgefahren, bist heute Morgen geschwommen, heute Abend gelaufen, das ist schon eine beeindruckende Leistung. Jetzt brauchst du das ganze dir nur auf wenige Stunden komprimiert vorstellen..."
"Dann habe ich einen Triathlon, klar."
"Nein, dann hast du in etwa, was dir in einer Nacht mit mir bevorsteht."
~~~
Wir verabredeten uns für den folgenden Tag zum Essengehen. Eigentlich war der Sonntag in meinem Trainingsplan der Ruhetag gewesen, aber die am Montag vorgesehenen zwei Stunden moderates Rollen fand ich ausreichend durch den Lauf am Vortag kompensiert. Ich hatte zudem einen ganz schön heftigen Muskelkater, man sollte gar nicht glauben, wie unterschiedlich die Beinmuskulatur von Laufen und Radfahren beansprucht wird.
Sollte ich mir vielleicht einen Trainingsplan für andere Dinge machen, damit ich die von ihr angesprochene Belastung aushielt? Sie hatte mich tatsächlich sprachlos gemacht. Und ich hatte in der Folge nicht herausfinden können, ob sie da einen Scherz gemacht hatte, oder nicht.
Sie hatte ihren Ruhetag, also war es der erste Tag, beziehungsweise das erste Treffen, das keinen sportlichen Hintergrund hatte. Es fiel mir schwer, mich bei der Arbeit auf den Text zu konzentrieren, den ich vom Deutschen ins Französische übersetzte. Den ganzen Tag hatte ich das Gefühl, mich selbst kneifen zu müssen, um sicherzustellen, dass ich nicht doch alles nur geträumt hatte.
Ihre WhatsApp-Nachricht vom Mittag, wo sie mit Küsschen und Herzchen nur kurz schrieb, dass sie sich auf den Abend freute, war allerdings schon eine gewisse Rückversicherung. Und sie erhielt eine entsprechende Antwort. Verabredet hatten wir uns zum Essen in einer Kneipe in der Innenstadt, wo man auch essen konnte.
Was heißt auch essen, der Bekannte von mir, der dort Chefkoch war, war ein begnadeter Künstler, der neben einigen deutschen Standardgerichten auch feinste französische Küche anbot. Er hatte zuvor in einigen hochklassigen Restaurants gearbeitet, aber zog diese weit weniger stressige Beschäftigung in seinem Heimatort exotischen Lokalitäten und industrieller Arbeitsteilung in Großküchen vor.
Das Essen war tatsächlich wieder göttlich, verblasste aber neben dem Anblick meiner neuen Freundin, die ihr leicht lockiges Haar offen trug, und auch durch das leichte Sommerkleid völlig verwandelt wirkte. Nur beim Verlassen des Schwimmbads hatte ich sie kurz in Shorts und einem Spaghetti-Träger Top gesehen, sonst immer nur in Sportklamotten.
Zu meiner Freude hatte sie keinerlei Bedenken, Wein zu trinken, denn es gab einige Freizeitsportler, von Leistungssportlern inspiriert, die sich da einer in meinen Augen unangemessener Askese unterwarfen.
"Du hast nicht übertrieben, das schmeckt ganz hervorragend. Wirklich deliziös. Und das Fleisch zergeht richtig auf der Zunge. Mmh."
Das konnte sie später auch dem Koch selbst mitteilen, der sich kurz an unserem Tisch begab, um mich zu begrüßen. Und sich natürlich seine Komplimente abzuholen.
"Was lächelst du so still in dich hinein?"
"Ich erinnerte mich daran, wie deliziös ich gestern deine Zunge empfand. Außerdem bin ich noch immer fassungslos, hier mit dir zu sitzen. Und in deinen Augen genau das zu lesen, was ich selbst empfinde. Ganz frei von der Angst, das entweder alles nur geträumt zu haben, oder dass du es unter einer momentanen Verwirrung abtust und unser Date absagst, war ich nicht."
"Keine Bange, meine deliziöse Zunge bleibt dir erhalten. Und sehnt sich nach deiner, nebenbei. Wir sollten im Anschluss spazieren gehen. Und knutschen. Wenn du Lust hast, heißt das."
"Lust... oh ja. Davon habe ich mehr als genug. Du siehst nebenbei umwerfend aus. So umwerfend, dass ich dringend empfehle, unseren Spaziergang nicht in zu einsame Gegenden zu verlagern. Wenn du weiterhin an deinem Etappen-Plan festhalten möchtest, meine ich."
"Vor allem möchte ich dich festhalten. Und nicht mehr loslassen."
"Vielleicht sollten wir das Thema wechseln, sonst wird es mir schwerfallen, das Essen nicht runter zu schlingen, damit wir dazu möglichst bald Gelegenheit haben. Was wirst du morgen trainieren?"
"Morgens eine kurze Runde laufen, und abends aufs Rad. Intervalltraining, nicht zu intensiv, aber schon mit Belastungsspitzen. So gerne ich auch mit dir gemeinsam fahren würde, das geht glaube ich leider nicht so gut zu zweit. Sonst würde ich anbieten, das zusammen zu machen. Donnerstag würde das gehen, da fahre ich nur wieder eine ruhige Runde, dann auch nicht auf dem Zeitfahrrad."
"Stimmt, das würde mit meinem für morgen vorgesehenem Bergtraining kollidieren. Vielleicht sollten wir unsere Trainingspläne in Zukunft abstimmen."
"Können wir gerne machen, ich bin da eigentlich sehr flexibel und fahre gar nicht mehr so strikt nach Plan, nur vor Wettkämpfen halte ich mich an ein bestimmtes, für mich optimales Muster. Hast du eigentlich heute Muskelkater?"
"Ja, mehr vom Laufen, so intensiv war die Schwimmstunde trotz der ungewohnten Armzüge ja nicht. Aber es war schon ein tolles Gefühl... es kann sehr gut sein, dass deine Lockungen erfolgreich sind. Alle, meine ich. Dann muss ich meinen Trainingsplan ja wohl ohnehin um zwei Disziplinen erweitern."
"Drei", kam die Ansage, die mir eine Hitzewelle bescherte. "Obwohl die dritte auf Plänen nichts zu suchen hat."
"Huh... ja, mach mich nur heiß. Dann nützt dir nachher wahrscheinlich nicht mal die Öffentlichkeit was."
"Vorsicht. Als Polizistin beherrsche ich selbstverständlich einige Kampfsportarten. Es würde mir ausgesprochen leidtun, dir körperliche Verweise erteilen zu müssen. Was Anderes: Wie viele Rennen hast du in diesem Jahr noch auf dem Programm?"
"Nur noch das in drei Wochen, ein Bergzeitfahren in Nordhessen. Mein allererstes übrigens. Wahrscheinlich werde ich ganz schön alt aussehen, aber das macht nichts. Ich freue mich total drauf. Und du?"
"Für mich ist Kiel der Abschluss. Mein Saisonhöhepunkt war auf den Juni abgestimmt, da waren zwei für mich wichtigere Rennen. Obwohl... eigentlich wurde der ganz ungeplant das Rennen in Braunschweig. Aus bekannten Gründen. Na, zu deinem Bergzeitfahren möchte ich dann auch mit. Nicht starten, aber mich für deine Unterstützung revanchieren."
"Das lässt sich sicher arrangieren. Dann würdest du gleich Uwe, meinen besten Freund kennenlernen. Der hat damals mein Rad gehalten, als du mir in die Arme gesprungen bist. Wahrscheinlich hast du ihn aber nicht bemerkt."
"Nein, natürlich nicht. Gerade noch so, dass du da nicht alleine stehst. Finde ich aber toll, dass deine Freunde zu deinen Rennen mitkommen."
"Er fährt mich meist hin, wo ich nicht alleine hinkann, oder mit dem Zug fahre, was eher selten vorkommt. Ich habe keinen Führerschein."
"Du Schlingel, abgeben müssen?"
"Nein, nie gemacht. Brauchte ich irgendwie nie. Ich hab's auch nie bedauert, nur jetzt manchmal, wenn es bei ihm zeitlich nicht passt. Oder für Sonntag, sonst hätte ich dir die zusätzliche Anstrengung der Anreise ersparen können."
"Das bin ich gewohnt, ich bin eigentlich viel alleine unterwegs. In Braunschweig waren allerdings auch bei mir etliche Freunde und Verwandte da, ich komme ursprünglich daher. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich mich das macht, dass es die Perspektive gibt, das alles mit jemandem teilen zu können."
"Dito. Und mehr als nur eine Perspektive. Eine Gewissheit. Stell dich drauf ein. Möchtest du noch ein Dessert? Ah, da kommt Peter, der Chefkoch, persönlich. Den können wir gleich anhauen, was er empfiehlt."
Der sich wie erwähnt seine Komplimente abholte, Sandra einige machte, und uns die gewünschte Empfehlung gab. So köstlich das Dessert auch war, uns war beiden anzusehen, dass uns mehr der Sinn nach anderen Köstlichkeiten stand.
Das Schöne an meiner Heimatstadt ist, dass man selbst von der Innenstadt aus mit zehn, fünfzehn Minuten Fußmarsch im Grünen ist. Wo wir uns nach kurzer Zeit an einem kleinen Teich auf eine Bank setzten, und nun endlich mit dem von beiden so ersehnten Knutschen beginnen konnten. Und nicht mehr aufhören.
Unsere einzigen Zuschauer einige Enten, die nach dem Ausbleiben der erhofften Fütterung allerdings nach kurzer Zeit enttäuscht abzogen. Wir waren also unter uns. Am Anfang waren unsere Küsse nur zärtlich. Wunderschönes, ruhiges Versinken in ihre Nähe, sanftes Streicheln unsere Gesichter, das uns beide in Verzückung brachte, dann Händchenhalten und Streicheln derselben.
Erinnerungen an meine ersten Liebschaften als Jugendlicher tauchten auf, die vielleicht nicht auf dieser, aber anderen Bänken in der Nähe ganz ähnlich abgelaufen waren. Vielleicht sogar mit etwas höherer Intensität, wohin nun unsere Küsse langsam schwenkten. Leidenschaftlicher wurden, meine Hand ganz automatisch an ihre Brust glitt. Was noch toleriert wurde.
Auch mein sanftes Streicheln ihrer weichen nackten Schenkel. Bis meine Hand langsam höher rutschte. Sie löste den Kuss, und grinste mich gelassen an.
"Bis hierhin und nicht weiter."
"Sicher?"
"Nein, und genau darum."
"Wir sind allein. Ich glaube, die Enten stört es nicht."
"Darum geht es nicht. Ich mag es nicht, wenn man etwas anfängt, was man nicht zu Ende bringen kann."
"Das verstehe ich. Aber ich glaube schon, dass ich das zu Ende bringen kann. Nur wenn du willst. Ganz frei und unverbindlich. Das heißt, du brauchst dich nicht zu revanchieren."
"Ach so? Ich weiß nicht..."
"Vertrau mir. Oder hau mir auf die Finger, wenn's doch zu frech wird, oder du denkst, es könnte nicht zum Erfolg führen."
"So ein Schlimmling. Komm her du", bekam ich ihr indirektes Einverständnis, und ihre Lippen zurück.
Keinen Widerstand, als meine Hand langsam an der Innenseite höher wanderte. Ein leichtes Aufstöhnen, als meine Finger zunächst nur über den seidigen Stoff ihres Slips hauchten. Unser Kuss erreichte zeitgleich den Punkt, wo es leidenschaftlich wurde.
Wieder ein leises Aufstöhnen, als ich nun das Zentrum ihrer Weiblichkeit richtig, aber noch über dem Stoff, anging. Ich löste mich kurz von ihren Lippen, um mir das letzte Einverständnis zu holen. Ihr Gesichtsausdruck war ein eindeutiges Ja. Sie schloss die Augen, als meine Hand nun in ihren winzigen Slip eindrang, und an ihrer feuchten Spalte rieb. Den Mund halb geöffnet, dem ich mich nun wieder küssend widmete.
Den Kuss der Manipulation meiner Hand an ihrem Wonneknopf anpasste, erst langsam begann, dann etwas schneller und ausgeprägter rieb, und mit der Fingerkuppe geduldig kreiselnd verwöhnte. Ich wollte sie nicht treiben, nicht hetzen, einfach nur die Steigerung ihrer Lust von selbst beginnen sehen.
Ihre Hände fuhren unablässig über meinen Rücken, stoppten nur manchmal kurz, um sich an meinem Poloshirt festzukrallen. Es war bald zu spüren, dass sie so erregt war, dass nur noch ein leichtes Umschalten zum Höhepunkt führen würde. Ich wollte sehen, wie sie kommt, wollte dieses Abbild der Verzückung und Auflösung in mich aufsaugen, dieses erste Gipfelerlebnis, das sie durch mich erlebte.
Löste meine Lippen daher von ihr, versank in ihre Augen, versuchte in meinen Blick meine ganzen Gefühle für sie hineinzulegen. Sie biss sich auf die Lippen, um ihr Stöhnen zu unterdrücken, aber leise und in der Frequenz zunehmende Laute stiegen doch in ihr auf.
Ihre Hände verkrallten sich dann diesmal hart in meinen Rücken, als ihr Körper zuckte und zitterte, während sie vom Apex durchgeschüttelt wurde. Ich ließ ihr die Zeit, sich davon zu erholen und küsste sie dann zärtlich. Sie schmiegte sich an mich, und wir saßen eine Weile einfach nur still da.
"Und... war der Schlimmling denn so schlimm?", fragte ich sie, als ihr Gesichtsausdruck wieder von verzückt auf grinsend geschwenkt war.
"Nein, der Schlimmling hat mich wunderbar in den Himmel und zurück gebracht. Nur... dauert es bei mir normalerweise länger, bis ich diesen Grad von Intimität erlaube, oder mich überhaupt gedanklich und emotional auf so etwas einstellen kann. Wie alles mit dir passiert das unfassbar schnell."
"Dabei habe ich mir Zeit gelassen."
"Eh, das meine ich nicht. Kann es sein... ich meine... das fühlte sich sehr routiniert an..."
"Bedank dich bei meiner Ex-Frau. Sie war nur auf diese Weise und durch Verkehr zu befriedigen. Alles andere mochte sie auch, aber es führte nicht zum Ziel."
"Mein Mann hat das eigentlich nie bei mir probiert. Andere Sachen schon."
"Wollen wir noch ein wenig weiter spazieren?"
"Soll ich nicht..."
"Nein, lass ruhig. Ich wollte nur dich ans Ziel bringen. Du musst dich niemals zu irgendetwas verpflichtet fühlen. Außerdem reagiere ich auf die Bedürfnisse meiner Partnerinnen. Egal, ob sie ihnen selbst schon bewusst sind, oder nicht."
Der folgende Kuss war Dankbarkeit, das fühlte ich genau. Auch wenn sie sich zum Zulassen durchgerungen hatte, war sie weiterhin noch nicht soweit, selbst diese Schwelle zu überschreiten. Wäre es für sie noch zu viel gewesen, bei mir Hand anzulegen.
"Warst du eigentlich schon mit vielen Frauen zusammen?"
Wir schlenderten durch den Park, und genossen die relative Stille und Friedlichkeit, die wir dort antrafen.
"Nun... was Beziehungen angeht nicht. Meine Frau war meine zweite große Liebe, jetzt als Erwachsener zumindest. Danach... gab es eine Phase, wo ich meinte, mir Befriedigung außerhalb von Beziehungen verschaffen zu können und müssen."
"Im Ernst? Kleiner Casanova, so hätte ich dich nicht eingeschätzt."
"Da hast du falsche Vorstellungen, es waren Kontakte über eine Sex-Seite. Keine Eroberungen."
"Ach so. Verstehe. Das könnte ich nicht."
"War am Ende auch nichts meins. Am Anfang relativ aufregend, dann immer unbefriedigender. Nicht, was ich wirklich wollte."
"Es sei dir verziehen. Du wusstest ja noch nicht einmal, dass es mich gibt."
"Ja, dich habe ich immer gewollt. Und werde dich immer wollen. Tu mir den Gefallen, und bleib immer bei mir."
Sie stoppte mich, schlang ihre Arme um mich und drückte mich ganz fest an sich.
"Den Gefallen tue ich dir gern."
Wir küssten uns lange, bevor wir weiterliefen. Es dauerte eine ganze Weile, bevor sie wieder das Wort an mich richtete.
"Sag mal, vorhin, auf der Bank... warst du da auch erregt?"
"Schon, ein bisschen auf jeden Fall. Das bin ich eigentlich immer leicht, wenn ich mit dir zusammen bin."
"Und trotzdem..."
"Du bist noch nicht soweit. Das akzeptiere ich. Mach dir keine Gedanken. Fühle dich jetzt bloß nicht unter Druck gesetzt, oder so."
"Ich möchte aber auch, dass du das verstehst. Mein Mann war vor seinem Unfall, wie soll ich das sagen... er brauchte sehr viel Sex. Eigentlich täglich. Mindestens einmal. Und so sehr ich auch wirklich drauf einsteige, wenn ich das selbst will, das war mir oft zu viel. Verstehst du?"
"Jeden Tag ist allerdings etwas extrem", entgegnete ich, und schluckte den Halbsatz "aber mit dir verständlich" herunter, denn sie wollte nicht witzeln, sondern mir etwas anvertrauen.
"Wir haben natürlich nicht jeden Tag miteinander geschlafen. Ich... ich habe ihn halt oral befriedigt, oder mit der Hand. Das war für ihn auch okay... solange ich meinen "ehelichen Pflichten" nachkam, wie er das ausdrückte."
Auch dazu lag mir eine Entgegnung auf der Zunge, die herunterschluckte, weil ich erahnte, was sie jetzt sagen würde.
"Das sah ich zwar anders, aber ich habe ihn geliebt. Er hat das gebraucht, also war ich für ihn da. Auch wenn ich mich dabei manchmal... richtig benutzt fühlte."
"Das kann ich verstehen. Beides, meine ich. Warum du es getan hast, und wie du dich dabei gefühlt hast."
"Als er seinen Unfall hatte... es war ein Autounfall... er war danach querschnittgelähmt und hatte unterhalb der Hüfte kein Gefühl mehr... das muss jetzt furchtbar klingen... war ich irgendwie fast erleichtert."
"Nein, ich verstehe. Aber, wie ist er daran gestorben? Du sagtest, du hättest ihn danach gepflegt?"
"Er hat sich das Leben genommen. Er konnte nicht damit leben, ein "Krüppel" zu sein, wie er das empfand. Ein halber Mann. Er war in psychologischer Betreuung, weil ich natürlich merkte, wie sehr er litt. Mir gegenüber hat er aber nie gesagt, wie schlimm es wirklich war. Hat kaum noch etwas gesagt. Oft nur Stunden vor sich hin, oder auf den Fernseher gestarrt. Und an einem Morgen... lag er... tot im Bett. Hatte mit Schlaftabletten sein ihm unerträgliches Leid beendet."
"Oh Gott, das muss furchtbar für dich gewesen sein. Und Charly."
"Ja. In uns beiden ist etwas zerbrochen. Ich glaube, viel von dem, was Charly jetzt so abzieht, hängt damit immer noch zusammen. Sie will nicht darüber reden. Ich darf nicht mal seinen Namen erwähnen, sonst verlässt sie einfach den Raum. Ich selbst... habe den Schock überwunden. Und die Wunde, die es schlug, ist zwar noch da, aber ich fühle sie nicht mehr oft."
"Komm wir setzen uns hier noch ein bisschen. Du zitterst ja richtig."
Ich hielt sie einfach nur fest, wartete, bis sie die Erinnerung an den Schmerz loslassen konnte. Bis sie wieder in die Gegenwart zurückkehrte.
"Das habe ich noch niemandem erzählt. Nicht einmal meiner Mutter, meiner Schwester, oder meiner besten Freundin. Aber du musst wissen, warum ich bin wie ich bin."
"Du kannst mir alles erzählen, alles, hörst du? Du brauchst dich vor mir nicht verstecken."
"Das fühle ich. Das weiß ich. Wie kann das sein? Nach der kurzen Zeit?"
"Weil wir wissen, dass wir zusammengehören. Das klingt alles total pathetisch, nicht wahr? Wie aus einem schlechten Liebesroman. Aber genau so fühlt es sich für mich an, ist da nicht nur diese Ahnung, sondern eine Art Wissen, eine Ruhe, ein Vertrauen, eine Selbstverständlichkeit, wie ich sie noch niemals mit einem anderen Menschen gefühlt habe."
"Ja, sag weiter schöne pathetische Sachen. Weil du sie meinst, weil ich dir glaube. An dich glaube, an uns, an unsere Zukunft. Dieses... Wissen, genauso ist es bei mir auch."
"Gut. Aber wir kennen uns wirklich noch nicht gut. Es würde mich wundern, wenn wir nicht auch Punkte haben, wo wir nicht übereinstimmen, oder anderer Meinung sind. Uns reiben werden. Ich habe so einige Macken und kann manchmal ein ganz hübscher Idiot sein. Ich stelle mir auch keine heile Welt mit dir vor, denn die gibt es nicht. Nur eine schönere, seitdem du in ihr bist."
"Das hast du schön gesagt. Morgen wird es wie gesagt mit dem gemeinsamen Training nichts. Aber ich möchte dich unbedingt sehen. Möchte, dass du meine Welt erlebst. Würdest du es schaffen, um fünf zum Essen zu mir zu kommen?"
"Das sollte ohne weiteres möglich sein. Du möchtest, dass ich Charly kennenlerne, nicht wahr?"
"Ja. Es ist wichtig. Mir wirklich ganz wichtig."
"Ist klar. Ja, gerne, natürlich. Es könnte etwas einfacher werden, wenn du mir verrätst, wo du wohnst."
"Jetzt, wo du's sagst. Ich brauche es dir gar nicht sagen. Wir laufen gerade genau dorthin."
Tatsächlich hatte sie unmerklich die Richtung bestimmt. Als wir den Park verließen, waren es gerade noch zwanzig Meter zu ihrem Haus.
"Zweiter Stock links, mein Nachname ist..."
"Mir selbstverständlich bekannt. War er tatsächlich schon, als wir uns am Samstag begegnet sind. Ich habe mir natürlich die Ergebnisliste angeschaut, um zu erfahren, mit wem ich da dieses irre Erlebnis hatte."
"So, so. An dir ist ein Kriminalist verloren gegangen. Wenn du mal an einen Karrierewechsel denkst, es gibt hier eine Fachhochschule mit hervorragenden Dozentinnen, die ich dir empfehlen kann."
"Es gibt Lockungen, den kann ich gerade noch so widerstehen. Ansonsten bei dir nicht vielen. Wie du ja erfahren musstest."
"Musste ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck..."
"Das freut mich zu hören. Na dann schlaf schön, träum süß und ich freue mich auf das Essen mit dir und deinem Töchterchen morgen."
~~~
Das war also Charly. Von Sandra war ich erfreut mit einem langen Kuss begrüßt worden, trotzdem ich deutlich zu früh dran war. Ich wurde bis zum Essen in das Wohnzimmer verfrachtet, wo ich es mir auf dem gemütlichen Sessel der Couchgarnitur bequem machte, und Charly auf dem großen Sofa vorfand.
Die bei meinem Eintritt und Sandras Vorstellung kurz von ihrem Smartphone aufblickte, nickte, und dann weiter mit rasenden Daumen ihre virtuelle Tastatur bearbeitete. Die Ähnlichkeit war frappierend, blondes Haar, allerdings glatt, was sie genau wie ihre Mutter zum Pferdeschwanz zusammengebunden trug, Sommersprossen und die kleine Stupsnase.
Ebenfalls sehr schlank, an der Grenze zu dürr, wie durch die knappe kurze Jeans und bauchfrei-Top ersichtlich wurde. Ein paar Tätowierungen an der Schulter, am Brustansatz und an ihrer Wade, als deutliche Unterscheidungsmerkmale. Wie der finstere, verschlossene Blick, der, so vermutete ich mal, nach Sandras Erzählungen nichts mit mir zu tun hatte.
Ich sah keinerlei Veranlassung, sie bei ihrer Tätigkeit zu stören und sah mich stattdessen im Wohnzimmer ein wenig um. Sah ein Hochzeitsbild von Sandra und ihrem Mann, dessen Namen ich bisher noch nicht gehört hatte, wie mir in diesem Moment auffiel. Ein großer, kräftiger Mann mit Vollbart, mehr als ein Kopf größer als sie und damit auch ich.
Das Zimmer wirkte sehr gemütlich und verspielt, sehr lebendig, wofür sicherlich die zahlreichen Grünpflanzen und Blumen sorgten, die sich im ganzen Raum verteilt fanden. Eine riesengroße Yucca-Palme in einer Ecke. Ein kleines Aquarium mit bunten kleinen Fischen, die mich für einen Moment faszinierten. Dann glitt mein Blick auf die Tochter meiner Geliebten zurück.
Die auch weiterhin nichts Anderes, als ihr Chat, oder was auch immer sie da tat, zu interessieren schien. Eine Generation, mit der ich wenig bis keinen Kontakt hatte, und deren veränderten, oder erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten, wie soziale Medien und so weiter, fremd und bis zu einem gewissen Grade auch unverständlich erschienen.
"Was glotzt du so?", kam schließlich ihre Frage, mit der sie zumindest meine Anwesenheit erstmals bestätigte, aufgrund des genervten Tonfalls allerdings nicht unbedingt auf positive Art und Weise.
"Oh, ich habe nur gerade gedacht, wie sehr sich mein junges Erwachsenenalter von deinem unterscheidet, mit den Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten, die ihr heutzutage habt."
Sie krauste die Stirn und tippte weiter, seufzte schließlich und sah zum ersten Mal seit bestimmt zehn Minuten auf. Musterte mich mit verkniffenen Lippen. Und schien nun halbwegs bereit, ein Gespräch über sich ergehen zu lassen.
"Wir brauchen uns nicht zu unterhalten", bot ich ihr an. "Ist eine komische Situation, nicht wahr? Wie es aussieht, werde ich hier kein seltener Gast sein. Früher oder später wird sich ein Gespräch ergeben. Wann immer du Zeit, und vor allem Bock drauf hast."
Wieder krauste sich ihre Stirn, dann kehrte ihr Blick auf das Smartphone zurück, wo sie diesmal aber offenbar nur las.
"Mir egal", meinte sie jedoch nach einer Weile. "Du bist der Rad-Fuzzi, von dem sie mir täglich die Ohren vollsülzt. Und sie anscheinend mittlerweile vögelt, ihrem Dauergrinsen nach zu urteilen. Das reicht mir als Info für den Moment. Wenn du was wissen willst, frag."
"Noch nicht. Vögelt, meine ich. Was sich aber hoffentlich bald ändern wird. Gehst du noch zur Schule, oder machst du schon eine Ausbildung?"
"Ausbildung. Altenpflege."
"Doch wohl hoffentlich nicht bei Markmann?"
Jetzt sah sie verblüfft auf.
"Doch, genau. Woher kennst du das Heim? Sag nicht, du hast da deine Alten hin verfrachtet. Dann wärst du bei mir schon unten durch."
"Meine Ex-Frau hat da früher mal drei Jahre gearbeitet, aber das war natürlich lange vor deiner Zeit. Wenn sich da allerdings nichts Gravierendes geändert hat, würde ich sagen: Mein Beileid."
Zum ersten Mal huschte so etwas wie ein Ansatz zum Lächeln über ihr hübsches Gesicht.
"Danke. Ist immer noch ein Schweineladen. Ich war einfach blöd, hab mich da nur beworben, weil es so nah dran ist."
"Lass dich nicht verheizen. Kommst jetzt ins zweite Jahr?"
"Genau. Hab schon überlegt, ob ich woanders weitermache. Kannst dir ja vorstellen, warum."
Das angesprochene Heim hatte unter allen privaten den schlechtesten Ruf, war bereits mehrfach wegen kleinere und größerer Skandale in der Zeitung gewesen. Wobei ich natürlich durch meine geschiedene Frau noch mehr Hintergrundinformationen hatte. Ich wusste also genau, wovon sie sprach.
"Mach das. Lad dir nicht unnötig noch zusätzlich Probleme auf, wo du sicher genug andere hast."
"Was meinst du?"
"Na, wenn sich da nicht ebenfalls Gravierendes getan hat, wirst du sicher gerade mit dem Gefälle emotionaler Reife zu deinen männlichen Altersgenossen zu kämpfen haben. Vor allem, da es mittlerweile um echte Beziehungen geht."
"Bist du so'n Psycho-Fuzzi?"
"Nö, Übersetzer, übersetze tatsächlich manchmal psychologische Texte, aber das Wissen stammt aus eigener Erfahrung. Beziehungsweise war ich in dem Alter der Kummerkasten vieler Mädchen und junger Frauen, die sich bei mir Übersetzungen des Verhaltens ihrer Freunde abgeholt haben. Fing schon so mit sechzehn, siebzehn an, als einige mitbekamen, dass man sich mit mir offen und gefahrlos unterhalten konnte."
"Gefahrlos?"
"Na ja, eher folgenlos, was mich anging. Ich kriegte zwar immer wieder zu hören, dass sie sich wünschten, ihre Freunde wären mehr wie ich, aber auf die Idee es vielleicht einfach mal mit mir zu probieren, kamen sie natürlich nicht. Ich habe es aber nicht gemacht, um an sie ranzukommen, mir einen Einblick in die weibliche Psyche zu verschaffen, oder so. Es ergab sich einfach so. Und nahm zum Teil irre Formen an. Mit einer ging ich zum Frauenarzt mit, als sie sich die Pille verschreiben lassen wollte, aber sich alleine irgendwie nicht traute. Also konnte sich mein Freund drüber freuen, sie gedankenlos knallen zu können, ohne irgendwelche Beiträge seinerseits. Und ich mich nur über ihr Vertrauen, ein schönes Gefühl, sicher, aber auch nicht abendfüllend."
"Du bist ja'n irrer Vogel", kam ihre grinsende Replik, nachdem einmal kurz aufgelacht hatte. Und in dem Moment ihre Mutter, die das verblüfft bemerkte.
"So, ihr zwei. Essen. Ihr habt euch anscheinend richtig gut unterhalten?", musste sie gleich ansetzen, als wir uns am Küchentisch absetzten.
Bekam ein grinsendes Nicken von ihrer Tochter, und ein gelassenes Schulterzucken von mir. Innerlich freute ich mich total, dass zumindest das Eis gebrochen schien. Der Eindruck verstärkte sich, denn das Essen samt Unterhaltung war locker und lustig, von allen Beteiligten so geführt. Nebenbei köstlich.
"Kiel?"
"Ja, mein Wettkampf am Sonntag, hast du das schon wieder vergessen?", wurde Charlotte milde gerügt. "Im Gegensatz zu manch anderen will Frank es sich nicht nehmen lassen, mich dort zu unterstützen, auch wenn das mit viel Langeweile für ihn verbunden sein wird."
Wenn sie vorher bereits verblüfft, aber sichtlich erfreut über die mirakulöse Wandlung ihrer Tochter gewesen war, hob deren nächste Frage ihre Welt offenbar völlig aus den Angeln.
"Ich hab Sonntag keinen Dienst. Kann ich mit?"
Sandras Unterkiefer ging runter und sie starrte ihre Tochter völlig konsterniert einfach nur an. Ich wechselte einen schnellen Blick mit Charly, dann kicherten wir beide gleichzeitig albern los.
"Ich glaube, dieser Ausdruck der Verblüffung ist als klares Ja zu werten", bot ich Charly erstmals meine Übersetzerdienste an.
"Ja, natürlich mein Schatz, ja. Das ist wunderbar. Dann könnt ihr euch gleich besser kennenlernen", kriegte sie dann aber schnell die Kurve. Und wohl zumindest einen Teil des Hintergrunds dieser Eröffnung richtig eingeordnet.
Mir war klar, dass es um mehr ging. Das hatte ich mit meiner kleinen Anekdote bewirkt, ohne dass wirklich gewollt zu haben. Was auch immer sie bedrückte, sie konnte es offenbar weder ihrer Mutter, noch ihren Freundinnen mitteilen. Ob sie wirklich schon plante, das mir gegenüber anzubringen, oder einfach nur zu schauen, ob und wie sie mit mir reden konnte, war noch nicht abzuschätzen.
Aber dass ich sie verstanden hatte, signalisierte ich mit einem kurzen Blick, wie auch meine Bereitschaft dazu mit einem angedeuteten Nicken. Wir saßen noch eine ganze Weile länger am Tisch, und ich durfte die einen oder anderen Schwank aus meiner Jugend loswerden, bevor ich mich, viel später als geplant, verabschiedete.
"Was hast du denn mit meiner Tochter gemacht?", fragte sie mich noch an der Tür.
"Gar nichts. Einfach nur gezeigt, dass sie mit mir reden kann, wenn sie das will. Ist doch prima, dass sie mit nach Kiel will."
"Das ist mehr als nur prima. Weißt du wie lange ich mir das schon gewünscht habe? Dass sie überhaupt mal Interesse an mir und meinem Leben zeigt? Auch wenn das jetzt wohl mehr mit dir zu tun hat, ist mir völlig wurscht", gab sie bekannt und mir einen langen Kuss. "Und noch was: Weißt du, wann ich sie das letzte Mal so laut und fröhlich lachen gesehen hab?"
"Ich kann es mir denken. Wir telefonieren heute Abend nochmal, okay?"
Ich brauchte die Zeit, um über die so ungewöhnlich, wenn auch sehr erfreulich verlaufene Begegnung mit Charly nachzudenken. Beim Warmrollen hatte ich mehr als genug Zeit dazu. Ich beschloss, Sandra zunächst nichts von meinen Vermutungen zu erzählen. Weil es durchaus auch sein konnte, dass mir ihre Tochter etwas sagen wollte, was sie nicht wissen durfte.
Wenn ich mich vorher schon durch Andeutungen Sandra gegenüber in Erklärungsnotstand begab, war es nur ein kleiner Schritt aus der Neutralität meiner Position heraus, die dann von Charlotte wieder als Bruch des vorgeleisteten Vertrauens empfunden werden konnte. Eigentlich hatte ich mit meinem Satz beim Abschied mehr als genug angedeutet.
Und hoffte, dass Sandra nicht nachbohren würde. Aber jetzt näherte ich mich dem imaginären Startpunkt der langgezogenen Steigung, die ich viermal an diesem Abend volle Kanne rauffahren wollte. Und ab davor. Ohne Fleiß keinen Preis.
~~~
"Sie ist richtig eingeschlafen", bemerkte Sandra nach einem längeren Blick in den Rückspiegel. "Am Wochenende schläft sie sonst immer bis in die Puppen, wenn sie nicht arbeiten muss."
"Kein Wunder, Altenpflege ist hart, körperlich hart, vor allem, wenn man noch nicht alle Griffe und Techniken beherrscht, die einem später dann das Leben erleichtern."
"Das hat sie dir erzählt? Ihr wart doch kaum zwanzig Minuten allein. Ich kann das immer noch nicht begreifen, wie ihr euch so blitzschnell angefreundet habt."
"Das war einfach. Meine Ex-Frau hat zufällig in demselben Altenheim gearbeitet, wo sie jetzt ihre Ausbildung macht. Das hatten wir herausgefunden."
"Hat? Also ist sie da nicht mehr?"
"Nein, sie war auch nur Pflegehelferin, war drei Jahre da, und sich dann überlegt, was sie wirklich machen will. Ursprünglich wollte sie Erzieherin werden, aber hat das verluscht. Die hatten damals ein Praxisjahr vorweg, und sie hatte sich nicht rechtzeitig bei der anschließenden Schule angemeldet. Hat dann einfach ein Jahr drangehängt, und danach keinen Bock mehr gehabt."
"Was macht sie jetzt?"
"Gartenbau und Landschaftspflege. Also völlig die Richtung gewechselt. War wohl ebenfalls sehr hart am Anfang, körperlich meine ich, aber jetzt geht es ihr richtig gut dabei."
"Seht ihr euch noch öfter?"
"Immer seltener. Sie wohnt auch in Hannover jetzt."
Auf der Rückbank fing Charlotte an leise zu schnarchen. Wir sahen uns schmunzelnd an.
"Sie ist total niedlich. Dir nebenbei wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur deine lockigen Haare hat sie wohl nicht geerbt."
"Doch, hat sie. Nur glättet sie die, weil das heutzutage nicht mehr "in" ist."
"Kann ich nicht verstehen. Dir stehen die leichten Löckchen auf jeden Fall total gut. Hehe, und das nachdem sich Millionen von Frauen über Jahrzehnte unter Trockenhauben garkochen ließen, um Locken zu bekommen."
"Danke dir. Sie hat dich schon total gern, nebenbei. Das hätte ich mir nie träumen lassen, dass sie so positiv reagieren würde."
"Das beruht auf Gegenseitigkeit."
"Liebst du sie noch?"
"Charly? Ehm..."
"Quatschkopp, deine Ex-Frau natürlich."
"Karen, ja, natürlich. Aber nicht mehr auf demselben Niveau, jetzt mehr wie eine Schwester, oder gute Freundin. Um die ich besorgt bin, wenn es ihr nicht gut geht, mich freue, wenn sie glücklich ist. Wir hatten eine wirklich schöne Zeit, und sind nicht im Streit auseinandergegangen. Wir haben uns hinterher anfänglich öfter getroffen, und stundenlang gequatscht. So, wie unsere Beziehung mal anfing. Aber wenn du wissen möchtest, ob da die Möglichkeit der Wiedervereinigung im Raum steht... nein. Ein klares Nein."
"Darf ich fragen..."
"Woran die Ehe kaputt gegangen ist? Natürlich, das ist allerdings eine längere Geschichte."
"Du hast noch 150 km Zeit."
"Also gut..."
Ich erzählte ihr die ganze Litanei wirklich ziemlich ausführlich. Erst gegen Ende wurde Charlotte wieder wach.
"Sex. Dadurch. Sie hatte mir erzählt...", hatte ich gerade auf eine Frage von Sandra reagiert, als sie ihre schlaftrunkene Tochter aufrichtete und räkelte.
"Na schau mal, wer da wach wird, wenn das Wort Sex fällt", kam Sandras schnippischer Kommentar.
"Hö? Was ist los?"
"Ich habe deiner Mutter gerade erzählt, woran meine Ehe gescheitert ist. Und war gerade dabei zu erklären, wie mir klar wurde, dass es zu Ende ging."
"Okay", meinte die junge Frau und machte einen interessierten Gesichtsausdruck. "Kannst du mir irgendwann zu Ende erzählen", sprang Sandra mir bei.
"Wieso, ich mach da kein Geheimnis draus. Du wirst natürlich den Zusammenhang nicht verstehen. Wenn es dich interessiert, kann ich dir irgendwann den Rest nachliefern."
"Doch, klar. Erzähl ruhig weiter."
"Ja, wo war ich? Sex. Genau. Wie das in den meisten langjährigen Beziehungen so ist, ging die Frequenz und Intensität natürlich im Laufe der Jahre zurück. Das empfand ich als völlig normal. Karen hatte mir erzählt, dass alle ihre Beziehungen auf ein und dieselbe Art und Weise endeten. Nämlich, dass sie irgendwann gar kein Bedürfnis mehr verspürte, mit ihren vorherigen Partnern zu schlafen. Sie hielt es dann trotz des bekannten Musters immer noch eine Weile aus, und das war's dann. Wie gesagt, wir hatten deutlich weniger miteinander geschlafen, vielleicht noch so einmal die Woche, und dann gab sie an, keine Lust zu haben. Das erste Mal habe ich noch keine Alarmglocken klingeln hören, beim zweiten Mal schon. Und dann war mir klar, was passieren würde. Ich wollte da nichts forcieren, habe ihr einfach gesagt, ich würde es vorziehen, wenn sie sich meldete, falls sie wirklich das Bedürfnis hatte. Das geschah dann über Monate nicht mehr."
"Aber sie hat nicht darüber gesprochen, oder aktiv das Ende der Ehe gesucht?", wollte Sandra wissen.
"Nein. Wir waren auch noch weiter zärtlich miteinander, küssten uns, bis auf diese Sache war eigentlich alles beim alten. Sie brauchte es nicht ansprechen, sie wusste selbstverständlich, dass ich mich an ihre Erzählungen erinnerte."
"Und du... hast trotzdem gehofft, dass es sich wieder ändern könnte?"
"Ja und nein. Es war komisch, als dieses Signal da war, war ich erst verzweifelt, dann wütend, dann traurig. Und irgendwann habe ich einfach nur darauf gewartet, dass es passiert."
"Das muss furchtbar gewesen sein."
"Am Anfang, ja. Ich hatte mir sogar vom Arzt ein schwaches, rein pflanzliches Beruhigungsmittel verschreiben lassen. Als es noch weh tat. Selbst das ließ nach. Wie gesagt, es war mir am Ende nicht egal, aber ich hatte gelernt, es zu akzeptieren."
"Und wer hat die Ehe dann beendet?", wollte Charly wissen, die sehr wohl aufmerksam zugehört hatte.
"Ich. Das wird jetzt dramatisch klingen, war es aber nicht. Sie hatte sich verliebt, in einen meiner Freunde."
"Oh verdammt", steuerte Sandra bei.
"Ein wenig geschockt war ich schon, als sie mir das gemeinsam gestanden. Aber irgendwie auch erleichtert, dass nun endlich der Anlass da war, ein Grund, warum es nicht mehr weitergehen konnte. Vielleicht hätten wir uns sonst Monate und Jahre noch weiter irgendwie mit der veränderten, durchaus freundschaftlichen und liebevollen Beziehung arrangiert."
"Also hast du sie gehen lassen."
"Nun, erleichtert oder nicht, es hat natürlich auch weh getan. Ich habe sie nach dem Geständnis gebeten, sofort unsere gemeinsame Wohnung zu verlassen, oder mit anderen Worten: Ich habe sie rausgeschmissen."
"Weil sie die Affäre begonnen hatten."
"Nein, das hatten sie nicht. Sie hatten ihre Gefühle füreinander entdeckt, aber zu diesem Zeitpunkt nichts angefangen. Das spielte aber keine Rolle mehr. Ich wollte, ich brauchte einen klaren Schnitt. Sie ist dann tatsächlich gleich bei ihm eingezogen, und sie waren eine Weile zusammen."
"Und sie wollte auch nicht mehr zurück, mit der neuen Beziehung?", schaltete sich Charly wieder ein, die sich offenbar sehr wohl hineindenken konnte.
"Am Anfang nicht. Natürlich, frische Beziehung, frisch verliebt. Nach vielleicht zwei Monaten rief sie mich dann wieder regelmäßig an. Wenn es ihr nicht gutging. Ich kannte sie eben so gut, wie niemand sonst. Es war selbstverständlich, dass ich ihr zuhörte, Trost spendete, Rat gab. Sie kam mit meinem Freund nach einiger Zeit nicht gut zurecht, ich glaube sie waren sechs Monate zusammen."
"Aber du hattest das Gefühl, sie wollte nicht nur Rat?"
"Manchmal schon. Ihre Mutter hatte mich beim Abholen eines Computers, das war so ziemlich zu Beginn der Trennung, richtig auf den Pott gesetzt, so würde das nicht gehen, ich müsse um sie kämpfen, sie würde mich immer noch total lieben und so. Eine Ehe lässt man nicht einfach so locker scheitern. Wollte ich nicht. Konnte ich nicht."
"Und als sie sich von deinem Freund getrennt hatte?"
"Nun, kurz davor wollten wir die Scheidung einreichen. Wir hatten natürlich beide keinen Plan, wie das ging. Ich hatte mal bei einem Anwalt ein Praktikum gemacht, also sind wir beide dort hin. Der hat uns dann die Sache mit dem Trennungsjahr erklärt, und dass sie sich selbstverständlich auch einen Anwalt nehmen müsste, aber schon pro forma den Antrag gestellt, mit der Begründung, wie es so schön im Amtsdeutsch hieß, die Ehe wäre unrettbar zerrüttet. Das hat sie furchtbar getroffen, was eigentlich ja absurd schien, weil wir da saßen, um die Ehe zu beenden."
"Vielleicht hatte sie doch geglaubt, es gäbe noch eine Chance? Dass du vielleicht anfängst zu kämpfen, wie ihre Mutter wollte, wenn es sich so zuspitzt?", fragte Charly.
"Genau. Ich glaube, da ist es ihr erst klargeworden, dass es nicht auf eine zweite Chance hinauslief, es final war. Aber ich wollte und konnte es nicht noch einmal versuchen, hatte mich gedanklich und emotional zu weit entfernt. Wie gesagt, sie trennte sich von meinem Freund, kam mit zwei weiteren Typen zusammen, der letzte davon war ein echtes Arschloch. Der sie geschlagen hat und so. Als ich das erfuhr, waren sie auch schon wieder auseinander. Sein Glück, sonst hätte ich mich eingeschaltet. Einige Jahre später kam sie dann wieder mit meinem Freund zusammen, und ist das immer noch."
"Sprichst du immer noch mit ihr?", wollte Charly wissen.
"Ja, seltener jetzt, weil sie nach Hannover gezogen ist. Davor hatten wir uns immer noch mal ab und zu getroffen. Das habe ich deiner Mutter vorhin erzählt, sie ist immer noch wie eine Schwester, oder Freundin für mich. Das wird sich auch nie ändern. Nicht sie hat mir wehgetan, dass die Ehe gescheitert ist, hat wehgetan. Ich musste ihr nichts verzeihen, es gab kein böses Blut. Mann, jetzt habe ich euch aber vollgesülzt."
"Das haben wir beide nicht so empfunden, im Gegenteil. Und ein gutes Timing, da vorn kommt schon die Ausfahrt."
Wir begleiteten Sandra zur Ausgabe der Startunterlagen, ich kümmerte mich um ihr Rad. Ein Wahnsinnsteil, hatte bestimmt einige tausend Euro gekostet. Sie fing dann an, sich ein bisschen locker zu machen und ich blieb mit Charly alleine. Diese Wettkampfatmosphäre hatte es in sich, die Starts der Vereinsfahrer, hier wurde auch eine Landesmeisterschaft ausgetragen, standen kurz bevor.
Sandra würde in der offenen Klasse starten. Wie sie mir erklärt hatte, nur unwesentlich schwächer besetzt, als die jungen Wilden, die um die Titel kämpften. Einige ehemalige Größen.
"Ich fand das toll, dass du das alles so offen erzählst hast, vorhin", meinte Charly nach einer Weile.
"Ich kann aber nicht nur reden, ich kann auch zuhören."
"Ja, das glaube ich dir. Ich würde dir auch gerne was erzählen. Aber du musst mir versprechen..."
"Deine Mutter erfährt davon nichts, wenn sie nicht soll. Ich habe mir schon gedacht, dass es etwas ist, was du ihr nicht sagen kannst. Weil sie deine Mutter ist, so sehr sie sich das auch wünschen würde."
"Ja. Ich... habe noch mit niemandem darüber gesprochen. Es ist... eine verdammt große Sache... vielleicht."
Oh, fuck. Ich ahnte sofort, was nun kommen würde. Sie seufzte, atmete mehrmals tief durch.
"Ich habe einen Freund, Tobi. Wir sind über ein halbes Jahr zusammen. Was du über Jungen in meinem Alter gesagt hast... bei ihm trifft es voll zu. Er ist... irgendwie noch ein halbes Kind. Mit einer großen Klappe, macht auf cool und souverän, ist er aber nicht."
"Damit beschreibst du ein Drittel seiner Altersklasse."
Sie lachte leise.
"Kommt hin. Ja, kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag... haben wir dann das erste Mal miteinander geschlafen."
"Du wolltest so lange warten?"
"Ich habe sogar noch länger warten wollen. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich das mit ihm erleben wollte. Irgendwie ja, irgendwie auch wieder nicht. Aber ich hatte ihm gesagt, auf keinen Fall bevor ich achtzehn bin, um ihn am Anfang zu bremsen, denn er wollte immer gleich."
"Verstehe. Du fühltest dich verpflichtet?"
"Nein, so auch wieder nicht. Es war nach einer Party. Wir waren ganz schön... high. Hatten einiges genommen, verstehst du?"
"Jo. Ich war als Jugendlicher auch kein Kind von Traurigkeit, nachdem ich mit dem Sport aufgehört hatte."
Das schien sie zu erleichtern.
"Nun, so oft mache ich sowas nicht. Aber die Party war toll, und ich war richtig gut drauf. Hinterher... sind wir zu ihm. In dem Moment... wollte ich es auch. Es war schön, irre schön sogar. Nicht beim ersten Mal, da hat es noch etwas weh getan, aber das hatte eh nicht lange gedauert."
"Gleich noch einmal?"
"Ja, vielleicht eine Stunde später, da war es nur ganz am Anfang noch unangenehm, aber dann war's fantastisch. Nur... beim ersten Mal hatte er noch abgezogen... beim zweiten Mal nicht."
"Ihr habt nicht verhütet, in der Hitze des Moments. Verstehe. Du bist schwanger?"
Sie fischte eine Zigarette aus ihrem kleinen Rucksack und zündete sie zitternder Hand an. Schaute starr geradeaus, sah langsam verzweifelt aus.
"Ich weiß es nicht, ich bin überfällig, drei Wochen schon. Ich... habe es noch nicht gebracht, einen Test zu machen."
"Verstehe, du hast gehofft, die Regel kommt noch. Und Angst vor dem möglichen Ergebnis des Tests."
"Vor allem sind die doch gar nicht zuverlässig, die man in der Apotheke kriegt. Eine Freundin von mir hatte einen positiven, aber es war falscher Alarm."
"Besser wäre es beim Frauenarzt, das stimmt. Du möchtest, dass ich mit dir hingehe?"
"Echt, würdest du das machen? Ich... kann das nicht einmal meinen Freundinnen erzählen. Ich weiß nicht, warum... es ist... so ein verflucht... scheiß heftiges Ding."
"Natürlich. Komm her", sagte ich ganz leise, und nahm sie in den Arm. Sie hatte angefangen zu weinen.
"Mama darf es nicht wissen. Bitte...", brachte sie unter ihrem Schluchzen davor.
"Nein, wenn du das nicht willst, erzähle ich es ihr nicht. Aber es ist wichtig, dass du möglichst schnell Klarheit bekommst. Überfällig sein, heißt noch nichts. Bei einer meiner Freundinnen, und auch zweimal bei meiner Frau war es falscher Alarm. Im ersten Fall waren wir total erleichtert, im zweiten furchtbar enttäuscht, weil wir wollten ein Kind."
"Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn das wirklich so ist. Ich kann doch jetzt kein Kind gebrauchen. Vor allem nicht mit dem Kind, mit dem ich da zusammen bin."
"Denk noch nicht zu weit. Schritt für Schritt. Erst einmal Klarheit verschaffen. Sollte es so sein, dass du wirklich schwanger bist, dann musst du anfangen, dir Gedanken zu machen. Da kann dir auch niemand helfen. Das wird ganz alleine deine Entscheidung. Deine Mutter nicht, Tobi nicht, ich auch nicht. Aber ich könnte dir im Zweifel helfen, dir das tatsächliche Ausmaß der Entscheidung begreiflich zu machen. Mit dir Pro und Contra diskutieren. Aber wie gesagt, das ist noch ein Schritt zu weit. Darüber sprechen wir, wenn es nötig wird."
Sie nickte nur und blieb eine Weile in meinem Arm, beruhigte sich langsam wieder. Gab mir dann plötzlich blitzschnell einen Kuss. Ganz die Mama.
"Danke. Dass du das für mich tun willst..."
"Das ist doch selbstverständlich."
"Hey. Das ist meiner", krähte Sandra, die unvermittelt hinzugekommen war. "Was geht denn hier ab?"
Offenbar hatte sie den Kuss aus der Entfernung mitbekommen.
"Nichts, worüber du dich sorgen müsstest. Das war nur ein danke fürs Zuhören. Scheint in der Familie zu liegen, das so auszudrücken."
Natürlich hatte sie das nicht ernst gemeint, und grinste sofort erfreut.
"Na gut. Hier, nehmt ihr die Unterlagen? Ich will mich noch etwas einrollen."
"Steigt der Puls langsam?"
"Ja, ich kann's kaum erwarten. Fühle mich fantastisch. Bist du okay, Charly?", fragte sie dann allerdings doch besorgt, als sie die leicht verweinten Augen ihrer Tochter bemerkte.
"Jetzt ja. Ich musste nur was loswerden."
"Du weißt, dass du auch mit mir über alles reden kannst?"
"Mach dir keine Gedanken. Es ist alles geregelt. Konzentrier dich auf dein Rennen. Und gewinn gefälligst. Schließlich wollen wir den Weg nicht umsonst gemacht haben", kam die dreiste und wahrscheinlich etwas unrealistische Forderung ihrer Tochter.
"Ansprüche hast du..."
"Ich auch. Los, mach dich warm, und dann gewinnst du das Ding", gab ich ihrer Tochter Rückendeckung.
"Mobbing. Verrat! Kaum lässt man euch zwei allein..."
"Los, ab!", befahl Charlotte, und Sandra machte sich tatsächlich über beide Ohren grinsend auf den Weg.
Wir folgten derweil dem ersten Rennen des Tages, und schauten uns nach guten Plätzen für Sandras Rennen um, da die Strecke für alle gleich war. Die Schwimmrennen war leicht zu überblicken, ein guter Punkt zur Beobachtung der 500 m Strecke zwischen Start und Ziel leicht zu finden.
Das Radrennen auf einem 5,5 km langem Rundkurs, den sie viermal bewältigen mussten, da bot sich der Wechselbereich als erster Anlaufpunkt an, bei der Laufrunde, die etwas bei 1,7 km lag, würden wir erst zur Mitte, dann näher und näher an den Zielbereich rücken.
Wir probierten unsere Strategie und Beobachtungspunkte aus, kriegten alles so hin, und beeilten uns, dorthin zurückzukehren wo Sandra uns verlassen hatte. Die wenig später dorthin noch einmal zurückkehrte. Langsam kribbelte es auch bei uns beiden Zuschauern, als der Startschuss näher rückte.
Wir begleiteten Sandra noch ein Stück, bis wir nicht weiterdurften, nahmen sie beide noch einmal in den Arm und verfolgten den Start mit. Ich war überrascht, wie sehr Charly mit fieberte, es war tatsächlich das allererste Rennen, bei dem sie dabei war. Das Teilnehmerfeld wirklich groß, dementsprechend unmöglich wurde es, sie am Anfang in dem riesigen Feld zu erkennen.
Gegen Ende meinten wir sie aber in einer Spitzengruppe auszumachen, zwischen vierter und sechster Stelle, einige Körperlängen hinter der führenden Frau, die sich abgesetzt hatte. Sie hatte mir vorher erzählt, dass das Schwimmen ihre schwächste Disziplin war und sie froh war, wenn sie im vorderen Mittelfeld ankam. Na, da schlug sie sich doch schon viel besser als erwartet.
Dann kam ihre Paradedisziplin, das Radfahren. Sie verließ das Wasser als Siebte, war aber schneller auf dem Rad als die vor ihr Platzierte und schoss ein kleines Stück vor ihr als Sechste auf die Strecke, doch mit einigem Rückstand auf die Führenden. Unter unseren frenetischen Anfeuerungsrufen kam sie schon als Dritte nach der ersten Runde an den Wendepunkt.
Die ersten Beiden waren aber schon ein ganzes Stück weg. Umso überraschter waren wir, als sie kurz hinter der Führenden beim zweiten Mal ankam, beim dritten Mal als Erste mit einigem Vorsprung. Als sie nach der vierten Runde auf die Laufstrecke kam, hatte sie weit über eine Minute rausgefahren.
Damit hatte selbst ich nicht gerechnet, dass sie die gesamte Konkurrenz so in Grund und Boden fuhr, denn die Altersklassen starteten nicht getrennt, und sie war schon Seniorin 1. Eine Seniorin, die allen dort das Fürchten lehrte. Alter Schwede. Was für eine unglaubliche Energieleistung. Hoffentlich hatte sie nicht zu viel Körner gelassen.
Beim Laufen, hatte sie vorher verschmitzt grinsend gemeint, hätte sie die größten Fortschritte gemacht, aber würde wahrscheinlich trotzdem keine Sonne sehen. Das schien sich zu bewahrheiten, gegen Ende der zweiten Runde waren zwei deutlich jüngere Frauen zu ihr aufgelaufen, zogen vorbei. Na ja, ihre Altersklasse würde sie aber mit großer Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn sie nicht komplett einbrach.
Sie biss sich zunächst fest, das sahen wir noch, ließ nicht abreißen. Und dann den für uns unfassbaren Zieleinlauf. Sie hatte offenbar nur eine kurze Schwächephase gehabt. Während wir vor Begeisterung auf und ab hüpften, sahen wir sie mit einer halben Minute Vorsprung ins Ziel sprinten. Sie riss die Arme hoch, und blieb dann erst einmal völlig ausgepowert kurz hinter der Ziellinie stehen.
Es dauerte eine Weile, bis wir an sie rankamen, sie abwechselnd halb kaputtdrückten und in meinem Fall, mit Küssen überhäuften. Fotografierten und filmten die strahlende Siegerin bei der Siegerehrung mit unseren Handys, die dann noch einmal aufs Podium für den Sieg in ihrer Altersklasse musste.
Während sie sich duschen und umziehen ging, räumten wir das Rad in ihren Kombi, der genau die richtige Größe der Ladefläche für ihr Hobby hatte. Wir hatten im Verlauf des Rennens nur noch an Sandra gedacht, jetzt nutzten wir die kurze Zeit des Alleinseins, um noch Details abzusprechen und Nummern auszutauschen. Damit ich sie begleiten konnte, wenn sie ihren Termin beim Frauenarzt hatte.
Charly hatte tatsächlich ihren Führerschein schon mit siebzehn gemacht, und zu ihrem achtzehnten Geburtstag einen kleinen Smart bekommen. Sie bot an, die Rückfahrt zu übernehmen und Sandra stimmte nach kurzem Zögern zu. Vorher gingen wir aber in Kiel noch Fisch essen.
"Soll ich dich nachhause fahren?", fragte sie in den Rückspiegel blickend, als wir an der Autobahnausfahrt unserer Stadt angekommen waren.
Die ganze Fahrt über hatte ich ihre Mutter auf der Rückbank in meinem Arm gehalten, die doch einigermaßen platt wirkte. Glücklich, aber total erschöpft.
"Nein, das brauchst du nicht", beantwortet sie die Frage völlig überraschend für mich, als ich schon zur Antwort ansetzte. "Frank schläft heute bei uns."
Oh? Nie hatte es mir mehr gefallen, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
"Geil. Wir können uns ja vorher noch einen gemütlichen Abend machen, wenn ihr nicht gleich poppen wollt", kam die blitzschnelle Antwort ihrer Tochter, die keinerlei Probleme damit zu haben schien, auch nicht, den weiteren Verlauf des Abends zu antizipieren.
Ich kicherte lautlos und schaute meine Geliebte mit einiger Begeisterung an, die sich das Grinsen nicht verkneifen konnte, als sie ihr antwortete:
"Frechdachs. So was denkt sich ein wohlerzogenes Mädchen, aber spricht es nicht aus. Aber ja, wir können uns einen gemütlichen Abend machen. Na, wenn du das überhaupt willst", wendete sie sich an mich.
"Gemütlicher Abend, klingt wundervoll. Wie natürlich auch der krönende Abschluss."
"Oder auch krönender Abschuss", tönte es von vorn, wo unsere über beide Ohren grinsende Fahrerin unter Beweis stellte, dass sie von ihrer Mutter nicht nur ihr Aussehen geerbt hatte.
"Charly! Wie redest du denn über deine Mutter?", kam Sandras Replik mit gespielter Entrüstung.
"Auch Mütter brauchen Liebe und mehr", kam ein Anflug von Altklugheit.
"Siehst du, sowas möchte eine Mutter hören. Danke, mein liebes Kind. Und danke, dass du heute mit dabei warst. Das bedeutet mir unglaublich viel."
Das liebe Kind war für sie nicht wiederzuerkennen, wie Sandra mir mitteilte, als Charlotte in der Küche ein paar Schnittchen für uns schmierte, da wir trotz des Essens in Kiel doch schon wieder etwas Hunger hatten. Sie fragte doch kurz, warum sie geweint hatte.
"Es gab etwas, was raus musste. Mach dir keine Gedanken, früher oder später wird sie von sich aus auf dich zukommen, jetzt kann sie es noch nicht."
Sie runzelte zwar die Stirn, aber nickte dann zustimmend. Charly kam wenig später nicht nur Schnittchen und Beiwerk, sondern auch einer Flasche Sekt zurück.
"Auf deinen Sieg. Und dass heute nicht nur Sektkorken gepoppt werden!", kam ihr anzüglicher Trinkspruch.
Diesmal schaffte Sandra nicht mal mehr, die entrüstete Mutter zu spielen. Brach mit mir in schallendes Gelächter aus.
Später kam mir dann doch in den Sinn, dass ihr wohl nicht richtig bewusstwurde, dass sie ja höchstwahrscheinlich schwanger war. Alkohol, und zum Rauchen ging sie ebenfalls mehrmals raus. Nachholbedarf nach der langen Fahrt, wie sie meinte. In ihrer Situation hoffte ich natürlich mit ihr, dass es nicht so war.
Dass da doch ein Damoklesschwert über der folgenden, wirklich schönen und vertrauten Runde hing, bei der sich ihr Zutrauen zu mir auch körperlich äußerte. Sie sich tatsächlich wie ihre Mutter mehrmals bei mir anbuckte. Wir kniffelten, was Charlys Idee war, tranken den Sekt leer und lachten viel. Um kurz nach neun verabschiedete sie sich dann.
"Ich muss morgen ganz früh raus, Frühdienst", erklärte sie kurz. Und mit blitzenden Augen: "Meine Mutter braucht jetzt auch langsam mehr. Lasst es knallen, ihr zwei."
Gab uns beiden ein Küsschen auf die Wange und verschwand in ihrem Zimmer.
"Ist das so? Braucht die Mutter langsam mehr?", stieg ich auf ihren letzten Kommentar ein. "Wenn du allerdings zu kaputt bist, oder doch nur kuscheln möchtest..."
"Heute... will ich mehr. Alles. Komm", antwortete sie, war schon dabei verblüffend schnell aufgestanden, und zog an meiner Hand.
"Du wirkst erschreckend schnell regeneriert", wagte ich ihr forsches Tempo zum Schlafzimmer zu deuten.
"Es war ja nur eine schnelle Nummer heute. Das wird das jetzt hoffentlich nicht", gab sie bekannt, als sie die Schlafzimmertür sehr eilig hinter uns schloss. Das hoffte ich auch. So wild, wie sie an meinen Klamotten zerrte, um mich auszuziehen, bekam ich allerdings schon leichte Bedenken, weil sie an diesem Tag wohl wirklich im Tempo-Rausch war. Aber kaum lagen wir nackt nebeneinander auf dem Bett, beruhigte sie sich sofort. Schaute mich zärtlich an, streichelte mein Gesicht. Fuhr mit der Hand über meine Brust, und setzte sich über die aktuelle Lage voll ins Bild.
"Schöner Mann. Gar nicht so kleiner Mann", kommentierte sie mit blitzenden Augen das ihr bislang noch unbekannte körperliche Attribut meiner Männlichkeit.
"Wunderschönste gleichgroße Frau, die noch lange nicht das Ende des Wachstums dort sieht, und so traumhaft zu mir passt, möchtest du...", kriegte ich noch heraus, bis sie den Rest des Satzes mit einem Kuss erstickte.
Der zwar sanft begann, aber schnell leidenschaftlicher wurde. Ihre Hand hatte sich derweil bei eben diesem Attribut eingefunden, und sorgte mit wenig Aufwand für die Vollendung des angesprochenen Wachstums. Beantwortete meine abgebrochene Frage damit, dass sie sich aus der Seitlage löste, und auf den Rücken legte.
Sofort die Beine öffnete, als ich Anstalten machte, der Einladung zu folgen. Mich zwischen diese legte, auf meinen Händen aufstützte, in ihre Augen schaute, als mein Glied gegen ihr Geschlecht drängte. Vorsichtig zum Eingang ihres Innern navigierte. Ihr tief in die Augen schaute, als ich ganz langsam, aber auch ganz leicht in sie eindrang.
Wobei Eindringen das falsche Wort ist, denn sie kam mir gleichzeitig entgegen, war die Verbindung von beiden herbeigeführt. Versuchte ich in ihrem Gesicht zu lesen, ob sie nach dem kurzen Verharren wie ich den ruhigen Beginn vorzog.
Spürte schnell, dass sie ganz anders, als viele meiner Partnerinnen zuvor nicht still empfing, sondern mitging, beteiligt war, unsere Bewegungen genauso steuerte, wie ich. Uns genau in dem intensiven, aber ruhigen Gleiten hielt, das sich so wundervoll anfühlte. So natürlich, so selbstverständlich, dass bald überhaupt keine Steuerung mehr im Spiel war.
Reinster, schönster Genuss, exquisiter Ausdruck unseres Gefühls war, schon erregend, aber irgendwie gleichzeitig jenseits davon. Öfter ein kurzes Verharren, wo ich so tief es irgend ging, in sie hineindrückte, mich hinabbeugte und sie spielerisch küsste. Ein stiller Genuss von beiden, nur leicht beschleunigter Atem.
Unsere Körper sich kennenlernen ließen, die Führung überließen, während wir uns verliebt und entzückt in die Augen sahen. Miterlebten, wie sich von selbst das Gefühl und unsere Bewegungen verstärkten, das Erleben nach und nach auf eine andere Ebene rückte.
Ausdrücklicher wurde, ein stetiges, aber weiterhin ruhiges Anschwellen, kein Umschwenken, sondern ein Erwachen der bislang nur als stummer Begleiter vorhandenen Leidenschaft. Ich richtete mich kurz auf, ergriff ihre Hände und verschränkte meine mit ihren, zog sie hinter ihren Kopf. Küsste sie erneut, diesmal weit weniger verspielt.
Spürte, wie die Wollust fühlbarer und dominanter wurde, unsere Körper nun nach stärkeren Empfindungen lechzten, sich höher in die Erregung schaukelten. Kleine Schauer der Verzückung uns durchliefen, die Vorboten des Eintritts in verändertes Erleben.
Wurde unser Kuss nun leidenschaftlicher, dringlicher, im Akkord mit unseren schnelleren Bewegungen, die nun wieder steuernde Impulse mal von ihr, mal von mir bekamen. Erste kleine Laute, die uns unwillkürlich entfuhren, bei beiden kurzes Stocken des Atems. Immer noch nur intensiv, längst nicht wild, oder völlig losgelöst.
Aber auf dem Weg dorthin, schwoll das als sanfte Brise begonnene Spiel, zum kräftigen Wind, nun Richtung Sturm an. Fühlte ich gleichzeitig, dass meine lange Abstinenz Gefühle dieser Intensität nicht lange zulassen würde. Meine kurze Hilflosigkeit wurde von ihrer Initiative aufgefangen, denn sie drückte mich mit meinen Händen in die Höhe, synchron mit einem Druck ihres rechten Schenkels.
Ich verstand sofort, und vollzog die halbe Rolle auf meinen Rücken, ohne dass wir diese innigste aller körperlichen Verbindungen unterbrechen mussten. Sie brachte ihren Oberkörper zum Stillstand, um nun mich zu küssen, während sie ihre Beine in die gewünschte Position brachte. Begann den zuvor im Wortspiel nur als Scherz prophezeiten Ritt auf meinem besten Stück.
Dem diese kurze Unterbrechung gutgetan hatte, um die mögliche vorzeitige Entladung zu verhindern. Das Ungewohnte ihrer Bewegungen, die allerdings schnell zur vorherigen Intensität zurückfanden, taten ein Übriges hinzu. Auch hier war es keineswegs nur sie, die in Bewegung war, ein Wechselspiel aus Bewegung von unten und oben, nach kurzer Zeit erstaunlich gut aufeinander abgestimmt.
Und doch mit zunehmender Dringlichkeit, was dann doch mehr von ihr ausging, und aus gutem Grund. Noch unfähig, den Grad ihrer Erregung zu lesen, erlebte ich schon kurz nach den ersten wirklich deutlich als Stöhnen zu wertenden Lauten, ein Stakkato an diesen, die in einem leisen Aufschrei mit kurzzeitigem Stopp kulminierten. So fasziniert ich auch von ihrem glücklichen, befreiten Lächeln war, sehnte ich mir nun die Wiederaufnahme herbei, denn kurz zuvor war auch bei mir die Erlösung in nicht allzu großer Entfernung erschienen.
Der ich mich nun zu gern und frei jeder Angst, sie unbefriedigt zu lassen, hingeben konnte. Das schien sie ähnlich zu empfinden, denn was vorher trotz aller Leidenschaft noch kontrolliert gewirkt hatte, ging nun in hitzige Wildheit über. Wo ich jetzt, was selten bei mir war, richtig heftig zu stöhnen begann, was in bald in einem Duett mündete, denn auch sie wurde jetzt richtig laut.
Einer der wenigen kurzen zusammenhängenden Gedanken, huschte kurz durch meinen Kopf, dass nämlich Charly im Nebenzimmer so unfreiwillig Zeuge der Erfüllung ihres frommen Wunsches für uns werden würde, wenn sie nicht schon schlief. Dann eskalierte das Empfinden so schnell und mitreißend, dass an Gedanken nicht mehr zu denken war. Kam sie tatsächlich noch einmal.
Las mich falsch und stoppte erneut kurz, obwohl ich so dicht dran war. Ich vollendete selbst mit vier, fünf heftigen Stößen von unten ihr Werk, und ergoss mich in kräftigen Schüben in sie hinein. Von ihrem glückseligen, und in seiner liebevollen Verzückung überirdisch wirkenden Lächeln begleitet.
Sie ließ sich auf meinen Körper absinken, gab mir einen kurzen Kuss und rieb dann ihr Gesicht an meinem. Ich meinte ihren Herzschlag neben meinem pochenden eigenen zwar nicht zu hören, aber zu fühlen. Es war überwältigend schön gewesen, für beide, aber dennoch nur eine Ahnung von dem, was uns beide als Erlebnis greifbar wurde, wenn wir uns feiner aufeinander eingestellt hatten.
"Ich liebe dich", hauchte sie mir in mein Ohr.
Was mich irgendwie mehr erschütterte und berührte als alles zuvor. Mir tatsächlich Tränen in die Augen trieb, bevor ich diesen schönsten Satz, den ein Mensch für einen anderen formulieren kann, für sie wiederholte.
~~~
Charlotte sah ich am Morgen tatsächlich noch kurz bevor sie die Wohnung verließ, denn auch wir wollten oder mussten schließlich unser Tagewerk beginnen. Ihr Daumenhoch zeigte dann, dass wir sie doch auf jeden Fall beim ersten Mal hörbar vom Vollzug unserer Pläne informiert hatten, denn es war von einem leicht süffisanten, aber auch recht liebevollen Lächeln begleitet.
Einen Spruch verkniff sie sich dann doch. Dabei hätte sie genügend Futter dafür gehabt, wenn sie noch länger wach gewesen wäre, im Vergleich zum ersten Mal, war es bei den beiden folgenden Malen richtig laut geworden.
Und spät, vor drei Uhr waren wir nicht eingeschlafen. An unserem "Wolkenfrühstück", wie Sandra das nannte, konnte sie aber leider, aber irgendwie auch Gott sei Dank, nicht teilnehmen. Passender hätte man das auch nicht bezeichnen können.
Der Moment des Erwachens am Morgen, sofort in die Augen des geliebten Menschen zu blicken, aus dem Glückstaumel der Nacht sofort in den nächsten, wenn auch qualitativ anderen gespült zu werden, abzuheben, und frei in den Wolken zu schweben, egal wie übermüdet und erschöpft unsere Körper von der vorigen Nacht noch waren.
Uns voneinander zu trennen war jedoch an der Grenze zur Unmöglichkeit. Es kostete übermenschliche Kraft. Der Arbeitsbeginn mechanisch, als ob nur ein kleiner Teil von mir überhaupt beteiligt war. Der Rest, der deutlich wichtigere dabei, weiterhin bei ihr.
Gegen zehn Uhr klingelte dann mein Handy. Aber es war nicht sie, sondern ihre Tochter. Charly hatte den Termin gemacht, für Donnerstag um vier Uhr, ob ich das einrichten könnte. Das bestätigte ich natürlich sofort. Der Gedanke an sie und das mögliche folgende Drama, riss mich doch leicht aus diesem verzauberten Zustand, und zurück auf den Boden der Realität.
In ihrer Mittagspause rief mich dann meine Geliebte an. Und wir bewarfen uns gegenseitig mit so überdrehten und überzogenen Liebesschwüren und Komplimenten, dass wir uns am Ende jeder auf seiner Seite die Bäuche vor Lachen hielten. Am Abend, nach meiner Trainingsrunde, würden wir uns wiedersehen. Sie hatte einen mehr als nur wohlverdienten Ruhetag geplant.
Immerhin hatte sie beim letzten Mal in der Nacht die Reanimation und Exekution fast vollständig allein durchführen müssen. Und das nach dem Rennen. Triathlon Plus. Meine Bewunderung für sie stieg ins Grenzenlose. Meine Liebe auch.
Um zwei klingelte erneut das Handy.
"Hey", empfing mich erneut Charlys Stimme.
"Alles okay?", fragte ich verwundert, fast schon alarmiert.
"Mehr als das! Ich habe gerade meine Regel bekommen. Ich bin NICHT schwanger." Durchatmen. Das waren allerdings tolle Neuigkeiten.
"Das freut mich total für dich. Du bist sicher erleichtert."
"Ja. Aber so verrückt das jetzt klingen mag: Irgendwie auch ein bisschen enttäuscht. Egal. Den Termin sage ich trotzdem nicht ab. Ich lasse mir die Pille verschreiben."
"Das ist eine gute Idee. Möchtest du, dass ich mitkomme?"
"Nein, brauchst du nicht. Das kriege ich alleine hin. Ich will nur erstmal nicht wieder in so einen Schlamassel geraten. Auch wenn das vielleicht eine Weile dauern wird."
"Was meinst du damit?"
"Ich werde mich von Tobi trennen. Ich will mehr, das wurde mir klar, als ich euch zusammen erlebte. Nicht so einen Kindskopf, dem's nur um Party und Poppen geht. Verstehst du?"
"Ja, doch klar. Ich bin heute Abend bei euch. Vielleicht finden wir ja noch ein paar stille Minütchen zum Reden, okay?"
"Bestimmt. Ich wollte dir nur die Sache sofort erzählen. Sagst du Mama bitte trotzdem nichts davon? Das mache ich selbst. Bald, wenn wir beide den Kopf frei haben."
"Klar. Das musst du entscheiden. Ich freue mich wirklich, dass sich alles für dich zum Guten wendet. Und du weißt, dass du auf mich zählen kannst, wenn du Hilfe brauchst, egal mit was oder wem."
"Ja, das weiß ich. Danke dir nochmal. Bis später dann."
Das tat sie tatsächlich kurze Zeit später, mit ihrer Mutter zu reden. Überhaupt änderte sich das Verhältnis der Beiden total zum Positiven. Natürlich war es weiterhin nicht immer eitel Sonnenschein. Denn Charly entwickelte sich jetzt unglaublich schnell, zog aus dieser Erfahrung mehr als nur das Wissen, dass sie mir vertrauen konnte.
Auch, dass sie keine Angst haben musste, solche Situationen überstehen konnte, mit sich und ihren Problemen umgehen. Mit unserer Unterstützung, aber durchaus genauso gut allein. Von unserer Geschichte auch, dass es immer wieder neue Chancen gab, wenn man dranblieb.
Dass Fehler dazugehören, sie nicht immer schlimme Folgen haben, und manchmal korrigiert werden können. Sie trennte sie von ihrem Freund, aber ebenso von ihrem Arbeitgeber, fand ein Heim mit der AWO als Träger, wo sie ihre Ausbildung beenden konnte. Erstarkte als Persönlichkeit. Manchmal fast ein bisschen viel. Und dann knallte es auch zwischen den beiden. Das gehört dazu.
Wir wurden Freunde. Einen Vaterersatz brauchte sie nicht, wollte ich auch gar nicht sein. Sie fand darüber hinaus bald einen Freund, der ihren Vorstellungen entsprach. Ein Physikstudent, ohne große Klappe, aber durchaus mit Mutterwitz, erstaunlicher innerer Ruhe und vor allem der Reife, die sie längst hatte.
Die Saison fuhr ich noch normal zu Ende. Beim Bergzeitfahren war ich beflügelt, aber nicht zum Supermann mutiert. Dass ich als Fünfter weit besser abschnitt als erhofft, war schon ein Riesending für mich. Ein schöner Abschluss, aber auch das nur der Beginn einer neuen Zeit.
Ich war nämlich nicht nur von der Liebe infiziert. Sondern auch und gerade von der Leidenschaft, die Sandra für ihren Sport hatte. Lief fast täglich, trainierte Freistil unter ihrer Anleitung in den letzten Sommertagen im Freibad, und danach mit ihr zusammen in der Halle.
Und jetzt, ein Jahr später, stehe ich am Start bei meinem allersten Triathlon. Sandra hat ihren natürlich schon vor einer Stunde gewonnen. Um Platzierungen geht es für mich noch lange nicht. Sie gewonnen zu haben, ist der größte und einzige Sieg, der für mich zählt. Jetzt geht es um durchhalten, erleben, dranbleiben, genießen, alles aus mir rausholen.
Der Sprung ins kalte Wasser. Und ab die Post.
Und danach die Nacht überleben. Man ist ja ambitioniert. Denn mein Ziel für heute heißt eindeutig:
Triathlon Plus.
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