Eine emotionale Affäre (fm:Ehebruch, 15170 Wörter) | ||
Autor: Omega666 | ||
Veröffentlicht: Sep 17 2022 | Gesehen / Gelesen: 22498 / 15722 [70%] | Bewertung Geschichte: 9.79 (228 Stimmen) |
In dieser Geschichte geht es um eine Affäre und den daraus entstehenden Ehebruch. Allerdings werden keine sexuellen Aktivitäten und Praktiken beschrieben. Es handelt sich bei der Affäre nicht um Seitensprünge, sondern um ein Fremdgehen |
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ihr zu versuchen, zum Schuss zu kommen. Sie war eine Frau Ende 40, schlank, sportlich mit blonden, schulterlangen Haaren und auf ihren High Heels zirka einen Meter achtzig groß. Sie selbst würde sich niemals als schön bezeichnen, das taten andere für sie.
Ihr Auftreten gegenüber diesem Verehrer zeigte ihre Entschlossenheit, sich behaupten zu müssen und es auch zu wollen. Eine Charaktereigenschaft, die sie in ihrem Beruf brauchte. Renate war Kundenbetreuerin mit dem Schwerpunkt Neukundengewinnung für ihren Arbeitgeber, der Firma LabTecnical AG mit Sitz in Hamburg, die Produkte und Dienstleistungen für Labore weltweit entwickelte, produzierte und vertrieb. Und sie war gut in dem, was sie tat. Seit fast zwanzig Jahren arbeitete sie schon für LabTecnical und hatte sich nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre von einer Assistentin der Vertriebsleitung zur stellvertretenden Vertriebsleiterin Europa hochgearbeitet. Sie war die beste Akquisiteurin, die die Firma je hatte und jetzt stand sie kurz vor dem Abschluss ihres größten Geschäftes mit der Firma Ranconia AG. Diese Gesellschaft vertrat 50 von einer US-amerikanischen Holding betriebenen Krankenhäuser in Deutschland und übernahm für diese die gemeinsame Beschaffung von Gütern, so auch von Labortechnik. Und Ranconia wollte bei Renates Firma einen Beschaffungsauftrag, gestreckt über fünf Jahre, im Gegenwert von insgesamt dreihundert Millionen Euro abschließen. Renate hatte fast drei Monate lang an diesem Auftrag gearbeitet und sich gegen viele namhaften Mitbewerber durchgesetzt. Der Vertrag war unterschriftsreif und bedurfte nur noch der Unterschriften des für den Einkauf zuständigen Vorstands Karl Böhmer und des Vorsitzenden des Aufsichtsrates. Und es war Böhmer, der ihr vor wenigen Minuten sehr direkt erklärt hatte, dass er noch eine Bedingung dafür hätte, seine Unterschrift vor dem Closing Lunch unter dem Vertrag zu leisten: Renate sollte ihm in den nächsten zwei Nächten sexuell bedingungslos zur Verfügung stehen. Falls sie sich weigern würde, wäre das Geschäft geplatzt, und der Mitkonkurrent, mit dem man parallel verhandelt hätte, käme zum Zug.
Drei Monate zuvor.
Wieder einmal war Renate auf dem Sprung. Ihr Flieger nach Frankfurt würde in knapp drei Stunden abheben. Endlich hatte sie beim Vorstand der Ranconia AG einen Termin bekommen, ihr Unternehmen und seine Produkte vorzustellen. Sie war aufgeregt, denn es wurde im Markt kolportiert, dass die Ranconia den Auftrag hätte, für 50 Krankenhäuser die Labor-Einrichtungen teilweise zu erneuern, um sie auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen.
Sie hatte am Vorabend ihre Freude über die Terminbestätigung mit ihrem Mann Bernd geteilt. Beide wussten, dass sie ihn in den nächsten Wochen sehr vernachlässigen würde. Wenn Renate erst einmal "Blut geleckt" hatte, dann war sie nicht zu bremsen. Dann kannte sie nur ein Ziel: Umsatz machen.
Bernd wusste das zur Genüge. Die beiden waren seit fast 25 Jahren miteinander verheiratet. Am 17. August würden sie ihre silberne Hochzeit feiern. Er würde sie mit einer zweiten Hochzeitsreise überraschen, drei Wochen Hawaii. Diese Insel zu besuchen und zu erleben war schon immer ihr Traum. Er würde ihn ihr erfüllen. Auch Bernd war Akquisiteur. Seine Firma stellte Einweg- und Hygieneartikel für Arztpraxen und Krankenhäuser, her und er war für den Vertrieb im norddeutschen Raum zuständig. Seine Umsatzziele waren allerdings deutlich kleiner als die seiner Frau.
Bernd war klar, dass seine Frau mit Bezug auf ihr Äußeres und ihrer Kleidung immer auf einem schmalen Grat zwischen "geschäftlich" und "zu auffällig" schritt. Das war ihr Stil und ihr Markenzeichen. Renate war sich ihrer Wirkung auf ihre männlichen Gesprächspartner bewusst und setzte sie natürlich auch ganz gezielt ein. Allerdings war sie immer die Unnahbare. Sie flirtete nicht mit den Entscheidungsträgern und erst recht stellte sie ihnen keine sexuellen Gefälligkeiten in Aussicht. Aber natürlich ließ sie sich von den Herren zum Essen ins Restaurant ausführen, zeigte sich mit ihnen in der Öffentlichkeit, solange die Vertragsverhandlungen andauerten, und nach dem festlichen Essen nach Vertragsabschluss, Closing Dinner oder Closing Lunch je nach Tageszeit genannt, schloss sich oft auch ein "Zug durch die Gemeinde" mit Tanzen an. Nur beim Tanzen durften die Herren sie berühren und auch nur in einem der Situation angemessen, schicklichen Maße.
Bernd war sich bewusst, dass er sich keine Gedanken machen musste, ob seine Frau ihm treu war oder auch nicht. Er war sich sicher, dass sie es war. Zu sehr harmonierten die beiden emotional, intellektuell und vermeintlich auch im Bett. Und niemals gab es auch nur einen Hauch von Zweifel. Sie telefonierten oft und lange, wenn sie abends in einem Hotelbett und er zuhause im Ehebett lag. Sie ließen ausführlich ihren Tag Revue passieren. Manchmal fragte sie ihn nach Rat, wie er eine scheinbar festgefahrene Verhandlungssituation entschärfen würde.
So war es auch dieses Mal. Renate hatte vor dem Gesamtvorstand der Ranconia AG ihr Unternehmen, seine Leistungskraft und seine Produkte vorgestellt. Sie hatte ziemlich am Anfang ihres Vortrags ihre Kenntnis über den möglichen Großauftrag offengelegt und natürlich an diversen Stellen im Laufe ihrer Rede einfließen lassen, wie ihr Unternehmen ein derartiges Projekt effizient begleiten könnte, um auch viele Synergien zwischen den beteiligten Firmen heben zu können. Dass sie, während sie redete, beabsichtigt einen Augenblick zu lange den von ihr identifizierten wichtigsten Entscheidungsträger anschaute und dabei mit einer fließenden Handbewegung in ihr Haar griff und es aus ihrem Gesicht zog, war wie immer Teil ihrer Taktik. Eloquent und fachlich sattelfest beantwortete sie gestellte Fragen. Zum Ende ihres Termins war sie sicher, die erste Runde überstanden zu haben. Der Vorstandsvorsitzende bedankte sich bei ihr für ihre Präsentation und lobte an erster Stelle Renate, aber auch ihren Arbeitgeber für ihre Professionalität. Er verkündete, dass der für dieses Projekt zuständige Vorstandskollege Karl Böhmer die weiteren Gespräche mit ihr initiieren sollte und schloss die Sitzung. Als sich Renate von allen Vorständen mit Handschlag verabschiedete, lud Böhmer sie ein, mit ihm ein verspätetes Mittagessen einzunehmen. Er wollte keine Zeit verlieren und mit ihr die nächsten Schritte in Bezug auf das Projekt abstimmen. Gerne nahm Renate die Einladung an. Auf ihre Frage hin, ob auch andere Person an dem Essen teilnehmen würden, verneinte Böhmer dies mit Verweis darauf, dass er die Federführung hätte und er seine Kollegen zeitnah informieren würde. "Zu viele Köche verderben den Brei", meinte er süffisant, aber auch zweideutig.
Renate begleitete Böhmer in die Tiefgarage, in der sein Sportwagen stand. Galant öffnete er ihr die Wagentür. Rückwärts setzte sie sich auf den Beifahrersitz und zog dann ihre Beine an, um sich auf dem Sitz in Fahrtrichtung zu drehen. Böhmer beobachtete sie dabei permanent, denn er hoffte, einen Blick unter ihr Kleid erhaschen zu können. Und wirklich, das Kleid rutschte auf dem stumpfen Ledersitz durch ihre Körperdrehung ein wenig nach oben und gab so einen kurzen Blick auf den roten Strumpfansatz ihrer halterlosen Strümpfe frei. Böhmer lächelte sie an und tat so, als ob er nichts gesehen hätte, dies aber auf solch eine Art und Weise, dass Renate sich sicher war, dass er den unbedeutenden, aber erotischen Augenblick wahrgenommen hatte.
Auf der fast 15 Minuten langen Fahrt ins Restaurant hatte Renate Zeit, sich ihren Geschäftspartner genauer anzusehen. Natürlich hatte sie die Vita aller Vorstände vor ihrem Termin studiert und wusste, dass Böhmer 56 Jahre alt war. Er war verheiratet und hatte zwei Kinder, die bereits ein Studium aufgenommen hatten. Er hatte das Vorstandsressort Projektmanagement seit fast sechs Jahren inne und bereits viele Großprojekte erfolgreich abgeschlossen.
Böhmer hatte noch volles Haar, das an den Schläfen grau meliert war. Er war schlank, etwas länger als sie, und sah in seinem konservativen Nadelstreifenanzug durchtrainiert aus. Seine Stimme war sanft, aber doch männlich. Sein Gesicht hatte scharf geschnittene Konturen. Er war der typische George-Clooney-Typ, zu dem sich Frauen hingezogen fühlen. Renate ertappte sich dabei, wie sie ihn anstarrte. Der Mann war für sie ganz einfach männlich schön und sexy.
Die Autofahrt war kurzweilig. Als er den Wagen auf einem Parkplatz vor dem Restaurant geparkt und den Motor abgestellt hatte, sagte er zu seiner Begleiterin: "Bitte bleiben Sie noch kurz sitzen. Ich werde Ihnen beim Aussteigen helfen." Dann schwang er sich schnell aus seinem Sitz, ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Er hielt Renate seine Hand hin, die sie ergriff, um sich an ihr aus dem Wagen zu ziehen. Auch dieses Mal blitzte ihr Strumpfsaum auf, und dieses Mal war sich Renate sicher, dass er es darauf angelegt hatte, diesen Blick auf sie zu erhaschen.
Das Restaurant war kein typisches Mittagslokal. Es war eher eines der gehobenen Art. Das Interieur vermittelte eine private, intime Atmosphäre. Böhmer führte sie in ein angedeutetes Séparée und half ihr galant beim Hinsetzen auf das Sofa. Er selbst setzte sich ihr gegenüber. Der Ober brachte unaufgefordert zwei Gläser Champagner. Böhmer nahm sein Glas in die Hand, um einen Toast auszusprechen. Renate hielt auch ihr Glas hoch. "Ich freue mich sehr, dass wir die Möglichkeiten und Bedingungen einer Zusammenarbeit unserer beiden Unternehmen ausloten können. Sie sind natürlich eingeladen. Ich bin selten auf eine solch kompetente Kundenbetreuerin gestoßen, wie Sie es sind. Lassen Sie uns aber in den nächsten Stunden nicht über die Arbeit reden. Bis die finale Entscheidung über die Auftragsvergabe getroffen ist, werden wir uns noch etliche Male treffen, um Details auszuarbeiten. Dann müssen wir über die Arbeit reden. Jetzt aber möchte ich Sie nur näher kennenlernen. Einverstanden?", schloss er seinen kurzen Toast.
Renate bedankte sich artig für das Kompliment und gab lächelnd zu bedenken, dass sie glücklich verheiratet sei. Böhmer wurde etwas hektisch als er daraufhin erwiderte: "Entschuldigen Sie bitte, wenn ich einen falschen Eindruck erweckt habe. Ich hatte nichts Anrüchiges im Sinn. Die Ehe ist mir heilig." Renate legte kurz ihre rechte Hand auf die seine und meinte abschließend: "Ich bin es, die sich bei Ihnen entschuldigen muss, denn ich habe Sie unberechtigt in Verlegenheit gebracht. Das wollte ich nicht. Also, worüber wollen wir uns unterhalten?"
Die nächste Stunde unterhielten sie sich ganz zwanglos über ihre Hobbys und Urlaubspläne, bis Böhmer sie fragte, ob sie ihm auch etwas über ihren Ehemann erzählen möchte. Renate hielt einen Moment inne, bevor sie ihn fragte: "Warum interessiert Sie das?" Böhmer antwortete: "Ich bin ganz ehrlich zu Ihnen. Sie gefallen mir und ich würde Sie gerne auf einer freundschaftlichen Ebene besser kennenlernen. Allerdings würde ich niemals eine verheiratete Frau der Gefahr aussetzen, dass unsere Freundschaft ihre Ehe gefährden könnte. Und wenn ich das Gefühl hätte, dass unser platonisches Verhältnis Ihrem Mann missfallen könnte, würden wir es auf der rein beruflichen Ebene belassen. Und auch in diesem Fall darf ich Ihnen versichern, dies hätte keine Auswirkung auf die Auftragsvergabe. Ich bin Profi genauso wie Sie und kann das Dienstliche vom Privaten abgrenzen."
Renate sah Böhmer lange an und lächelte dabei. Dann sprach sie: "Karl", sie nannte ihn beim Vornamen und würde ihn ab sofort zu duzen, "ich fühle mich zu dir auf eine Art und Weise hingezogen, die ich schon lange nicht mehr erlebt habe. Ich bin es gewohnt, dass Männer versuchen, mich ins Bett zu bekommen."
"Renate", unterbrach sie Karl, "nur damit das klar ist, ich bin nicht schwul und ich würde dich niemals von der Bettkante schubsen. Aber deine Ehe und erst recht die meine, sind mir heilig und deshalb gibt es bei mir keine Seitensprünge und keine Affären."
Renate beugte ein wenig ihren Oberkörper zu Karl. "Ich möchte auch mehr über dich erfahren. Du bist mir sehr sympathisch."
"Aber ich habe zuerst gefragt", lachte er. "Erzähl mir über deinen Mann."
Und Renate fing an, über ihren Ehemann zu sprechen. Sie beschrieb zuerst seine körperlichen Merkmale, natürlich ohne auf die Maße seines Geschlechtsteils einzugehen. Dann erzählte sie, wie sie sich kennengelernt und wie sie beide den gleichen Beruf ergriffen hatten. Sie drückte ihr Bedauern aus, dass sie den Kinderwunsch zu Gunsten ihrer Karrieren ausgeblendet hatten und dass es jetzt zu spät dafür sei, dies zu ändern. Karl bemerkte ihren leichten Anflug von Schwermut und drückte sanft ihre Hand, ließ sie dann aber wieder los, nur um mit einer kleinen Anekdote wieder ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern.
Karl lenkte ihren Redefluss, indem er ihr immer wieder Fragen nach auf den ersten Blick unbedeutenden Informationen stellte. Er zeigte sich an ihrem Leben interessiert. An passender Stelle streute er kleine Komplimente über ihre Intelligenz, ihre Tatkraft und Zielstrebigkeit ein. Er merkte schnell an ihrer Körpersprache, dass Renate seine Gegenwart genoss und spiegelte diese Signale.
Beide merkten nicht, wie die Zeit verflog. "Wann geht denn dein Flieger zurück nach Hamburg?", fragte Karl. Renate riss die Augen auf und schaute hektisch auf ihre Uhr. Es war bereits nach 20 Uhr. Sie hatte ihren Flug verpasst. Der letzte Flieger würde in knapp 90 Minuten abheben. Schnell wählte sie die Telefonnummer der Airline, um einen Platz auf diesem Flug zu reservieren, musste aber erfahren, dass die letzte Maschine ausgebucht war. Sie überlegte, mit dem Zug zurückzufahren.
"Dann kommst du doch erst weit nach Mitternacht in Hamburg an und bis du dann zuhause bist, ist es schon fast Zeit, zur Arbeit zu gehen. Also mach dir doch keinen Stress", beruhigte Karl sie. "Nimm dir doch ein Hotelzimmer und den ersten Flieger morgen früh. Dann können wir beide uns noch ein wenig länger unterhalten. Komm, ruf deinen Mann an, erkläre ihm die Situation. Ich reserviere derweil ein Hotelzimmer für dich."
Statt einer Antwort nahm Renate wieder ihr Telefon in die Hand und wählte die Kurzwahlrufnummer ihres Mannes. Nach dem fünften Klingelton nahm er ab. "Hallo, mein Engel, wie geht es dir. Bist du gerade gelandet?", wollte er wissen. "Nein, Schatz, ich bin noch in Frankfurt. Mir geht es gut. Das Meeting hat sehr lang gedauert, aber es war ein voller Erfolg. Ich bin im Rennen. Wenn das klappt, dann bist du bald mit einer Bereichsleiterin verheiratet. Mit dem Abschluss müssen die mich einfach befördern. Nach der Präsentation, die fast zwei Stunden gedauert hat, hat mich der zuständige Vorstand Karl Böhmer noch zum Essen eingeladen. Wir haben uns gut unterhalten und dabei einfach die Zeit vergessen. Sei mir bitte nicht böse. Ich übernachte hier in Frankfurt und nehme einen frühen Flieger morgen früh und bin gegen zehn Uhr zuhause."
"Kein Problem. In welchem Hotel übernachtest du denn?", wollte Bernd wissen. "Ich weiß es gar nicht. Warte mal, ich frage Karl, wo er für mich etwas reserviert hat", hielt ihn Renate hin, nur um dann so laut zu fragen, dass Bernd es auch mithören konnte, "Karl, hast du schon ein Hotelzimmer für mich?"
"Gerade gebucht, Renate. Du bist in einer Suite im Frankfurter Palast untergebracht. Die Kosten gehen natürlich zu meinen Lasten, schließlich habe ich dich zu lange aufgehalten. Ich bringe dich natürlich noch dorthin. Morgen nimmst du am besten ein Taxi, um zum Flughafen zu kommen", beantwortete er ihre Frage.
"Hast du es gehört, mein Schatz? Mach dir keine Gedanken. Morgen bin ich wieder zuhause. Ich wünsche dir eine Gute Nacht. Ich liebe dich." Damit beendete sie das Gespräch und drehte sich wieder Karl zu.
"Komm, lass uns in die Bar des Frankfurter Palasts wechseln. Dort können wir noch einen Absacker zu uns nehmen, bevor ich nach Hause fahre", schlug Karl vor. "Das hört sich nach einer guten Idee an. Auf dem Weg zum Hotel kann ich noch meinen Flug für morgen buchen", bestätigte Renate seinen Vorschlag.
Während der Autofahrt meinte Karl dann zu ihr, dass er sie darum bitten würde, bis zum Abschluss des Geschäftes mindestens einmal pro Woche für zwei Tage zu ihm nach Frankfurt zu kommen. Er wollte das Projekt bis Mitte August abgeschlossen haben, da er dann Urlaub hätte, und er wollte bis zu seinem Urlaubsbeginn den Auftrag im Rahmen eines straffen Auswahlverfahrens vergeben haben. Karl informierte Renate von dem Umstand, dass es noch einen namhaften Mitbewerber gab. Dieser Mitbewerber wäre jeweils von Montag bis Dienstag in Frankfurt vor Ort, sodass er vorschlug, dass sie Mittwoch und Donnerstag zu ihm kommen sollte. Sie würden in jeder Woche bis zum Abschluss mindestens fünf bis sechs Kliniken besuchen, damit sich Renate selbst einen Eindruck von dem Zustand der Labore machen könne. Renate fand das eine gute Idee und stimmte dem sofort zu.
Nachdem sie sich im Frankfurter Palast eingecheckt hatte, ging sie mit Karl noch auf den versprochenen Absacker in die Bar des Hotels. Der Raum war gut gefüllt, aber sie konnten noch einen freien Zweiertisch finden. Üblicherweise unterhielten sich Besucher in einem derart noblen Hotel in einem ruhigen Ton, sodass Renate und Karl sich gut unterhalten konnten.
"Sag mal, Renate, ist dein Mann denn überhaupt nicht eifersüchtig? Du sagst ihm, dass du unerwartet übernachten musst. Er hört zu, wie ich dir den Namen des Hotels mitteile, in dem ich für dich ein Hotelzimmer gebucht habe und dass ich dich dort noch hinbringen werde. Ich an seiner Stelle wäre ziemlich angepisst, wenn meine wunderschöne Frau den Abend mit einem Mann verbringt, dem sie erst heute Mittag vorgestellt worden ist."
Renate entgegnete: "Nein, Karl, mein Mann ist nicht eifersüchtig, weil er in den nunmehr fast 25 Jahren unserer Ehe niemals einen Grund gehabt hat, eifersüchtig zu sein. Ich würde ihn nie betrügen. Aber manchmal wünschte ich mir, dass er ein bisschen misstrauischer wäre. Ich würde mir davon ein bisschen mehr Würze in unserem Liebesleben versprechen. Du weißt doch bestimmt auch, dass Versöhnungssex der schönste Sex ist, oder hast du dich noch nie mit deiner Frau gestritten?" Beide mussten über Renates letzte Bemerkung lachen. Karl ließ sie allerdings unkommentiert im Raum stehen.
Der weitere Abend verlief sehr ungezwungen. Sowohl Renate als auch Karl gaben viel über sich preis. Gegen Mitternacht stand Renate auf und meinte, dass es nun Zeit wäre, noch ein paar Stunden Schlaf abzubekommen. Schließlich müsste sie morgen früh bereits um sieben Uhr am Flughafen sein, um dieses Mal nicht den Flug zu verpassen.
Renate fasste den Abend zusammen: "Karl, ich habe mich wirklich sehr gefreut, dir begegnet zu sein und so viel über dich erfahren zu haben. Ich habe das Gefühl, ich kenne dich schon eine Ewigkeit und kann dir all meine Probleme privater Natur anvertrauen und um deinen Rat bitten. Das ist mir noch nie passiert. Eigentlich bin ich sehr zurückhaltend mit Informationen über mein Leben, über meine Ehe, über meine Wünsche und Hoffnungen und über mein Liebesleben. Aber bei dir habe ich keine Probleme, mich dir anzuvertrauen. Ich weiß nicht warum, aber vielleicht finde ich das in den nächsten Wochen noch heraus.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dir in den nächsten Monaten und hoffe, dass ich dich von der Leistungsfähigkeit meiner Firma überzeugen kann und den Auftrag gewinne. Du hast gesagt, dass du Privates und Berufliches trennen kannst. Darauf verlasse ich mich. Bring mich bitte noch zum Aufzug und da verabschieden wir uns."
Karl ging um den Tisch auf Renate zu und die beiden umarmten sich. Karl gab der Frau einen Kuss auf die Wange. Er hielt sie noch fest, als er in einem ernsten Ton anfing, zu ihr zu sprechen: "Ich habe noch niemals solch eine Frau wie dich kennengelernt. Du bist intelligent, geistreich, humorvoll und obendrein noch sehr schön. Du kennst deinen Wert, und du würdest dich niemals unter diesem verkaufen. Ich weiß, warum wir uns so vertrauen, wie wir es tun. Wir sind Seelenverwandte.
Gestatte mir, dass dich meine Firma an den kommenden Mittwochen, wenn du für die weiteren Verhandlungen in Frankfurt bist, hier im Frankfurter Palast einquartiert und wir die Abende in platonischer Freundschaft mit einem kulinarischen Abendessen und vielen Gesprächen bei einem oder mehreren Gläsern Wein zusammen verbringen. Um dir zu zeigen, dass ich wirklich keine Hintergedanken habe, sage ich dir, du kannst jederzeit deinen Ehemann mitbringen. Er kann gern an unseren Gesprächen teilhaben."
Mit den Worten: "Dort hinten sind die Aufzüge. Ich glaube, da findest du selbst hin", ließ er sie los und wünschte ihr eine geruhsame, wenn auch kurze Nacht. Dann ging er in Richtung des Ausgangs und Renate zu den Aufzügen. Beide drehte sich auf halbem Wege um, um dem jeweils anderen nachzuschauen und mussten darüber herzlich lachen.
Als Renate am nächsten Morgen, im Taxi sitzend, auf dem Weg zum Flughafen ihre erhaltenen neuen Nachrichten überprüfte, stellte sie erleichtert fest, dass sie keine Nachricht von Karl erhalten hatte. Offensichtlich konnte er wirklich Privates und Berufliches auseinanderhalten. Allerdings las sie einige Nachrichten von ihrem Mann, der vergeblich versucht hatte, sie telefonisch zu erreichen, und sie bat, ihn doch zurückzurufen, wie spät es auch werden würde. Sie hatte ihr Handy in ihrer schönen, neuen, roten Handtasche deponiert und es nicht gehört.
In Hamburg angekommen, fuhr sie erst nach Hause, um sich frische Kleidung anzuziehen und dann mit ihrem Auto in die Firma. Sie berichtete ihrem direkten Vorgesetzten, wie das Meeting und die Präsentation verlaufen waren und dass sie, Renate Hoffmann, sich nicht zuletzt aufgrund der Aussage des Vorstandsvorsitzenden, gute Chancen ausrechnete, diesen Großauftrag abschließen zu können. Sie besprach mit ihm auch, dass sie in den nächsten Wochen jeweils von mittwochmorgens bis donnerstagabends in Frankfurt sein würde, um die Verhandlungen voranzutreiben. Sie berichtete davon, dass Herr Böhmer ihr angeboten hatte, dass seine Firma ihre Reisespesen übernehmen werde. Damit stieß sie allerdings bei ihrem Chef auf taube Ohren. Er gab ihr ganz klar zu verstehen, dass für ihn solch ein Angebot immer Geschmäckle hätte. Er bestand darauf, dass die Firma natürlich für die Reisespesen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geradestehen würde. Er hatte nichts dagegen, dass aufgrund des potenziellen Megaauftrages Renate bis zum Vertragsabschluss jeweils im Frankfurter Palast nächtigen könne. Die Mehrkosten, die über dem üblicherweise zu genehmigenden Budget liegen würden, würde er quer schreiben.
Ansonsten lobte sie ihr Chef und versprach ihr, bei einem erfolgreichen Abschluss eines Vertrages in dem angedeuteten Volumen, einen Bonus in Höhe von mindestens dreihunderttausend Euro. Ob es darüber hinaus noch zu einer Beförderung kommen würde, läge allerdings nicht in seiner Macht. Dies müsste der Aufsichtsrat entscheiden. Er aber würde einen solchen Vorgang positiv begleiten.
Als Renate das Büro ihres Chefs verließ, war sie sehr erfreut, aber auch ein wenig erstaunt. Die barsche Reaktion ihres Vorgesetzten zu den Reisekosten, die die andere Firma übernehmen wollte, hatte sie doch ein wenig überrascht. Glaubte er wirklich, dass sie mit der Zurverfügungstellung eines noblen Hotelzimmers geködert werden könne? Meinte er, dass sein Vorstandskollege auf der "anderen Seite des Tisches" damit ein bestimmtes Ergebnis erzielen wolle? Das war doch an den Haaren herbeigezogen. Renate beruhigte sich selbst mit dem Eingeständnis, dass dies ihr Chef nicht gesagt hatte und sie vielleicht ein wenig zu viel in seine Äußerungen hineininterpretieren würde. Kurz vor Dienstschluss bekam sie dann ihre genehmigten Reiseanträge mit den Flugzeiten und den Hotelreservierungen bis Mitte August von der Personalabteilung zugestellt.
Sie rief daraufhin sofort Karl an, um ihm mitzuteilen, dass sie am kommenden Mittwoch um 8 Uhr 45 in Frankfurt landen und dass sie dann ein Taxi nehmen würde, um zu ihm ins Büro zu kommen. Karl widersprach dem und teilte ihr mit, dass er sie natürlich vom Flughafen mit seinem Wagen abholen würde und sie anschließend sofort einige ihrer Kliniken abfahren würden, um ihr vor Ort zu zeigen, welche Beschaffungs-, Integrations- und Schulungsmaßnahmen Gegenstand des Vertrages sein sollten. Anschließend bat er sie, dass sie zukünftig über die Bildtelefonfunktion von WhatsApp miteinander kommunizieren. Telefonate, bei denen er sie sehen könnte, würden seinen Tag nur verbessern. Renate lachte daraufhin und meinte nur: "Jawoll, mon commandant. Ich lege jetzt auf, aber nur, um dich sofort zurückzurufen." Und das tat sie dann auch.
Nachdem sie das Telefonat beendet hatten, lehnte sie sich glückselig in ihrem Sessel zurück. Sie hatte während des Telefonats einen Screenshot von Karls Gesicht gemacht. Sie rief das Foto auf. Minutenlang schaute sie sich das Foto an, bis ihr schlagartig auffiel, dass sie sich den ganzen Tag noch nicht bei ihrem Mann zurückgemeldet hatte, genauso wenig, wie sie ihn gestern angerufen hatte. Sie gestand sich ein, dass sie ihn ganz einfach vergessen hatte. Ihr wurde schlecht. Sie war nur einen Tag von ihrem Mann getrennt und hatte ihn schon vergessen. Lag das an dem potenziellen Großauftrag, oder lag das daran, dass sie die Gespräche mit Karl genossen hatte. Sie fühlte sich schuldig, verstand allerdings nicht, wessen sie schuldig sein sollte. Schließlich hatte sie mit Karl keinerlei körperlichen Kontakt, bis auf die Umarmung zum Abschied. Und das kann man ja wohl nicht als fremdgehen interpretieren. Je länger sie darüber nachdachte, umso mehr ärgerte sie sich über ihren Mann. Er hätte ja schließlich anrufen können, um zu erfragen, wie es ihr ginge. Aber anscheinend war sein Interesse an ihr auch nicht mehr so hoch, wie es vielleicht vor Jahren gewesen war. Renate fing an, Bernd mit Karl zu vergleichen, wurde dabei allerdings jäh unterbrochen, als ihre Assistentin mit einer Vase mit 24 roten langstieligen Rosen ihr Büro betrat. Mit dem Hinweis, ein Kurier hätte dieses Blumengesteck gerade überbracht, gab sie ihr einen kleinen Umschlag, der in den Rosen gesteckt hatte.
Renate bedankte sich bei ihr und roch verträumt an den Blumen. Als ihre Assistentin die Bürotür hinter sich geschlossen hatte, öffnete sie den Umschlag. Sie war sich sicher, dass die Blumen von Karl stammen mussten. Sie lächelte wissend, als sie dem Umschlag eine kleine Karte entnahm. Doch sie war auf dem Holzweg. Auf der Karte stand in Schönschrift geschrieben: "Für meine liebe Frau, auf die ich dermaßen stolz bin. Ich liebe dich heute mehr als gestern und all die Tage davor. Eine Rose als Dank für bislang jedes Jahr unserer Ehe. Dein Bernd."
Renate sprang aus ihrem Stuhl auf und eilte zu den Toilettenräumen. Sie schloss sich in einer Kabine ein und Sekunden später übergab sie sich. Anschließend setzte sie sich auf die Toilettenschüssel und fing an zu weinen. Hatte sie in den letzten 24 Stunden ihren Ehemann mehrfach emotional betrogen? Ihr Verstand und ihr Herz sagten: "Ja!" Trotzdem redete sie sich ein, dass überhaupt nichts vorgefallen wäre und sie sich auf das Wiedersehen mit Bernd freuen würde. Sie beschloss, mit ihm heute Abend zu Sex haben, und zwar das ganze Repertoire, dass die beiden im Laufe ihrer langen Ehe einstudiert hatten und das ihnen so vertraut war.
Der Abend mit Bernd verlief nicht so, wie Renate es geplant und erhofft hatte. Als sie gegen 19 Uhr nach Hause kam, hatte Bernd bereits ihr Lieblingsessen auf dem Tisch. Bei einer Flasche Wein berichteten beide, wie sie es eigentlich immer taten, von den Geschehnissen des Tages. Bernd war stolz, dass er einen Auftrag über fünfundneunzig Tausend Euro mit einer Klinik, die bislang nicht zu seinem Kundenstamm gehörte, abgeschlossen hatte. Renate musste lächeln, als sie im Geiste dieses Auftragsvolumen mit dem, das sie anvisierte, verglich. Sie empfand ihn plötzlich als einen Kleingeist und artikulierte dies auch: "Mein Schatz, willst du dein ganzes Berufsleben lang um Aufträge dieser Größenordnung kämpfen? Du bist doch genauso clever und vertriebsorientiert wie ich. Verändere dich doch beruflich so, dass du mit einem Arbeitgeberwechsel die Karriereleiter ein Stück emporklettern kannst."
Sie sah in dem Moment die Trauer und Enttäuschung in Bernds Augen, als sie das gesagt hatte. Waren das wirklich ihre Worte? Sie kam sich klein und schäbig vor. Wie würde Bernd reagieren?
Bernd sah sie eine ganze Zeit lang an und meinte dann resigniert: "Ich dachte, du würdest dich mit mir über meinen für mich großen Erfolg freuen. Ich bin glücklich mit dem, was ich tue. Ich bin glücklich, wenn ich vor dir zu Hause bin, um den Haushalt zu schmeißen und dein Lieblingsgericht zu kochen. Ich bin glücklich, dich umarmen und küssen zu dürfen, wenn du von deinen Dienstreisen spät abends zurückkommst. Ich habe kein Interesse daran, durch die Weltgeschichte reisen zu müssen, um irgendwelche Großkunden und deren Vorstände zu hofieren. Ich kümmere mich um meine Karriere, wenn du deine reduzierst, um unser gemeinsames Leben am Laufen zu halten. Wir brauchen nicht mehr Geld, wir brauchen mehr "wir". Mehr habe ich dazu nicht zu sagen."
Renate sah, wie eine Träne Bernds Auge verließ, um langsam an seinem Gesicht herunter zu laufen. Bernd stand auf, zog sich seine Jacke an, nahm seinen Hausschlüssel und seine Geldbörse an sich und ging zur Haustür. Als er sie öffnete, drehte er sich noch einmal zu seiner Frau um und meinte leise: "Du brauchst nicht auf mich zu warten, ich kann dir nicht sagen, wann ich nach Hause kommen werde." Dann dreht er sich um und schloss die Tür hinter sich.
Renate saß wie versteinert vor ihrem Essen. Ihr war der Appetit vergangen. Wie eine uralte, gebrochene Frau stand sie langsam auf und ging ins Umkleidezimmer. Sie holte die Dessous aus dem Kleiderschrank, die sie heute Abend für ihren Mann tragen wollte. Sie rieb den zarten Stoff zwischen Zeigefinger und Daumen. Sie erinnerte sich an ihr Liebesspiel mit Bernd. Wie glücklich waren sie doch gewesen. Was ist mit ihr passiert? Bernd scheint doch immer noch der Gleiche zu sein. Er gibt sich wirklich Mühe, ihr zu beweisen, wie sehr er sie liebt. Also muss sie es sein, die ihre Beziehung gefährdet. Sie musste mit jemandem darüber reden, eine neutrale Meinung einholen. Sie holte ihr Smartphone, startete WhatsApp und rief, ohne zu überlegen, ob sie vielleicht eine ihrer Freundinnen statt Karl anrufen sollte, Karls Mobilfunknummer auf. Sie hörte den Anrufton fast fünfzehn Mal, bis endlich ihr Anruf entgegengenommen wurde. Dann schaltete sie auf die Bildfunktion um und sah in Karls leuchtende Augen. Karl erkannte sofort, dass mit Renate etwas nicht stimmte. Besorgt wollte er wissen, ob es einen Vorfall mit ihrem Mann gegeben hätte und ob sie darüber reden möchte.
Natürlich wollte sie reden und sie redete und weinte und redete und weinte. Karl hörte zu und ließ an den geeigneten Stellen einfließen, dass Bernd überreagiert hätte, dass es nicht ihre Schuld wäre und Bernd sich bald bei ihr entschuldigen würde und dass ihr Ehemann sie eigentlich nicht verdient hätte. Er fragte sie, ob sie glauben würde, dass sie, nachdem was Bernd über Karriere gesagt hätte, sie immer noch eine Partnerschaft auf Augenhöhe hätten. Natürlich bestätigte sie dies, aber die Saat des Zweifels war in ihr gelegt.
Sie telefonierten fast zwei Stunden miteinander. Karl bedankte sich, dass sie ihn angerufen hatte und nicht irgendjemand anderen. Dies würde ihre Freundschaft nur stärken. Renate bestätigte, dass sie sich gefreut hätte, sich nach diesem unschönen Streit mit ihrem Mann ihm anzuvertrauen. Sie bekräftigte, wie gut sie sich verstehen würden, obwohl sie einander erst zwei Tage kennen würden und dass sie auf seine Meinung viel Wert liegen würde. Sie entschuldigte sich bei Karl, dass sie ihn zu so später Uhrzeit gestört hätte und fragte ihn, ob seine Frau nicht wissen wollte, wer ihn angerufen hätte. Karl wiegelte ab. Seine Frau hätte schon lange das Interesse an ihm verloren. Er hätte jahrelang um sie, um ihre Ehe gekämpft, hätte aber einsehen müssen, dass er gegen den deutlich jüngeren Mann, mit dem seine Frau ficken würde, keine Chance mehr hätte. Renate nahm das, was er sagte, für bare Münze und bedauerte ihn. Sie bot ihm an, dass auch er mit ihr über alles, auch über sein Eheleben, sprechen könne. Wo sie könnte, würde sie helfen. Damit verabschiedeten sie sich. Als Karl ihr nach 5 Minuten noch einen Kuss-Emoji schickte, bedankte sie sich mit einem roten Herz-Emoji. Sie hatte gelesen, dass dieses Emoji freundschaftliche Verbundenheit bedeutet. Dass es allerdings primär für die ganz großen Gefühle, für Leidenschaft und Romantik steht, hatte sie aber offensichtlich überlesen, hätte sie sich aber denken können.
Als Bernd um 23 Uhr immer noch nicht zuhause war, ging Renate zu Bett. Sie kontrollierte noch einmal, ob Karl ihr noch eine Nachricht geschickt hatte, hatte er aber nicht. Dass ihr Mann sich auch nicht gemeldet hatte, nahm sie mit einem Achselzucken wahr. Wenige Minuten später war sie eingeschlafen.
Gegen Mitternacht öffnete Bernd leise die Haustür und betrat die Wohnung. Er hatte den Abend in seiner Sky-Stammkneipe um die Ecke verbracht, hatte mit einem anderen Gast ein paar Runden Billard gespielt und sich ein American Football Spiel auf einen der Monitore im Raum angeschaut. Bernd hatte den ganzen Abend über nur zwei Bier getrunken. Er war also nüchtern und hoffte, dass seine Frau noch nicht schlafen würde und sie sich aussprechen könnten. Aber die Wohnung war dunkel. Er zog sich im Wohnzimmer aus und schlich sich ins Schlafzimmer. Er wollte seine Frau nicht wecken und verzichtete deshalb auch auf seine übliche abendliche Körperpflege.
Als er das Schlafzimmer betrat, die Tür stand offen, sah er das leuchtende Display des Smartphones seiner Frau auf ihrem Nachttisch liegen. Neugierig nahm er das Telefon in die Hand. Er sah den Chatverlauf mit einem Karl Böhmer. Es waren nur zwei Emojis, die aber mit Herzen. Er öffnete den Reiter "Anrufe" und sah, dass Renate mit Böhmer telefoniert hatte, und zwar kurz nachdem er die Wohnung verlassen hatte. Dass das Telefonat fast zwei Stunden gedauert hatte, überraschte ihn schon nicht mehr. Er redete sich ein, dass dies nichts zu bedeuten hätte, andernfalls hätte Renate den Chatverlauf gelöscht und Böhmers Telefonnummer nicht unter seinem richtigen Namen abgespeichert. Er wusste, wer Böhmer war, denn in seinem Kundenstamm waren auch zwei Krankenhäuser in Schleswig-Holstein, und die mussten sich Bestellungen, die den Gegenwert von hunderttausend Euro überstiegen, vom zuständigen Vorstand der Holding genehmigen lassen. Und dieser Vorstand war kein anderer als Karl Böhmer.
Er versetzte das Handy seiner Frau in den Ruhemodus und positionierte es zurück auf dem Nachttisch. Dann legte er sich zu Renate und hörte ihr minutenlang beim Schlafen zu. Er würde morgen Abend das Gespräch mit ihr suchen.
Der nächste Tag
"Hallo, Karl", begrüßte Renate gegen 10 Uhr im Büro ihren neuen Seelenverwandten per WhatsApp. "Ich hoffe, du hast gut geschlafen." Noch bevor Karl antworten konnte, sprudelte es aus ihr heraus: "Stell dir mal vor, Bernd hat sich heute Morgen beim Frühstück bei mir so etwas wie entschuldigt, dass er diesen kleinen Streit, den wir gestern Abend hatten, angefangen hatte. Er holt mich nach Dienstschluss ab und wir gehen zusammen essen. Er möchte mit mir über diese Nichtigkeit sprechen. Was hältst du davon?"
"Habe ich dir nicht gesagt, dass er einsehen wird, dass es seine Schuld war und dass er sich bei dir entschuldigen wird?", sagte Karl stolz.
"Ja, das hast du. Was soll ich machen? Soll ich mit ihm Versöhnungssex haben oder erst einmal ein wenig schmollen?", wollte Renate von ihrem neuen Freund wissen.
Der antwortete salomonisch: "Ich kann dir nur sagen, was ich an deiner Stelle machen würde. Ich würde ihn die nächsten zwei Wochen keusch halten. Er sollte lernen, dich zu respektieren und anzuerkennen, dass du der Bestimmer in eurer Ehe ist. Du bist doch beruflich viel erfolgreicher als er. Du bringst den größten Teil des Haushaltseinkommens nach Hause. Er lebt doch in dem Luxus, den du ihm ermöglichst. Aber, nach wie vor, das ist nur meine Meinung. Du musst selbst entscheiden, was für dich und eure Ehe richtig ist."
Karl sah am Bildtelefon, wie Renate über das nachdachte, was er ihr gerade erzählt hatte. Dann fing Renate an, auf seinen Vorschlag zu antworten: "Du verstehst mich wirklich. Es tut mir so gut, deinen Rat einzuholen. Aber ich glaube, wenn ich Bernd den Sex mit mir verweigern würde, sieht das so aus, als ob der Grund unseres Streits wirklich wichtig gewesen wäre. Ich wünschte mir, er wäre so zielstrebig und erfolgreich, wie du es bist, aber er ist es nun einmal nicht und trotzdem liebe ich ihn. Er ist mein Ehemann, mit dem ich fast 25 Jahre lang eine innige und vertrauensvolle Beziehung hatte. Sei mir nicht böse, aber dieses Mal werde ich deinem Rat nicht folgen."
"Du entscheidest, was gut für dich ist", entgegnet Karl ein wenig eingeschnappt. So wie er den Satz aussprach und wie er die Augen rollte, fühlte sich Renate gleich ein wenig schuldig. "Na, vielleicht hast du ja auch ein bisschen recht, Karl. Ich wähle die Mitte. Ich werde ihn eine Woche nicht ran lassen. Ein wenig Strafe muss sein!", meinte Renate süffisant. "So, ich muss jetzt wieder an unserem Vertragswerk arbeiten. Ich melde mich morgen Vormittag und werde berichten, wie der Abend zuhause gelaufen ist. Bis morgen, mein lieber Freund." "Bis morgen, meine liebe Freundin", schloss Karl die Konversation.
Der Ehestreit eskaliert
Gegen 19 Uhr stand Bernd im Foyer des Bürogebäudes, in dem seine Frau arbeitete. Er hatte sie eigentlich erwartet, aber sie ließ ihn warten. Als sie kurz vor halb acht den Aufzug im Erdgeschoss verließ und auf ihn zukam, lächelte sie nicht. Sie gab ihm auch keinen Begrüßungskuss bevor sie mit den Worten: "Hallo Schatz, ich konnte leider nicht früher kommen, denn ich musste noch ein wichtiges Telefonat mit dem Vorstand der Ranconia wegen des Großauftrages führen", ihre Verspätung zwar begründen, aber nicht entschuldigen wollte.
"Du hast also mit Karl Böhmer telefoniert?", fragte Bernd. "Was gab es denn so Wichtiges, dass es keinen Aufschub bis morgen duldete?" Renate zuckte bei Nennung des Namens ihres Freundes kurz zusammen, fing sich aber sofort wieder und versuchte sich einer Antwort zu entziehen: "Komm, lass uns nicht mehr über die Arbeit reden. Ich habe großen Hunger und freue mich auf das Gespräch mit dir." Bernd meinte dazu nur lakonisch: "Ja, wenn das so ist", und ging vor ihr her zu ihrem Wagen. "Ich habe mein Auto zuhause gelassen und bin mit der U-Bahn gekommen. Wir können auch deinen Wagen stehen lassen und ein Taxi nehmen. Dann können wir beide ein oder auch zwei Gläser Wein trinken", schlug er vor. "Nein, ist schon in Ordnung. Ich fahre und werde mich zurückhalten. Wir können auch alkoholfrei einen netten Abend verbringen", erwiderte Renate.
Nachdem sie ihre Menü- und Getränkeauswahl getroffen und beim Ober bestellt hatten, fragte Renate, was er denn so dringend mit ihr besprechen möchte. Bernd schaute sie einige Sekunden an und sagte dann: "Ich spreche ganz offen. Seit Mittwoch verhältst du dich irgendwie merkwürdig. Du hast mich nicht angerufen oder auf meine Anrufe und Nachrichten reagiert. Das ist ungewöhnlich. Als ich dir von meinem aus meiner Sicht großen Auftrag erzählt habe, hast du das abgetan, als wäre es im Verhältnis zu deinem möglichen Großauftrag nichts. Das hat mich sehr verletzt. Ich dachte bislang, dass du stolz auf mich bist. Deine Antwort aber, ich solle den Job wechseln, zeigt mir, dass du es offensichtlich nicht bist."
Der Ober brachte die Getränke an den Tisch und Bernd hörte auf zu reden. Renate trank ein Sprudelwasser, Bernd ein Glas Weißburgunder. Als der Ober ihren Tisch verließ, nahm er seinen Gesprächsfaden wieder auf. "Ich bin gestern gegen 23 Uhr nach Hause gekommen. Dein Handy lag auf dem Nachttisch und war noch beleuchtet. Ich wollte das Telefon in den Ruhemodus versetzen, habe dann aber auf dem Display eine Nachricht von dir an Karl Böhmer gesehen, ein rotes Herz. Ein rotes-Herz-Emoji bedeutet Liebe und Romantik. Liebst du ihn? Möchtest du dich von mir scheiden lassen?" Renate starrte ihren Ehemann an. Sie überlegte, wie sie antworten sollte. Sollte sie ihm eine Szene machen, dass er ihr Handy ausspioniert hatte? Sollte sie ihm von Karl erzählen und ihm erklären, dass er nur ein guter Freund ist und keine Affäre und hoffen, dass er ihr glaubt? Oder sollte sie einfach aufstehen und nach Hause fahren. Wenn sie letzteres tun würde, wäre ihre Ehe am Ende, auch wenn sie dafür keinen Grund sah. Dessen war sie sich sicher. Also blieben nur die Möglichkeiten eins und zwei übrig. Option Eins schied auch aus, denn früher hatten sie gegenseitig die Nachrichten auf dem Smartphone des jeweils anderen, ohne dessen ausdrückliche Zustimmung lesen dürfen mit der Begründung, jeglichen Verdacht einer Affäre im Keim zu ersticken. Es gibt keine Geheimnisse zwischen uns, hatten sie einander geschworen.
Übrig blieb also nur Option zwei. "Nein, Bernd, ich liebe ihn nicht. Ich liebe nur dich. Karl ist ein Freund und das rote Herz sollte Freundschaft ausdrücken, mehr nicht", versuchte sie eine Erklärung. "Und du meinst, dass Karl ein rotes Herz nicht falsch verstehen wird?", hakte Bernd nach.
"Ja, Karl ist nur ein Freund. Er hat mich am Mittwoch nach der Präsentation zu einem Mittagessen eingeladen und wir haben geredet. Wir haben schnell gemerkt, dass wir auf der gleichen Wellenlänge liegen. Bevor ich etwas sagen konnte, hat er mir bestätigt, dass für ihn die Ehe heilig ist und er niemals eine verheiratete Frau verführen würde. Und ich habe ihm gesagt, dass ich dich niemals betrügen würde. Wir haben geredet und geredet über den Großauftrag, über meine Karriereaussichten, über Gott und die Welt, über uns, über unsere Hobbys und Vorlieben."
Bernd unterbrach sie. "Du hast mit ihm über uns, über unsere Ehe, über mich geredet? Hast du das gerade gesagt?"
"Ja, ist das denn schlimm? Er hat gefragt und ich habe ihm seine Fragen beantwortet", bestätigte Renate seine Befürchtungen.
"Und es war Karl, der dir den Floh ins Ohr gesetzt hatte, du hättest einen Mann verdient, der beruflich erfolgreicher ist als ich?", schrie er sie fast an. Sie beruhigte ihren Mann: "Nun sei nicht so laut. Es müssen ja nicht alle unser Gespräch mitbekommen. Nein, Karl hat nie so etwas gesagt. Als ich dich mit ihm verglichen habe, ist mir erst bewusst geworden, dass in dir viel mehr Potenzial steckt, als du selbst meinst."
Es war die nächste Aussage, die ihn verletzte. "Du vergleichst mich mit deinem Lover und möchtest, dass ich es dir beruflich gleich tue. Dass ich jeden Tag von morgens um acht bis abends neunzehn Uhr arbeite, dass ich mindestens eine Nacht die Woche in einem Hotel weit weg von uns übernachte, dass ich meine Zeit, die ich für dich reserviert habe, meiner Karriere übertrage. Wenn ich das machen würde, warum sollten wir dann verheiratet bleiben. Wir würden dann doch nicht zusammenleben, sondern nur nebeneinander zusammen wohnen. Was wollen wir mit dem ganzen Geld, das wir verdienen würden? Wir haben ein schuldenfreies, großes Haus. Wir sind in den letzten 20 Jahren mindestens einmal im Jahr groß in den Urlaub gefahren, und zwar nicht nach Mallorca, sondern in die Karibik oder an jeden anderen Ort dieser Welt, den wir besuchen wollten. Ist es das wert, dass ich versuche, mit dir gleichzuziehen? Ein für alle Mal, ich werde dies nicht machen. Du und unsere Ehe sind mir das Wichtigste auf dieser Welt. Wenn ich bei deinem Vergleich mit deinem Lover schlecht wegkomme, tut es mir leid, aber dann ist das eben so!"
Renate sah ihn erschrocken an. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sollte ihr Mann mit dem, was er sagte, recht haben? Wie kam sie dazu, ihn mit Karl zu vergleichen? Karl war nur ein Freund, Bernd ihr Ehemann. Doch statt ihm dies zu sagen, ihn um Verzeihung zu bitten, sagte sie nur leise: "Karl ist nicht mein Lover. Er hat mich nie angefasst und ich habe ihn nie berührt. Er hat vorgeschlagen, dass du mich auf meinen Dienstreisen, die ich mit ihm unternehmen muss, um den Auftrag, um den es doch nur geht, zu verstehen und zu definieren, begleitest. Er hat vorgeschlagen, dass du in meinem Hotelzimmer übernachtest, wenn ich in Frankfurt bin und wir zu dritt zum Abendessen gehen und uns ein wenig amüsieren. Meinst du, er schlägt dies vor, wenn er mit mir schlafen möchte?"
Bernd unterbrach sie. "Mit dir möchte jeder Mann schlafen, es sei denn, er ist schwul. Aber schwul ist dein Karl bestimmt nicht. Du bist einfach wunderschön, geistreich und für jeden Mann die Trophäe, die nicht mehr getoppt werden kann. Karl versucht, einen Keil zwischen uns zu treiben. Wenn ich dann aus dem Weg bin, wird er dich auch sexuell und nicht nur emotional verführen, und du wirst ihm nachgeben. Und spätestens dann ist unsere, ihm doch so heilige, Ehe zerstört. In drei Monaten werden wir unsere silberne Hochzeit feiern. Ich hoffe, wir erreichen dieses Datum zusammen. Wie machen wir also weiter?"
Renate schaute ihn fassungslos an. "Willst du, dass ich den Auftrag sausen lasse, nur weil ich eine rein platonische, aber freundschaftliche Beziehung zu einem der Vorstände des Auftraggebers aufgebaut habe? Dass kannst du nicht wirklich wollen. In drei Monaten ist der Vertrag unterschrieben. Ich garantiere dir, dass ich Karl dann nur noch selten sehen werde, vielleicht dann, wenn ich für einen anderen Auftrag in Frankfurt oder Umgebung bin."
Bernd schaute sie traurig an. "Du hast nicht verstanden, was die Gefahr ist. Lass uns nach Hause fahren. Ich möchte mit dir am Wochenende mit unseren Freunden Heinz und Petra eine Wildwasser-Rafting-Tour in Österreich machen. Die Flüge sind gebucht, das Hotel ist reserviert. Kommst du mit?"
"Natürlich komme ich mit. Das ist eine schöne Idee, und ich bin mir sicher, wir beide werden unsere Divergenzen in dieser Zeit beilegen können. Komm, lass uns nach Hause fahren. Ich bin müde und möchte ins Bett. Und bevor du fragst, ich möchte mit dir heute Abend keinen Sex haben. Unser Gespräch hat mich doch emotional sehr aufgewühlt und meine Lust auf null gebracht", beschloss Renate den Abend.
Die Autofahrt nach Hause verlief schweigend. Als Renate sich zum Schlafen umgezogen hatte und hinlegen wollte, bemerkte sie mit Schrecken, dass auf Bernds Bettseite das Bettzeug fehlte. Sie rief nach ihrem Mann und ging ins Gästezimmer ins Obergeschoss. Dort fand sie Bernd auf dem Bett vor, auf den Fernseher starrend.
Als er seine Frau bemerkte, sagte er traurig: "Ich habe keine Lust neben meiner Frau zu schlafen, wenn sie in Gedanken bei ihrem ach so asexuellen Freund Karl ist. Sag nichts und gehe einfach ins Bett. Wir sind morgen früh um zehn mit unseren Freunden am Flughafen verabredet. Ich war so frei, unseren Koffer auch mit deinen Sachen zu packen. Er steht im Flur. Du kannst den Inhalt gerne vervollständigen, falls ich etwas vergessen haben sollte. Ich wünsche dir eine gute Nacht."
Renate verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie legte sich in ihr Bett und weinte sich in den Schlaf. Sie liebte ihren Mann, doch sie wollte auch diesen Auftrag, wenn es sein musste, wenn es nötig wäre, um jeden Preis. Das musste Bernd einfach verstehen.
Karl lässt nicht locker
Gegen drei Uhr wurde Renate wach als ihr Smartphone vibrierte und eine WhatsApp Nachricht ankündigte. Schlaftrunken nahm sie das Telefon und schaute aufs Display. Es war eine Nachricht von Karl. Er wollte wissen, ob es ihr gutgehen würde und ob sie ihm über das Gespräch mit ihrem Mann erzählen möchte.
Renate schrieb zurück, dass es ihr beschissen gehen würde und dass sie frühestens Montagmorgen sich melden könne, da ihr Mann für das kommende Wochenende einen Miniurlaub in Österreich geplant hatte. Sie schloss ihre Nachricht mit einem Freundschaft-Emoji, ein blaues Herz. Karl antwortete wieder mit einem Kuss-Emoji.
Endlich Versöhnungssex
Das Wochenende mit ihren Freunden war kurzweilig. Alle vier hatten sich amüsiert und hatten viel Spaß auf dem Wasser. Renate und Bernd schliefen in der kurzen Nacht auf Sonntag miteinander. Es war zärtlicher Sex. Bernd kannte jede erogene Stelle seiner Frau. Er wusste, wie und wo er sie streicheln musste, um sie zu erregen. Er leckte sie, er fingerfickte sie und schließlich führte er seinen Schwanz in sie ein. Kraftvoll, aber langsam, vögelten die beiden. Alles war so vertraut, so intim. Sie waren eins. Nachdem sie sich fast eine Stunde lang gegenseitig verwöhnt hatten, kuschelte sie sich in seine Arme und versuchte einzuschlafen. Aber sie konnte es nicht. Bald hörte sie ihren Mann ruhig atmen. Er schlief und hielt sie fest in seinen Armen. Das Gefühl des Glücks wurde von einem Gedanken verdrängt, dem Gedanken an Karl. Sie dachte in diesem Moment an ihn und fragte sich, ob sie ihm von dem Sex mit Bernd berichten sollte. Sie beschloss das zu tun, um ihm zu zeigen, dass Bernd immer noch ihr Mann wäre und Bernd als einziger das Recht an ihrem Körper hätte. Karl hatte ja gesagt, dass sie ihn sexuell nicht interessieren würde. Nein, das stimmte nicht. Das hatte Karl nie gesagt. Er hatte gesagt, dass er keine verheiratete Frau verführen würde. Würde er sie begehren, wenn sie sich scheiden lassen würde?
Renate löste sich aus dem Griff ihres Ehemannes. Sie nahm ihr Telefon und ging ins Badezimmer. Sie simste ihm: "Ich möchte dir Mittwoch von den Gesprächen mit meinem Mann erzählen. Ist das in Ordnung für dich?" Dann schaltete sie ihr Handy aus und ging ins Bett, um zu schlafen.
Aus dem Ehestreit wird eine Ehekrise
Der Montag und der Dienstag verliefen routiniert. Zwischen Bernd und Renate schien es wieder zu laufen. Bernd hätte gesagt, es würde mechanisch, routiniert laufen. Er hoffte, dass Renate wegen seiner geäußerten Bedenken das Gespräch mit ihm suchen würde. Aber von ihr kam nichts.
Mittwochmorgen flog sie nach Frankfurt. Bernd hatte sie an der Haustür mit einem Kuss und einer, wie er meinte, spaßigen Ermahnung, "sie solle nichts machen, das sie nicht auch mit ihm machen könnte", verabschiedet. Sie meinte Trauer in seinen Augen erkannt zu haben. Sie antwortete ihm, dass sie doch morgen Abend wieder zuhause wäre. Er solle doch schon mal die Kleidung herauslegen, die sie an diesem Abend nur für ihn tragen sollte. Dann kam das Taxi, und sie lief schnell zu dem Wagen.
Karl holte sie persönlich vom Flughafen ab. Nachdem die beiden den ganzen Tag über professionell an der Ausarbeitung und Konkretisierung des Auftrages gearbeitet hatten, trafen sie sich abends kurz nach zwanzig Uhr in der Bar des Frankfurter Palast. Renate schüttete wieder ihr Herz aus. Sie beschrieb, wie sie und ihr Ehemann Sex gehabt hätten, obwohl sie es ihm doch eine Woche lang verwehrt haben wollte. Sie sprachen über ihn. Sie analysierten seinen Charakter, seine Schwächen, seine Stärken. Natürlich versuchte Karl, seinen Nebenbuhler bei dessen Ehefrau schlechtzumachen. Nicht direkt, sondern indem er Renate beschrieb, wie viel besser es ihr gehen könnte, wenn sie ihren Mann dazu bringen könnte, dies und das zu tun. Und Renate sog diese giftigen Worte dankbar auf. Sie kam immer mehr zu der Überzeugung, dass sie mehr verdient hätte als den Mann, den sie seit 24 Jahren hatte.
Wieder zuhause berichtete sie freudestrahlend von ihrer Arbeit - und von Karl. Sie zitierte ihren Freund, wann immer sie meinte, dass es die Situation erfordern würde. Wenn Bernd ihren Rat erfragte, gab sie ihm, oftmals mit den einleitenden Worten: "Ich glaube, Karl würde an deiner Stelle dies und das machen", eine Antwort.
Sie merkte nicht, wie Bernd sich immer mehr von ihr entfernte. Für sie war er zwar immer noch ihr Ehemann, und sie fickte wirklich nur mit ihm und nicht mit Karl, aber er und sein Tun wurden selbstverständlich für sie. So war er selbstverständlich abends vor ihr zuhause und hatte sie selbstverständlich zu umsorgen. Schließlich war sie doch die tolle Frau, die zu lieben sie es ihm gestattete. Er sollte ihr dafür dankbar sein. Aber Bernd wollte nicht mehr dankbar sein. Er beschloss, aktiv den Freund seiner Ehefrau zu bekämpfen. Er versuchte es, Karl mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, was natürlich sinnlos war, denn Renate hatte Karl schon auf einen zu hohen Sockel gestellt. Ganz im Gegenteil kehrten sich seine Attacken gegen ihn. Natürlich erkannte er, dass er so nicht wieder an sie herankam. Er nahm sich deshalb in den kommenden Wochen zurück und versuchte zu vermeiden, dass Renate von ihrem ach so fantastischen Freund in seiner Gegenwart schwärmen konnte. Aber er fing an, ihr zu verdeutlichen, dass sie es wäre, die ihre Ehe bedrohen würde. Eines Abends, nachdem sie sich wieder gestritten hatten, weil er Renate in der Halbzeitpause eines im Fernsehen übertragenen Fußballspiels in der Toilette überrascht hatte, als sie ein Telefonat mit Karl führte, stellte er ihr ein Ultimatum. Sie sollte unmittelbar nach dem Vertragsabschluss ihr Verhältnis zu Karl beenden, oder er würde die Scheidung einreichen. Mit den Worten: "Ich möchte dich davon befreien, mit deinem minderwertigen Ehemann ein Bett teilen zu müssen und werde deshalb ab sofort im Gästezimmer leben. Meine Sachen habe ich heute bereits aus dem Schlafzimmer ins Gästezimmer gebracht", stand er auf und verließ das Wohnzimmer. Renate war geschockt, schaute ihm hinterher und rief ihm zu: "Wir bekommen das wieder hin, mein Schatz. Lass mich nur das Geschäft abschließen."
Bernd hatte schon lange angefangen, die Chatverläufe zwischen den beiden zu archivieren. Da Renate weiterhin davon überzeugt war, dass sie keine Affäre mit Karl habe, löschte sie ihre Nachrichten und Voice Mails auch nicht. Sie wollte so Bernd signalisieren, dass es zwischen ihnen keine Geheimnisse gab. Weiterhin hatte Bernd eine Detektei beauftragt, ihm Hintergrundmaterial über Karl Böhmer zu beschaffen. So vergingen die Tage bis Anfang August.
Terminprobleme oder Taktik?
Am 2. August teilte Renate ihrem Mann mit, dass die Verhandlungen in die letzten Runden gehen würde und, dass der Vertrag bis auf ein paar Konditionen ausgehandelt sei. Sie würde am 14. und 15. August in Frankfurt sein, um den Vertrag zu finalisieren. Das traditionelle Closing Dinner, an dem die beteiligten Vorstände, Bereichs- und Abteilungsleiter und Rechtsanwälte teilnehmen würden, war für den 15. des Monats terminiert. Sie berichtete wie selbstverständlich, dass sie mit Karl diese Terminplanung abgestimmt hätte, damit sie zeitig am 16. zurückfliegen könnte, da sie ja am 17. ihren silbernen Hochzeitstag hätten. "Du musst wissen", führte sie weiter aus, "dass es Karl gewesen war, der auf diesen Termin bestanden habe, damit wir in aller Ruhe unseren Hochzeitstag feiern können. Ist er nicht ein guter Freund?"
Renate flog bereits am 13. August nach Frankfurt, damit sie sich stressfrei auf die kommenden Tage vorbereiten konnte. Den Abend verbrachte sie natürlich mit Karl. Nach dem Abendessen gingen sie Hand in Hand in die Oper. Es wurde Mozarts "Così fan tutte" gespielt.
Am folgenden Tag, dem 14. August, wurde das Vertragswerk in großer Runde in einem Tagungsraum im "Frankfurter Palast" endverhandelt. Es war nun unterschriftsreif. Renate blickte erstaunt auf, als Karl zum Schluss des Meetings verkündete, dass der Termin des Closing Dinners auf den 17. August verschoben werden müsste, damit auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Ranconia AG daran teilnehmen könnte. Und es würde auch kein Abendessen sein, sondern ein Mittagessen, ein Closing Lunch also. Er bestätigte, dass der Vorstandsvorsitzende von Renates Firma der Terminverschiebung auch zugestimmt hätte. Renate wollte doch am 17. in Hamburg bei ihrem Mann sein. Schließlich wären sie an diesem Tag seit 25 Jahren ein Ehepaar. Als sie Karl darauf ansprach, zuckte der nur mit den Schultern. "Ich kann doch auch nichts dafür", versuchte er sich zu entschuldigen. "Ober sticht Unter, und mein Aufsichtsratsvorsitzender ist nun einmal mein Chef." Was er nicht sagte, war, dass er in dem Terminplan seines "Ober" von vornherein den 17. als den Tag des Closing Lunch hatte blockieren lassen. Er wollte symbolisch Renates Ehe an diesem Tag beenden, wenn sie, statt mit ihrem Mann 25 Jahre Eheglück zu feiern, mit ihm beim Closing Lunch saß und sich die Nacht zuvor hat von ihm hätte ficken lassen. "Du musst deinen Mann auf den Tag nach eurer Silberhochzeit vertrösten. Mein Chef und unser Vorstandsvorsitzender haben beide darauf bestanden, dass du an dem Closing Lunch teilnimmst. Ich habe Sie auf die Terminkollision mit deiner Silberhochzeit hingewiesen. Aber sie bestanden weiterhin auf deiner Teilnahme. Sie wiesen darauf hin, dass es sich schließlich nicht um ein Geschäftsvolumen von einhunderttausend Euro handeln würde, sondern um das größte, dass beide Firmen jemals abgeschlossen hätten. Ohne Frau Neumann gibt es keinen Vertragsabschluss, haben sie gesagt."
Renate wirkte verzweifelt. "Karl, wenn ich wirklich daran teilnehmen muss, dann fliege ich noch heute Abend zu meinem Mann und kläre das mit ihm."
"Mach das", bestätigte ihr Karl. "Er wird das schon verstehen, schließlich ist er ein großer Junge."
Renate schien anfänglich diese Zurückstufung ihres Ehemannes übergehen zu wollen, doch dann antwortete sie: "Bernd ist kein Junge mehr. Er ist mein Mann und er liebt mich. Und nur deshalb wird er mir vielleicht gestatten, an dem Termin teilzunehmen, statt mit ihm unsere Silberhochzeit zu feiern. Ich muss jetzt los, um noch einen Flieger nach Hamburg zu bekommen."
"Bevor du gehst habe ich noch eine Bitte an dich. Ich unterstelle, dass dein Mann einsichtig ist und dich gehen lässt. Ich möchte, dass du am 16. bis spätestens 18 Uhr wieder hier bist und du die gleiche Kleidung trägst wie bei unserem ersten Treffen, als du im Vorstand deine Präsentation vorgetragen hast. Du erinnerst dich, es war das graue, enganliegende Etuikleid, das über deinen Knien endete. Und vergiss nicht die roten Accessoires, die du getragen hast: den roten Gürtel, die rote Handtasche, deine halterlosen, hautfarbenen Strümpfe mit dem roten Strumpfband und der roten Naht, deine roten High Heels und deinen Ring mit dem roten Rubin."
"Daran kannst du dich noch erinnern?", fragte sie sehr erstaunt. "Ja, dein Bild in dieser eleganten Aufmachung ist in meinem Gedächtnis eingebrannt", sagte er mit einem Lächeln. "Ich werde schauen, was sich machen lässt", erwiderte sie ernst und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Was ist denn um 18 Uhr?", wollte sie noch wissen. Karl antwortete knapp: "Lass dich überraschen!"
Schnell holte sie ihren Koffer aus ihrer Suite, stürmte zum Taxistand und fuhr zum Flughafen. Sie hatte Glück, sie konnte mit der letzten Maschine noch mitfliegen und würde gegen 22 Uhr in Hamburg sein. Kurz vor dem Boarding rief sie ihren Mann an und kündigte ihr Kommen an. Als er wissen wollte, was denn der Grund dafür sei, dass sie vor dem morgigen Closing Lunch noch einmal mit ihm sprechen müsste, vertröstete sie ihn auf später, wenn sie zuhause sein würde.
Gegen 23 Uhr betrat sie ihr Haus. Sie stellte ihren Koffer im Eingangsbereich ab, hing ihren Mantel an der Garderobe auf und ging ins Wohnzimmer. Bernd wartete dort auf sie. Vor ihm auf dem Tisch standen zwei Gläser Wein.
"Setz dich und nimm dir ein Glas", forderte er seine Frau auf, die seiner Aufforderung nervös folgte.
"Bist du endlich zur Vernunft gekommen und hast den Typen endlich verlassen?", begann er die Konversation.
"Wie kannst du nur sagen, dass ich ihn verlassen soll. Er ist doch nur ein Freund", schnauzte sie ihn fast an.
Jetzt platze Bernd der Kragen: "Nein, er ist ein Nebenbuhler und ihr habt vor mir ganz offen eine Affäre. Ich glaube dir, wenn du mir sagst, ihr hattet bislang keinen Sex miteinander. Also ist es keine körperlich-sexuelle Affäre. Aber du betrügst mich auf der Gefühlsebene und das seit drei Monaten. Seit drei Monaten hast du nur noch deinen Karl im Kopf, und zwar jeden verdammten Tag, jede verdammte Stunde und jede verdammte Minute. Karl macht dies, Karl macht das. Karl ist dir doch viel wichtiger als ich. Ich bin doch nur noch ein lästiges Anhängsel für dich. Leugne es nicht, es gibt so viele Anzeichen dafür, dass du mich emotional hintergehst. Du rufst ihn ständig an, bist ständig mit ihm im Kontakt. Er ist die erste Person, die du kontaktierst, wenn du Neuigkeiten hast. Ich kenne deine E-Mail-, deine WhatsApp Kommunikation mit ihm, also sag nicht, ich würde falsch liegen. Daher weiß ich auch, dass du seinen Rat einholst, und nicht den meinen. Du vergleichst mich mit ihm und lässt ihn deine Vergleiche kommentieren. Du erzählst ihm von unseren Eheproblemen, von unserem Sexleben, von einfach allem. Du lässt mich von ihm kleinreden und verteidigst mich nicht. Du distanzierst dich von mir, du bist respekt- und ehrlos mir gegenüber und nörgelst ständig an mir herum. Plötzlich bin ich dir nicht mehr beruflich erfolgreich genug. Ich bin dir einfach nicht mehr genug. Du strebst nach höherem. Wenn ich versucht habe, mit dir über ihn zu reden, bist du sofort in die Defensive gegangen und hast die "besondere Freundschaft" mit diesem Typen merklich runtergespielt. Du vernachlässigst mich zugunsten deiner "besonderen Freundschaft". Warum wohl schlafe ich im Gästezimmer und warum haben wir in den letzten zwei Monaten nicht mehr miteinander geschlafen? Weil die Welt sich doch für dich nur noch um diesen Karl dreht. Du betrügst mich ganz ungeniert mit ihm. Du bist mit deinem Freund eine emotionale Affäre eingegangen. Den Respekt, das Vertrauen, die Nähe und Toleranz, die wir beide mal voreinander und miteinander hatten, haben wir nicht mehr. Ich nehme an, du hast dies alles auf ihn übertragen. Gesteh dir endlich ein, dass du fremdgehst. Sprich ehrlich mit mir, deinem Mann, über die Affäre. Ich bin gerne bereit, mit dir gemeinsam nach Ursachen und Problemen in unserer Beziehung zu suchen und mit dir an unserer Ehe zu arbeiten. Aber ich kann diese Demütigungen, diese Trauer, diesen Schmerz nicht länger ertragen. Ich bitte dich, an mir und an unserer Ehe festzuhalten und die Affäre mit Karl zu beenden - oder mach mit uns Schluss. Nein, ich bitte dich nicht, ich fordere dich auf, diese Affäre sofort zu beenden, ansonsten beende ich unsere Ehe. Du hast die Wahl."
Nachdem Renate ihren ersten Schreck überwunden hatte, wehrte sie sich: "Wie immer übertreibst du. Ich will nur diesen Vertrag und wenn ich ihn habe, dann werde ich Karl nicht mehr sehen und nicht mehr mit ihm sprechen. Die Abarbeitung des Vertrages übernehmen andere aus der Firma, ich bin dann außen vor. Ich bin heute eigentlich nur gekommen, um dir persönlich zu sagen, dass das Closing Lunch vom 15. auf den 17. August verschoben worden ist."
Bernd schaute sie verstört an. "Am 17. August feiern wir doch unsere Silberhochzeit. Ist dir das bewusst?"
Renate antwortete sofort: "Ja, das ist mir sehr wohl bewusst, und ich weiß, dass dieser Termin dir sehr viel bedeutet. Aber wenn ich zum Closing Lunch nicht erscheine, wird mein Konkurrent den Zuschlag bekommen und all meine Arbeit war umsonst. Ich möchte deine Zustimmung, dass wir unsere private Feier verschieben und hoffe, du gibst sie mir. Du kannst mich gerne zum Closing Lunch begleiten und wir verabschieden uns nach dem Essen und feiern woanders unseren ganz persönlichen Tag. Was meinst du?"
Bernd war wütend und enttäuscht. "Nein", erwiderte er, ich bin nicht damit einverstanden, unsere silberne Hochzeit zu verschieben. Siehst du denn nicht, dass Karl diese Terminverschiebung absichtlich herbeigeführt hat, um unsere Ehe symbolisch zu beenden. Ich wette mit dir, er hat dich morgen Abend zu sich bestellt. Renate, er wird dir dann sagen, dass du mit ihm schlafen sollst. Ansonsten wird er den Vertrag nicht unterschreiben. Für ihn ist das die letzte Gelegenheit, auf dich einzuwirken. Er will dich einfach nur ficken und hat Genugtuung daran, unsere Ehe zu zerstören. Dieses Schwein wird dich zwingen, dass du mich verlässt und dass wir uns scheiden lassen. Er wird dir anbieten, dass du mit ihm als seine Geliebte zusammenleben kannst. Er wird dich sexuell ausbeuten, dich mit seinen Freunden teilen. Du bist ihm doch jetzt schon auf emotionaler Ebene hörig, und dann wirst du ihm auch noch sexuell hörig sein. Und irgendwann wird er dich einfach fallen lassen. Aber dann gibt es keinen Ehemann mehr, der dich auffängt. Dann bist du allein. Ich habe Beweise, dass er auf diese Art und Weise schon einige Male eine Gespielin an sich binden konnte. Es war immer die gleiche Masche: zuerst Gehirnwäsche, dann Erpressung. Denk an meine Worte."
Renate stammelte nur: "Du spinnst. Du bist auf ihn nur eifersüchtig, weil Karl so erfolgreich und gutaussehend ist und ich ihn mag und ihm vertraue. Ich gehe jetzt ins Bett und werde morgen Vormittag wieder nach Frankfurt fliegen. Nach dem Closing Lunch am 17. komme ich zurück und wir besprechen, wie es mit uns weitergeht. Schlaf gut." Damit stand sie auf und ging wortlos ins Schlafzimmer und verschloss die Tür hinter sich.
Am nächsten Morgen packte Renate ihren Koffer mit der Kleidung, die Karl so gerne an ihr sehen wollte. Als der Taxifahrer an der Tür schellte, stand Bernd neben ihr. "Wir erneuern morgen entweder unser Ehegelübde oder besprechen unsere Scheidung. Du entscheidest durch deine Handlungen. Geh nicht zu ihm, ich bitte dich! Der Mann ist toxisch für dich, für mich, für uns", sprach er in ruhigem Ton zu ihr. Sie antwortete nicht, sondern gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann übergab sie dem Taxifahrer ihren kleinen Koffer und ließ sich zum Flughafen fahren.
Als sie die Sicherheitsüberprüfung am Flughafen erledigt hatte, blieben ihr bis zum Boarding noch fast zwei Stunden Zeit. Sie holte sich einen Kaffee, setzte sich auf eine hintere Sitzbank und rief Karl an. Sie erzählte ihm, dass Bernd nicht zugestimmt hätte, dass sie an dem Closing Lunch teilnehmen kann. Bevor Karl nachfragen konnte, ob sie denn teilnehmen würde, sagte sie: "Ich bin bereits am Flughafen. Ich bin pünktlich um 18 Uhr in der Bar, und bin gespannt, was du mir zu sagen hast. Und natürlich nehme ich morgen am Closing Lunch teil."
"Das wollte ich von meiner Freundin hören. Du hast dich richtig entschieden. Dein Verlierer von Ehemann ist doch nur eifersüchtig auf meine und deine Erfolge. Er hat Angst, dass du ihn verlässt und er sein erbärmliches Leben allein - ohne dich - führen muss. Ich freue mich auf heute Abend. Hast du an das graue Kleid gedacht? Bekomme ich es schon heute Abend an dir zu sehen? Das wäre geil."
Die letzten Worte ihres Freundes hörend, erschrak sie. Hatte er mit Bezug auf ihr Aussehen von "geil" gesprochen? Nach einigen Sekunden interpretierte sie seine Aussage als ein Kompliment. Karl riss sie aus ihren Überlegungen. "Erde an Renate", flachste er. "Bist du noch da?" "Ja ja", antwortete Renate schnell, "wenn du es willst, dann werde ich mich entsprechend kleiden. Du, mein Flug wird aufgerufen. Noch ein Wort: Du brauchst mich nicht abzuholen. Ich werde ein Taxi zum Hotel nehmen. Bis heute Abend, mein Freund."
Das Finale
Zwei Stunden, nachdem Renate in Frankfurt angekommen war, landete auch Bernd am Frankfurter Flughafen. Er hatte das Dossier der Detektei bei sich. Es belegte, dass Karl Böhmer schon einige Male Frauen ihren Männern entfremdet hatte und sie sich, nachdem er ihrer sexuell überdrüssig geworden war, für seine beruflichen Zwecke prostituierten. Wenn er dann final mit ihnen fertig war, waren sie nur noch ein Wrack, emotional und körperlich. Bernd war sich sicher, was an dem Abend passieren würde. Er hatte es Renate prophezeit.
Ab 16 Uhr war er Gast in der Bar des "Frankfurter Palastes". Er suchte sich einen Tisch aus, der weit genug von der Bar entfernt war, so dass er nicht sofort auffiel, aber einen guten Überblick über die anwesenden Gäste hatte.
Dann ging er zum Ober und stellte sich als Privatdetektiv vor. Er gab dem Ober eine Hälfte eines 200-Euro-Scheines, damit er ein kleines, in einem Salzstreuer verstecktes Übertragungsgerät in der Nähe einer bestimmten Frau positionieren würde. Er würde ihm ein Zeichen geben, wenn diese Frau die Bar betreten sollte. Der Ober, ein älterer Herr, der in seinem Berufsleben schon so manches erlebt hatte, war nicht besonders erstaunt, einen derartigen Wunsch zu hören und willigte sofort ein.
Kurz vor 18 Uhr betrat Renate den Raum. Bernd gab dem Ober das verabredete Zeichen. Renate bestellte ein Glas Grauburgunder und der Ober lieferte es ihr an ihren Tisch, zusammen mit dem Salzstreuer. Bernd betrachtete verstohlen seine Frau. Sie sah in dem grauen Kleid atemberaubend aus. Die roten Accessoires betonten ihre Figur. Renate wirkte auf ihn aufgeregt. Sie war eindeutig nervös. Als kurz nach sechs Karl den Raum betrat, sprang sie sofort auf, um ihm ihre Position zu zeigen. Karl lächelte, als er mit weit geöffneten Armen auf sie zuging, sie umarmte, zu sich heranzog und ihr einen Kuss auf den Mund gab. Als er versuchte, seine Zunge in ihren Mundraum zu schieben, löste sie sich mit sanfter Gewalt von ihm. Bernd hatte die ganze Szene mit seinem Handy gefilmt. Das Empfangsteil des Übertragungsgerätes lag vor ihm. Ein In-Ohr-Kopfhörer war damit verbunden, so dass Bernd alles hören konnte, was die beiden sprachen. "Karl, so kenne ich dich ja gar nicht", begrüßte Renate ihren Freund. Der jedoch nahm ihre Hand und drehte Renate um ihre eigene Achse. "Renate, du bist wunderschön. Ich freue mich, dass du da bist, denn ich muss mit dir noch etwas besprechen. Ich habe leider nur kurz Zeit, da mich mein Chef noch einmal zu sich bestellt hat. Er will von mir noch einmal die Hauptbestandteile unseres Vertragswerkes erklärt haben. So, setzt dich bitte hin." Die beiden nahmen gegenüber an dem kleinen Tisch Platz. Als der Ober ihn nach seinem Getränkewunsch fragte, schickte Karl ihn weg mit der Begründung, er würde gleich wieder gehen müssen. "Ich bin auf die Überraschung gespannt", begann Renate das Gespräch. "Wirklich?", fragte Karl. "Ich glaube, du kannst dir schon denken, was ich dir gleich sagen werde. Du musst mir noch eine Bedingung erfüllen, bevor ich meinem Chef empfehle, den Vertrag mit deinem Arbeitgeber abzuschließen." Renate schaute ihn verstört an. "Nun hab dich nicht so. Es ist auch nichts Besonderes, denn ich möchte nur, dass du mir in den nächsten zwei Nächten bedingungslos sexuell zur Verfügung stehst. Du wirst machen, was ich sage und du wirst es mit Freude machen. Haben wir uns verstanden? Um es ganz klar zu sagen, ich werde dich ficken bis deine Fotze und dein Arschloch glühen und du oft genug meine Ficksahne geschluckt hast. Falls du dich weigern solltest, ist unser Geschäft geplatzt und dein Mitkonkurrent, mit dem wir parallel verhandelt haben, bekommt den Auftrag. Zwei Tage Sex für einen Bonus von dreihunderttausend Euro und die Aussicht auf eine Beförderung sind nicht zu viel verlangt." Renate war sprachlos. Böhmer wartete ein paar Sekunden, dann schaute er auf seine Uhr, stand auf und verabschiedete sich mit den Worten: "Ich sehe dich um halb acht in meinem Zimmer 423. Sei pünktlich."
Bernd sah, wie Renate ungläubig ihrem vermeintlichen Freund Karl hinterher starrte. Er winkte den Ober zu sich und übergab ihm einen Umschlag, auf dem ihr Name stand, mit der Bitte, ihr diesen in fünf Minuten zuzustellen. Falls sie fragen sollte, wer ihm den Umschlag gegeben hätte, solle er sagen, dass ein Kurier den Umschlag beim Concierge abgegeben hätte. Dann übergab Bernd ihm noch die zweite Hälfte des durchgerissenen 200-Euro-Scheins als vollständigen Lohn für seine Gefälligkeiten.
Bernd betrachtete seine Frau, wie sie in ihren Gedanken versunken war, seit Karl sie verlassen hatte, allein an dem kleinen Tisch in der Bar des 5-Sterne-Hotels "Frankfurter Palast" saß. Obwohl sie eigentlich keine starke Raucherin war, steckte sie sich eine Zigarette nach der anderen an. Bernd spürte fast körperlich ihre Nervosität. Wer sie genau beobachtete, konnte ein leichtes Zittern ihrer Hände erkennen. Manchmal nahm sie das gefüllte Glas Wein, das vor ihr auf dem Tisch stand, in die Hand und führte es in Richtung ihres Mundes. Aber gut 20 Zentimeter, bevor ihre Lippen das Glas hätten berühren können, stoppte sie die Bewegung. Sie schaute auf den Wein, und es schien, als ob sie sich mit ihm sprachlos unterhalten würde. Dann nahm sie wieder das Dossier, das vor ihr auf dem Tisch lag, zur Hand und las es zum x-ten Male durch. Es beschrieb anhand von fünf Beispielen, wie Karl Böhmer Frauen erst emotional sich hörig machte und dann auch noch sexuell unterwarf. Diese Frauen vertraten alle Firmen, mit denen Böhmers Firma auch Geschäftskontakte unterhielt. Mit der Hoffnung auf einen möglichst großen Auftrag ließen sie sich mit Böhmer auch privat ein. In zwei der fünf Fälle kam es direkt zu körperlichem Sex, in den anderen drei Fällen schaffte es Böhmer, dass diese Frauen ihre Männer emotional hintergingen. Er wurde zu ihrem jeweiligen "Seelenverwandten". Und kurz vorm Geschäftsabschluss gaben sie sich ihm dann auch körperlich hin.
Die Detektei, die dieses Dossier innerhalb weniger Wochen zusammengestellt hatte, berichtete Bernd, dass es gar nicht so schwer gewesen wäre, die Fakten zusammenzutragen. Böhmer war im Markt für diese "Spielchen" bekannt, und nachdem sie den Namen der ersten Frau, die auf Böhmer hereingefallen war, ausfindig gemacht hatten, hatten sie schnell deren zehn zusammen. Alle Frauen waren geschieden und sie gaben unisono Karl dafür die Schuld. Sie waren nicht gerichtlich gegen ihn vorgegangen, denn die Erpressung konnten sie nicht beweisen und das jeweilige Techtelmechtel waren sie ja freiwillig eingegangen. Aber sie sahen die Chance, sich an ihm ein wenig zu rächen und gab den Detektiven bereitwillig jede Auskunft, die diese hören wollten.
Bernd sah zu, wie Renate ihren Ehering, ein Ring mit einem leuchtenden Rubin in der Mitte, der ringsum mit kleinen Diamanten verziert war, oft zärtlich berührte und ihn gelegentlich von ihrem Ringfinger nahm, nur um ihn sich intensiv anzuschauen und anschließend wieder an ihren Finger zu stecken. Bernd sah darin eine unterbewusste, symbolhafte Handlung und hoffte, dass der Streit, den sie offensichtlich in ihrem Kopf austrug, zu seinen Gunsten enden würde.
Er freute sich zu sehen, wie seine Frau einem gutaussehenden, höflichen Mann, der offensichtlich mit ihr ins Gespräch kommen wollte, rigoros einen Korb gab.
Es war halb acht durch, als Renate durch das Vibrieren ihres Smartphones, das den Erhalt einer SMS ankündigte, aus ihren Gedanken gerissen wurde. Sie nahm ihr Telefon in die Hand, überprüfte den Absender, es war natürlich Karl, und las die Mitteilung "Wo bleibst du?" Sie beantwortete sie aber nicht. So ging es die nächste Stunde weiter. In Abständen von etwa fünf Minuten vibrierte Renates Telefon. Sie las die Nachrichten, die mit jeder Nachricht immer "verzweifelter" und bedrohlicher wurden und legte das Handy anschließend wieder vor sich auf den Tisch.
Dann, gegen halb neun, Karls Ultimatum war bereits seit einer Stunde abgelaufen, stand sie auf, bezahlte beim Ober ihr Getränk, das sie nicht getrunken hatte und ging zu den Fahrstühlen.
Bernds Herz wurde schwer. Würde sie jetzt zu Karl in das Zimmer 423 gehen? Er beschloss, ihr nicht hinterherzugehen, sondern noch eine Stunde in der Bar zu warten, in der Hoffnung, dass sie es sich doch noch anders überlegen würde. Er hörte sich Karls Erpressung, die er auf seinem Smartphone gespeichert hatte, immer und immer wieder an. Er beschloss, sich an Karl zu rächen, egal, wie Renates Entscheidung ausfallen würde.
[Anmerkung des Autors: In dem Moment, in dem Renate zum Aufzug gegangen ist, steht sie am Scheideweg. Ihr bieten sich zwei Möglichkeiten. Entweder gibt sie sich Karl hin und beendet damit ihre Ehe und gewinnt den Auftrag oder sie verlässt das Hotel und fährt nach Hause und rettet damit (vielleicht) ihre Ehe, verliert aber den Großauftrag und wahrscheinlich ihren Job. Wie wird sie sich entscheiden? Für mich war der von mir gewählte Fortgang der Geschichte alternativlos.]
Der Aufzug kündigte monoton das Öffnen der Tür durch ein leises "Pling" an. Gebannt starrte Bernd, wie sich die Tür öffnete und Renate die Kabine verließ. Sie trug über ihrem grauen Kleid einen Mantel und zog ihren Trolley hinter sich her. Beim Empfang checkte sie aus und verließ das Hotel. Bernd jubilierte innerlich.
Schnell überprüfte er unter Renates Lufthansa Account, ob es eine Flugreservierung für sie gab. Es gab keine. Auch wäre kein Flieger mehr nach 20 Uhr mit Ziel Hamburg abgehoben. Er informierte sich per App, welcher Zug direkt nach Hamburg durchfahren und wann dieser abfahren würde. Er würde später direkt zum Hauptbahnhof fahren, in der Hoffnung, sie dort anzutreffen. Jetzt aber musste er versuchen, noch einen Termin beim Aufsichtsratsvorsitzenden der Ranconia AG, Herrn Darius, zu bekommen. Er rief seinen Chef an, der in der Branche "Gott und die Welt" kannte, um ihn zu bitten, dass er jetzt noch einen Termin für ihn bei Darius vereinbaren würde. Für ihn würde der Fortbestand seiner Ehe davon abhängen. Er hatte Glück. Sein Chef kannte Darius persönlich und hatte seine Mobilfunknummer. Darius ging auch ans Telefon und die beiden vereinbarten, dass Bernd sich bei ihm noch melden könne. Sofort nahm Bernd mit Darius Kontakt auf.
Darius hatte auch im "Frankfurter Palast" eingecheckt und war willens, ihn in der Bar zu treffen. Zehn Minuten später saßen sich die beiden Männer gegenüber. Darius wollte wissen, was denn so dringend sei, dass es noch heute geklärt werden müsse. Bernd antwortete: "Vielen Dank, Herr Darius, dass Sie mich noch zu dieser späten Uhrzeit empfangen. Ich bin Bernd Neumann, der Ehemann von Renate Neumann."
Darius unterbrach ihn: "Die Neumann, die so kompetent und zielorientiert den Abschluss eines Megaauftrages verhandelt und strukturiert hat? Den Auftrag, den wir morgen feierlich unterzeichnen werden?"
"Genau diese Frau", bestätigte Bernd, um fortzufahren: "Allerdings wird Ihr Vorstandsmitglied, Herr Karl Böhmer die Vertragsunterzeichnung morgen verhindern."
"Warum denn das? Das Angebot ist doch deutlich besser, sowohl preislich als auch vom Service her, als das des einzigen Mitbewerbers", wollte Darius wissen.
"Ich bringe es auf den Punkt. Böhmer hat heute Abend meine Frau damit erpresst, den Auftrag dem Mitbewerber zu geben, wenn sie ihm nicht, und ich zitiere wörtlich, da ich seinen Originalton auf Band habe, in den nächsten zwei Nächten bedingungslos sexuell zur Verfügung stehen würde"". Dann spielte er die Tonsequenz ab.
Darius hörte genau zu. Schüttelte pausenlos den Kopf und meinte nur: "Dieses Schwein, den schmeiß' ich morgen raus!"
"Stichwort morgen", sagte Bernd, "Morgen haben Renate und ich unseren silbernen Hochzeitstag. Böhmer hat verhindert, dass wir ihn feiern können, da er das ursprünglichen für den 15. für abends geplante Closing Dinner auf Ihren Wunsch hin auf den 17. mittags hätte verschieben müssen. Er bestand darauf und machte es auch für die Unterzeichnung des Vertrages zur Bedingung, dass meine Frau persönlich teilnehmen muss."
"Stopp", unterbrach ihn Darius, "ich habe Böhmer nie um eine Terminverschiebung gebeten. Der aktuelle Termin ist der, der mit mir vor zwei Wochen abgestimmt worden ist. Und Ihre Frau ist einfach gegangen und hat Böhmer sitzen lassen und riskiert den Auftrag und wahrscheinlich auch ihren Job zu verlieren? Die Frau ist spitze. Warum sind Sie denn hier und wo ist Ihre Frau?"
Bernd antwortete wahrheitsgemäß: Ich bin hier, weil ich sehen wollte, ob meine Ehe heute Abend beendet wird. Sie wäre es auf alle Fälle, wenn meine Frau die Nacht mit Böhmer verbracht hätte. Renate weiß nicht, dass ich hier bin. Sie hat mich in den letzten drei Monaten, seitdem sie Böhmer kennengelernt hat, mit ihm emotional betrogen."
"Ich weiß, was das bedeutet", unterbrach ihn Darius, "und auch, dass ein derartiger Betrug verletzender sein kann als ein Seitensprung."
Bernd führte weiter aus: "Ich weiß nicht, wo meine Frau jetzt ist. Ich hoffe, sie nimmt den ICE um 22 Uhr 30 nach Hamburg. Ich werde gleich hinfahren. Vielleicht habe ich Glück und ich treffe sie im Zug. Wir haben viel zu besprechen."
"Das wünsche ich Ihnen", drückte Darius seine Hoffnung auf ein gutes Ende aus. "Gestatten Sie mir aus eigener leidvoller Erfahrung, denn auch meine Frau hat mich vor vielen Jahren mal über einen längeren Zeitraum emotional betrogen, zu raten, wenn Sie Ihre Frau noch lieben, dann gehen Sie zusammen mit ihr zu einer Eheberatung oder begeben sich in die Obhut eines Therapeuten. Meiner Frau und mir hat es geholfen. Und, wenn Sie Ihre Frau sehen sollten, können Sie Ihr mitteilen, dass der Vertrag mit Ihrem Arbeitgeber auf alle Fälle abgeschlossen wird. Ich bitte Sie noch darum, mir den Gesprächsmitschnitt zuzumailen, damit ich gegen Böhmer auch etwas Handfestes habe, die fristlose Entlassung zu begründen." Herr Darius überreichte Bernd seine Visitenkarte. "Meine private E-Mail-Adresse habe ich auf die Rückseite geschrieben", ergänzte er noch.
"Mache ich", erwiderte Bernd, "und ich maile Ihnen noch ein Dossier der von mir beauftragten Detektei, aus dem hervorgeht, dass Böhmer bereits bei vielen Frauen die gleiche Masche abgezogen hat, um sie ins Bett zu bekommen." Bernd stand auf, reichte Herrn Darius die Hand und verabschiedete sich. "Ich danke Ihnen, Herr Darius, für Ihr Verständnis. Ich möchte nun schnell los, um den ICE und hoffentlich meine Frau noch zu erreichen."
"Viel Glück Ihnen beiden!", gab Darius ihm noch mit auf den Weg.
Bernd legte die knapp eineinhalb Kilometer zum Bahnhof zu Fuß in zehn Minuten zurück. Ein Taxi zu nehmen hätte wahrscheinlich genauso lang gedauert, dachte er sich. Er informierte sich auf der Anzeigentafel, auf welchem Gleis der ICE stand. Der Zug wurde in Frankfurt erst eingesetzt, insofern stand er hier schon seit etlichen Minuten. Bernd ging langsam an dem Zug entlang, in der Hoffnung, seine Frau an einem der Zugfenster sehen zu können. Und wirklich, etwa in der Mitte des Zuges sah er sie. Sein Herz machte vor Freude einen Sprung. Sie schien ihn allerdings nicht gesehen zu haben, wirkte eher apathisch.
Nachdem er den Zug betreten und es sich im Zugrestaurant bequem gemacht hatte, hörte Bernd sein Smartphone brummen. Er hatte eine SMS von seiner Frau bekommen. Gierig las er ihre Nachricht: "Mein geliebter Ehemann, du hattest mit allem recht. Ich war so blöd und habe dich so sehr verletzt. Die Schmerzen, die ich dir zugemutet habe, sind durch nichts zu entschuldigen. Ich bin auf dem Weg nach Hamburg und werde nach Mitternacht zu Hause sein. Ich könnte es verstehen, dass du mit mir nichts mehr zu tun haben willst. Ich hoffe aber, dass es noch eine Chance für uns gibt. Ich liebe dich von ganzem Herzen. Deine Renate."
Bernd bestellte für sich in aller Ruhe ein Glas Wein, das er innerhalb der nächsten Stunde langsam austrank. In dieser Zeit leitete er wunschgemäß den Gesprächsmitschnitt und das Dossier der Detektei an Herrn Darius weiter. Dieser war offensichtlich noch wach, denn er bedankte sich und bestätigte den Erhalt der Unterlagen. Er schrieb noch, dass er einen seiner Juristen geweckt hätte, damit dieser über Nacht noch die Zeit hatte, die fristlose Entlassung des Herrn Karl Böhmer für den morgigen Tag vorzubereiten.
Die Uhr zeigte Mitternacht an. In der nächsten Sekunde würde er mit seiner Frau 25 Jahre lang verheiratet sein, ein Vierteljahrhundert. Viel zu viel, um diese lange Zeitspanne einfach wegzuwerfen. Bernd war entspannt und jetzt bereit für ein Treffen mit seiner Frau. Die Demütigungen, die Vertrauens- und Respektverluste, die er in den letzten Monaten und Wochen erfahren musste, hatten seiner Liebe zu Renate geschadet. Doch war dieser Schaden irreparabel und welche Schuld trug er daran selbst?
Bernd hatte sich im Internet über das Thema "emotionale Affäre" informiert. Die meisten der Warnzeichen, die darauf hindeuteten, dass einer der beiden Ehepartner eine emotionale Affäre mit einer dritten Person eingegangen war, hatte er auch in dem Verhältnis seiner Frau zu ihrem Geschäftspartner und vermeintlichen Freund Karl gefunden. So weit, so schlecht. Aber er hatte auch gelesen, dass der Fremdgänger oft bei seiner Affäre etwas sucht, das er von seinem eigenen Partner nicht bekommt. Bei einer emotionalen Affäre kann dieser Mangel sogar noch gravierender sein, als bei einer rein sexuellen, denn dann geht es überwiegend um die Grundlagen einer gesunden Partnerschaft, wie Vertrauen, Respekt, Vertrautheit und Toleranz.
Bernd erhob sich von seinem Sitz und ging in Fahrtrichtung vorwärts auf der Suche nach seiner Frau. In einem Abteilwagen fand er sie schließlich. Sie saß in einem Sechserabteil am Fenster und schien zu weinen. Sie hatte ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckt und er konnte sie schluchzen hören. Langsam und leise öffnete er die Abteiltür. Sie hatte davon nichts bemerkt. Bernd setzte sich in den Sessel ihr gegenüber. Er schaute seine Frau lange an. In ihrer Kleidung sah sie aus wie eine Frau, die darauf wartete, entweder in ein 3-Sterne-Restaurant oder zur Premiere einer Oper ausgeführt zu werden. Renate war eine Schönheit. Aber Bernd erinnerte sich nicht an den Sex mit ihr zurück. In seinem Gehirn sah er ganz gewöhnliche Szenen, in denen sie sich als Paar in der Öffentlichkeit zeigten. Er sah Momente, in denen die unterschiedlichsten Männer seiner Frau auf Partys Avancen machten und sie diesen Herren unverzüglich mit einem Lächeln zu verstehen gegeben hatte, dass sie gegen ihren Mann, gegen ihn also, keine Chance hätten. Wer das Beste hat, gibt sich mit dem Zweitbesten nicht mehr zufrieden, hatte sie manch einem unbelehrbaren Freier in einem ruhigen, überzeugten Ton gesagt. Wer mit ihr tanzen wollte, hatte Bernd vorab zu fragen. Natürlich wusste Bernd, dass er seiner Frau vertrauen konnte, dennoch wollte sie sein Einverständnis, dass ein fremder Mann oder auch ein Freund sie anfassen durfte. Keiner dieser Männer hätte es je gewagt, sie unsittlich zu berühren. Sie wussten, sie hätten sich sofort eine Ohrfeige von Renate abgeholt.
Bernd bemerkte, dass Renate aufgehört hatte zu weinen. Sie hatte den Kopf gesenkt und hielt ein zerknülltes Taschentuch vor sich. Erst trocknete sie notdürftig ihre Tränen, dann schnäuzte sie sich. Als sie aufblickte, erschrak sie. Sie hatte nicht damit gerechnet und auch nicht mitbekommen, dass jemand ins Abteil zu ihr gekommen war. Das Licht im Abteil war aus und auch der Mond spendete kein Licht. Insofern erkannte sie Bernd auch nicht, wohl weil sie ihn auch hier nicht erwartet hatte.
In einem Ton, der Zärtlichkeit und Verständnis ausdrückte, fragte er sie, ob sie ihm ihren Kummer anvertrauen möchte. Erst jetzt erkannte sie ihren Mann. Sie zitterte am ganzen Körper, als ob sie auf Drogenentzug wäre. Mühsam flüsterte sie die Worte: "Du bist es wirklich? Du bist bei mir? Es tut mir so leid, dass ich dich und unsere Ehe verraten habe. Liebend gern würde ich dir meinen Kummer, meine Freude und meine Liebe zu dir anvertrauen. Willst du das wirklich hören?"
Bernd stand auf, ging den einen Schritt auf Renate zu und kniete sich dann vor ihr hin, schaute ihr in die Augen und sprach: "Ja, ich will hören, was du mir sagen möchtest. Doch zuvor muss ich dir noch eine wichtige Frage stellen. Wir sind heute ein Vierteljahrhundert Mann und Frau. Ich bitte dich, unser Ehegelöbnis zu erneuern und frage dich, Renate, ob du auch weiterhin meine Frau sein möchtest. Ich für mein Teil will weiterhin dein Mann bleiben, in guten und in schlechten Zeiten."
Renate brach in einem Weinkrampf zusammen. Bernd drückte sie an seine Brust und gemeinsam weinten sie. Als sich Renate etwas beruhigt hatte, flüsterte sie in sein Ohr: "Ja, ich will, in guten und in schlechten Zeiten."
Epilog
Die Gäste am Closing Lounge fragten Böhmer, warum denn Renate Neumann nicht anwesend wäre. Böhmer erwiderte, dass sie gar nicht eingeladen worden wäre, denn letztendlich müsste er das gesamte Vertragswerk neu aufmachen, da Frau Neumann einige handwerkliche Fehler gemacht hätte. Er würde sich ohnehin dafür aussprechen, dass der Vertrag nicht mit der LabTecnical AG abgeschlossen würde, sondern mit ihrem Mitbewerber.
Als Böhmer die Gründe nennen wollte, warum der Wechsel sinnvoll wäre, unterbrach ihn sein Aufsichtsratsvorsitzender Darius. Er forderte Böhmer auf zu bestätigen, dass Frau Neumann nicht ordnungsgemäß gearbeitet hätte und deshalb nicht eingeladen worden wäre. Böhmer bestätigte dies, worauf Darius sagte, er würde den wahren Grund kennen und die Teilnehmer an diesem Closing Dinner nunmehr darüber informieren. Darius gab einem Assistenten einen Hinweis, der den Gesprächsmitschnitt, der Böhmers Erpressungsversuch und sexuelle Belästigung beinhaltete, über die Lautsprecheranlage des Salons abspielte.
Böhmer sackte in seinem Stuhl zusammen. Darius bat um Ruhe und führte weiter aus, dass er mit all seinen Aufsichtsratskollegen heute Morgen telefoniert hätte, sie daraufhin eine offizielle Aufsichtsratssitzung einberufen und durchgeführt hätten, auf der als einziger Tagungsordnungspunkt beschlossen worden wäre, Karl Böhmer mit sofortiger Wirkung fristlos zu entlassen. Die juristische Abteilung würde weiterhin prüfen, ob Herr Böhmer strafrechtlich und oder zivilrechtlich weiterverfolgt werden könne. Falls dies der Fall sein sollte, würde er persönlich dafür Sorge tragen, dass die Ranconia AG gegen Böhmer die notwendigen juristischen Schritte einleiten würde.
Darius führte aus, dass natürlich der Vertrag, wie zwischen den Parteien vereinbart und ausgehandelt, unterschrieben werden würde. Er lobte den Anteil von Renate an diesem Abschlusserfolg in den höchsten Tönen. Er sagte den anwesenden Vorständen der LabTecnical AG mit einem Lächeln auf dem Gesicht, dass sie ja nicht mit dem Bonus für Frau Neumann geizig sein sollten, und auch eine Beförderung in Erwägung ziehen müssten, wollten sie verhindern, dass er Frau Neumann abwerben würde. Danach wurden die notwendigen Unterschriften unter das Vertragswerk geleistet. Ein anwesender Notar bestätigte die Personalien der Personen, die die Unterschriften geleistet hatten und deren Vertretungsbefugnis für die jeweilige Firma. Der Vertrag war damit ordnungsgemäß zustande gekommen.
Renate und Bernd haben wieder zueinander gefunden. Es ging aber nicht von heute auf morgen. Sie mussten viel an ihrer Beziehung arbeiten und hatten sich dabei der Hilfe einer Therapeutin bedient. Sie waren entsetzt, als sie im Laufe der Therapiesitzungen gemeinsam herausarbeiteten, wie schleichend selbstverständlich im Laufe ihrer Ehe Bernd für Renate und Renate für Bernd geworden waren.
Sie erfanden sich und ihre Beziehung im Laufe der Zeit nicht neu, sondern belebten die in der Vergangenheit miteinander gemachten positiven Erfahrungen und die gemeinsamen, verbindenden Aktivitäten wieder mit neuem Leben.
Als sie ihre dreiwöchige, zweite Hochzeitsreise nach Hawaii antraten, waren sie bereits auf einem guten Weg, wieder ein Paar zu werden. Ein Paar zu sein bedeutet zusammenzugehören, eine Einheit zu bilden. Der ganz große Durchbruch in ihrer Wiederfindung kam aber erst dann, als sie beschlossen, diese Einheit zu vergrößern und eine Familie zu gründen. Sie beschlossen, sich ihren langgehegten und verschütteten Kinderwunsch zu erfüllen, indem sie ein Kind adoptieren.
Ende!
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