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Gefährliches Minenfeld (fm:Verführung, 93131 Wörter) [2/2] alle Teile anzeigen

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Veröffentlicht: Jul 23 2025 Gesehen / Gelesen: 2960 / 2581 [87%] Bewertung Teil: 9.78 (41 Stimmen)
Sandras sorgloses Leben erfährt einen Dämpfer. Ein Mann taucht auf und es kommen weitere unschöne Dinge ans Licht, Uwes Vergangenheit betreffend. Sandra forscht nach, wird aber unvorsichtig, und bringt sich dabei in grosse Gefahr

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"Wer will denn zu ihm?"

"Antonio. Antonio mein Name. Ich Italiener."

Ich entgegnete voller Süffisanz: "Das hört man. Und wieso?"

"Er muss etwas für mich tun. Für meine Schwester."

"Warum kommt die nicht selbst?"

"Das geht nicht. Sie tot."

"Oh, das tut mir leid. Aber ich werde ihnen da nicht helfen können. Ich bin verabredet."

Sein Blick fuhr über mein Outfit. Er lachte, aber sein Lachen ging in ein Husten über. Ein Husten, der nicht aufhörte. Er hielt seine Hand vor den Mund. Als es nach mehreren Minuten endlich aufhörte, hatte er Blutspritzer an der Hand. "Geht es ihnen nicht gut? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?"

"Ja, danke." Es kam ein wenig gequält aus seinem Mund. So ganz gesund sah er nicht aus, wirkte etwas gebrechlich, obwohl er, wie ich schätzte, erst um die fünfzig war. Sollte ich ihm ein Wasser raus bringen? Nee, so wie der aussah, war er keine Gefahr. Ich könnte ihn reinlassen. "Kommen sie rein." Seine Augen blickten dankbar, wenn auch etwas trübe. Er schien sich wieder etwas gefangen zu haben, aber er hatte einen schleichenden Gang. Ich schloss wieder auf und ließ ihn hinein, bedeutete ihm, auf der Couch Platz zu nehmen. Dann ging ich in die Küche und zapfte ein Glas Wasser, welches ich ihm brachte. Als ich wiederkam, schaute er sich um, von der Couch aus, ohne aufzustehen. Ich stellte das Wasser vor ihn hin. Er nahm es und trank einen großen Schluck. "Danke", sagte er.

"Was wollen sie denn von Uwe?", fragte ich.

"Wann kommt er denn zu Hause?"

"So schnell nicht. Können sie mir nicht sagen warum? Ich bin seine Frau."

Er lächelte, etwas gequält. "Das hab mir gedacht. Er hat gute Wahl getroffen."

"Womit?"

"Mit ihnen. Zumindest ... mit Aussehen."

"Warum nicht mit dem Rest?"

"Machen sie für Beruf? Oder nach Feierabend? Weiß er davon?"

"Wer soll was wissen?"

"Na, Uwe."

"Und was soll er denn wissen?"

"Dass sie gehen anschaffen." Ich spürte, dass mein Gesicht sich verformte, aber er war schneller. "Erzähl nix keinen Scheiß. Ich sehe auf die erste Blick!" Er hatte recht. Es war ja nicht zu verleugnen, irgendwie. Ich hatte ja meinen Mantel geöffnet.

"Es mag vielleicht so aussehen. Aber es ist nicht so."

"Aber ist nicht Uwe, zu dem hingehen wollten, nicht ernst?" Wie machte der das nur? Er schien mich zu durchschauen. Aber alles wusste er offenbar nicht.

"Nein. Ich wollte zu einem Bekannten. Es ist ein Spiel. Er tut so, als würde er mich bezahlen, und ich tue so, als wäre ich eine Professionelle. Aber das übrige Geld spende ich dann, später. Ich selbst mache es nicht für Geld."

"Sie sind rätselhafte Frau."

"Und sie sind ein merkwürdiger Besucher! Soll ich ihnen einen Kaffee machen?"

"Ja, gerne. Aber nicht so stark mache." Ich ging in die Küche und ließ die Maschine laufen, warf aber ein Auge auf ihn. Er stand auf, was sehr mühselig aussah, und ging zu einem im Wohnzimmer hängenden Bild. Uwe hatte es selbst angefertigt. Es war das einzige Dekorationsstück von Uwe, welches ich damals noch hängen gelassen hatte. Ich ließ ihn schauen, legte noch einige Kekse auf einen Teller, nahm mein Handy und sendete eine SMS an Peter. 'Ist was dazwischen gekommen, unerwarteter Besuch. Anderes Wochenende ist ok?' Eine Minute später piepte es. 'Schade. Ja, ist okay. Peter.' Hier würde ich wohl nicht rechtzeitig wegkommen. Das Hotelzimmer konnte ich natürlich nicht mehr stornieren. War eh mit Kreditkarte bezahlt, da musste ich jetzt nicht selbst hin, um alles zu regeln. Der Besitzerin des Hotels hatte ich mal alles erklärt, und konnte seit dem trotz meines Outfits immer rein. So konnte ich die Modelwohnung vermeiden, die war ja nicht immer verfügbar und auch teurer als das Hotel. Nun war der Kaffee fertig. Ich füllte zwei Tassen, die Milch hatte ich schon auf dem Tablett, und stellte alles auf dem Tisch ab. Dann ging ich zu ihm hin. Er zeigte auf eine Stelle des Bildes. "Sind das Steine vom die Mattertal? Das Bild Uwe selber haben gemacht, oder?"

"Stimmt, das ist sein Bild. Aber woher ... keine Ahnung. Das hatte mich nie groß interessiert. Aber ja, dieser Name fiel mal."

"Sie kein Bergwandern machen?"

"Nee. Ist mir zu anstrengend. Aber Uwe hat das sehr genossen. Er hat immer flache Steinchen von da mitgenommen und vor ein paar Jahren hatte er darauf hin daraus dieses Bergbild gebastelt."

"Eine nettes Idee. Wann kommt er denn wieder nun?"

Ich seufzte. "So schnell nicht."

"Haben sie ihn getrennt?"

"Sozusagen ja. Vielleicht können sie ja ..."

"Nein, das geht nicht!", fiel er mir ins Wort. Wir setzten uns und tranken Kaffee und aßen ein paar Kekse.

"Wo haben sie Uwe denn kennengelernt?"

Ich erzählte ihm die Geschichte. Wir waren damals beide Studenten in Münster, hatten uns dann einige Jahre aus den Augen verloren, und in Hamburg wiedergetroffen, ganz zufällig. Wie das Leben so spielt. Ich merkte aber, wie er immer müder wurde. "Wollen sie in ihr Hotel? Sie sehen müde aus."

Er lächelte. "Ich kein Hotel. Ich dachte kann übernachten, bei Uwe hier."

"Soll ich für sie?"

Ich griff schon nach meinem Handy, aber er schüttelte den Kopf. "Kann ich hier auf Couch schlafen? Ich auch keinen Ärger machen."

Kurz überlegte ich, fand ihn aber ungefährlich. Er strotzte nicht gerade vor Energie und notfalls hatte ich ja mein Reizgas. "Sie können die Decke da nehmen. Ist ja warm hier drinnen. Hier ist das kleine Bad mit Toilette, da können sie sich auch frisch machen. Ich schlafe oben."

"Danke, das ist lieb!"

"Gute Nacht!" Ich ging nach oben, so wie ich war, mit Mantel. Ich spürte seine Blicke, ohne dass ich mich umdrehen musste. Jeder Mann hätte mir hinterhergeschaut in diesem Outfit. Wirklich jeder. Außer vielleicht ein schwuler Mann. Aber seine Augen, die vorhin einige Male aufblitzten, hatten mir gesagt, dass er nicht so einer ist. Keiner, der Männer liebte. Er konnte ja so einiges sehen, als ich ihm im Sessel gegenüber saß. Ich machte mich dann bettfertig und legte mich schlafen. Mein Leben lief schon lange in geregelten Bahnen, sofern man das, was ich machte, geregelt nennen konnte, aber nun hatte mich die Vergangenheit wieder eingeholt. Uwes Vergangenheit. Was würde er denn von Uwe wollen? Wie würde er reagieren? Sollte ich es ihm nicht einfach sagen? Aber nein, ich würde erst ein mal versuchen, doch etwas herauszubekommen. Diese und tausende Gedanken gingen mir im Kopf herum, ehe ich endlich erst so gegen drei Uhr morgens einschlief.

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Teil2: Der Zusammenbruch

Trotz der unruhigen Nacht war ich wie immer gegen sechs Uhr aufgewacht, und sprang gleich unter die Dusche. Natürlich ging sogleich mein anderer Wecker an, hatte ich doch gestern mein Soll nicht bekommen. Coitus interruptus ohne Koitus sozusagen. Sandra Fail, so wie früher oft mit Uwe. Der Fremde kam wieder in meine Gedanken. Wohin jetzt mit ihm? Als ich mich fertig gemacht hatte, heute mit gesellschaftsfähiger Kleidung, ging ich die Treppe hinunter. Er saß schon auf der Couch, sah ein wenig müde aus. "Guten Morgen. Schlecht geschlafen?"

Ein gequältes Lächeln kam aus seinen Lippen. "Nein. Ich von ihnen geträumt habe."

Ich lachte schrill auf. "Sie sind in guter Gesellschaft. Das haben schon tausende gemacht. Na ja, hunderte. Frühstück?"

"Da nicht nein sage ich!"

Ich verschwand in der Küche, machte alles fertig, füllte das Tablett und trug es zum Esstisch. "Guten Appetit", sagte ich. Er stand jetzt auf und kam zum Tisch, setzte sich hin, schaute sich an, was ich alles aufgetischt hatte.

"Haben sie eine Besuch erwartet?", fragte er.

"Nein, erst nächstes Wochenende. Uwes ehemaligen Chef. Ich bin mit ihm ganz gut befreundet."

"Übernachtet auch hier er?"

Seine Augen wirkten nun Raubtierhaft. Ich ließ mir Zeit mit der Antwort. "Manchmal. Sonst würde er ja nicht zusammen mit mir das Frühstück einnehmen. Ich hoffe, es stört sie nicht."

"Sie sind ja Herr in die Haus, geht an mich ja nichts!"

Wir aßen jetzt unser Frühstück, das Gespräch versiegte fast, außer dass er den Geschmack und die Konsistenz des Toastbrotes lobte. Den Tipp hatte ich damals auch von Piere bekommen. Es war außerdem viel gesünder als der Schrott den man sonst so im normalen Lebensmittelhandel bekam. "Wollen sie noch duschen?", fragte ich, als wir mit essen fertig waren, und nur noch den Kaffee tranken.

"Gerne. Sie so lieb sein zu mir!"

"Einfach die Treppe hoch und geradezu zu der Tür dort. Handtuch liegt auf dem Board. Und der Wäschekorb ist da gleich hinter der Tür."

"Soll ich reinschmeißen da?", fragte er.

"Nee, da sind meine Sachen drin. Auch der Slip von gestern. Als ich da so saß, hat der sie ja brennend interessiert."

Er schaute mich mit stechendem Blick an. Dann wurde der Blick milder. "Sie eine merkwürdige Frau seien."

"Ich weiß. Und manchmal gefährlich." Ich ließ es darauf beruhen und gab dazu keine weitere Erklärung ab. Unsere Blicke belauerten sich. Dann gewann ich. Er seufzte, stand auf.

"Dann will ich mal." Er ging, oder besser gesagt, schlich die Treppe hinauf. Obwohl der noch gar nicht so alt schien, wirkte er merkwürdig kraftlos. Oder war er krank? Das mit dem Blut gestern sah nicht normal aus. Natürlich hatte ich es längst gemerkt. Mein kleines Biest da unten hatte wieder ein Eigenleben entwickelt und wurde vorwitzig, drängte sich in meine Gedanken. Ich stellte mir vor, wie er jetzt den Slip aus dem Wäschekorb nahm, daran roch, und sich dabei vorstellte, es mit mir zu machen. Ich stellte es mir vor, obwohl er doch eigentlich nicht mein Typ war, und sowieso nicht in mein Beuteschema passte. Was so ein ausgefallenes Treffen zum Sex doch so alles bewirken kann! Ich machte noch ein paar Verrichtungen, dann kam er die Treppe herunter. Ich hatte noch keinen Plan, wie es mit ihm weiter gehen sollte. Irgendwie müsste ich ihn jetzt aus dem Haus bekommen. Den Anlass gab er mir gleich selber.

"Na, riecht er gut?", fragte ich ihn.

Ein entwaffnendes Lächeln. "Hab nicht getan das. Was nun mit Uwe sein? Wo ich ihn finden?"

Ich wurde jetzt wütend. War es wegen des Nachbohrens mit Uwe? Oder weil er meinen Slip verschmäht hatte? Mir nicht verraten hatte, was er von Uwe will? Im Nachhinein konnte ich es nicht mehr sagen. "Sie wollen wissen, was mit Uwe ist? Ja? Los, kommen sie, ich bringe sie zu Uwe!" Er machte keine Anstalten. "Na los!" Ich zog mir eine Jacke über, öffnete die Tür, er kam mir hinterher. "Wir nehmen meinen Wagen!"

Er folgte mir, stieg ein, ich fuhr los. Mittlerweile hatte ich mich wieder beruhigt, fuhr sinnig. Eine Viertelstunde später, wir hatten nicht miteinander geredet, waren wir angekommen. Man konnte hier ja ohne Probleme mit dem Auto hineinfahren. "So, wir sind da. Kommen sie, Herr Antonio."

Er stieg aus, lächelte, ging mir hinterher. "Antonio mein Vorname sein. Ich bin di Stefano heißen. Haben sie auch Namen?"

"Ich bin die Sandra."

"Was wir hier machen? Uwe sagen, er Manager sein. Nicht Gärtner von die Friedhof."

"Das war er ja auch. Manager. Bis dann was dazwischenkam."

"Weiß er denn wissen, dass wir kommen?"

"Oh ja, das weiß er! Er weiß alles. Aber keine Angst, er wird ihnen sicher nichts tun."

"Warum er sollte?"

Ich antwortete nicht, sondern blieb stehen. Wir waren da. Mein Blick richtete sich auf den Grabstein. Uwe Neuhaus, sein Geburtsdatum stand da und sein Sterbedatum 08.07.2019. Es dauerte einen Moment, bis er das Gesehene erfasste, aber dann begann es. Er begann erst unkontrolliert zu zucken, dann brach er in Tränen aus, ging auf die Knie, fing wieder zu husten an, noch schlimmer als gestern Abend, dann röchelte er, fiel um, zuckte noch ein wenig, dann lag er da wie tot. Ich bekam einen Riesenschreck. Sofort zückte ich mein Handy und rief den Notruf an. Ich habe wenig Erinnerungen an das was danach passierte, funktionierte nur. Sie gaben mir telefonisch Anweisungen was ich machen sollte, zum Glück war keine Herzdruckmassage nötig, sondern nur eine Kontrolle der Lebenszeichen und stabile Seitenlage, ein Friedhofsbesucher half mir dabei, einen anderen Besucher schickte ich zur Straße, um den Rettungswagen an der richtigen Stelle zu stoppen. Aber schon nach kurzer Zeit waren sie da, versuchten ihn anzusprechen, dann kam auch schon der Notarzt, ich stand völlig neben mir, allein gelassen mit dieser Situation, welche ich selbst verursacht hatte. Was hatte diesen Mann so erschüttert? Sie verfrachteten ihn auf eine Liege. Der Notarzt kam zu mir. "Kennen sie ihn?"

"Nicht weiter. Ich weiß nur, dass er Antonio di Stefano heißt, sonst nichts. Er ist Italiener. Er ist ganz plötzlich vor mir zusammengebrochen. Wo bringen sie ihn hin?"

"In die Notaufnahme AK Barmbek."

"Gut, ok." Er drehte um und ging zu seinem Notarztwagen. Und wieder war ich allein mit der Situation. Der Helfer hatte sich verdrückt und die anderen Friedhofsbesucher, die vorhin mit Sicherheitsabstand der Sache zugesehen hatten, waren auch schon in alle Winde verstreut. Was soll ich denn nun machen? Eigentlich wollte ich heute in die Firma, um mit Vanessa Entwürfe fertig zu machen. Ich fühlte mich verantwortlich für das, was mit ihm passiert war, um nicht zu sagen schuldig. Warum hab ich ihm das mit Uwe nicht einfach gesagt? Endlich hatte ich einen Entschluss gefasst. Ich rief bei Vanessa an und sagte ab.

Das Auto ließ ich stehen und kämpfte mich mit dem Bus bis zum Krankenhaus durch. War ja ganz einfach mit der Linie 172. Mit dem Parken wäre es da eh nicht so einfach gewesen. Ich fragte mich bei der Notaufnahme durch. Natürlich wollten die gleich wissen, ob ich Angehöriger bin. Ich redete mich damit heraus, dass er für ein paar Tage bei mir wohnt, was ja auch stimmte. Ich musste erst einmal Platz nehmen und es dauerte Stunden, bis ich endlich zu ihm gelassen wurde. Er lag auf einer Liege, neben ihm ein Tropf. Trotz der Situation lächelte er mir zu.

"Was passiert, dass du mir nicht sagen konntest das?" Es war kein Vorwurf in seiner Stimme.

"Es ist ein Trauma. Uwe hatte mein damaliges Leben zerstört, und am Ende ist er dann da gelandet, wo er jetzt liegt. Und nein, ich hab ihn nicht dahin gebracht, falls du das glaubst."

Sein Lächeln nahm einen traurigen Zug an. "Ich in dich hinein sehen kann. Ich weiß, du es nicht warst. Ich wusste nur, dass etwas sein muss passiert. Aber das hier da, hat mich sehr erschrocken das. Es behindert meine Mission. Ich muss trotzdem erfüllen sie."

Ein ganz junger Arzt kam hinein. "So, Herr di Stefano. Sie sind jetzt wieder stabil. Sie können jetzt wieder nach Hause."

"Aber er hat doch hier gar kein Zuhause", mischte ich mich in das Gespräch ein.

"Sie sind wer?", fragte er.

"Sandra Neuhaus."

"Und wie stehen sie zu dem Patienten?"

"Gar nicht. Er liegt ja und ich sitze." Ein gestrenger Blick des Arztes reichte. "Ich bin nicht mit ihm verwandt. Er hatte bei mir übernachtet, heute Nacht."

"Also haben sie keine Unterkunft hier für heute, morgen, und so weiter?", fragte er jetzt Antonio.

Antonio schüttelte den Kopf. Der Arzt wandte sich an mich: "Kann er denn heute noch mal bei ihnen übernachten? Er ist noch ziemlich schwach ..." Er wandte sich an Antonio: "Darf ich es ihr sagen?" Wieder schüttelte Antonio den Kopf. Ein Blick des Arztes zu mir. So ein ... ja, Dackelblick kann man bei diesem schnuckeligen Arzt nicht sagen, aber es war ein bettelnder Blick.

"Ja gut, ich mache es. Er kann mit zu mir. Aber ich muss erst mein Auto holen. Es steht noch auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Kann 'ne halbe Stunde dauern."

"Ich danke ihnen. Parken sie einfach vor der Einfahrt, rufen sie dann bei der Zentralen Notaufnahme an, wir bringen ihn dann raus. Hier ist die Nummer." Er gab mir ein Kärtchen. Ich nahm Antonios Hand.

"Ich komme gleich, ja?" Er nickte und ich ging los. Mensch Sandra, was hast du dir nur wieder eingehandelt! Ich haderte mit mir. Gleichzeitig hatte ich aber das Gefühl, es war irgendwas Wichtiges, was diesen Antonio hierher zu mir geführt hatte. Ich musste unbedingt herausbekommen, was es war, nun, nachdem er weiß, dass Uwe tot war. Ich holte mein Auto, rief bei der Notaufnahme an, und dann kamen zwei Weißkittel mit ihm heraus. Er konnte aber schon wieder selber gehen, die waren nur zur Sicherheit mit. Schade, dass der Arzt so streng war. Den hätte ich gerne vernascht. Sandra!, schalt ich mich gleich wieder. Immer nur das eine im Kopf!

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Teil3: Die schockierenden Nachrichten

Ich fuhr zu mir, er war in sich versunken, sagte nichts. Ich stellte das Auto ab.

"So, da wären wir!" Mein Wagen stand hinter seinem Auto, welches ein Nummernschild mit Italien Kennung hatte. Ich stieg aus und öffnete die Beifahrertür, er quälte sich heraus und schaffte es, bis zur Haustür zu gelangen. "Nehmen sie Platz." Ich zeigte ihm die Couch.

"Danke, Sandra." Huch, waren wir schon beim Du? "Jetzt du musst mir helfen."

"Tue ich doch schon!"

"Ich nicht mich meinen. Du musst mir Andrea helfen mit. Uwe kann nicht mehr tun."

"Wer ist denn Andrea?"

"Andrea ist Kind sein von Uwe und Lorena."

"WAS?" Ich ließ mich in den Sessel rutschen. Die Nachricht riss mir den Boden unter den Füßen weg. "Uwe hat ein Kind? Das ist nicht wahr!" Diese Information löste einen neuen Schock in mir aus. Alles in mir sträubte sich, wollte es nicht wahrhaben. Mein Atem ging schwer und meine innerliche Temperatur fiel auf minus 30 Grad. Mindestens! Und dann stieg diese wenige Augenblicke später vor Wut auf astronomische Höhen!

"Er nichts erzählt, oder?"

"Nein. Ich fürchte, er hat mir noch viel mehr nicht erzählt als das, was ich damals bereits herausgefunden hatte."

"Kann ich dir erzählen? Oder wirfst du dann raus mich?"

"Nein, mache ich nicht ... versprochen."

"Lorena meine Schwester ist. Sie und Uwe kennen seit 22 Jahren. Damals ihr noch nicht zusammen gewesen sind, oder?"

"Nein. Wir haben uns vor 15 Jahren kennengelernt. Also, seit dem sind wir zusammen."

"Uwe war damals Urlaubsreise, in Italien. Er war begeisterter Bergwandermensch ja, Lorena und ich auch. Es kam ... jedenfalls Lorena dann wurde schwanger. Sie blieben haben in Verbindung, hatten jedes Jahr getroffen zweimal sich, dann auch im Wanderurlaub im Gebirge, als es mit Lorena ging wieder. Immer Frühsommer und im Spätsommer einmal sein. Manchmal nur für Wochenende auch oder nur eine Tag. Meistens in Mailand. Lorena wohnte in der Nähe da."

"Ach deshalb!", entfuhr es mir. Uwe hatte es sich all die Jahre nicht nehmen lassen, zweimal im Jahr für jeweils 14 Tage Bergurlaub zu machen. Und ich hatte keine Ahnung! "Er hatte also so eine Art Doppelleben geführt! Und was war mit dieser Lorena weiter passiert?"

"Sie hat dann kennengelernt jemanden und geheiratet."

"Wusste er von der Sache?"

"Ja, wusste Mann von Lorena. Er sehr tolerant und hat akzeptiert das. Schon vor Heirat. Kind dann adoptiert. Er war so eine ... wie sagte man ... bei die Gehen behindert. Hätte vielleicht Schwierigkeiten bekommen zu finden neue Frau sonst."

"Und jetzt? Was sollte Uwe machen?"

"Andrea aufnehmen bei sich. Uwe war verschollen dann, ging an sein Handy nicht mehr. Wir wussten nicht, dass tot war."

"Sein Handy ging beim Unfall verloren. Es wurde nie gefunden."

"Ist er deswegen tot gestorben? Wegen die Unfall?"

"Ja, er hatte diesen Unfall, ist in eine Schlucht gestürzt."

"Lorena sehr betrübt war. Sie dachte, Uwe nichts mehr von ihr wollen. Nun aber nötig, Andrea muss kommen hierher."

"Warum das denn?"

"Braucht Unterkunft. Studiert hat und hat eine Studienplatz in die Hamburg für die nächstere Semester."

"Und was habe ich damit zu tun?"

"Sie Frau von Uwe sein!"

"Die Witwe!"

"Trotzdem. Sie sind dazu verpflichtet sein!"

"Bin ich nicht!"

Er fing zu weinen an. "Bitte ...!"

"Warum kümmert sich denn Lorena nicht darum? Oder ihr Ehemann?"

"Beide starben fünf Wochen vorher bei Autounfall. Vom Lastwagen in stauendes Ende zerquetscht."

"Das tut mir leid. Aber ..."

"Ich würde selber drum kümmern mich, aber ich kann nicht. Außerdem ... wir nicht reich. Lorena und Mann gearbeitet hatte, aber nun ja weg die Job mit Tod. Und Uwe nie Unterhalt hat zu Andrea gezahlt."

"Was? Dieser ... dieser ...!"

"Mistkerl? Ja, trotzdem Lorena ihn hat geliebt und konnte nicht lassen ihm von. Ich habe gewarnt sie immer!"

"Er hatte hier auch eine Geliebte. Eine weitere Frau. Kurz, bevor er diesen Unfall hatte."

"Wo der Unfall gewesen sein ist?"

"Kurz vor Neapel."

"Aha!" Er wirkte jetzt sehr hellhörig.

"Er hatte Drogen im Auto dabei. Wussten sie davon was? War er Drogenkurier?" Er schüttelte den Kopf, aber es wirkte, als wäre er etwas abwesend dabei. Ich wechselte das Thema. "Was durfte der Arzt mir nicht sagen?"

"Sage ich nicht!" Hmm, ziemlich stur.

"Ist Andrea so eine Partymaus? Immer in Clubs oder so? Alkohol? Drogen?"

"Nein. Andrea sehr diszipliniert sein. Immer lernen." Ich überlegte. Wäre vielleicht wirklich nicht schlecht, wieder eine Person im Haus zu haben. Und mit einer jungen Frau würde ich schon klarkommen. Die Finanzen sollten auch kein Problem sein, jetzt wo die Ferienhäuser gut liefen und ich schon recht viel von der Hypothek abbezahlt hatte.

"Gut. Also wenn sie mir sagen, was mit ihnen ist, nehme ich sie bei mir auf. Für ein Jahr erst mal. Oder?"

"Wirklich?" Seine betrübte Miene hellte sich auf und er wurde geradezu enthusiastisch. "Sie eine gute Frau sind! Andrea und Lorena werden ihnen ewig danken es!"

"Ich muss das doch ausbügeln, mal wieder, was mein Mann versäumt hat."

Sein Gesichtsausdruck wurde jetzt wieder traurig. "Ich habe Krebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Endstadium. Hat gestreut auch. Die Ärzte geben noch ein paar Wochen mir. Allermeistens." Jetzt war ich erschüttert. Richtig erschüttert. Tränen kamen in meine Augen. Und ich war diesen armen Mann, der sich so aufopferungsvoll um seine Nichte gekümmert hat, so rüde angegangen. Ganz spontan ging ich die zwei Schritte zu ihm hin, umarmte ihn, drückte ihn. Bestimmt ein paar Minuten. "Nun lass gut sein. Krieg sonst keine Luft haben."

"Es tut mir alles so, so leid! Auch meine ... Spielchen."

"Das konntest nicht wissen du ja. Und Spielchen nicht schlimm sein gewesen ist. Ich ruf mal an die Andrea, ja?"

"Ja, machen sie ... mach das. Und ich kümmere mich um das Essen. Magst du Pizza? Ja, ich weiß, blöde Frage. Ich bestelle welche, ja? Prosciutto?"

Er hatte schon sein Handy gezückt und rief irgendwo an, nickte aber zu meiner Frage und hob den Daumen. Ich hing mich also auch ans Telefon, rief beim Pizzadienst an, die versprachen, dass es in 20 Minuten da sein würde. Antonio telefonierte die ganze Zeit, also zumindest eine Viertelstunde. Ich verstand leider kein italienisch. Ich deckte den Tisch, dann ging ich zu dem Steinbild, welches Uwe vor fünf Jahren im Winter gebastelt hatte. Jetzt verstand ich erst, wieso ihm das so wichtig war, das Bergwandern. Wegen dieser Lorena. Eine weitere Mine, die er hinterlassen hatte. Welche würden noch zum Vorschein kommen? Ich hatte gedacht das alles hatte ich hinter mir gelassen, und nun das. Würde das denn nie aufhören? Am liebsten würde ich jetzt Piere anrufen oder Ellen, aber dafür war keine Zeit. Das könnte ich später machen. Dann kamen die Pizzen, pünktlich. Antonio beendete das Gespräch, wir spachtelten alles weg, Antonio meinte, dass die Pizza nicht schlecht war, und dann wollte er schlafen. Ich dirigierte ihn in das Besucherzimmer, welches auch auf meiner Schlafetage war. Und dann ging ich auch ins Bett. Ich konnte aber nicht schlafen. Mein Gott, was hatte sich hier für ein Abgrund aufgetan! Ganz viele Wenn's und Abers gingen mir im Kopf herum. Aber aus der Nummer kam ich wohl nicht mehr heraus. Na ja, ein Jahr würde ich wohl schaffen. Schlimmstenfalls müsste ich meine Aktivitäten, zumindest zu Hause, herunterfahren. Oft war ich hier eh nicht zu Gange. Erst gegen fünf war ich endlich eingeschlafen.

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Teil4: Wiedergutmachung

Und ich verschlief. Das erste Mal seit Jahren! Erst gegen acht Uhr wurde ich wach. Antonio schien noch zu schlafen. Ich ging unter die Dusche. Obwohl ich nichts hörte, sah ich kurz Antonios Kopf ins Bad herein lugen, aber er zog sich gleich zurück. Das brachte mich auf eine Idee, aber das würde erst Abends gehen. Nein, eher erst morgen Abend. Und vorher müsste ich ihn noch aushorchen. Danach machte ich uns wieder Frühstück. Antonio aß nicht viel. Ich begann ein Gespräch.

"Du, Antonio, wie hast du mich überhaupt gefunden? Hat dir Uwe seine Adresse in Hamburg gesagt?"

"Ich schon lange nicht mehr gesprochen Uwe. Lorena aber damals. Hatte gesagt, wohnen in Hamburg. Und seine Frau, also du, hast mit Laden für Wolle. Lorena wusste von dich also. Aber wusste nicht wo. Nicht genau."

"Und wie hast du es herausgefunden?"

"Herum gesurfert. Alles studiert, alles Geschäfte sein für Wolle. Ausgemustert was nicht passen. Dann gefunden Adresse."

"Du warst im Laden?"

"Nein. Stand davor. Wollte nicht gehen in die Laden rein und sprechen dort vor die Verkäufer. Haben beobachten bis wussten ich wer war die Chef. Dann gefolgt."

"Du hast mich verfolgt?"

"Du gestiegen in diese S-Bahn. Ich hinterher. Ohne der Fahrkarte. Dann ausgestiegen du, ich hinterher. Aber du zu schnell für mich, dann verloren. Dann gewartet an die Ecke, andere Tag. Du gekommen und Haus gefunden ich, mit Namen an die Mailkasten. Habe geholt das Wagen hierher. Und dann zu dich rein."

"Da hast du ja einen ganz schönen Aufwand betrieben. Ich habe nichts bemerkt."

"Musste doch machen, für Andrea."

"Ja klar. Kennst du Hamburg, Antonio?"

"Nein, nie. Bis jetzt."

"Lust auf eine Stadtbesichtigung?"

"Ja klar gerne machen. Gleich jetzt sein?"

"Nein, das geht erst morgen. Ich muss erst mal in mein Ladengeschäft, da sind Sachen liegen geblieben, die ich heute erledigen wollte. Ich komme auch erst sehr spät zurück. Du kannst dir Essen bestellen. Hier sind Lieferdienste." Ich schob ihm die Flyer rüber. "Die Nebenstraße und dann nach rechts weiter ist ein großes Einkaufszentrum. Da kannst du hinfahren oder in etwa 10 Minuten hingehen und da was essen oder auch einkaufen, wenn du was brauchst. Für das Auto gibt es da mehrere Parkflächen wo man dann aber was bezahlen muss." Ich legte ihm den Zweitschlüssel für das Haus auf den Tisch. "Haustürschlüssel. Wenn du weggehst, bitte zuschließen." Ich legte ihm einen 20-Euro-Schein auf den Tisch. "Hier. Fürs Essen!"

"Sandra! Das nicht du machen kannst!"

"Doch, ich muss! Du bist doch mein Gast. Bitte!"

"Na gut sein. Aber schämen mich."

Ich antwortete nicht darauf, sagte nur "Tschüss Antonio", ging aus dem Haus und fuhr zum Laden. Als ich spät wieder kam, es war schon nach neun Uhr abends, war Antonio nicht im Wohnzimmer. Es stand ein ziemlich großer Strauß Blumen auf dem Tisch, daneben lag ein Pralinenkasten. Meine heimliche Leidenschaft, welche ich aber besser unter Kontrolle hatte als meine Sexualität. Wenn ich mal zuschlug, dann immer nur eine Praline am Tag. Obwohl, resümierte ich, bei Männern machte ich es ja auch so. Daneben lag noch ein Zettel. 'Bin müde sein. Schlafen gehe. Danke Sandra. Antonio'. Ich schaute noch ein wenig Unsinn im Fernsehen, einfach um herunterzukommen, dann legte ich mich auch schlafen. Obwohl mir so viel im Kopf herumging, schlief ich schnell ein. Am anderen Tag machte ich wieder Frühstück und musste lange auf Antonio warten. Erst gegen neun Uhr kam er herunter, dafür war er aber auch gut gelaunt. Wir aßen, ich erzählte ihm ein wenig von den Sachen, die ich beruflich mache. Dann waren wir gesättigt. Antonio aß wieder nicht viel, aber mehr als gestern. Immerhin.

"Und wie schaut es aus? Lust auf die Besichtigung?"

"Ja, können heute mache. Jetzt nun?"

"Ja, jetzt! Auf geht's!"

Zehn Minuten später saßen wir in meinem Auto. Ich fuhr wieder auf den Friedhof, parkte aber gleich vorne. "Keine Angst, ich parke hier nur. Park and Ride für Insider." Ich hatte das Flackern in Antonios Augen gesehen. Dann kaufte ich eine Öffi Karte und wir fuhren in die Innenstadt. Als Erstes zog ich ein kostenloses Ticket für die Plaza der Elbphilharmonie, wir fuhren mit der Rolltreppe hoch, Antonio war ganz schön ergriffen, so wie ich damals beim ersten Mal. Nach der Runde dort lotste ich uns in einen Doppeldeckerbus von der Stadtrundfahrt, danach machten wir eine Hafenrundfahrt durch die Speicherstadt, und dann ging es in die Linie 62, welche eine Fährlinie nach Finkenwerder war, sehr beliebt bei Einheimischen und Touristen. Alles toll für Antonio und er staunte ziemlich und schien das zu genießen, dann wurde er aber müde, und das Wetter schlechter. Nach der Rückfahrt mit der Fähre ging es zur Binnenalster mit dem Jungfernstieg und den Alsterarkaden. Da wir mittlerweile Hunger hatten, lotste ich Antonio in ein Café. Es war dasselbe, in dem ich damals mit Julian gewesen war. Dort stärkten wir uns.

"Du Antonio, was ist denn mit dir? Hast du keine Frau?"

"Nein. Hatte mal Freundin. Dann weg."

"Du oder die Freundin?"

"Ich, dann Freundin. Freundin hatte geheiratete andere Mann dann."

"Und was war dann?"

Antonio schüttelte den Kopf. "Mut fehlen. War sauer. Keine mehr. Also, keine richtige sein. Nicht für die ganz lange. Weißt du, war dann auf die Schiff. Gefahren in die ganze Welt mit Handelsschiff. Große Schiff, mit viele Container. Und in die Hafen, manchmal. Aber selten da Frau. Da immer nur so die andere Frauen sein, diese für ein paar Tage, nicht für die Leben. Hätten nicht gewollte so eine wie mich. Aber war schöne Zeit. War in ganz viele Häfen und ganz viele Land. In Europa und Asien und auch in die Amerika. Australien auch. Und natürlich in die Afrika auch. Nur andere Arktis fehlen. Aber da in die Nähe ... zu die Falkland. War kalt, aber schön. Ich gerne erinnern an die ganze Fahrten."

"Und da war wirklich keine einzige dabei?"

"Doch, hatte mal eine bisschen eine. War Maschinist in die Schiff mit die gefahren." Er machte mit dem Arm so eine Geste, die mir zeigen sollte, dass es wohl eine etwas stämmigere Dame war. "Aber dann, war schwierig mit diese Frau, in die Kopf wie Kugel aus die Wolle, wie sagte man ... unverstanden. Wir oft streiten, und dann später Frau gekommen zu die andere Schiff und aus und vorbei die Maus, wie sagte man. Ich traurig und froh zu die gleichen Teilen."

"Das tut mir leid. Woher stammst du denn?"

"Aus Italien."

"Das meinte ich nicht. Welche Stadt?"

"Ach so sein. Eine große Dorf in das Nähe von Mailand. Da ich geboren, da ich Schule, da ich die erste Liebe, die gegangen. Ich dumm, bin gegangen auf die Schiffe statt zu geheiratete Freundin. Die geweint. Besucht paar Monate. Aber nicht gereicht. Freundin einsam, dann andere Mann getroffen, weg geliebt. War Ende für mich Liebe."

"Auch keine ... so eine andere?"

"Keine Nutte nicht. Nicht mögen solche."

"Magst du gar keine Frauen mehr?"

"Doch mögen. Nichts machen aber nicht. Zu ... zu ..."

"Schwierig?"

"Ja, schwierig sein. Nun zu alt. Zu krank."

"Ach Quatsch!. Noch ist Zeit!"

"Das du sagen!"

Unser Programm war beendet. Mittlerweile war es ziemlich kalt geworden und es regnete. Wir fuhren zurück und gingen dann wieder in mein Haus rein. Ich erzählte bei der Fahrt ein wenig von meinen Abenteuern, ließ aber die pikanten Sachen alle weg. Einen Teil davon konnte er sich eh schon denken. "Darfst du Alkohol?", fragte ich Antonio.

"Nur bisschen."

"Wein? Roten?"

"Ja, den roten."

Ich ging in die Küche und holte eine Flasche, öffnete diese, holte zwei Gläser, schenkte ein. Antonio zeigte deutliche Anzeichen dafür, dass er fror, zitterte, verschränkte die Arme, um sich zu wärmen. Wir tranken einen Schluck. Mit dem Alkohol kam die Lust. Und eine Idee. Man könnte doch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Das Nützliche, das wäre das Aufwärmen, und das Angenehme ... aber das durfte ich nicht so frontal angehen, da würde er dicht machen.

"Ist dir kalt, Antonio?"

"Ja, friere bisschen, Wetter wegen."

"Ich habe eine Idee. Komm mal mit!"

Ich schnappte mir einfach beide Rotweingläser, ging voran, Antonio kam hinterher. Nachdem Uwe gestorben war, hatte ich in den Keller eine Spa Welt einbauen lassen, Badewanne, kleine Sauna, zwei Liegen. Uwe hatte sich damals immer dagegen gesträubt, aber dann konnte ich das verwirklichen. Und genau dahin sollte es jetzt gehen. Die Rotweingläser landeten auf einer Ablage, dann machte ich den Abfluss zu, ließ Wasser ein in die Wanne. Dazu kam noch ein Schwung Badeschaum. "Kannst hineingehen", sagte ich zu Antonio. Noch zierte er sich aber, stand weiter mitten im Raum. Ich ging zum Schrank, holte ein Badetuch heraus, legte es ihm hin, stellte sein Rotweinglas auf den Wannenrand, warf Antonio noch einen lächelnden Blick zu, und ging aus dem Raum. Mein Ziel war das Schlafzimmer, genauer gesagt die Dessous-Schublade darin. Meine Klamotten landeten auf den Boden, eine kurze Suche, und ich hatte es gefunden. Ein ziemlich dünnes Dessous mit einem farbigen, sehr romantisch aussehendem Aufdruck mit einem Blumenmotiv. Ein wenig durchsichtig war es auch. Und es hatte auch einen Strapsgürtel. Auch den zog ich mir an, dazu natürlich die extra dazu gekauften Nylonstrümpfe mit einem ähnlichen Blumenmuster, allerdings mehr pastellfarben. Solcherart bewaffnet, ging ich herunter in das Bad. Das Wasser war noch nicht vollständig eingelaufen, was gut war, denn ich musste da ja auch noch mit rein. Erst bemerkte Antonio mich noch gar nicht, da er seine Augen geschlossen hatte. Ich holte mir auch ein Badetuch aus dem Schrank, dann schnappte ich mir mein Rotweinglas. Antonio hatte vermutlich gar nicht gecheckt, dass mein Glas noch dort stand. Ich setzte mich auf den Wannenrand. Jetzt erst bemerkte mich Antonio. Er starrte mich an, als ob ich ein Marsmensch, genauer gesagt eine Frau vom Mars wäre. Wie irre, mit weit aufgerissenen Augen. Erst brachte er keinen Ton heraus, dann doch.

"Sandra! Was machen?"

Ich griff mir einfach sein Rotweinglas, gab es in seine Hand, stieß mit ihm an, trank einen Schluck, er nicht, denn er stierte mich immer noch ungläubig an.

"Kennst du so etwas nicht?"

"Doch. Aber nicht an ... eines richtige Frau."

"Du meinst, nicht an sexy aussehender echter Frau, nicht wahr? Komm, trink, ich beiße nicht." Endlich trank Antonio, ließ dabei aber den Blick auf mir. "Mir ist auch kalt", sagte ich, stellte mein Weinglas ab, und stieg mit zu ihm in die Wanne, kuschelte mich mit dem Rücken an ihn dran. Das warme Wannenwasser tat wirklich gut, aber ich stoppte nun den Zufluss, da der Wasserstand sonst zu hoch werden würde. Es war schon reichlich Schaum entstanden. Antonio war immer noch wie erstarrt. Ich drehte mich ein wenig, nahm Antonio das Weinglas aus der Hand, stellte es ab. "So Antonio, nun kannst du mich festhalten!" Er machte immer noch keine Anstalten. "Bitte!" Endlich, nach viel Zögern, und ganz, ganz langsam, wanderten seine Hände auf meinen Körper. Leider auf die falsche Stelle. Auf die Hüften.

"Hatten deine Frauen keine Brüste?", fragte ich, dabei zu ihm nach hinten schauend.

"Doch", kam es, sehr verschämt.

"Dann mach es doch! Meine Brüste wollen es, ich auch, und du sowieso schon lange. Stimmt es?"

"Vielleicht", sagte Antonio, und endlich wanderten seine Hände dort hin, wo ich sie haben wollte. An meinem Südpol bemerkte ich jetzt reges Treiben. Sein Lümmel hatte sich aufgerichtet. Ich stöhnte leise auf, da Antonio gerade zugedrückt hatte und meine Glocken verwöhnte, sie massierte.

"Ja, drück sie, massiere sie, streichele sie", sagte ich. Gleichzeitig ging meine Hand an seinen Lümmel, streichelte ihn mit meinen Fingern, greifen konnte ich ihn ja so nicht richtig. Antonio intensivierte seine Bemühungen. Seine Finger wanderten unter den BH, bis sie meine Nippel erreicht hatten. Ich stöhnte auf. Die Lust hatte mich längst erfasst und die Nippel waren groß und hart geworden. Ich begann mich zu bewegen, massierte seinen Lümmel mit den Innenseiten meines Oberschenkels. Da musste was passieren! Ich fasste mit beiden Händen an und zog mir den Slip aus, warf ihn auf den Boden des Bads, nachdem ich ihn ein wenig ausgewrungen hatte. Von keinem Stoff mehr gehindert, reizte sein Luststab nun meine Lustperle. Am liebsten würde ich jetzt in den Voll-Service-Modus wechseln, aber das war einfach so schön! Wir stöhnten uns beide was zusammen, leise zwar, aber trotzdem höchst erregt. Nach einer halben Ewigkeit hauchte ich zu Antonio: "Willst du?"

"Ja Sandra, bitte." Ich frohlockte. Ich hatte ihn herumgekriegt! Natürlich wollte ich ihn auch für mich, um meine Lust zu löschen, aber nicht unerheblich wollte ich auch ihm noch einmal ein Erlebnis verschaffen, jetzt, nachdem ich wusste, dass er sehr bald sterben wird. Ich stieg aus der Wanne, schnappte mir mein Badetuch, trocknete mich ab. Auch Antonio war inzwischen aufgestanden. Immer noch stand sein Zepter steil von ihm ab. Ich reichte ihm sein Badetuch, auch er trocknete sich ab, konnte aber den Blick nicht von mir lassen, was ich sehr genoss und das Bild, welches sich ihm bieten würde, auch entsprechend anregend gestaltete. Bei so etwas musste ich schon gar nicht mehr in den Spiegel schauen, wusste genau wie ich was wann machen muss, damit es wirkt. Er war eher fertig als ich, stand etwas unbeholfen da, schaute, wartete. Sein Lustzepter wanderte kurz an meine Hand oder besser gesagt, umgekehrt. Ich nahm mein Rotweinglas, reichte ihm seines, wir tranken noch einen Schluck, dann sagte ich: "Komm mit", und ging voran, in mein Schlafzimmer, so wie ich war, mit noch nassem Dessous.

Er folgte mir, schaute sich von hinten meinen Körper an, während wir die Treppen hinauf gingen. "Besser du legst dich hin", sagte ich. Ich war mir nicht sicher, ob er was anderes körperlich durchhalten würde. Als er lag, schwang ich mich über ihn, rollte ihm ein Kondom darüber, was vermutlich nicht notwendig war, aber sicher ist sicher. Dann senkte ich mich über ihn ab und er war drin. Es war mir klar, wenn ich gleich richtig loslegte, würde er zu schnell kommen. Er sollte es aber länger genießen, und ich natürlich auch. So machte ich erst einmal klassischen Slow-Motion-Sex, spärliche, langsame Bewegungen, eine ganze Weile. Als ich mir sicher war, dass er über dem Punkt war, legte ich los, variierte, kreiste mein Becken, das volle Programm. Er schaute fast ungläubig, was hier mit ihm geschah, genoss es aber. Ihm kamen fast die Augen raus. Er streifte mir die Träger herunter und legte meine Brüste frei, verwöhnte sie dann mit dem Mund, soweit das ging, denn ich bewegte mich ja auf ihm. Nach einer ganzen Weile meiner Verwöhnaktion spürte ich die typischen Veränderungen. Er wurde unruhig, griff an meinen Po, wollte forcieren, und ich forcierte auch. Und dann kam er, schreiend, stöhnend. Ich war noch nicht ganz so weit, täuschte aber einen Orgasmus vor. Den könnte ich mir später noch verschaffen, oder morgen. So ganz ohne leidenschaftliches Küssen ging das nicht. Er brauchte lange zum Abklingen. Ich stieg von ihm herunter, dann streichelten wir uns noch lange. Endlich brachte er etwas heraus.

"Danke Sandra. Du so unglaublich. Nie hätte ich gedacht dass ich noch mal."

"Antonio, ich finde es schön, dass du das genossen hast. Das gibt auch mir was zurück. Und ich wollte es auch! Ich mag dich."

"War es denn so, mit mir sein?"

"Ja, Antonio, das war es!"

Danach schlief er augenblicklich ein. Sein Atem ging schwer. Am anderen Morgen weckte mich die Sonne. Die Regenphase war vorbei. Ich schaute nach links. Antonio lag immer noch so da, wie er sich gestern schlafen gelegt hatte. Er lächelte im Schlaf. "Antonio? Guten Morgen Antonio."

Er schlug die Augen auf, lächelte weiter, nun aber ein Wach-Lächeln und nicht mehr ein Schlaf-Lächeln. "Guten Morgen Sandra. Ja, gut geschlafen heute. Wie Murmeltierchen."

"Ich mach dir mal Frühstück, ja?"

"Nee, besser nicht. Ist übel mir." Auf einmal stand er flugs auf und sprintete ins Bad, soweit sprinten bei ihm ging. Dann hörte man die charakteristischen Geräusche. Waren das die Folgen der Krankheit? Nach zwei Minuten kam er wieder, legte sich wieder hin. "Entschuldigen bitte."

"Musst du nicht. Ich gehe mal unter die Dusche, esse was und dann muss ich heute leider mal wieder in meinem Geschäft vorbeischauen. Du kannst danach auch duschen. Ich leg dir den Zweitschlüssel auf den Tisch und auch das Tablet, so kannst du ein wenig surfen. Ich komme erst heute Abend wieder."

"Ist ok sein, Sandra. Du so gut zu mir sein."

Ich lächelte ihm noch Mut zu, und ging meine Verrichtungen machen. Dann ging ich aus dem Haus. "Tschüss Antonio", rief ich ihm zu.

"Tschüss!", kam noch zurück.

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Teil5: Der Weg alles Irdischen

Heute fuhr ich wieder mit dem Öffi. Die nervige Fahrt im Stadtverkehr wollte ich mir heute nicht antun. Die ganze Zeit musste ich an die neue Situation denken. Wie würde es wohl weitergehen? Würde Antonio bleiben, bis diese Andrea kam? Würde er wieder zurückfahren in seine Heimat? Ich musste nachher unbedingt noch mal mit ihm reden. Als ich dann aber im Laden ankam, wartete viel Arbeit und das nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Beschlag. Selbst auf der Rückfahrt dachte ich noch über das Muster des neuen Strickkleids nach, welches ich gerade entwarf. Diese Entwürfe waren halt mein Baby, während ich diese Verkaufssache eher nur machte, um meinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Zumindest meinen Lebensstandard. Allein zum Leben würden die Ferienhäuser reichen. Antonio schlief schon. Am Morgen fragte ich ihn dann und er meinte, er bleibt hier bis Andrea kommt.

So ging es noch zwei Tage weiter. Ich ging morgens aus dem Haus, zu meinem Laden, und kam Abends wieder, je nachdem was zu tun war mal früher, mal später. Antonio schlief nun immer länger, da war ich meistens schon weg. An den Lebensmitteln im Kühlschrank sah ich aber, dass er kaum noch was aß. Er magerte sichtlich ab. Er beteiligte sich Abends noch an den Gesprächen, aber man sah, dass es ihm immer schwerer fiel. Ich machte Antonio den Vorschlag einen Arzt zu konsultieren, aber er lehnte ab. Dann kam der Samstag. Normalerweise machte ich da oft früher Schluss. Aber heute musste ich eine wichtige Kundin selbst bedienen, kam nicht eher weg.

Es war schon fast 17 Uhr, als ich nach Hause kam, öffnete die Tür, sie war richtig abgeschlossen und nicht nur zugezogen. "Ich bin da, Antonio", rief ich noch aus dem Flur. Keine Antwort. Vielleicht war er ja oben und schlief? Ich trat ins Wohnzimmer ein. Kein Antonio da. War er ausgeflogen? Auf dem Tisch lag das Tablet, ein Wasserglas stand in der Küche, fast voll, das Haustelefon lag daneben, die Decke auf der Couch war benutzt. Und unten am Boden lag ein Tabletten-Blister. Eine Tablette war dort noch drin. Ich bekam einen Schreck. Suizid? Ich erkannte den Blister. Gestern hatte er auch schon eine davon genommen, davor waren noch vier Stück drin, also hatte nur zwei genommen. Also doch nicht das, woran ich dachte. Aber wo war er? War er abgehauen? Aber sein Auto stand doch noch da! Ich schaute im ganzen Haus nach, unten im Keller, wo die Spa-Welt war, oben im Besucherzimmer, sogar in meinem Schlafzimmer. Kein Antonio. Hatte er einen Spaziergang gemacht? Das konnte ich mir nicht vorstellen, so wie er momentan zurecht war.

Ich wollte ihn schon anrufen, bis mir einfiel, dass ich ja seine Handynummer gar nicht hatte. Da bemerkte ich etwas. Erst sah ich nur einen Tropfen. Dann mehr davon. Sie führten Richtung Tür. An der Seite der Couch eine größere Stelle. Die Erkenntnis daraus gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Erst ganz langsam drang das Gefühl in mich, schnürte mir die Kehle zu. Das durfte nicht sein! Nicht hier! Nicht heute!

Es war ein Blutstropfen. Schon getrocknet. Dann noch einer. Eine Spur von wenigen Tropfen Blut führte Richtung Tür. "NEIIIIN!", schrie ich. Ich hatte so eine Ahnung. Ruck-zuck war ich draußen, ging zu seinem Auto, welches da ja immer noch stand. Er saß dort drin. Bewegungslos. Die Augen zu. Der Mund etwas offen. Mit riesigem Herzklopfen öffnete ich die Tür. Am Lenkrad und auf dem Armaturenbrett waren Blutspritzer zu sehen. Hatte er wieder so einen Hustenanfall bekommen? "Antonio?" Er reagierte aber nicht. "Antoniooo?" Ich rüttelte ihn leicht an der Schulter, schreckte dann aber zurück. Er war nicht nur ganz kalt, sondern sogar ganz tot. Mausetot. Ich brach sofort in Tränen aus. Was hatte denn dieser Mann dem Universum getan, dass er so früh sterben musste? Anfangs war ich ihm ziemlich ablehnend gegenübergetreten, mittlerweile war er mir aber ans Herz gewachsen. Und nun das! Endlich gab ich mir einen Ruck und rief, so heulend wie ich gerade zurecht war, die 112 an. Ich wartete neben dem Auto, es dauerte knapp zehn Minuten bis der erste kam.

Es war der Notarzt, es war ein anderer als der letztens, er schaute sich Antonio an, untersuchte ihn, schüttelte nur den Kopf. "War er denn krank?", fragte er, und deutete auf das Blut.

"Er hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs. Gestreuten Krebs. Im Endstadium." Er sagte nichts mehr weiter, telefonierte. Sagte dann: "Kommt gleich jemand. Ist das ihr Mann?"

"Nein. Ein loser Bekannter. Ich kenne nur seinen Namen. Antonio di Stefano."

"Hat er Angehörige?"

"Soviel ich weiß nur eine Nichte. Sonst keinen mehr. Seine Schwester und sein Schwager sind vor kurzem bei einem Unfall ums Leben gekommen."

"Hat er irgendwelche Papiere?"

"Weiß nicht. Wenn, dann in seiner Brieftasche."

Da kam schon ein Polizeiwagen ohne Tatütata, aber mit Blaulicht um die Ecke gefahren. Und dann kam auch der Rettungswagen. Die beiden Sanis stiegen aus, der Notarzt gab ihnen einen Wink, ein Handzeichen. Die Sanis gingen zum Polizeiwagen hin, sprachen mit den Polizisten, die noch nicht ausstiegen. Ich stand irgendwie völlig neben mir.

"Ist das ihr Haus?", fragte der Notarzt. Er deutete auf mein Haus. Ich nickte. "Kommen sie, gehen wir rein." Drinnen angekommen, fragte er: "Soll ich ihnen ein Glas Wasser bringen?" Wieder nickte ich. Er suchte die Küche und kam dann mit einem Glas Wasser wieder. Ich trank. "Brauchen sie Hilfe? Soll ich das Kriseninterventionsteam holen?"

Ich schüttelte den Kopf. "Geht schon."

"Wie lange wohnt er denn schon hier bei ihnen?"

"Paar Tage. Seit Sonntag."

"Und wie ging es ihm da?"

"Anfangs ging es noch. Aber die letzten beiden Tage hat er kaum noch was gegessen und immer länger geschlafen. Er wurde auch immer schwächer und musste wohl oft brechen."

"Haben sie vielleicht Röntgenbilder von ihm?"

"Nein. Seine Reisetasche steht oben im Besucherzimmer. Und im Auto weiß ich nicht. Ich habe da nicht nachgesehen. In beiden nicht. Gehört ja ihm."

Da kam auf ein mal jemand durch die offene Haustür, gefolgt von zwei Sanis. Ich erkannte ihn gleich wieder. Er mich offenbar auch. "Ach, Neuhaus, Sandra Neuhaus, richtig? KDD Hamburg, Mehnert. Sind sie in der Lage, mir ein paar Fragen zu beantworten?"

Ich sagte: "Ja. Aber wehe sie tricksen, sonst rufe ich wieder Frau Buck."

"Bloß nicht!" Er hob abwehrend die Hände. "Außerdem befrage ich sie ja nur als Zeugin."

"Was machen sie überhaupt hier?"

"Ungeklärter Todesfall. Da kommen wir immer."

"Da ist nichts ungeklärt. Er war krank. Todkrank. Er wusste, dass er nur noch ein paar Wochen zu leben hatte."

"Aber nun ist er heute schon tot. Ging es ihm so schlecht?"

"Mittwoch ging es ihm noch ganz gut. Wir hatten einen Ausflug gemacht. Aber seit einigen Tagen hatte er sich aber schon nicht mehr richtig gefühlt. Medizinische Hilfe hat er aber abgelehnt. Ich hab ihm das natürlich angeboten." Das mit dem Sex verschwieg ich besser.

"Hatte er diese Tabletten genommen?" Er hatte einen Blister entdeckt, der auf dem Boden lag.

"Ja, aber vermutlich nur zwei. Gestern beim Abendessen waren noch vier Tabletten dort drin, eine hat er da eingenommen, die anderen vermutlich heute irgendwann. Ich war ja im Laden den ganzen Tag, ich weiß es nicht."

"Gibt es Zeugen?"

"Hier vermutlich keine Zeugen. Im Laden natürlich meine Mitarbeiterinnen. Vermutlich wollen sie jetzt wissen, ob ich mit ihm verwandt bin?"

"Wäre nett, ja."

"Ich nicht, aber Uwe."

"Uwe Neuhaus, ihr Mann?"

"Ja, mein verstorbener Mann. Er hat, wie ich auch erst kürzlich von dem Toten erfahren hatte, ein uneheliches Kind. Also zu einem Zeitpunkt, als er noch gelebt hatte natürlich. Das Kind hatte er mit der Schwester des Verstorbenen. Die Schwester und ihr Mann sind aber selber schon verstorben. Somit lebt jetzt nur noch das Kind."

"Kennen sie es?"

"Ich weiß nur, dass sie Andrea heißt. Da sie adoptiert wurde, wird sie vermutlich einen anderen Familiennamen haben als er. Der Tote heißt Antonio di Stefano. Er schlug erst Sonntag bei mir auf, unangekündigt."

"Was wollte er?"

"Er wollte, dass ich dieses Kind bei mir aufnehme, weil es in Hamburg einen Studienplatz hat und eine Unterkunft braucht."

"Sonst nichts?"

"Sonst nichts. Und kommen sie mir nicht wieder mit Drogen!"

Er holte ein Plastiktütchen aus der Tasche und hob damit das Blister hoch. "Aha", sagte er, und zeigte mir die Packung. Ich blickte erstaunt auf den Namen: Fentanyl.

"Wussten sie das?"

"Nee. Aber es wundert mich nicht."

"Wieso?"

"Er hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Soviel ich weiß, ist das nicht nur eine Droge, sondern auch ein super-starkes Schmerzmittel."

"Aber davon wird man süchtig!"

"Spielt das eine Rolle, wenn man eh bald stirbt? Was passiert denn jetzt mit ihm?"

"Wir bringen ihn in die Rechtsmedizin. Hat er hier noch irgendwelche Sachen?"

"Ein paar Sachen von ihm sind noch in der Wäschetruhe, die wollte ich heute noch in die Waschmaschine stecken. Ich kann sie ihnen ja mal herauszusuchen. Eine Reisetasche hat er im Besucherzimmer, wo er geschlafen hat. Vielleicht ist ja noch was im Auto. Ich schau mal oben nach. Kommen sie ruhig mit."

"Ihr könnt jetzt gehen", sagte er zu den Sanis und dem Notarzt. "Den Transport haben wir schon angeleiert." Dann kam er mir hinterher. Er entdeckte die Reisetasche, zog sich solche Handschuhe an, und durchsuchte die Reisetasche. Es waren fast nur Sachen zum Anziehen dort drin, aber auch eine Mappe mit einigen Dokumenten. "Alle in Italienisch", sagte er. Aber dort drin lag auch sein Pass. "Antonio di Stefano also, ja?"

"Genau diesen Namen hat er mir genannt."

"Und den haben sie einfach so aufgenommen?"

"Schauen sie ihn sich doch mal an. Er war schwach und krank. Außerdem hatte er hier keine Bleibe."

"Wie nobel. Wollen wir mal?"

"Was wollen?"

"Wäschetruhe?"

"Klar. Kommen sie."

Ich ging voran und ins Bad, öffnete die Truhe. Gleich oben lag was von ihm, ein Hemd. "Das ist seines", sagte ich. Er nahm es heraus und legte es in eine größere Plastiktüte, die er auf ein mal in der Hand hielt. Darunter lagen Sachen von mir. "Das gehört mir", sagte ich, und nahm es an mich, legte es am Boden ab. Ich spürte, wie ich so richtig schön rot wurde, und ihm ging es ebenso, mit dem Unterschied, dass ich es bei ihm sehen konnte und er bei sich nicht. Es war nämlich mein Oberteil von gestern und der Slip, wobei letzterer natürlich meinem bevorzugten Aussehen für einen Slip entsprach. Wir arbeiten uns durch und etliche Rötungen später waren wir am Boden der Wäschetruhe angekommen, und er hatte eine ziemlich volle Tüte. "Meine Sachen darf ich doch aber ganz normal waschen, oder?"

Er schmunzelte. "Natürlich." Ich nahm also alle Sachen vom Boden auf, und schmiss sie wieder in den Wäschekorb, da ich den Transportkorb dafür erst noch aus dem Keller holen musste. Sein Blick folgte mir. Vermutlich versuchte er dabei, noch mal einen Blick auf meine wirklich schicken Slips zu erhaschen.

"Sind wir hier oben fertig?", fragte ich.

"Ja. Auf eine Hausdurchsuchung können wir dieses Mal wohl verzichten", sagte er scherzhaft, und ich drohte ihm zum Schein mit dem Finger. Wir gingen wieder herunter. "Brauchen sie wirklich keine Hilfe?"

"Nee. Ich bin schon ein wenig erschüttert, aber jetzt geht es wieder."

Er gab mir seine Karte. "Wenn noch was ist, bitte bei mir melden. Auch wenn diese Andrea auftaucht."

"Gerne. Danke, dass sie diesmal fairer waren."

Er lächelte. "Sorry. Ist eine Berufskrankheit. Ich bin sonst nicht so!"

"Na, hoffen wir mal." Endlich verließ er die Wohnung und mich mit dem Problem und der erneuten Leere in meinem Leben allein. Ich hätte nie gedacht, dass man sich nach wenigen Tagen schon so an eine neue Person im Haus gewöhnen kann. Und nun war er weg. Für immer! Heute konnte ich kein Fernsehen ertragen. Ich startete an meinem Player Musik. Ich war durch Peter und durch meine eigenen Erfahrungen mittlerweile zum begeisterten Fan für Klassik geworden. Was würde eine angemessene Musik für dieses Ereignis sein? Ich entschied mich für Mahler, seine zweite Sinfonie, die Auferstehungssinfonie. Ja, das wäre genau richtig dafür, auch wenn ich an diese Märchen von Wiederauferstehung nicht glaubte, aber das würde mich in die richtige Stimmung bringen, da es so positiv endete. Nach den eineinhalb Stunden saß ich noch lange da und ließ die Eindrücke auf mich wirken. Nur dadurch schaffte ich es später, trotz dieses dramatischen Ereignisses einzuschlafen.

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Teil6: Andrea

In den folgenden Tagen gab es nichts Besonderes, bis dann, eine gute Woche später, wieder etwas passierte. Ich kam nach Hause und zog mich um, wollte ins Hotel fahren, um mich dort endlich mit Peter zu treffen. Schon aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr, als ich mich umdrehte und die Haustür zuschloss. Auf ein mal eine Stimme. "Entschuldigen sie!"

Ich wirbelte herum. Ein junger, attraktiver Mann stand in einigem Abstand zu mir, wirkte so, als ob er schüchtern wäre. Lockige, schwarze Haare. Markante Gesichtsform. Er hatte einen Rollkoffer bei sich und eine Gitarre in einem Cover auf dem Rücken. "Ja?"

"Neuhaus? Sandra Neuhaus?"

"Ja, die bin ich."

"Andrea."

"Andrea ist nicht hier!"

Er schüttelte den Kopf. "Andrea."

"Ich sagte doch, Andrea ist nicht hier. Sie sollte kommen, ist aber noch nicht hier."

"Nein, sie verstehen falsch. Ich bin Andrea."

"Für eine Frau sehen sie aber ziemlich komisch aus!"

"Komisch? Ah, jetzt verstehe ich. Sie wissen es nicht, oder?"

"Was soll ich denn wissen oder nicht wissen?"

Er schmunzelte. "Ich komme aus Italien. Dort ist Andrea ein gebräuchlicher Name für das männliche Geschlecht."

Ich haute mir vor die Stirn, musste schlucken. Auweia! Das konnte mal wieder nur mir passieren! Jeder andere hätte das vermutlich gewusst, nur die dumme Sandra mal wieder nicht. "Tut mir leid! Ich wollte sie nicht beleidigen. Ich habe es nur nicht gewusst."

"Macht nichts. Es war ja nicht mit Absicht." Er stand weiter da und wartete. "Darf ich hereinkommen?"

"Ja, sorry. Ich wollte grade weg. Hallo Andrea. Schön, dass du nun da bist. Komm rein!" Ich schloss auf. Mist, was sollte ich denn jetzt machen? Die Verabredung mit Peter konnte ich nicht schon wieder ausfallen lassen. Er folgte mir. "Ich zeig dir gleich mal dein Zimmer. Willst du deine Gitarre da auch mit hereinnehmen?"

"Das ist keine Gitarre. Das ist ein Cello."

"Cello?"

"Ja, Cello. Weißt du - oh sorry - wissen sie nicht was ein Cello ist?"

"Klar weiß ich das. Und du ist ok."

"Ich bin ok?"

"Nein. Du natürlich auch. Ich meine, es ist okay, wenn du du zu mir sagst. Also, ich bin Sandra."

Seine bisher sehr skeptisch aussehende Miene hellte sich auf. "Oh, danke ... Sandra."

"Siehst du, geht doch, Andrea." Endlich schaffte ich es auch, zu schmunzeln. "Schau, hier ist eine kleine Toilette. Ich zeig dir erst mal oben alles. Komm mit." Ich ging die Treppe hoch, er folgte mir. "Bad mit Toilette und Dusche, oder wenn du willst, im Keller ist auch noch eine Badewanne, hier ist dein Zimmer, im Schrank hab ich für dich freigeräumt, im Flur oben da hinten rechts ist auch noch ein kleiner Raum mit nur einer Toilette, und ja, dann komm mal wieder mit runter." Ich ging voran. Ich war so aufgeregt, dass ich sogar den sexy Hüftschwung vergaß, den ich sonst immer machte. "So, das ist das Festnetztelefon, Sitzecke, Fernseher, die Fernbedienung ist da auch beim Telefon, da die Essecke, und dann zeig ich dir mal die Küche." Wieder trottete er hinter mir her. "Kühlschrank, Lebensmittelschränke, hier, hier und hier Geschirr und Töpfe, du kannst alles benutzten, wenn was alle ist bitte hier auf den Zettelblock aufschreiben, und im Keller sind die Vorräte zum Nachfüllen, im Hauswirtschaftsraum die Getränke. Alles klar? Ich muss jetzt nämlich los. Bin noch verabredet."

"Ja, das habe ich gesehen." Es klang ein wenig ironisch.

"Ich weiß, was du jetzt denkst, aber so ist es nicht. Du musst jetzt leider im Haus bleiben, bis ich wieder komme, da ich den zweiten Schlüssel noch nicht wiederhabe."

"Wo ist eigentlich mein Onkel?" Ich erstarrte. Da hatte ich ja gar nicht dran gedacht. Er wusste es also noch gar nicht. Aber jetzt war keine Zeit. Das musste ich nachher machen. "Er ist woanders. Deshalb fehlt ja der Schlüssel. Ich bin gegen 22:30 wieder da. Schön brav sein, ja?" Ich ging raus, zog die Tür hinter mir zu. Das Letzte, was ich von ihm sah, war sein verdutztes Gesicht. Aber es nützte nichts. Ich könnte ihm alles nachher erklären. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr los. Drei Stunden später kam ich zurück. Erstaunlicherweise hatte ich es geschafft abzuschalten und die Stunden mit Peter genossen. Seit kurzem hatten wir eine neue Variante entdeckt. Jeweils einer fesselte den anderen, natürlich nur leicht, und dann machten wir so drastische Spielchen, die bis zum Höhepunkt gingen. Es war irre und ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas genießen könnte. Gekleidet war ich unten drum natürlich wie immer, aber da es heute so warm war hatte ich dieses Mal keinen Mantel drüber angezogen, sondern ein ganz dünnes schwarzes Kleid mit reichlich Buseneinblick. Daher auch der Blick von Andrea mit seiner falschen Vermutung.

Ich schloss die Tür auf. "So, da bin ich!", rief ich. Keine Antwort. Im Wohnzimmer angekommen sah ich Andrea. Sie, also er - verdammte Namenssache - saß auf dem Sofa und blätterte in einem alten Fotoalbum. Er zeigte auf ein Bild. "Ist das Uwe?"

"Ja. Warum sagst du nicht Papa?"

"Papa ist mein richtiger Vater. Der, welcher sich um mich gekümmert hatte."

"Du, mir tut das alles so leid! Es wäre mir auch lieber gewesen, Uwe wäre anders gewesen. Bis vor kurzem wusste ich ja nichts von dir."

"Schon gut, du kannst ja nichts dafür."

"Hat er denn gar nichts mit dir zusammen gemacht?"

"Doch. Zweimal im Jahr sind wir in den Bergurlaub gefahren. Meine Mutter, er, und ... ähm, ich auch. Aber sonst nichts. Kein Weihnachten, kein Ostern, kein Geburtstag." Sein Blick fuhr über mein Outfit. Seine Stirn kräuselte sich. Immer bei so was kräuselte sich Uwes Stirn, bis mir gewahr wurde, dass ja nicht Uwe vor mir saß, sondern Andrea. "Verdienst du so deinen Lebensunterhalt?"

"Nein, natürlich nicht. Ich arbeite. Ich mache Modeentwürfe und habe einen Laden. Das ist nur Freizeit. Ich nehme kein Geld dafür."

"Es fällt mir schwer, das zu glauben."

"Doch, ist aber so." Ich kicherte. "Obwohl, Geld nehme ich doch. Aber ich gebe es ihm wieder zurück."

"Verstehe ich nicht. Wozu dann das Ganze?"

Ich seufzte. "Na gut. Dann werde ich es dir erzählen. Ich treffe mich hin und wieder mit einem Mann. Er mag mich und ich ihn auch. Aber er wollte damals beim ersten Mal nicht mit mir schlafen. Seine Frau ist gestorben und er meinte, es würde sich für ihn wie Betrug anfühlen. Und dann hatte ich die Idee, ihm eine Professionelle vorzuspielen, die er bezahlen müsste. Das würde ihm die Illusion des Nicht-Betrugs aufrechterhalten. Das Geld schicke ich ihm dann immer per Post zurück. So, nun weißt du es."

"Aha. Du bist aber eine ungewöhnliche Frau!"

"Ich weiß."

"Zeigst du mir morgen das Grab meines ... Erzeugers? Onkel Antonio hat mir gesagt, was passiert ist. Die Ereignisse müssen ja traumatisch für dich gewesen sein. Wo ist er überhaupt? Sein Auto steht nicht da. Ist er unterwegs?"

Wieder seufzte ich, wohl wissend, was ich jetzt noch machen müsste. Und ich hatte keine Ahnung, wie er reagieren würde. "Du Andrea, du musst jetzt ganz tapfer sein. Dein Onkel Antonio ist vor ein paar Tagen gestorben. Du weißt ja, er war schwer krank. Oder wusstest du das nicht?" Schon bei den letzten Worten kamen Tränen in meine Augen. Bei Andrea dauerte es etwas länger. Erst schaute er, als ob er es nicht glauben könnte. Dann fing er aber an zu schluchzen, zu weinen, das volle Programm. Ich setzte mich an seine Seite, nahm ihn in den Arm und ich tröstete ihn, versuchte es zumindest. Wie gut er roch! Meine kleine vorwitzige Sandra funkte mal wieder dazwischen, aber heute schaffte ich es, sie sofort zum Schweigen zu bringen, sogar, ohne dass ich mit ihr schimpfen musste.

"Sei nicht traurig. Er wusste, dass er sterben würde. Er war sehr tapfer. Und er war sehr stolz darauf, in seinen letzten Tagen noch was gemacht zu haben. Er hatte für dich gesorgt, alles in die Wege geleitet. Das hat ihn froh gemacht, trotz seiner Krankheit."

"Warst du bei ihm? Ist er hier gestorben?" Seine Stimme war noch weinerlich, aber sein Weinen hatte aufgehört.

"Nein, ich war auf der Arbeit. Er ist in seinem Auto gestorben, ich habe ihn da entdeckt, als ich zu Feierabend zurückgekommen bin."

"Was wollte er denn da im Auto?"

"Ich weiß es nicht. Vielleicht wollte er ja nach Hause fahren, und hat gemerkt, dass er es nicht mehr schafft. Oder er wollte in einer vertrauten Umgebung sterben. Ein Auto ist ja auch so etwas wie ein Stückchen Heimat."

"Und wo ist er jetzt?"

"Die Polizei hat ihn mitgenommen. Ihn und sein Auto. Gleich morgen fahren wir da hin, ja?"

Ich strich ihm über den Kopf. Er stand ruckartig auf. "Ich glaube, ich will .... ich gehe in mein Zimmer, ja?"

"Natürlich. Gute Nacht!", sagte ich noch, wohl wissend, dass er keine gute Nacht haben würde. Ich auch nicht. Zu viel Neues war heute passiert. Es war wie damals in der Zeit mit Uwes Verschwinden. Wie würde es wohl weitergehen hier mit uns? Ich konnte so nicht schlafen, müsste mit jemanden reden. Ich nahm das Telefon und rief Ellen an. Sie war noch wach. Wir sprachen bestimmt eine Stunde miteinander, bis ich endlich die richtige Bettschwere erreicht hatte. Ich machte mich fertig. Ich hörte Andrea leise in ihrem - nein, seinem Zimmer weinen, wimmern. Er sprach leise scheinbar mit einer imaginären Person. Oder telefonierte er? Ich wollte nicht weiter seine Intimsphäre brechen und ging ins Bett. Nach nur wenigen Sekunden war ich eingeschlafen. Zwischendurch wurde ich aber mehrmals wach. Beim ersten Mal hörte ich, wie Andrea musizierte. Eine äußerst düster und traurig klingende Musik, die im weiteren Verlauf melancholisch wurde. Dann hörte sein Spiel auf und ich schlief wieder ein.

Ich stand wie üblich auf, machte Frühstück - dieses Mal wieder für zwei, und hoffte, er wäre kein Langschläfer. Das war er dann auch nicht. Ich hörte seine Tür klappern, dann die Dusche. Anschließend kam er die Treppe herunter. Betrübter Gesichtsausdruck. Dunkle Augenringe. "Guten Morgen Sandra."

"Guten Morgen Andrea. Magst du was essen? Ich hab dir Kaffee mitgemacht. Isst du Toastbrot? Ich habe Schinken, Käse, Ei, Butter und Marmelade dazu. Magst du das?"

"Ja, danke Sandra. Du, ich muss mich bei dir entschuldigen. Das musste ja so aussehen wie ..."

"Undankbarkeit? Das habe ich nicht so empfunden. Jeder Mensch hätte wohl so gedacht wie du. Und ich bin ja wirklich keine ganz einfache Frau."

"Trotzdem. Also, nochmal Entschuldigung."

"Angenommen. Ich habe das Gefühl, du schlägst dich ganz tapfer. Ein anderer wäre vielleicht völlig durchgedreht. Erst deine Eltern, dann dein Onkel. Es ist ein Wunder, dass dich das nicht aus der Bahn geworfen hat."

"Ich habe ja meine Musik. Die Musik hilft mir. Sonst hätte es mich wohl innerlich zerrissen. Ich lege meine Gefühle in meine Musik und leite sie dadurch ab in die Welt. Anders kann man das kaum aushalten. Jedenfalls ich nicht."

"So wie gestern Nacht, nicht? Komm, iss was. Oder geht es noch nicht?"

"Doch. Habe einen Bärenhunger."

"Dann greif zu!"

Er griff dann zu den leckeren Frühstücksangeboten. "Was kann ich jetzt machen?", fragte er zwischendurch.

"Nicht du, wir. Ich fahre dich." Ich aß auch ein wenig, schaute ihm aber vor allem beim Frühstück zu. "Du studierst also Musik?"

"Ja. Jetzt den Rest hier, einige Auslandssemester, in Hamburg."

"Geht man da nicht eher nach Amerika?"

Er schüttelte den Kopf. "Das Herz der klassischen Musik schlägt hier."

"Da hast du auch wieder recht. Wann geht es los?"

"Am dritten April ist Semesterbeginn."

"Oh, sportlich."

"Muss ja, 'ne?" Ich wurde sentimental. Einige Kleinigkeiten erinnerten mich an Uwe. Einige Gesten, die Art wie er reagierte. Er hatte viel mehr von Uwe, als er es sich eingestehen wollte. Aber natürlich hatte er auch eine eigene Persönlichkeit. Nach dem Frühstück putzte ich mir noch die Zähne, dann suchte ich mir die Karte von diesem Kripo-Mann raus, und rief an. Zwei Sekunden später ging er ran.

"KDD Hamburg, Mehnert!"

"Hier ist Sandra Neuhaus. Ich rufe an wegen Antonio di Stefano."

"Ach ja, ich weiß. Ist ihnen noch was eingefallen?"

"Sein Neffe ist jetzt da. Ich würde mit ihm gerne zu ihnen kommen."

"Ja, ich bin da. Im Polizeigebäude, welches sie ja schon kennen. Aber sagten sie nicht, eine Nichte?"

"Sagte ich auch. Aber in Italien heißen die Männer Andrea."

"Ach so, ja, das hätte ich ihnen auch sagen können." War ja klar, nur ich wusste das wieder nicht!

"Gut, dann bis gleich." Wir fuhren hin, meldeten uns am Empfang, er kam und holte uns ab, wir gingen in sein Büro.

"Mein Beileid, Herr di Stefano."

"Ich heiße Bulosio. Ich war ja ein uneheliches Kind und mein anderer Vater hatte mich dann adoptiert."

"Sorry, verstehe." Andrea zeigte ihm dann seinen Ausweis hin. Herr Mehnert schnappte sich sein Telefon und fing an zu telefonieren. Nach drei Versuchen war er offenbar an der richtigen Stelle gelandet, sagte den Namen von Antonio, und bekam offenbar einige Informationen, denn er sagte dabei sonst nur wenig. Dann legte er auf. "Also, ich hab das alles geklärt. Mit den italienischen Behörden haben wir auch schon gesprochen. Wir haben ihren Onkel untersucht. Natürliche Todesursache. Karzinom, fortgeschritten, Metastasen. Das wussten sie, ja?" Andrea nickte und mir fiel schon mal ein Stein von Herzen. "Er ist sozusagen", er stockte. "Ich weiß nicht, ob ich ihnen das so sagen sollte, weil, es ..."

"Ist schon gut", sagte Andrea. "Schlimmer als bei meinen Eltern wird es schon nicht sein."

"Also gut. Er ist sozusagen erstickt."

Ich war geschockt, reagierte aber als Erste. "Sagten sie nicht, natürliche Todesursache?"

"Das war es ja auch. Eine der Metastasen war in ein Blutgefäß der Lunge gewachsen. Das Blutgefäß ist aufgeplatzt und das Blut ist in die Lunge gelaufen. Durch das viele Gehuste ging es dann auch im anderen Lungenflügel los, da hatte sich ein Gerinnsel gelöst und eine Embolie verursacht. Der Sauerstoff wurde knapp, er müsste dann nach kurzer Zeit bewusstlos geworden sein. Vom Rest hat er dann schon nichts mehr mitbekommen. Es war kurz und heftig, sicher auch beängstigend, aber lange musste er wohl nicht leiden." Ich schauderte bei dieser Beschreibung, aber für den Polizisten war so etwas wohl völlig normal. Andrea wurde aber ziemlich blass nach seinen Worten. "Sie können sich dann einen Bestatter suchen und den Leichnam von denen von der Rechtsmedizin abholen lassen. Wissen sie schon, wo er bestattet werden soll?"

Andrea wurde noch blasser. "Aber ich habe kein Geld für so was!"

"Ich bezahle das!" Ich musste jetzt dazwischengehen. Das war ich Antonio irgendwie schuldig, weil ich ihn allein gelassen hatte in seinen letzten Stunden. "Sandra, das musst du nicht ..."

"Ich will es aber!" Das war deutlich. "Und ist doch klar, dass er in seinem Heimatort begraben wird!"

Ich erhob mich. "Komm, wir gehen. Tschüss, Herr Mehnert."

"Tschüss, Frau Neuhaus."

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Teil7: Die Beerdigung und eine unmögliche Aufgabe

Wir fuhren von dort zu einem Bestatter, im Umkreis des Parkfriedhofes Ohlsdorf gab es ja so einige, und gleich zwei von denen hatten Expertise im Überführen von Toten. Beide lagen preislich nahezu gleich zwischen kosmisch hoch und astronomisch hoch, aber anders ging es ja nicht. Wir, das heißt ich, machte mit dem einen, der einen Transport schon übermorgen machen konnte alles klar, wir füllten Formulare aus - einige musste ja Andrea unterschreiben - statteten Uwes Grab noch einen Besuch ab, und dann fuhren wir zurück. Zu Hause angekommen, drückte ich Andrea gleich das Telefon in die Hand. Er musste nun die Bestattung in seinem Heimatort organisieren. Auch die würde ich bezahlen, das machte ich ihm unumwunden klar. Ich fuhr dann nochmals zur Polizei hin, dieses Mal mit dem Öffi, und holte Antonios Auto ab. Meinen Haustürschlüssel, den Antonio bei sich hatte, bekam ich ja schon von Herrn Mehnert wieder, ich reichte ihn gleich an Andrea weiter, und Andrea bekam auch die restlichen Sachen von Antonio. Dann fuhr ich noch für ein paar Stunden in meinen Laden. Andrea war immer noch dabei zu telefonieren. Und als ich Abends wiederkam, hatte er schon einen Termin. Ich buchte zwei Flüge nach Mailand und bat Andrea, sich um unsere Abholung vom Flughafen und unsere Unterkunft dort zu kümmern.

Sechs Tage später ging es los. Wieder saß ich im Flieger neben einem jungen Mann. Andrea hatte aber schon Flugerfahrung, anders als Nico damals. In den ersten Tagen bei mir hatte er sich als sehr pflegeleicht herausgestellt. Nur an das Üben mit dem Instrument müsste ich mich erst noch gewöhnen. Es war ja nie ein ganzes Stück, sondern immer Versatzstücke, die er übte. Nach dem problemlosen Flug wartete draußen schon ein - wie sollte es anders sein - Fiat auf uns. Der Fahrer, ein Mann, umarmte Andrea und dann auch mich, und verwickelte uns in der etwa eine Stunde dauernden Fahrt in ein typisch italienisches Gespräch, aber in gebrochenem Deutsch, größtenteils ging es um mir völlig unbekannte Leute von der Dorfgemeinschaft und einige Anekdoten aus Antonios Leben. Dort vor Ort erwartete uns eine große Menschenmenge, etwa ein gutes Dutzend. Ich hatte kaum etwas behalten, es waren einfach zu viele Eindrücke, die da auf mich einprasselten. Nach dem Abendessen wurde ich todmüde, wir bekamen beide jeweils ein Zimmer im Haus einer etwa 55 Jahre alten Frau. Ich schlief sofort ein.

Am Morgen gab es dann ein schönes Frühstück und dann ging es schon zur Beerdigung. Das war hier ein großes Dorf, fast schon eine Kleinstadt im Dunstkreis von Mailand. Ich fragte Andrea und er meinte, dass Antonio hier geboren wurde. Eine Frau, ziemlich füllig, schien sich besonders intensiv um uns zu kümmern. Es war auch diejenige, die am meisten bei der Beerdigung geweint und geschluchzt hatte. Ich weinte auch, obwohl ich ja Antonio nur ganz kurz kannte. Es ging dann in eine Gaststätte, wo zu Mittag gegessen wurde. Irgendwann war es mir mit dem ganzen Stimmengemurmel zu laut und ich ging mal für einen Moment vor die Tür und setzte mich auf eine Steintreppe. Darauf schien diese Frau gewartet zu haben. Sie setzte sich neben mich. "Antonio war bei dir sein in letzten Tagen?", fragte sie mich.

"Ja. Wer sind sie?"

"Ich bin Lucia. Sie müssen tun etwas. Für Antonio."

"Aber ich habe doch schon was getan!"

"Wirklich viele viele Danke dafür, aber das nicht meinen ich. Wissen sie, der Antonio und ich sein mal gewesen Paar. Dann wir gestreitet. Richtig böse. Antonio unbedingt zu Schiff fahren wollte auf die Ozean. Hat dann gemacht auch das. Ich furchtbar giftig. Habe geweint. Andere Mann gekommen und getröstet. Dann später geheiratete ich mich ihn. Also, die andere Mann. Antonio hat nie verwundet. Hatte danach nie Frau gehabt, so richtige. Mich auch nicht, nach Mann gestorben."

"Aber sie haben ihn trotzdem geliebt, oder?"

"Stimmt, aber er nie frei im Kopf sein dann. Ich lieben immer noch. Jetzt muss ich mich noch kümmern letzter mal. Der Kreis muss schließen!"

"Welcher Kreis? Was soll ich denn tun?"

Sie zog aus einer ihrer Taschen einen Stein. Nicht besonders groß, vielleicht ein knappes Pfund schwer, weiß, mit Kanten, und mit rötlichen und gelblichen Adern durchzogen,. "Der muss dorthin, wo Antonio und ich haben kennengelernt sich. Ich hab ihm versprochen für kümmern, bevor er aufgebrochen ist zu sie. Er wollte machen selbst, aber hat nicht mehr geschafft. Zu Schwäche."

"Warum machen sie es denn nicht?"

"Schauen sie an mich. Ist zu schwer für mich."

"Und wohin muss der Stein?"

"Auf Gipfel von die Averau."

"Ein richtiger hoher Berg? Aber ich hab doch vom Bergsteigen gar keine Ahnung!"

"Bergsteigen muss man nicht. Nur wandern Berg. Das schaffen du. Ich da gewesen mit Antonio, früher, wo ich war noch gesund und nicht zu schwer wie heute sein."

"Aber ... trotzdem. Kann das nicht Andrea machen? Der ist doch viel jünger!"

"Andrea Asthma hat bekommen vor paar Jahre. Außerdem muss letzte Person machen die Antonio lebend gesehen. Sonst Lauf der Welt schief."

Die Frau nervte mich. Trotzdem nahm ich den Stein. "Gut, ich mache es!" Nie und nimmer würde ich das wirklich machen, aber so hatte ich wenigstens meine Ruhe.

"Sie sind gute Frau!" Ja, vor allem eine lügende, sagte ich zu mir. Toll gemacht, Sandra. So eine trauernde Frau anzulügen! Immer wieder passierte so etwas, wo ich aus Mitleid irgendwelche Aufgaben annahm und dann später in Bedrängnis geriet. So war es auch letztens gewesen, als ich im Laden einer Stammkundin, die ich sehr mochte und für die ich ein individuell designtes Kleid zu einem ausgehandelten Festpreis anfertigten sollte, zusagte, und wo ich dann so viel Arbeit investieren musste, dass ich sogar draufgezahlt hatte im Endeffekt. Bei einer anderen Kundin hätte ich mit Sicherheit härter verhandelt beim Preis.

Am anderen Tag fuhr uns der Herr von der Hinfahrt auch wieder zurück zum Flughafen. Andrea war ganz schweigsam. Ich hoffte, die Lucia hatte ihm nichts von diesem Auftrag erzählt. Ich war von einer Sache ein wenig amüsiert, trotz der traurigen Beerdigung. Ausnahmslos jede Person, mit der ich ein wenig länger gesprochen hatte, konnte Deutsch. Zumindest ein klein wenig. Ich kam mir vor wie in einem Degeto Film, und musste schmunzeln. Ich konnte Andrea aber zumindest noch entlocken, dass er eine ganze Weile in Meran gelebt hatte, und deshalb so gut Deutsch sprach. Wir flogen zurück und wenige Tage später ging Andrea zu den ersten Vorlesungen. Den Stein legte ich erst mal weit weg, in ein Regal, hinterste Ecke. Ich verdrängte, dass ich deswegen bestimmt in die Hölle kommen würde. In die kam ich dann auch wirklich. In die Hölle unerfüllter Sehnsucht. Und letztere verkörperte Andrea. Er war zwar ein in sich gekehrter junger Mann, aber sonst ganz nach meinem Geschmack. Ich versuchte es auf die eine oder andere Weise, aber ich kam nicht wirklich an ihn ran. Er blieb immer ein wenig distanziert.

Dann kam er eines Tages plötzlich zu mir heran, nachdem er von der Uni zurückgekommen war. "Du Sandra, kann ich dich mal was fragen?"

Ich lächelte ihn an. "Die Frage, ob man was fragen darf, ist doch bereits eine Frage."

Er druckste ein wenig herum, dann sprudelte es aus ihm heraus: "Dürfen wir bei dir üben?"

"Wer ist denn wir?"

"Na ich, und noch zwei aus meinem Studiengang. Zu Hause können die nicht richtig üben, wegen der Nachbarn."

"Klar doch, warum nicht!" Ich freute mich wirklich. So hätte ich endlich wieder ein wenig mehr Leben in der Bude und hoffte, die anderen beiden wären nicht so introvertiert wie Andrea.

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Teil8: Musikantenspielchen

Zwei Tage später, ich war früher von meinem Laden gekommen und gerade in mein Haus hineingegangen, um mir einen Kaffee zu machen und ein paar Kekse dazu zu essen, da klingelte es. Ich öffnete die Tür.

"Hi! Andrea?" Eine junge Frau mit blonden, langen Haaren. Etwa so klein wie ich. Hübsches Gesicht, aber schlanker. Jugend-typische sexy Kleidung.

"Ja, der wohnt hier. Ich schau mal. Eigentlich müsste er schon oben in seinem Zimmer sein."

"Ach so, sorry. Also ich selbst heiße Lena. Andrea meinte, wir können hier üben." Jetzt erst fiel mein Blick auf ihren Instrumentenkoffer. Ein Cello war es also nicht. Sie erriet wohl meine Frage. "Es ist eine Querflöte. Schlimm?"

"Nein, überhaupt nicht. Ich liebe Querflöten! Komm rein!" Da kam schon ein anderer um die Ecke, ein junger Mann. "Oh, ja, also das ist Oliver. Er ist eine Oboe."

"Für eine Oboe sieht er aber ziemlich komisch aus", sagte ich.

Lena griente. "Ich glaube, ich mag ihren Humor!"

"Kannst ruhig du sagen. Ich heiße Sandra." Oliver war nun auch an mich herangekommen. "Und du auch! Ich bin Sandra."

"Oliver. Angenehm!" Ich sah auf den ersten Blick, er war ein zurückhaltender Typ, ähnlich wie Andrea. Er wagte es kaum mich anzusehen, was aber auch an meiner Kleidung lag. Ein wenig sexy sah meine Kleidung ja schon aus.

"Dann kommt mal rein!" Ich geleitete die beiden nach oben, klopfte, und schickte sie rein, da Andrea schon in seinem Zimmer war. Es dauerte keine zwei Minuten, da kamen bereits erste Töne aus dem Zimmer. So langsam pendelte sich unser Leben hier ein. Zwei, manchmal drei Tage in der Woche kamen die beiden zu mir, oder besser gesagt zu Andrea zum Üben, und manchmal auch am Wochenende einen Tag. Ich machte mein Ding, sowohl was die Freizeit, als auch das Arbeiten betraf. Und ich schmachtete ihn an. Natürlich nur innerlich, ich zeigte es nicht nach außen. Mein kleines Tierchen da unten wollte ihn unbedingt haben, ich auch ein bisschen. Zumindest für eine Nacht. Aber dann kam es doch ganz anders. Am späten Nachmittag. Es klingelte. Ich öffnete. Vor der Tür stand Lena. Sie sah ein wenig ... ja, deprimiert, fast verzweifelt aus. "Komm rein, Lena. Andrea ist oben."

"Ja, ich weiß. Ich wollte aber erst mal zu dir. Ich brauch mal einen Rat."

"Geht es um Andrea?" Sie nickte traurig. "Lass mich raten: Du hast dich in ihn verliebt!" Wieder nicken. "Und er beißt nicht an?"

"Ja, leider. Hast du nicht mal einen Tipp für mich?"

"Hat er vielleicht eine andere?"

"Weiß nicht. Könnte sein. Bemerkt hab ich nichts, aber er reagiert nicht auf mich."

"Vielleicht das gute alte eifersüchtig machen probieren?"

"Ja, und mit wem? Der Oliver ist doch 'ne Schlaftablette in so was. Der kann zwar gut mit einer Oboe, aber nicht mit Frauen. Ich glaube, der ist schwul."

"Na und? Lass ihn doch. Soll er doch glücklich werden damit!"

"Na klar, so meinte ich das ja auch nicht. Aber wen sonst?"

"Weiß nicht. Kenne ja weiter keinen von euch. Könnte ja auch eine Frau sein."

"Dich?"

"Mich doch nicht!" Ich war sogar ein wenig empört.

"Warum nicht? Du siehst doch immer so sexy aus!" Jetzt war ich ganz verlegen, und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. "Ich wollte sowieso schon immer mal eine Frau küssen!" Schon hatte ich ihren Mund an meinem Mund. Erinnerungen an die Frauen vor ihr kamen auf und ihr Parfüm stieg mir in die Nase. Ganz urplötzlich und in Millisekunden wurde ich heiß und mein Pfläumchen da unten rief 'PlanB, PlanB'. Was nun? Ja, jetzt konnte ich nicht mehr zurück. Wollte ich auch nicht mehr, wollte sie küssen, spüren, sie berühren, von ihr genommen werden, alles mit einmal. Nach so irgendwie fünf Minuten küssen, noch waren wir relativ leise, spürte ich auf einmal eine Hand. Lenas Hand. Diese schob sich zuerst zwischen meine Beine und strebte dann unerbittlich meinem Höschen entgegen. Eine Gegenwehr war unmöglich. Nein, ich wollte sogar, dass sie meine Stellung erobert. Da der direkte Weg ihr noch verwehrt war, schob sie einfach einen, nein, zwei Finger unter dem Saum des Slips vorbei und landete zielsicher auf meinem Biest. Ihr Umfeld hatte sich bereits in ein feuchtes Feuchtgebiet verwandelt.

Ich stöhnte auf und ließ mich auf der Couch einfach nach hinten fallen. Lena war sogleich über mir, knutschte mich leise stöhnend, glitt dann ohne Stopp wieder herunter, und tauchte mit ihrem Mund ein. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie mich zu einem fulminanten Höhepunkt geleckt hatte, der sehr zu meinem Leidwesen leise ausfallen musste, damit Andrea es nicht hört. Ich richtete mich auf, knutschte kurz mit ihr und drückte sie sanft auf die Couch. Nur Sekunden später war mein Kopf zwischen ihren Beinen, mein Mund zog einfach ihren Slip beiseite. Auch sie war unten nass, ihre überraschend große Perle wölbte sich heraus. Auf meine bewährte Weise leckte, küsste, und knutschte auch ich sie zu einem Höhepunkt. Ihr Körper bog sich in äußerster Anspannung durch, dann fiel er ermattet zusammen. Ich kam über sie. Eine Minute lang schauten wir uns einfach nur so an, linkes Auge, rechtes Auge und so weiter. Dann richtete sich Lena auf. "Das ist jetzt nicht wahr, oder?"

Irgendwie erinnerte mich das an meinen ersten Sex mit Ellen. "Für Bedauern ist es jetzt wohl zu spät", antwortete ich. Lena stand auf, und ging, nein, lief zum Ausgang. Ich hörte nur noch die Tür knallen. Mist. Ich hatte gedacht, es hätte ihr gefallen. Andreas Tür war zu. Zum Glück hatte er trotz unseres verbotenen Tuns nichts mitgekriegt. Es klingelte. Aha, sie kommt zurück! Vor der Tür stand aber nur Oliver. Er schaute mich so merkwürdig an. Klar, ich müsste ja ein total überhitztes, geil-glückliches Gesicht haben. "Komm rein. Andrea ist oben."

"N'abend Sandra. Danke." Er ging die Treppe hoch. Und ich blieb mit meiner Verwirrtheit alleine. Was war hier nur passiert? Schon wieder war ich in Sekundenschnelle umgefallen und hatte Sachen gemacht, die ich eigentlich nicht wollte. Doch, ich wollte es, aber nicht so. Aber schön war's schon. Nur falsch. Furchtbar falsch. Jetzt war wohl einiges kaputtgegangen. Eigentlich wollte ich noch ein wenig das Fernsehprogramm genießen, aber nun ging ich einfach ins Bett. Schlafen konnte ich natürlich erst mal nicht. Nicht nach DER Sache. Es war daher weit nach Mitternacht, ehe es endlich klappte mit dem Schlafen. Am anderen Morgen hatte ich natürlich ein schlechtes Gewissen. Ich stand sehr früh auf und fuhr in den Laden, noch ehe Andrea seinen Kopf heraus gesteckt hatte. Ich war mir nicht sicher, ob er was mitbekommen hatte, glaubte aber nicht, und hoffte, bis zum Feierabend eine Erklärung für den Notfall zu haben, aber mir fiel keine ein.

Ich brauchte dann aber auch keine. Als ich ankam, waren alle drei bereits am Musizieren, wie ich am lieblichen Klang der Flöte und an Olivers näselndem Klang seiner Oboe hörte. Ich klopfte an, aber wie meistens wollten sie kein Abendbrot mit essen. Aus Andreas Gesicht konnte man nichts herauslesen und aus Lenas Gesicht auch nicht. Zwei normale Tage vergingen. Dann war Wochenende. Andrea fuhr am späten Abend in die Innenstadt, nachdem wir noch schön in einem Restaurant gegessen hatten. Er fragte mich dabei, was ich denn damals mit Lucia beredet hatte. Ich log ihn an und sagte ihm, dass sie mir von ihrer Jugend und ihrer Liebe zu Antonio berichtet hatte. Eigentlich war es ja keine Lüge, es stimmte ja, nur die Sache mit dem Stein und dem Auftrag verschwieg ich. Es war für mich unvorstellbar, diese Sache auf mich zu nehmen für jemanden, der tot war. Ich wollte mir gerade einen schönen Fernsehabend machen, da klingelte es. "Na Andrea, mal wieder Schlüssel verge ... oh, Lena!" Sie sah ein wenig mitgenommen aus, was bedeutete, ihre Schminke war ein wenig verlaufen.

"Kann ich hereinkommen?", fragte sie.

"Natürlich!" Sie stellte wie immer, fast war sie hier ja schon zu Hause, zumindest tagsüber nach der Uni, ihre Schuhe in den Flur, und ging ins Wohnzimmer. "Du siehst ein wenig mitgenommen aus. Ist es wegen Andrea?" Ich versuchte sie damit zu trösten, erreichte aber das genaue Gegenteil. Sie fing wieder an mit heulen, was sie ja schon vorher gemacht haben müsste.

"Nein! Ja, auch!"

Ich setzte mich auf die Couch. "Komm mal her!" Tatsächlich kam sie an meine Seite und ich legte meinen Arm um sie. Sie legte ihren Kopf an meine Schulter und machte einfach nichts, außer weinen. Wobei weinen ja auch etwas ist, was man macht. Aber es passierte ja eher mit einem, weil, man will es ja eigentlich nicht. Außer mal im Film als Schauspieler. Aber schauspielern tat Lena hier eher nicht. "Ist es meinetwegen?", fragte ich nach einer ganzen Weile. Ich gab meine eigene Antwort: "Ich wollte das nicht. So etwas ... passiert manchmal einfach mit mir. Es ist ein unberechenbarer Teil von mir."

Jetzt richtete sich Lena ruckartig auf. "Aber ich war es doch! Ich habe doch angefangen!"

Ich lächelte sie aufmunternd an. "Und ich habe mitgemacht. Ich hätte es stoppen müssen. Aber da ist manchmal etwas in mir, das unstoppbar ist. Glaub mir, ich war damals auch völlig durch den Wind, als ich das erste mal Sex mit einer Frau hatte. Und obwohl es wunderschön war, hatte ich mich anfangs geschämt und mich gefragt, ob ich eigentlich lesbisch bin."

"Bist du nicht?"

Die Konversation hatte zumindest dazu geführt, dass Lena jetzt mit weinen aufgehört hatte. "Nein. Nicht richtig. Ich sehne mich nach Männern, mache was mit Männern, aber manchmal genieße ich es auch einfach mal mit einer Frau. Wenngleich auch recht selten. Und ich finde nicht, dass es ein Problem ist. Ganz im Gegenteil. Es bereichert mich."

Lena wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Ich hab nämlich nicht aufgehört ..."

"Andrea zu lieben." Ich fiel ihr ins Wort und vervollständigte ihren Satz.

"Wieso kannst du in mich hineinsehen?"

"Kann ich gar nicht. Aber Gefühle ähneln sich auch oft. Du musst deine Gefühle für Andrea nicht aufgeben, wenn du Sex mit einer Frau hast. Oder mit jemand anderen. Das eine ist Sex, das andere Liebe."

"Liebst du denn Andrea?"

"Nein!" Es war kein Problem für mich das zu behaupten, denn ich liebte ihn tatsächlich nicht. Ich mochte ihn. Und ich war scharf auf ihn. Das musste sie nicht wissen und zum Glück kam sie auch nicht auf die Idee danach zu fragen.

"Du bist wirklich wunderschön!", sagte sie auf einmal.

"Du doch aber auch!"

"Findest du? Ich finde mich einfach zu ... zu ..."

"Mädchenhaft?"

"Ja, ich sehe irgendwie mädchenhaft aus. Unreif. Vielleicht will ja Andrea deshalb nichts von mir?"

"Kommt Zeit, kommt Lust", sagte ich. "Gib ihm Zeit. Wird schon was werden. Ich glaube nicht, dass es an deinem Körper liegt. Männer haben zwar Präferenzen, aber wenn das Ding steht, spielt es keine Rolle mehr."

"Bestimmt warst du früher ein heißer Feger, oder?"

Ich griente. "War ich. Ein unerreichbarer, heißer Feger. Ich habe keinen ran gelassen, bis Uwe kam."

"Dein Exmann?"

"Hat das Andrea nicht erzählt? Er ist sein Vater oder Erzeuger, wie er immer sagt. Er starb bei einem Unfall."

"Oh sorry, das tut mir leid. Ich wollte nicht ..."

"Schlimme Erinnerungen in mir wachrufen? Tust du nicht. Er oder wir hatten unsere Zeit, sie war schön, und nun ist sie vorbei, und es ist immer noch schön. Dass es Andrea gibt, wusste ich damals noch nicht."

Lena seufzte. "Ich muss jetzt los. Ich will nicht, dass Andrea mich hier sieht. Heute wollten wir ja nicht üben."

"Verstehe ich." Lena stand auf, ging Richtung Tür. Ich schaute ihr zu. Sie hatte einen tollen Körper. Schlank und dennoch nicht klapprig. Man könnte sich in sie verlieben. Andrea auch. Was hielt ihn ab? War er etwa schwul? Seinen Blicken nach jedenfalls nicht.

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Teil9: Eine unmögliche Verbindung

Zwei Tage lang war erst mal alles wie immer, ab Montag übten die drei wieder und Lena und Oliver waren schon nach Hause gegangen. Ich hatte mich vor den Fernseher gesetzt, ein Glas Wein getrunken, dann noch ein Glas, versuchte dann zu schlafen, aber es ging nicht, sodass ich seufzte, aus dem Bett aufstand, und noch mal in geringer Lautstärke eine Tierdoku im Fernsehen schaute, um Bettschwere zu bekommen. Auf ein mal kam Andrea herunter.

"Du Sandra? Kann ich dich mal was fragen?" Ich schaute Andrea streng an. "Ach so, ja. Ich soll ja nicht fragen, ob ich dich was fragen darf, sondern gleich fragen, oder?" Ich nickte. Jetzt schien ihn aber der Mut verlassen zu haben.

"Hat es was mit Liebe zu tun?" Er nickte. "Nun komm schon, raus damit!"

"Ja, irgendwie schon."

"Du musst mir schon ein wenig mehr sagen, sonst kann ich dir nicht helfen." Ich ging zum Schrank und holte zwei Gläser, schenkte Cognac ein. "So komm, das löst die Zunge." Wir tranken beide einen großen Schluck.

"Kann man irgendwie zwei Frauen lieben?", haute Andrea raus.

Ja, heißes Thema. Lag ja in der Familie, irgendwie. "Kann man schon, irgendwie, ja. Dein Vater Uwe, oder besser, dein Erzeuger ist ja das beste Beispiel. Aber es gibt auch genug andere."

"Hast du denn zwei Menschen gleichzeitig geliebt?"

"Nein, geliebt nicht. Aber ich war schon mal scharf auf jemanden, als Uwe noch da war. Also, es kann sein, dass du das einfach verwechselst."

"Woran merkt man denn, ob man jemanden liebt oder nur auf ihn scharf ist?"

"Na für den einen würdest du alles tun, damit es ihm gut geht, wirklich alles oder zumindest fast alles, und vom anderen willst du nur Sex. Hattest du denn schon mal Sex?"

"Doch, ja. Ist aber schon länger her." Da unten fing es an zu kribbeln. Sie hatte es natürlich längst gemerkt. Eine neue Möglichkeit tat sich da gerade auf.

"Wer ist denn die Glückliche? Jemand aus dem Orchester? Kenne ich sie?" Ich hoffte natürlich irgendwie, dass er Lena sagt, aber dann war ich enttäuscht.

"Sag ich nicht!"

"Und die andere?"

Seine Augen sagten es mir, bevor er es aussprach. Fliehende Augen, die von meinem linken Auge zum rechten Auge und wieder zurückgingen. "Na du!"

"Ich? Ich alte Schachtel?"

"Du bist so perfekt!", sagte Andrea ernsthaft.

"Andrea! Du spinnst! Ich bin nicht perfekt. Außerdem zu alt!"

Andrea griente. "Wenn das die Leute mitkriegen! Sag, das hast du doch gerade gedacht!" Nein, ich hatte gedacht vielleicht könnte man ja doch mal, aber das konnte ich ihm nicht sagen. "Egal ob Leute oder nicht! Es geht einfach nicht!" Ich merkte, dass ich ihn empört anstarrte. Dann kam ich aber immer näher an ihn heran. Ganz, ganz dicht. Sein Kopf füllte mein ganzes Gesichtsfeld aus. Nur noch wenige Augenblicke, und ich würde ihn küssen.

Plötzlich verschwamm alles und ich wurde ruckartig wach. Ich lag auf der Couch. Der Fernseher lief, das Frühprogramm. Mann, was hatte ich denn hier geträumt? Vom Sex mit Andrea, meinem Stiefsohn. Natürlich war ich irgendwie scharf auf ihn gewesen, aber es sollte nur ein ferner, unerfüllbarer Wunsch bleiben. Aber dieser Traum ging einfach zu weit! Lag es am Alkohol? Ich sollte vor dem Schlafengehen nichts mehr trinken! Mein Gott!, fiel mir ein. Du hast vor, mit deinem Stiefsohn zu schlafen! Dafür kommst du in die Hölle! Nein, ins Gefängnis! Beides! Nein, es war ja nur im Traum! Zum Glück. Ich war total durcheinander. Ich hatte trotzdem das gleiche, miese Gefühl wie damals mit Julian, obwohl hier gar nichts passiert war, stand auf, und versuchte unter der Dusche den Dämon Alkohol und den noch schlimmeren Dämon Traum vom Sextalk mit Andrea zu vertreiben. Es gelang mir nur unvollständig. Immer noch hatte ich zittrige Hände. Ich fühlte mich so mies, dass ich trotz des Lustkribbelns, welches ich unten verspürte, nicht zur Selbsthilfe griff. War sowieso keine Zeit mehr dafür. Trotzdem es nur ein Traum war, setzte ich mich an den Rechner, fütterte eine Suchmaschine, und atmete auf. Sex mit einem Stiefkind wäre nicht strafbar. Nur verwerflich. Na gut, dann also nur Hölle. Falls es doch mal real wird, was ich nicht hoffte.

Da tat sich auf einmal was oben. Andrea steckte seinen Kopf aus der Tür. Anstatt wie sonst gleich unter die Dusche zu gehen, kam er herunter.

"Ist er schon weg?"

"Wer soll denn weg sein?"

"Hattest du nicht Besuch gestern?"

"Nein, wieso?"

"Na, ich hörte Geräusche."

Ich spürte, dass ich mal wieder rot im Gesicht wurde. "Ich bin beim Fernsehschauen eingeschlafen. Manchmal habe ich aber auch Träume und spreche dabei im Schlaf. Uwe hat das früher auch mal gehört, wenn er neben mir schlief. Hatte er mir verraten. Ich selbst höre das ja nicht." Ich lächelte ihn an und hoffte, er würde die Erklärung schlucken. Er hob seine Augenbrauen und seine Stirn kräuselte sich ein wenig, aber er ließ dann von mir ab. "Wollte ja nur wissen, ob die Dusche frei ist."

"Ist sie. Meine Träume müssen nicht duschen. Das mit dem Reden im Schlaf behalten wir aber besser für uns, ja?" Er nickte. "Und jetzt ab, duschen. Ich mache Frühstück!" Andrea ging ins Bad und ich wirbelte in der Küche. Dann kam er herunter, fertig gestylt. Nach dem Frühstück ging Andrea zur Uni und ich fuhr nach der restlichen Morgenpflege zu meinen Laden und dort versuchte ich, das Geträumte zu vergessen, zu verdrängen. Das Kribbeln von ihr hatte auch aufgehört und so fiel es mir einigermaßen leicht. Am späten Nachmittag kamen wie so oft dann wieder Lena und Oliver. Ich bekam mit, dass sie jetzt was anderes übten als sonst. Es klang energischer, dynamischer, aber auch düsterer. Ich machte am nächsten Übungstag extra früher Schluss im Laden und passte Andrea ab, als er von der Uni kam.

"Du Andrea. Kann ich dich mal was fragen?" Dabei griente ich ihn megamäßig an. Er bekam einen erschrockenen Gesichtsausdruck, aber ich sagte gleich: "Keine Angst, es geht nicht um meine Traumreden." Sein Gesichtsausdruck hellte sich wieder auf, und er bekam gar nicht mit, dass ich ihn gefragt hatte, ob ich ihm eine Frage stellen darf. "Habt ihr ein neues Stück, was ihr da jetzt übt?"

"Gefällt es dir?"

"Ja. Klingt gut. Wer ist das?"

"Rott. Wir spielen seine Sinfonie."

"Aha. Hat er nur eine?"

"Ja, leider. Die Welt war für seine Musik noch nicht reif genug, er wurde von einem bekannten Komponisten herabgewürdigt, entwickelte daraufhin gefährliche halluzinatorische Wahnvorstellungen, wurde für verrückt erklärt und starb dann im Irrenhaus, so nannte man das damals noch."

Ich bekam eine Idee. "Sag mal ... kann ich denn mal bei euren Proben dabei sein?"

"Ich weiß nicht, ob das geht. Wir proben das ja jetzt im großen Orchester."

"Im Orchester vom Konservatorium?"

"Bei uns heißt das doch Musikhochschule. Nein, wir proben mit im großen Orchester von der Stadt. Lena, Oliver, ich, und noch jemand."

"Hast du mir gar nichts gesagt!"

"Die wollen den Nachwuchs ein wenig einbinden. Ist ein ganz neues Projekt, welches der Gastdirigent initiiert hat, mit dem wir das Stück aufführen werden. Läuft erst ein paar Tage. Hätte ich schon noch gesagt. Aber ich schau mal, was ich machen kann wegen der Probe."

"Danke, Andrea." Mist. Somit zerschlug sich wohl mein Projekt, herauszubekommen ob Andrea in eine andere Frau verliebt ist. Jetzt könnte ich natürlich keinen Rückzieher mehr machen, aber ich glaubte sowieso nicht, dass das klappt. Um so erstaunter war ich, als Andrea gleich zwei Tage danach zu mir kam.

"Du Sandra, ich habe nachgefragt. Du kannst morgen zur Probe kommen, 10 Uhr in der Elbphilharmonie. Einfach 15 Minuten vorher da sein und vorne warten. Ich hole dich dann da ab."

"Danke Andrea!" Ich war ganz aus dem Häuschen, und obwohl mein ursprünglicher Plan, mich in seinem Hochschulorchester umzusehen nicht klappte, konnte ich mal bei der Probe Mäuschen spielen. Denn vielleicht ist ja Andrea in eine Frau von diesem Orchester verknallt und ignorierte deshalb die Avancen von Lena. Als Außenstehende erkennt man so etwas ja viel besser, als wenn man Betroffener ist. Ich war gespannt und würde meine Augen benutzen, um die verräterischen kurzen Blicke aufzufangen, die man da üblicherweise auf die Angebetete wirft.

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Teil10: ZusammenROTTung

Am anderen Tag war ich ganz aufgeregt. Ich hatte Vanessa Bescheid gegeben, dass ich heute später komme, stand vor dem Gebäude. Da kam Andrea vom Inneren des langen Ganges, wo es zu den Fahrstühlen geht, und rief mir zu: "Komm!" Ich begrüßte ihn, ging neben ihm her, dann ging es in einen Fahrstuhl, wir fuhren hoch, dann durch mehrere Gänge im Backstage Bereich entlang, und dann ging es in den Saal. Ich war ganz aufgeregt. Er zeigte auf eine Sitzreihe. "Hier warten und bitte leise sein!", flüsterte er. Einige Personen saßen da schon, weit verstreut, ich setzte mich einfach in einen freien Bereich. Hier war man ganz nah dran an der Bühne. Dann kamen die Musiker, und zwar zusammen mit dem Dirigenten. Keiner klatschte. Logisch, war ja nur 'ne Probe. Es waren auch alle in normalen Klamotten. Und dann ging es los. Ich war überrascht. Erst ein mal spielten die immer nur winzige Abschnitte, dann stoppte der Dirigent, erklärte was, und dann ging es wieder los. Und das andere Verwunderliche war, alles erklärte er in Englisch. Das meiste verstand ich, bis auf die Fachausdrücke. Dann, sie spielten gerade eine ganz, ganz leise Passage, es kribbelte - ausnahmsweise nicht da unten, sondern anderswo - musste ich niesen. Ganz plötzlich, und ziemlich laut. Alle Augenpaare gingen auf mich, auch die des Dirigenten. Ich hätte im Erdboden versinken können, zumindest wurde ich ganz rot.

Schließlich war die Orchesterprobe irgendwann fertig, der Dirigent ging raus, die meisten Musiker auch, einige von denen unterhielten sich noch. Das Stück gefiel mir richtig gut, auch wenn ich immer nur Abschnitte gehört hatte. Hier hörte ich es ja erstmals mit allen Instrumentengruppen. Andrea sah mich, rief: "warte hier", zeigte auf eine Stelle ganz unten vor der Bühne, und ging mit seinen Kollegen mit. Lena und Oliver hatte ich natürlich auch erkannt. Ich war vor allem auf Andrea fokussiert gewesen, er selbst aber auf seine Noten und die Musik. Kein Anhimmeln irgendeiner Musikerin. Nun hatte sich der Saal geleert, alle Musiker waren weg und auch die anderen Mithörer. Ich ging hinunter und stand ganz brav da, ganz alleine in diesem riesengroßen Saal, da kam auf ein mal der Dirigent noch mal rein. "Noten vergessen", sagte er, mit unverkennbar amerikanischem Akzent. Am Notenpult drehte er um und schaute nochmal auf mich. "Ah, Frau Niesen", sagte er schmunzelnd.

"Entschuldigung! I'm sorry", sagte ich.

"Deutsch bleiben! Ich üben muss."

"Außerdem heiße ich Neuhaus. Sandra Neuhaus."

"Oh, Sandra, wie meines Frau. Sie sind Mutter von eine Musiker?"

"Ja, von Andrea Bulosio. Also, zumindest seine Stiefmutter."

"Wie die böse von die Märchen?"

"Nein. Ich glaube, ich bin eine ganz liebe Stiefmutter."

"Komm mit!", sagte er. Mein Herz rutschte in die Hose, also würde es, wenn ich eine anhätte. Aber wie üblich hatte ich natürlich Rock und darunter einen Slip an. Feucht wurde er dieses mal aber nicht. Ich war einfach zu eingeschüchtert. Ich folgte ihm, wir gingen durch einige Räume, und landeten in einer Cafeteria. Alles voller Musiker. "Was essen?", fragte er. "Du bist bestimmt Kuchentyp. Dieses hier?" Ich nickte. "Kaffee auch?" Wieder nicken.

"Woher wissen sie das?"

"Habe gesehen. Schöne Kurven. Kuchen-Kurven."

"Das hat schon mal jemand zu mir gesagt!"

"Geklappt hat?" Ich nickte erneut.

Als er alles zusammen hatte, sagte er: "Komm!" Ich folgte ihm einfach. Zwei Herren winkten dem Dirigenten zu, aber er ignorierte sie, setzte sich mit mir an einen freien Tisch. "Geier von Orchesterleitung. Fressen Nerven, sagt man das so?"

Ich griente. "Kann man so sagen."

"Bist du die wo stützt die Andrea?"

"Den Andrea. Ja, er wohnt bei mir, ich versorge ihn, er kann bei mir proben. Er, Lena, und Oliver. So oft wie sie wollen."

"Dann sind sie einer Mäzenin?"

"Nee, die Mäzenin gibt ja Geld an alle. Für Andrea bezahle ich aber den Unterhalt."

"Für die Sohn von Mann. Warum er nicht tun?"

"Mein Mann ist vor Jahren bei einem Unfall gestorben."

"Oh Mann. Tut weh noch, oder?"

"Ein wenig." Ich wollte das Thema davon wegbringen. "Wann spielen sie denn dieses Stück?"

"Den Rott? In acht Tagen hier in die Elphi."

"Schade, das würde ich mir gerne anhören. Aber sicher gibt es keine Karten mehr."

Er zeigte auf mich. "Für dich besorge Karte ich. Ganz bestimmt. Ich gib Andrea."

Ich war ganz aus dem Häuschen, war gerührt. "Wirklich? Oh, das wäre toll!"

"Schöne Frau und netten Stiefmutters muss man Gutes tun. That's selten. Hören du oft Klassik?"

"Noch gar nicht so lange. Aber jetzt bin ich begeistert. Bei meinem ersten Konzert hier hatten sie auch dirigiert."

"Was spielten wir?"

"Ein Violinkonzert und dann Tschaikowski Vier."

"Ahh, dann die Violinkonzert war Mendelssohn. Und, gut war?"

"Richtig gut. Besonders die Sinfonie hat mich ziemlich berührt. An einigen Stellen hatte ich richtig Tränen in den Augen."

"Dann was passiert. War nach Unfall, yes?"

"Der Unfall meines Mannes war da schon ein paar Monate her. Aber es war kurz vorher etwas passiert, was die Sache wieder hochgespült hat. Hoch gebracht hat."

"War etwas Schlimmes?"

"Dachte ich erst auch. Dann war es aber recht harmlos und es hat mein Leben dann sogar bereichert, da ich ab da Klassik-Fan geworden bin."

"Das du mir unbedingt mal erzählen musst. Aber jetzt ich schon losmuss. Kuchen und Kaffee geschmeckt?"

"Ja danke, ich hätte aber auch ..."

"Musst nicht pay. Ich krieg schweinig Geld. Danke für Zeit Sandra. So, dann geht ich mal zu Geier. Er seufzte."

Ich stand auch auf und versuchte den Ausgang zu finden, verlief mich aber. Einer der Musiker sah meine Qual und geleitete mich hinaus, durch die verschlungenen Gänge zu einem Vorraum mit dem Fahrstuhl. Draußen stand Andrea. Er war ziemlich sauer. "Wo warst du? Ich warte hier schon eine Viertelstunde auf dich! Die Bühne war leer!"

"Nun komm mal wieder runter! Hab mich ganz nett ein wenig mit eurem Dirigenten unterhalten." Ich kicherte. "Ich habe wohl einen bleibenden Eindruck auf ihn hinterlassen."

"Echt jetzt?" Andrea kamen fast die Augen raus.

Ich nickte. "Komm, gehen wir. War ja 'ne tolle Probe. Hast echt gut gespielt. Die Lena und der Oliver auch. Hat sich das Proben also ausgezahlt."

"Ja, danke Sandra. Hab mich viel zu wenig bedankt dafür."

"Anfangs fand ich es ja etwas schwierig mit immer nur diesen kurzen Teilen aus der Musik. Aber hab mich dran gewöhnt. An euch."

Wir fuhren dann nach Hause. Zwei Tage später gab mir Andrea einen Umschlag. Ich öffnete ihn. Und machte einen Purzelbaum. Eine Karte. Und was für eine Karte! Schön weit vorne, etwa da wo ich auch bei der Probe saß. Normalerweise bekam man dafür sonst nie eine Karte. Da saß der absolute Geldadel, meist Abonnenten für die teuerste Kategorie.

"Wie hast du das denn geschafft?", war der Kommentar von Andrea dazu.

"Hab halt Beziehungen!" Ich schmunzelte. Als der Tag heran war, ein Samstag, machte ich eher Feierabend, da ich mich noch umziehen wollte. Schön festlich halt, aber ohne overdressed zu sein. Dann fuhr ich hin. Andrea war schon früher los, da sie alle noch proben wollten und auch so eine Einführungsveranstaltung war. Es war das erste mal, außer damals meine Premiere natürlich, dass ich da alleine war und kam mir ein wenig verloren vor. Aber ich genoss die verstohlenen Blicke der Männer auf mich. Die meisten kamen von älteren Herren, aber ein paar Blicke von jüngeren Männern waren auch dabei. Mit Andrea hatte ich vereinbart, dass ich danach am Künstlereingang auf ihn warten würde. Dann war Einlass. Der erste Teil des Konzertes begann. Die drei würden aber erst beim Stück nach der Pause dazukommen. Als die Pause schon fast zu Ende war, ein mal hatte die Pausenklingel schon geschellt, sprach mich auf einmal jemand an.

"Hallo Frau Neuhaus."

"Oh, hallo Herr Mehnert. Sind sie auch Klassik Liebhaber?"

Er seufzte. "Manchmal, wenn Zeit ist, schaffe ich es mal hierher. Heute ist mal Zeit. Kein Dienst."

"Das Verbrechen schläft nie, was?"

"Sie sagen es. Nur um so nette Frauen wie sie scheint es einen Bogen zu machen."

Ich musste lachen. "Wer weiß. Vielleicht bin ich ja doch so eine?" Dann lächelte ich ihn an. "Das Kompliment ist aber trotzdem bei mir angekommen."

"Da bin ich ja froh. Bekommen sie sonst keine? Ich meine Komplimente."

"Doch, eigentlich recht oft. Aber die wollen dann meistens auch mit mir wohin."

"Wohin?"

Ich verdrehte die Augen. "Ins Bett!"

"Ach so!" Seine Gesichtsfarbe wandelte sich ein wenig ins Rötliche. Dann fiel sein Blick auf meine Hand. "Sie tragen immer noch den Ring!"

"Ja, der schützt mich davor, einfach so angesprochen zu werden."

"Hat aber heute nicht gut funktioniert!"

"Macht nichts. Die unerwartet gekommenen Gespräche sind oft die besten!"

Die Pausenklingel ertönte jetzt schon zum zweiten mal. "Wir müssen!"

"Haben sie nach dem Konzert schon was vor?"

"Ja, nach Hause gehen."

"Schade", sagte er. Natürlich hätte ich zusagen können, aber ich war ja mit Andrea verabredet und für ihn wollte ich das nicht sausen lassen. Wenn nötig, oder ich es wollte, könnte ich mich ja jederzeit mit ihm verabreden. Wir lösten uns voneinander und jeder ging zu seinem Platz. Er ging die Treppe hoch, saß also viel weiter oben als ich.

Dann ging es los. Die Musiker kamen. Natürlich entdeckte ich Andrea, Lena, und Oliver. Und schließlich kam der Dirigent. Mein Dirigent. Hihi. Jetzt vereinnahme ich ihn schon, obwohl ich ihn erst ein mal kurz gesprochen hatte. Sandra die Übermütige! Er hob den Taktstock. Wie würde eigentlich sein Taktstock sein, überlegte ich. Sein Taktstock der Liebe. So wie der von Uwe? Oder wie der von Piere? Sandra! Ich rief sie zur Räson und sie gehorchte augenblicklich. Ein ganz neuer Schachzug von ihr. Das Stück begann. Erst langsam, leise, lieblich. Dann ungestüm. Schon nach kurzer Zeit wurde mir klar, was ich schon bei den Proben geahnt hatte: Der Komponist hatte irgendwie abgekupfert! Ein Plagiat! Na ja, nicht ganz so wortwörtlich, aber der Stil. Die Ähnlichkeit war einfach sehr groß. Und auch die Wirkung. Ich kannte ja nur einige Bruchstücke, aber die Gesamtwirkung triggerte mich, wühlte mich auf. Als dann nach knapp einer Stunde das Stück sanft und lieblich ausklang, hatte ich Tränen in den Augen. Es war ja wieder so gewesen, als wäre mein eigenes Leben gespielt und vertont worden.

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Teil11: Die Nachbesprechung

Der tosende Applaus ging eine ganze Weile. Ich ließ mir Zeit, winkte Andrea zu, der jetzt, von jeder Last befreit, endlich Muße hatte mich im Publikum zu suchen. Er winkte zurück und auch Lena und Oliver winkten mir zu, als sie mich entdeckt hatten. Beide hatten mit ihren Instrumentengruppen zusammen auch Extra-Applaus bekommen. Erst als die meisten Zuschauer schon weg waren, ging auch ich aus dem Saal, wartete vor dem Backstagebereich in der 12ten Etage. Einige Musiker waren bereits gegangen, da steckte jemand seinen Kopf heraus. Der Dirigent. "Sandra! Schön warten. Komme ich gleich." Huch, da hatte ich jetzt nicht mit gerechnet. Aber schon alleine für das Besorgen der Karte musste ich ihm natürlich diesen Wunsch erfüllen. Den Wunsch meiner Gesellschaft. Und weg war er auch schon wieder. Da kamen auch Andrea, Lena, und Oliver heraus. Ich umarmte einen nach dem anderen, beglückwünschte sie zu ihrer Leistung. Sie waren ganz verlegen, so als hätten sie nicht damit gerechnet.

"Gehen wir?", fragte Andrea.

"Geht schon mal. Ich habe noch eine Verabredung." Fragendes, eher verwundertes Gesicht, ein kurzes Zögern, dann ging Andrea, und die anderen beiden mit ihm. Ein Musiker nach dem anderen kam heraus. Dann erschien endlich auch mein Dirigent. Er hatte so eine Aktentasche dabei. "Super gemacht!", sagte ich, und umarmte auch ihn. Auch er schien ganz verlegen zu sein.

"Aber das alles haben doch gemacht die Musiker!" Ein entwaffnendes Lächeln. "Komm Sandra. Gehen noch hin wo. Oder?"

"Ach das hat schon mal jemand zu mir gesagt. So ähnlich."

"Ähnlich?"

"Ja, er hat gefragt: gehen wir noch irgendwo hin? Asked lets go somewhere."

"Ah, verstehen. Uns deines Antwort?"

"Wir sind bereits im somewhere!"

Er lachte schallend. "Ich sein mögen deines Humor. Wir gehen noch was essen Kleinigkeit. Okay?"

"Gerne doch!", sagte ich, und wollte schon zum Ausgang gehen, aber er sagte: "Nicht hier lang. Nehmen anderes Fahrstuhl Lift." Wir gingen wieder in den Künstlerbereich hinein - er hatte da so eine Karte dafür - und schlängelten uns durch die verworrenen Räume hindurch bis zu einem Vorraum, unmöbliert. Den kannte ich schon, da waren die Fahrstühle. Dort neben den Türen war so ein Tableau, wo er einen Knopf drückte.

"Gleich kommt!" Eine halbe Minute später ging die Fahrstuhltüre auf. Ich traute meinen Augen nicht. Da drinnen hätte man tanzen können! Mein kleines Biest meldete sich wieder. 'Sex könnte man da auch machen', sagte sie. Ich schimpfte mit ihr: 'Nicht mit dem Dirigenten', und ignorierte sie einfach. Während der Fahrt versuchte sie es noch ein mal. 'Stoppknopf, Stoppknopf'. Aber mal abgesehen davon, dass ich nicht wusste, wo der war, so weit wollte ich nicht gehen. Nicht mit ihm. "Nicht wundern. Ist für Transport Klavier und so one. Große Teile für machen große Musik."

"Ist der Aufzug für Personen kaputt?", fragte ich.

"Nein, aber ich wollte - wie man sagen - angeben." Dann waren wir unten, gingen aus einem Nebenausgang heraus. "Kenne Gaststätte. Nicht weit. Letztes Stück gefallen?"

"Ja, es hat mich sehr berührt. Obwohl ...", wir mussten einer Gruppe angetrunkener Passanten ausweichen, "obwohl ich den Eindruck hatte, dass der abgekupfert hatte."

"Abgekupfert?"

"Na, den Stil übernommen hat. Die Art, wie die Musik spielt."

"Ach so. Hat der ja auch. Aber der andere. An wen du denkst dabei?"

"Gustav Mahler?"

"Rott war recht früh gestorben, hat mit Mahler studiert die Komponieren. Seine Sinfonie hat er aber wesentlich früher komponiert als Mahler seine bekannten Sinfonien."

"Ach so, dann hat Rott also diesen Mahler inspiriert?"

"Perhaps. Man weiß nicht so genau. Einige Passagen seiner ersten und zweiten ähneln sehr dieser E-Dur." Wir waren an der Gaststätte angekommen. Es war dieselbe wie damals mit Peter Müller. "Was du möchten trinken? Bier? Wein? Whisky."

Ich prustete los. "Willst du betrunken machen mich?" Ich ahmte dabei seinen amerikanischen Akzent nach.

Er hob wie abwehrend seine Hände. "No. Du missverstehen. Ich nicht wollen, dass du denkst."

Ich war amüsiert. "Kannst du Gedanken lesen? Was denke ich denn darüber?"

"Dass ich will bringen dich in Bett."

"Willst du nicht?"

"No." Schade, sagte mein Biest. "Weißt du, wir haben Abmachung. Wie heißt das in Deutsch?"

"Treue?"

"Ja, Treue. No Sex mit Musiker. No Sex mit andere sexy Frauen. Ich liebe noch eine anderes Frau."

"Du liebst eine andere Frau als deine Ehefrau?"

Er schaute mich vorwurfsvoll an. "Die anderes Frau heißen Musik. Und meine Kinder seien die Noten. That's meine zweite richtige Liebe."

"Und das hast du immer geschafft?"

"Ja. Du nicht?"

Jetzt kam ich in die Bredouille. Aber ich wollte ehrlich sein. Jetzt kam die Bedienung und nahm unsere Bestellung auf. Er nahm einen Weißwein und ich einen Rotwein. Und wieder genau solche Kleinigkeiten, wie Peter sie damals bestellt hatte. "Nein. Aber ich war auch treu. Ganz lange. Uwe, mein Mann, war der erste Mann in meinem Leben. Aber dann hat er sich in eine andere verliebt, ist mit ihr geflohen, hat mich und seine Firma beklaut. Das kam alles erst nach und nach zum Vorschein und um an Informationen zu bekommen habe ich mit einem anderen Mann geschlafen. Und später noch mit anderen."

"Hast du es bereut? Hat es dir gefallen mit die andere Männer?"

"Ja, damals hab ich es bereut, zu Anfang zumindest. Aber trotzdem fand ich es schön."

"Was dann passierte?"

"Dann hab ich ihn aufgespürt. Er war im Hotel mit seiner Geliebten. Unter Mithilfe eines Computerfachmanns hab ich es geschafft, das geklaute Geld wieder zurückzuholen. Und dann war ich wieder in meinem alten Leben."

"Das noch nicht alles war, oder?"

"Nein. Kurze Zeit später hatte er diesen Unfall. Er ist dabei gestorben. Dann hat die Polizei Drogen in seinem Auto gefunden. Die Polizei beschuldigte mich da mit drin zuhängen. Es war schrecklich!" Es war wirklich schrecklich, denn so ganz unbeabsichtigt kam auf einmal alles wieder hoch, vor allem die Gefühle von damals, und es kam ein wenig Pippi in meine Augen. "Aber ich bekam Hilfe, und danach war dann alles gut und vergessen."

"Klingt so like man sollte Sinfonie schreiben darüber. Ganz ähnlich wie vorhin die." Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. "Warum du weinst? Ist nicht alles gut in die Leben jetzt?"

"Doch. Alles bestens."

Unsere Getränke kamen. Wir stießen an. Er schaute mir aufmerksam ins Gesicht. Und lange.

"Da ist doch noch etwas. Etwas was vollendet du hast nicht!"

"Nein, es ist alles gut!" Ich überlegte, was in der Präsenz seines bohrenden Blicks gar nicht so einfach war. Ich nahm einen großen Schluck von meinem Rotwein. Eigentlich sogar einen sehr großen Schluck. Was könnte es sein? Uwes Grab gepflegt? Check! Meinen Laden weitergeführt? Check! Die Angestellten gut bezahlt? Check! Haus und Ferienhäuser gerettet und gepflegt? Check! Freundschaften gepflegt? Check! Obwohl, das wohl etwas (zu) intensiv. Trotzdem: Check! Andrea aufgenommen und wie eigenen Sohn behandelt? Check! Instrumentenüben zugelassen? Check! Sogar um Antonios Beerdigung hatte ich mich gekümmert? Check! Also alles richtig gemacht. Che ... halt! Da war noch was. Jetzt fiel es mir wieder ein. Der Stein. Nicht der Stein der Weisen, und auch nicht der Stein des Anstoßes, obwohl ich gerade einen Anstoß bekommen hatte, aber der Stein von Antonios ehemaliger Geliebten. Der, welchen ich zum Kreis schließen sollte.

"Ich sehe es geklappt. Was ist es?" Mist, wie schaffte der es nur, das zu sehen, was ich hoffte, verbergen zu können?

"Was denn geklappt?"

"Du gefunden." Er sah wohl meinen skeptischen Blick. "Man sehen Auge flieht her und hin, die ganzes Zeit. Dann auf ein mal still stehen. Da du gefunden. Also was?"

"Ach, es ist nur eine Kleinigkeit. Was Unwichtiges."

"Auch kleine Sachen können sein wichtig. Also. Erzählen. Reden befreien."

"Es ist ein Stein. Nein, kein Diamant oder Edelstein. Ein simpler Stein aus den Alpen, schön zwar, aber unwichtig."

"Was damit sein?"

"Jemand hat ihn mir gegeben. Der Stein stammt von Andreas Onkel Antonio. Er ist ja gestorben, und ich war bei seiner Beerdigung. Es ist ein Stein von dem Berggipfel, auf dem sein Onkel damals eine Frau kennengelernt und sich damals in sie verliebt hatte. Das ging dann aber in die Brüche. Und später nahm diese Frau einen anderen Mann und heiratete ihn. Das war die Frau, die mir dann den Stein gab, nach der Beerdigung von Andreas Onkel Antonio. Er hatte ihr aufgetragen sich darum zu kümmern, dass der Stein wieder an seine ursprüngliche Stelle kommt, wenn er stirbt."

"Auf diesen Gipfel von die Berg?"

"Genau. Und das sollte ich machen."

"Und du hast es gemacht nicht?"

"Wie soll ich das denn machen? Ich habe doch keine Ahnung davon! Das Bergwandern war immer das Ding von meinem Mann Uwe, nicht meines! Das ist viel zu schwer für mich!"

"Du schaffst das!"

"Nein!" Ich war jetzt unabsichtlich lauter geworden als ich wollte und einige Leute drehten sich zu uns um. Ja, er hatte recht. Aus eben diesem Grund hatte ich diesen Stein in die hinterste Ecke verfrachtet. Aus den Augen, aus dem Sinn. Es war eine astrein funktionierende Verdrängungsstrategie gewesen und nun hatte er alles wieder an die Oberfläche gespült.

"Musst machen, sonst Universum schief."

"Komisch, das hat die Frau damals auch gesagt."

"Ich meine nicht das Universum!" Er zeigte nach oben. "Ich meine das!" Er zeigte auf mich, auf mein Herz. Er holte etwas aus der Aktentasche heraus und knallte es auf den Tisch. Es war die Partitur von dem Stück, welches wir gehört hatten. "Das auch verdammt schwierig. Und nie fertig, wenn nicht geschrieben der erste Note. Note und Note. Immer mehr. Schritt für Schritt. Meter für Meter. Immer hoch. Frau auf Berg. Die Stein hinlegen. Das geht!"

Ich wurde rot. Ruck-Zuck hatte er mein Schloss geknackt. Das Schloss meiner Bequemlichkeit. Wie hatte er das nur geschafft? "Gut, ich mach's", hörte ich mich sagen. Jetzt war ich in der Bredouille, aber so richtig. Jetzt MÜSSTE ich es machen. Rückzug unmöglich! Aber so what, ich hatte ja nicht gesagt wann. Dafür wäre noch mehr als genug Zeit. Später, viel später. Verdrängung leicht gemacht. Prima, Sandra. There's no step for you. Kein Schritt, keine Landung. Vor allem keine Bruchlandung in den Bergen. Dieses mal völlig passend kam die Bedienung und erlöste mich. Er bezahlte und wir gingen raus. Er zückte sein Handy und rief jemanden an. Keine Minute später kam ein Auto an. Eine richtig schöne Limousine, lang mal breit war nichts.

"Kann ich nehmen dich mit? Wo musst du hin?"

"Ohlsdorf?" Von da würde ich prima weiterkommen.

"Yes, da ist meine Hotel heute auch. Gleich an die Station daneben." Frag ihn doch, ob du mit in sein Zimmer darfst, sagte die da unten. Du gibst jetzt Ruhe!, sagte ich zu ihr, so richtig nachdrücklich. Es wirkte. Wir stiegen ein, beide auf die Rückbank. In meinen Gedanken fingen wir sofort an zu knutschen, in Lichtgeschwindigkeit hatte ich meine Hand an seiner Hose, zerrte seinen Taktstock heraus, und befragte ihn mit dem Mund, ob meine Partitur ihm denn so gefiele. Leider nur Fantasie, und zum Glück nicht in echt. Ich traute mich nicht. Endlich mal! "Die Andrea, die Lena, und die Oliver, die bei dich üben, auch haben Probleme. Du müsst kümmern. Die was fressen rein in sich drin."

"Hab ich doch schon! Aber ist immer schwierig mit den jungen Leuten."

"Ich weiß. Hier bei mir in die Orchester alle sein ganz lieb, aber sowie weg immer rauslassen die Sau. Sagt man das so? Aber bohre mal nach. Die haben was. Ungluckliche Liebe, was weiß ich. Vielleicht du kannst helfen."

"Ich versuche es. Die sind immer so unverkrampft, aber wenn man sie auf solche Sachen anspricht, machen sie zu."

"Ist bei meinen nicht anders auch."

"Bist du oft unterwegs? Wie bist du eigentlich auf das Dirigieren gekommen? Ist das schwierig zu lernen?"

Trotz des schummrigen Lichts von den Straßenlaternen konnte man jetzt sehen, dass er griente. "Das drei Fragen mit die eine mal gewesen. Wie die Kinderuberraschung. Ich ständig unterwegs. Aber manchmal, ich auch sehe meiner Frau und die Kinder. Meine Frau Musikerin auch, mit eine Violine. Und das Dirigieren ... irgendwann ich das wollte. Hat gereizt mich. Und schon schwer. Wichtig ist das Grunde Voraussetzung."

"Was ist das denn?"

"Selbstvertrauen. Unerschutterlich Selbstvertrauen. Manche haben, manche nicht."

"Das möchte ich auch mal haben."

"Hast du, hast du. Du bist bestimmte ..." Er suchte nach einem Wort. "Aura. Diese Aura zu bekommen Mann wann immer du willst. Du bist so eine ... Maneater i think. Right?"

Jetzt war es an mir zu lächeln. "Manchmal", sagte ich so sanft wie möglich.

"Dort bist du die Maestro. Auch ohne das Noten." Ja, da hatte er wohl recht. Das konnte ich. Ich konnte das, weil ich es wollte. Nur ihn nicht. Er war attraktiv, vielleicht zehn Jahre älter als ich, aber eher so eine ... ja, wie eine Vaterfigur. Nur deshalb war ich ihm nicht an die Wäsche gegangen, obwohl es mich oder besser gesagt, ihr schon gelüstete. "Na, denkst du nach wie verfuhren mich doch?"

Ich lachte. "Du bist ein Zauberer, weil du immer entdeckst, woran ich gerade denke. Aber das hatte ich tatsächlich nicht vor, nicht in echt. Es ist manchmal besser, wenn Wünsche in den Gedanken bleiben. Auch das kann erfüllend sein."

"Ich weiß. Ist wie das Pausen zwischen die Noten. Stille. Erfullende Stille. Damit Platz fur neues Noten. Schonere, oder auch eklige. Bis Erlosung." Ein Anruf kam rein und er sprach eine ganze Weile in Englisch mit jemanden. "Sorry, auch Geier kennen keine Nacht. Immer etwas wollen." Das Auto hielt vor dem Hotel, welches gleich neben der S-Bahn-Station lag. Wir stiegen aus. Er umarmte mich. "Danke Sandra. War schöne Tag mit dich."

"Das fand ich auch! Es war eine schöne Zeit mit dir. Und danke für die Karte."

"Vielleicht irgendwann mal wieder sehen. Tschuss!"

"Tschüss!" Er ging in sein Hotel und ich zur Station. Es war wirklich ein wunderschöner Abend gewesen, auch wenn er mich ein, nein, zweimal mal wieder an meine Grenzen gebracht hatte. Ein mal war das die hochkommende Erinnerung gewesen, und das andere mal die aufkommende Scham über meine verdrängte Aufgabe. Ich hätte sie ja nicht machen müssen, aber ich hatte 'ja' gesagt. Und nun schon wieder. Die S-Bahn kam und ich stieg ein, dachte ein wenig über die Ereignisse von heute nach und über meine drei Zöglinge. Was war es wohl? War ich zu weit gegangen mit Lena? Aber es schien ihr ja nicht geschadet zu haben. Oder doch? Und was war mit Andrea? Wen liebte er denn? Sollte ich ihn mal fragen? Und was war mit Oliver? Ich ging dann nach Hause. In gut zehn Minuten würde ich da sein.

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Teil12: Der Angriff

Plötzlich passierte etwas Unerwartetes, Furchtbares. Hinter mir Schritte. Schnelle Schritte. Auf ein mal wurde ich gepackt, zu Boden geworfen. Jemand stürzte sich auf mich, war schwer, vermutlich ein Mann. Er versuchte meine Arme zu bändigen, mit denen ich unkontrolliert um mich boxte. Endlich schrie ich. "Hilfe!" Und nochmal. "Hiiiiilfee!!!" Das letzte mal war richtig laut. Der Angreifer riss mich hoch und versuchte mich in ein Gebüsch am Wegesrand zu zerren. Außerdem versuchte er mir den Mund zuzuhalten. Die Hand stank entsetzlich nach schalem Bier und Zigaretten. Trotzdem überwand ich meinen Ekel und biss hinein.

"Aua! Blöde Bitch!" Wieder zerrte er. Ich trat ihn ans Bein und rief wieder. "Hiiiiilfee!!!" Erneut versuchte er, mir den Mund zuzuhalten, war jetzt aber vorsichtiger. Endlich hörte ich Schritte auf dem Asphalt. Schnelle, laufende Schritte.

"Los, du vorne, ich hinten!", rief jemand. Sofort ließ der Angreifer von mir ab und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Ich fing an, zu weinen. Dann waren die Männer bei mir. "Alles gut, wir sind ja da. Der Typ ist weg. Haben sie ihn erkannt?"

"Nein."

"Ich ruf mal die Polizei, ja?" Inmitten meiner Heulerei bekam ich mit, wie er telefonierte. Keine Minute später war schon tatütata zu hören und eine halbe Minute später war der Polizeiwagen da. Kein Wunder, die Wache lag ja nicht weit weg und die Polizei musste einfach nur die Straße geradeaus lang fahren. Endlich freute ich mich mal über die Polizei. Soweit freuen in meinem Zustand überhaupt ging.

"Sind sie verletzt?", fragte der erste Polizist, der bei mir war. Ich schüttelte den Kopf, war mir aber gar nicht mal so sicher. "Konnten sie den Mann erkennen? Es war doch ein Mann, oder?"

"Ja, Mann. Groß, schwer, dunkel gekleidet. Mehr konnte ich nicht sehen. Und er hat jetzt eine Bisswunde an der Hand."

"Wollte er sie ausrauben?"

Ich schüttelte den Kopf. "Weiß nicht. Vermutlich vergewaltigen."

"Gib mal 'ne Fahndung raus", sagte er zu seinem Kollegen. "Mann, groß, schwer, dunkel gekleidet, mit einer Bisswunde an der Hand." Sein Kollege benutzte jetzt sein Funkgerät und schon eine Minute später schwärmten gleich mehrere Streifenwagen in verschiedene Richtungen aus. Er nahm noch die Aussage und Personalien meiner Retter auf, dann sagte er: "Wir nehmen sie mal mit, ja?" Als ob ich eine Wahl hätte. Verheult und zitternd hätte ich es kaum bis nach Hause geschafft, obwohl es nur noch etwa dreihundert Meter waren. Wie ein Roboter nahm ich die kurze Fahrt wahr. Dort wurde ich gleich von einer Polizistin in Empfang genommen. Blond und mit Zopf. Anders als meine Österreich-Polizistin Ines von damals lächelte sie mich aber an, und wirkte mit beruhigenden Worten auf mich ein. Dann nahm sie meine Aussage auf, fragte, ob ich psychologische Hilfe benötige, was ich verneinte. Am Schluss rief sie für mich noch ein Taxi und dieses fuhr mich nach Hause.

Andrea stand schon in der Tür, war ganz besorgt, dass ich noch nicht zu Hause war. Es war ja mittlerweile fast ein Uhr. "Ich bin überfallen worden!" Sofort weinte ich wieder. Andrea hob seine Augenbrauen, seine Stirn zog Sorgenfalten, dann umarmte er mich. "Oh Mann! Aber jetzt bist du in Sicherheit!"

"Danke, Andrea. Es ist mir nichts Ernstes passiert. Geh mal ins Bett. Ich schaffe das schon." Meine Tränen versiegten, ich wischte den Rest aus meinen Augen, und die Schminke verteilte ich damit auch noch mehr.

"Wirklich?" Sein Gesichtsausdruck sah wirklich sehr fragend aus. Ich nickte.

"Dann gute Nacht Sandra."

"Dir auch!" Ich machte mir trotz der vorgerückten Stunde noch einen Tee, um herunterzukommen. So konnte ich sicher nicht schlafen. Ich sinnierte. Das war ja noch mal gut gegangen. Ich müsste mich künftig wappnen. Immer ein Reizspray mitnehmen. Und vielleicht einen Selbstverteidigungskurs machen? Gleich morgen würde ich mich darum kümmern, nein, heute. Ich ging ins Bett, konnte aber erst einmal nicht einschlafen. Ich zitterte. Fror ich, oder waren das die Nachwirkungen des Überfalls? Dieser Abend, der so schön begonnen hatte, war abrupt zerstört worden. Meine Selbstsicherheit, meine Geborgenheit war dahin. Ich erinnerte mich an die vielen Berichte in der Zeitung, im Internet, oder auch im Bekanntenkreis. Ich war nicht allein! Wenn mir richtig was passiert wäre hätte ich vielleicht auch so eine Selbsthilfegruppe gebraucht, aber ich vermutete mal, dass ich so damit klarkommen würde. Ich dürfte es nur nicht verdrängen, sondern müsste es aktiv bekämpfen. Handlungsfreiheit bekommen.

Abrupt wurde ich am anderen Morgen wach und erinnerte mich an alles. 6 Uhr, wie immer. Ich sprang aus dem Bett, unter die Dusche, die brachte die Lebensgeister zurück und verdrängte die bösen Mächte. Ich machte Frühstück. Dann kam Andrea runter. Noch vor seinem Duschen. "Guten Morgen Sandra. Ist alles ok?" Er schaute mich prüfend an.

"Nein, ist nicht ok, aber ich komm erst mal klar. Ich werde was machen. Selbstverteidigung. Meinst du, ich pack das?"

"Du ganz sicher! Dann geh ich mal Duschen, ja?"

"Mach das!" Beim Frühstück erzählte ich ihm erst mal in allen Einzelheiten von dem Überfall. Und dann lobte ich ihn, oder besser gesagt, sie alle. "Ihr habt ja super gespielt. Alle drei. Ach was, das ganze Orchester. Und das Stück war auch super!"

"Ja, stimmt. Wo bist du eigentlich hin? Kennst du noch wen anders aus dem Orchester?"

"Ich bin noch essen gegangen, ein paar Kleinigkeiten. Mit eurem Dirigenten."

Bei Andrea schlug das ein wie eine Bombe. "WOW! Wie hast du das denn geschafft?"

"Es ist wohl meine Anziehungskraft."

"Du hast doch nicht etwa mit ihm ...?"

"Nein. Weder im Bett noch sonst wo. Das wolltest du doch fragen, oder? Wir haben uns nur ganz nett unterhalten. Er hat so einen siebten Sinn, um in einen hereinzublicken. Bei mir hat er was entdeckt. Und bei euch soll übrigens auch was sein!"

Andrea griente. "Wo soll denn da was sein?"

Ich zeigte auf sein Herz, und dann auf seinen Kopf. "Hier, oder hier."

Andrea griente. "Ich schau mal nach. Muss jetzt los, ja?"

"Na dann. Habt ihr heute wieder Probe?"

"Heute ist doch Sonntag."

Ich schlug mir vor den Kopf. "Ganz vergessen!" Die Sache hatte mich total durcheinander gebracht. "Und wo willst du so früh hin?"

"Hab mich mit Lena verabredet. Zum Stand-up-Paddling. So früh soll es da noch nicht so voll sein, da hab ich größere Chancen, nicht zu ertrinken."

"Du kannst nicht schwimmen?"

"Ist doch egal, Lena kann das doch!" Mein Gesicht verzog sich schon zum Stiefmutter-Schimpfen da kam noch hinterher: "Hereingelegt! Klar kann ich das!"

"Na, warte", sagte ich. Nach dem Zähneputzen verschwand dann Andrea und ich war allein. Für heute zu allein. Das musste ich ändern. Da heute Sonntag war, könnte es klappen.

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Teil13: Die Neuigkeiten und die Vollbremsungen

Wir hatten uns ja auch echt lange nicht gesehen oder gesprochen. Entweder ich alle Hände voll zu tun, oder er war in der Welt unterwegs, oder mit seinem Sohn beschäftigt. Ich rief an. Ein total verschlafen klingender Piere meldete sich.

"Ja?"

"Hier ist deine Lieblingssandra. Sag mal, hast du etwa unser Date vergessen?"

"Wir haben ein Date? Warte, ich schau mal." Ich ließ ihn in aller Ruhe über sein Smartphone wischen. "Ich finde nichts!"

"Dann trag mal ein: 'Treffen mit Sandra. Treffpunkt: Bramfelder Redder 1. Uhrzeit: 9:00."

"Was? Sandra, das schaff ich nicht. Das ist doch ein Trick, oder?"

"Ja, das war ein Trick, um mich mit dir zu verabreden. Es sei denn, du willst nicht."

"Doch, doch. Aber eine halbe Stunde später."

"Genehmigt. Bringst du Justus mit?"

"Nee, der ist ja bei den Eltern von Evelyn. Sie bringen ihn heute Nachmittag vorbei. Was machen wir da überhaupt?"

"Wir machen einen Spaziergang um den See."

"Ist was passiert?"

"Ja, aber das erzähl ich dir dann."

"Gut, bis gleich."

"Bis gleich." Ich kicherte. Seinen Lümmel würde ich heute verschonen. War eh nicht in Stimmung dazu.

Eine halbe Stunde später stand ich auf dem Parkplatz. Da kam er angedüst mit seiner tief dunkelgrauen, glänzenden Limousine. Ich musste kichern. Auch er war so natürlich so ein Dunkles-Auto-Auf-Parkplatz-Sucher. Er stieg aus und wir umarmten uns. "Wollen wir?"

"Yes, Sir!"

Piere grinste und wir setzten uns in Marsch. "Was ist denn der Anlass für den Spaziergang? Warum kein Treffen bei mir?"

"Ich wollte das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden!"

"Und der Spaziergang ist das Angenehme?"

"Nee, der ist das Nützliche. Angenehm ist es, sich endlich mal wieder mit dir unterhalten zu können."

"Ach so. Was ist denn nun passiert?"

"Ach, so allerhand. Gestern bin ich überfallen worden!"

"Was?" Es war das erste mal, dass Piere beim Spaziergang abrupt stehen blieb. Es sollten noch so einige Stopps folgen.

"Doch. Mir ist nichts passiert, außer dem Schreck. Der andere hat jetzt eine Bisswunde. Zwei andere Männer haben mich gerettet."

"Sandra, damit musst du zur Polizei!"

"Die waren doch schon da!"

"Und, haben sie ihn?"

"Die haben sich nicht mehr gemeldet, also vermutlich nein. Aber ich werde jetzt meine Lehren draus ziehen."

"Nicht mehr ausgehen?"

"Nein, ein Selbstverteidigungskurs."

"Kluges Mädchen."

"Mädchen ist gut. Bin doch viel älter als du."

"Und hübscher auch."

"Du Charmeur! Ja, und dann ist noch was passiert." Ich sagte aber nichts.

"Nun rücke schon raus damit!"

"Ich bin Mutter geworden!"

Abrupter Stopp Nummer zwei. "Was? Ich denke, du kannst keine Kinder kriegen? Und mir ist auch kein dicker Bauch aufgefallen."

"Gab ja auch keinen. Das Kind ist ... von Uwe!"

Abrupter Stopp Nummer drei. "Was? Da kommt also noch eine späte Bombe zum Vorschein!"

"Eher eine Mine. Sein Sohn wurde gezeugt, bevor Uwe und ich uns kennenlernten, aber wie ich dann erfahren hatte, haben die sich auch danach immer wieder getroffen. Zweimal im Jahr im Bergurlaub und dann auch noch so mal für ein, zwei Tage. Es war ein Doppelleben, welches er lange Zeit geführt hatte. Und ich hatte immer gedacht, er sei da auf Dienstreise!"

"Und, hast du die Frau mal zur Rede gestellt?"

"Nee, die ist ja auch tot."

"So so. Und woher weißt du das denn alles?"

"Vom Onkel des Kindes. Der ist übrigens auch gestorben, hatte Krebs im Endstadium. Piere, wenn du weiter solche Vollbremsungen machst, hast du am Ende der Wanderung durchgelaufene Sohlen!"

"Oh ja, Entschuldigung. Ich hätte wissen müssen, dass du immer solche Überraschungen parat hast. Könnte dein zweiter Vorname werden."

"Besser als Langweilerin!"

Piere zwinkerte mir zu. "Und was ist jetzt mit dem Sohn?"

"Er wohnt jetzt bei mir!" Piere bremste wieder. "Er studiert in Hamburg Musik."

"Echt jetzt? Das hast du gemacht?"

"Ja. Er ist ja sozusagen ein Erbe. Ich habe ja Uwe beerbt und er ist ein Teil von ihm."

"Wie heißt er denn?"

"Andrea."

"Sagtest du nicht, ein Sohn? Ist das eine Transfrau?"

"Nee. Die haben nur in Italien so komische Namen. Andrea heißen da die Männer."

"Ach so, ja, ich erinnere mich. Das war ja schon in meiner Südtiroler Zeit Thema. Und jetzt hast du also wieder Leben in der Bude. Aber du hast ihn doch nicht etwa?"

"Nein!", sagte ich. "Obwohl das nicht verboten wäre." Der Traum zählte ja nicht. Ich hatte Piere irgendwann mal von meinen Präferenzen für junge Männer erzählt, was unser Verhältnis aber nicht belastet hatte. "Er hat das Besucherzimmer bekommen und wir leben jetzt sozusagen wie Mutter und Sohn. An einigen Tagen kommen auch noch Kommilitonen von ihm und sie üben dann da in seinem Zimmer."

"Du hast es ja richtig gut. Bei mir ist immer ziemlich langweilig. Obwohl ..."

"Der Onkel von ihm ist übrigens bei mir gestorben. Also, nicht direkt, aber in seinem Auto vor meinem Haus. Erst hatte ich ein wenig Angst vor ihm, aber er ist der beste Mensch gewesen, den man sich vorstellen konnte. Genügsam und uneigennützig. Ich hab dann seinen Leichnam überführen lassen und war bei der Beerdigung in seinem Heimatdorf dabei, in Italien."

"Das war sicher teuer, oder?"

"Und ob! Aber das war mir die Sache wert. Außerdem hab ich mir da noch was eingefangen!"

"Bist du verliebt?" Wieder blieb Piere abrupt stehen. Ich hatte mittlerweile mit dem Zählen aufgehört.

"Ach wo. Du weißt doch, was ich liebe. Nein, mir hat da eine Bekannte von dem verstorbenen Onkel, also diesem Antonio, was aufs Auge gedrückt."

Piere griente. "Man sieht aber kein blaues Auge!"

"Nee, so doch nicht. Einen Auftrag. Einen unerfüllbaren Auftrag. Jedenfalls für mich unerfüllbar."

"Jetzt machst du mich aber neugierig. Was oder wer ist es?"

"Ein Stein. Ich soll einen Stein auf einen hohen Berggipfel bringen!"

"Klingt schaffbar."

"Für mich aber nicht!"

"Sandra, du schafft alles, was du willst. Hast du schon x-mal bewiesen!"

"Ach Mann! Aber wie?"

"This ist the first step for a man! Hat vor 100 Jahren jemand daran geglaubt, dass Menschen zum Mond fliegen können? Wenn andere da hochkommen, kannst du es auch. Wird ja wohl nicht der Mount Everest sein, oder?"

"Nee, der Averau."

"Der Averau in den Dolomiten?"

"Du kennst den?"

"Ja. Da wäre ich selbst mal fast hochgegangen. Der lag dicht neben meinem Dolomiten Höhenweg Nummer 1 den ich damals gegangen bin. Aber da ein Gewitter nahte, bin ich dann doch gleich zur Hütte. Zum Glück, das war ganz schön heftig!"

"Dann kannst du es ja machen!"

"Ich kann nicht. Muss mich ja um Evelyn kümmern!"

"Evelyn? Du meinst, um ihren Körper, der noch übrig ist."

"Nicht mehr."

"Was? Ist sie doch gestorben?" Jetzt war ich es, der eine Vollbremsung gemacht hatte.

"Nee. Aber sie reagiert jetzt wieder. Drückt mir die Hand und murmelt unverständliche Worte. Zumindest ab und an."

"Das sind ja ... tolle Nachrichten!" Ich spürte regelrecht, dass ich schrill-puterrot wurde. Wegen meiner Scham. Ich war ja nun einige male bei ihr gewesen und hatte sie ziemlich übel beschimpft. Erst vor einem knappen halben Jahr hatte ich damit aufgehört. Der Grund war der Sohn der beiden, den ich ja ab und an mal hütete. Sein unbeschwertes Kind-sein hatte in mir diese Veränderung ausgelöst. Ich stellte mir vor, wie es für ihn sein müsste seine Mutter zu besuchen, die er nie kennengelernt hatte, von der er lediglich den Körper sah. Ab da hatte ich sie zwar noch ein paar mal besucht, aber dann hatte ich ihr immer von seiner tollen Entwicklung erzählt. Würde sie tatsächlich wieder wach werden? Und sich daran erinnern? Ich hoffte, dann würde sie es verstehen, warum ich damals in meiner Wut solche bösen Sachen gesagt hatte. Wie auch immer, das hatte ich nicht mehr in der Hand und müsste jetzt mit den Konsequenzen leben.

Piere seufzte. "Bis dahin wird es wohl noch ein langer Weg sein."

"Ich drücke euch die Daumen!"

"Wieso eigentlich der Spaziergang? So was hast du doch sonst nicht gemacht!"

"Ich will mich doch in Form für den Aufstieg zum Averau bringen!"

Piere lachte schallend. "Du weißt aber schon, dass es ein riesiger Unterschied ist einen See mit null Komma fünf Meter Höhenunterschied zu umrunden oder einen hohen Berg mit über zweitausend Metern zu besteigen."

"Mir hatte sie gesagt, den kann man erwandern."

"Kann man ja auch. Aber eine kleine Kletterstelle soll dabei sein, habe ich noch von damals in Erinnerung."

"Au Mann, das wird ja immer schlimmer!"

"Vielleicht sollst du mit dieser Aktion ja zu dir selbst finden?"

"Aber ich bin doch schon da!"

Piere schmunzelte. "Sie meinte wohl das andere Selbst. Das Eins-Sein mit seiner Umgebung."

"Und das braucht man, ja?"

"Das braucht man. Genau wie ein Auto, um hier wieder wegzukommen."

Piere hatte die Weisheit mit dem Praktischen verbunden, denn wir hatten die Runde vollendet und waren wieder an dem Parkplatz angekommen, wo unsere Autos standen. Der Parkplatz war klein und so hatte selbst Piere keine Probleme, sein Mainstream-farbenes Auto zu finden. Wir verabschiedeten uns voneinander, und verabredeten uns vorher zum Schäferstündchen nächstes Wochenende. Zu Hause angekommen, surfte ich erst mal. Nein, ich hatte zu Hause kein Meeresschwimmbecken mit Wellenerzeuger. Ich surfte im Internet nach Selbstverteidigungskursen. Auch die Bewertungen las ich mir sorgfältig durch. Ich wählte den, wo einige Frauen schrieben: 'Der fordert einen ganz schön! So ein Sklaventreiber!' Das schreckte mich nicht ab. Fordern ist fördern, nur so kann man gut oder besser werden. Und das wollte ich! Nie wieder sollte mir so etwas passieren! Ich musste dazu nach Volksdorf fahren, eines der Walddörfer-Stadtteile von Hamburg. Mit dem Auto von mir aus gut in etwa 20 Minuten oder weniger erreichbar und selbst ein Bus fuhr bis fast zur Trainingsstätte hin, falls das mal nötig war.

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Teil14: Selbst ist die Frau!

Am Montag klemmte ich mich ans Telefon und hatte für Mittwochabend meinen ersten Termin. Was zieht man da an? Ich entschied mich für dieselben Sachen, die ich sonst für das Fitnessstudio benutze, und zog eine Hose und eine dünnes Shirt darüber. Dessous kamen hier natürlich nicht infrage und auch die High Heels die ich manchmal verwendete blieben zu Hause und wichen den Sneakern, die früher auch mal Turnschuhe genannt wurden. Ich fand die Halle und trat ein. Eine Frau sprach mich auch gleich an und entpuppte sich als die Assistentin des Trainers. In etwa so groß wie ich, schlank, aber sie wirkte auch irgendwie drahtig. Ich machte mit ihr die Anmeldung und ging dann zur Sitzbank in der kleinen Halle, wo schon einige Frauen saßen und warteten. Drei unterhielten sich, und eine saß ein wenig abseits. Ich setzte mich neben diese. "Neu hier?", fragte sie mich.

"Ja, ab heute."

"Ich auch. Ich bin Julia." Sie streckte mir die Hand hin. Sie strahlte eine total offene Art aus.

"Sandra." Ich schlug ein. Da betrat auch schon der Trainer die kleine Halle. Klein, schlank, und drahtig wie seine Assistentin. Und er hatte eine sehr dünne Haarpracht, früher hätte man dazu Glatze gesagt, aber so etwas ist ja heute verpönt.

"So, meine Damen, ich begrüße euch herzlich. Ich bin der Sven, das ist meine Assistentin Valerie, und wir duzen uns hier normalerweise. Hat jemand ein Problem damit?" Alle schüttelten den Kopf. Ich auch, obwohl ich die älteste der Runde war. "Wer macht den Anfang?"

"Ich bin Julia", sagte meine Banknachbarin.

Die etwas füllige sagte: "Ich bin die Marie."

Eine andere mit ähnlicher Figur wie ich sagte: "Ich heiße Daria."

Und die vorletzte im Bunde sagte: "Ich bin Maileen." Sie war eine ganz kleine schlanke, noch zarter als Julia.

Ich zierte mich noch. "Hast du auch einen Namen?", fragte der Trainer Sven mich.

"Klar, ich bin Sandra."

"Okay. Wer von euch hat schon mal selbst einen Überfall erlebt?" Alle bis auf Marie hoben die Hände. Ich natürlich auch.

"Selbstverteidigung - und der Fokus liegt hier auf Verteidigung - ist nur der letzte Schritt, den man möglichst vermeiden sollte. Der erste Schritt ist Deeskalation. Der zweite ist Flucht, wenn zu erwarten ist, dann man diese erfolgreich durchführen kann. Und erst der dritte Schritt ist die Selbstverteidigung. Und wenn man diese anwenden muss, gibt es einige ganz wichtige Regeln. Setze hundert Prozent deiner Energie ein! Sei nicht zaghaft! Greife die schwächste Stelle deines Gegners an! Scheue dich nicht davor, ihn zu verletzen! Mache Unerwartetes! Habe keine Angst vor Größe oder Körperkraft deines Gegners. Versuche herauszubekommen, was er vorhat! Nutze seine Energie zu deinem Vorteil aus. Und drehe deinem Gegner nur im Notfall den Rücken zu. Habt ihr verstanden?"

"Ja", kam es etwas verschüchtert aus unseren Mündern.

"Was habt ihr gesagt? Ich habe euch nicht verstanden."

"Jaaaaahaaaa!"

Er griente. "Schon besser. Valerie und ich zeigen euch jetzt mal einige der Techniken, und dann fangen wir auch schon an. Also, ihr fangt an. Bildet Zweier-Gruppen. Wer geht mit welcher?" Marie und Maileen, die sich offensichtlich kannten, stellten sich sogleich zusammen, Julia kam zu mir. "So, Daria geht dann zu Valerie. Aber erst mal die Demonstration."

Dann fing er an, griff Valerie an. Und ich staunte. Valerie nahm keine Rücksicht und legte Sven ein auf andere mal aufs Kreuz. Auch vor Tritten oder Schlägen schreckte sie nicht zurück. Dann durften wir alle Valerie mal angreifen. Marie lag schneller auf dem Boden als sie gucken konnte. Und als ich dran war, dauerte es auch nur Millisekunden. Hart schlug ich auf der Matte auf und im Nu hatte sie meinen Arm verdreht, dass er schmerzte. Das kann ja heiter werden! Dabei hatte ich mich doch für einigermaßen sportlich gehalten! Dann ging es mit den angekündigten Sachen los. Sie zeigten etwas, und wir mussten es nachmachen. Nach knapp zwei Stunden war Schluss und ich auch so ziemlich am Ende mit meinen Kräften. Nahezu alle Muskelgruppen taten mir weh. Ich zog mir am Spind meine Jacke über. Da fragte mich Julia: "Noch Lust auf einen Absacker?"

"Gerne, aber ich bin ja mit dem Auto da."

"Ich auch. Wir nehmen eben was ohne Alkohol." Gleich nebenan war eine Bar, wir nahmen jeder einen Cocktail ohne Alkohol. "Na, wie fandest du es?", fragte sie.

"Krass! Aber toll!"

"Ja, krass", bekräftigte sie. "Macht aber Spaß!"

"Das fand ich auch. Du bist also auch überfallen worden?"

"Ja, mich wollte einer vergewaltigen. Vorm Club."

"Und was ist dann passiert?"

"Na dann kam Heiko raus, mein Mann, dann hat er ihn festgehalten, die Polizei kam und nun wartet er auf seinen Prozess."

"War das auf'm Kiez?"

"St. Pauli? Nee. Wir waren in einem anderen Club." Sie kicherte. Ihr Kichern erinnerte mich ein wenig an Evelyn. "Ein Sexclub."

"In so was geht ihr?"

"Ja, warum denn nicht? Es ist irgendwie ... anregend."

"Ich weiß nicht. Einfach so mit einem fremden Mann rummachen?"

"Machen wir doch nicht! Wir schauen nur zu oder lassen zuschauen. Es ist richtig prickelnd. Willst du auch mal hin?"

"Weiß nicht. Ist mir zu teuer glaub ich."

"Quatsch. Singlefrauen dürfen bei dem umsonst rein. Und es gibt kein Muss."

"Grapschen die dich dann an?"

"Nee. Nur ein wenig flirten und Komplimente."

"Aha. War der Typ denn jemand aus dem Club?"

"Nein. Der wartete draußen auf Beute. Wir waren schon am Weggehen, aber Heiko hatte was vergessen und ging noch mal rein, da dachte der Typ wohl, ich bin allein."

"Krass. Mich hat am Wochenende einer überfallen. Er bekam nicht, was er wollte, aber leider ist er entkommen."

"Wie fast immer."

"Und der Club ist hier in Hamburg?"

"Nee. Wir fahren immer mindestens eine Stunde. Wir wollen ja nicht von Bekannten erwischt werden."

"Ich überlege es mir, ja?"

"Was ist mit deinem Mann?"

"Geschichte."

"Ist er weg?"

"Ja, im Grab."

"Oh ..."

"Nee, da gehört er hin. Er war ein Betrügermistkerl. Ich lebe jetzt allein."

"Also hast du gar keinen Mann mehr?"

"Doch. Ab und zu. Ein paar lose Bekannte und häufiger irgendwelche Männer. Meistens junge Männer."

"WOW, dann bist du also so eine Milf, ja?"

"Scheint wohl so."

"Und, wie lange brauchst du um den Trainer flachzulegen?"

"Mit den richtigen Griffen schon nächstes mal."

"Sandra! Ich meinte doch ins Bett bekommen!"

"Na mal sehen."

"Er hat dir gefallen, das habe ich gesehen."

"Stimmt. Kommt Zeit, kommt mhhmhhhmhh."

"Kannst ruhig Fick sagen."

"Ach, so was kann ich nicht." Unsere Gläser waren leer. Ich seufzte. So, dann wollen wir mal los, 'ne?"

"Ja. Bis in einer Woche. Und denk darüber nach, ja?"

"Ich überlege es mir." Wir gingen raus, das Getränk hatten wir ja schon an der Bar bezahlt, gingen zu unseren Autos, verabschiedeten uns voneinander. Obwohl sie mich wirklich so ein klein wenig an Evelyn erinnerte, war sie mir sympathisch.

Ich fuhr nach Hause. Es war merkwürdig, aber allein das Gerede von diesem Sexclub und was Julia und ihr Mann da machen hatte mein Kopfkino in Gang gesetzt und mein kleines Biest da unten schaute nur zu gerne dem Film zu. Es kribbelte ganz scheußlich, denn Erlösung war nicht in Sicht. Als ich zu Hause war, hatte sich aber alles wieder beruhigt.

Als ich am anderen Tag nach meiner Arbeit im Laden nach Hause kam, saß jemand auf der Treppe zur Haustür. Oliver. Ich ging hin. "Oliver. Ist was passiert? Habt ihr heute nicht Übungsfrei? Also Andrea wollte auf den Kiez und Lena wollte was mit ihrer Schwester machen."

"Nee. Ich wollte mal ... also ich wollte mit ihnen reden. Mit dir."

"Na, dann komm doch erst mal rein. Möchtest du was trinken? Wasser? Wein? Was ... einen Feigling?" Es war nicht nur ein Angebot, sondern auch eine Anspielung auf seine Herumdruckserei, aber er bekam es wohl nicht mit und nahm es ernst.

"Ja, Feigling ist gut!"

Opps. Da musste ich erst mal schauen. Tatsächlich hatte ich noch etwas im Alkoholschrank. Ich nahm gleich zwei Gläser mit, schenkte ein, wir tranken. "Dann leg mal los!"

"Es ist ... es ist nicht so einfach."

Ich lachte. "Du bist verliebt?"

"Woher wissen sie ... weißt du das?"

"Weibliche Intuition. Und jetzt willst du mich fragen, ob das geht. Ich glaube nicht."

"Was geht denn nicht?"

"Na, mit Andrea."

Ein Ruck ging durch seinen Körper. "Ich bin doch nicht schwul!"

"Sorry, konnte ich ja nicht wissen. Dann ist es Lena?"

"Lena ist ganz okay. Aber nein, sie ist es nicht."

"Also jemand von außen. Wo ist das Problem?"

"Ich weiß ja gar nicht, ob das geht. Und wie ..."

"Mensch Oliver, mach dir da nicht so einen Kopf. Das geht normalerweise alles ganz automatisch. Du wirst ganz automatisch das machen was richtig ist. Schlimmstenfalls schaust du dir einige schöne Filmchen an. Macht doch heutzutage fast jeder mal!"

"Du auch?"

Er schaute, als ob er es nicht glauben konnte. "Doch, gelegentlich mal zur Anregung. Wer ist denn nun die Glückliche? Die an der Violine, mit den langen Haaren? Das ist die hübscheste aus eurer ganzen Truppe." Ich hatte sie alle mal gesehen, als ich Andrea den Schlüssel hinterher gebracht hatte, als er ihn mal vergaß.

"Ach, quatsch. Die hat doch einen Freund. Nein, es ist ..." Seine Augen sahen jetzt sehr ängstlich aus, flitzten von meinem linken Auge zum rechten Auge und zurück wie ein Formel1-Rennwagen. "Du bist es!"

Jetzt war es raus! Und es gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Ihr dagegen um so mehr. 'Küss ihn doch einfach', sagte sie. Das machte ich aber nicht. Ich streichelte nur seinen Arm.

"Ach Oliver! Du weißt doch, das geht nicht."

"Aber warum denn nicht? Du hast mich doch auch schon so angeschaut."

"Wie, so?"

"Na so wie die im Film manchmal."

"Das Leben ist aber kein Film. Schon gar kein Sexfilm." Manchmal aber doch, sagte die da unten. Zeig es ihm doch! Ich versuchte, sie zu unterdrücken.

"Das war mir nicht bewusst. Das wollte ich nicht. Weißt du, wenn ich mich darauf einlassen würde, dann würde es deine Entwicklung behindern!"

"Ich hab doch aber keine Entwicklung!" Er war jetzt regelrecht ... ja, wie am Boden zerstört.

"Quatsch! Das kommt dir nur so vor. Bestimmt hat auch schon die eine oder andere ein Auge auf dich geworfen. Du hast es wahrscheinlich nur nicht bemerkt, und sie wartet darauf, dass du mal aus dir herausgehst, sie einlädst, was auch immer. Weißt du, wenn wir da jetzt was machen würden, dann wärst du auf ältere Frauen wie mich fixiert und würdest dich nicht mehr auf eine Frau passenden Alters einlassen." Er wollte schon etwas darauf entgegnen, aber ich kam ihm zuvor. "Eine Frau in etwa in deinem Alter. Nicht in dem von dir gewünschten Alter. Also, meinem Alter."

Oliver fing jetzt zu weinen an. Er weinte lautlos. Mit weinerlicher Stimme sagte er: "Aber ich liebe dich doch!"

"Nein, du bist scharf auf mich. Verwechsle das nicht!"

"Aber woher weiß ich denn was Liebe ist?"

"Wenn du mit einer Frau zusammen sein willst, aber nicht unbedingt gleich Sex mit ihr haben willst, das ist meistens Liebe. Oliver, du hast so eine liebenswürdige, zurückhaltende Art. Ganz gewiss wird sich bald eine Frau oder meinetwegen auch ein Mädchen für dich interessieren. Du musst nur ein ganz klein wenig mutiger werden, und aus dir herausgehen. Mach dich nicht fertig damit, mich zu lieben. Es funktioniert einfach nicht, und das nicht nur wegen des Altersunterschieds. Ich will einfach keine feste Beziehung mehr haben, verstehst du? Mein verstorbener Mann hatte mich übelst hintergangen und betrogen. Das würde ich nicht noch mal aushalten. Mache was aus deinem Leben. Komm mal her!" Er lehnte jetzt den Kopf an meine Schulter, genau das hatte ich mir gewünscht, um ihn trösten zu können. Es wirkte, und er hörte ziemlich schnell damit auf. "Darf ich denn trotzdem noch hierherkommen zum Üben?"

"Aber klar doch! Warum denn nicht?"

"Weil ich ..."

"Komm, vergiss es, Oliver! Es ist jeder schon mal falsch abgebogen. Ich auch schon. Das wird wieder. Und morgen in aller Frische will ich hier wieder deine Oboe hören. Okay?"

"Danke, Sandra." Er erhob sich, überlegte, ob er mich vielleicht küssen sollte, sah dann aber meinen Gesichtsausdruck und ließ es.

"Und jetzt ab nach Hause, nicht dass uns Andrea doch noch hier erwischt."

Er stand auf und wandte sich zum Gehen. "Oliver?"

"Ja?" Er drehte sich noch mal um und schaute mich interessiert an. Hoffte er, ich habe es mir doch anderes überlegt? Aber nein. Sein Gesichtsausdruck war ... positiv offen.

"Und geh mal zu einem guten Friseur und lass dir einen modischen Haarschnitt machen. Glaub mir, das erhöht deine Chancen bei jungen Frauen gewaltig. Soll ich dir mal einen Kontakt vermitteln?"

"Ja, warum nicht. Gerne."

"Warte." Auch ich stand auf, suchte das Kärtchen von Samira heraus, und gab es ihm. Ich vermutete mal, dass ihre Dienste für ihn ein wenig zu hochpreisig waren, aber das würde ich mit Samira gleich morgen früh klarmachen und ihn heimlich ein wenig bezuschussen. Immerhin war ich ja wohl ein wenig Schuld daran, dass er sich in mich verliebt hatte, so wie ich hier immer herumlief, sodass ich ihm Ausgleichsleistungen geben müsste. Er ging jetzt, mit ein wenig hängenden Schultern. Puh, gerade noch mal die Kurve gekriegt. Ich hoffte, er müsste jetzt nicht so lange an seinem Liebeskummer knabbern. Aber so mit drastischen Worten war es sicher besser, als ihn in der Schwebe zu lassen. Da würde er erst recht leiden, und das dann ziemlich lange. Vielleicht würde er dann zum Frauenhasser werden. Das wollte ich nicht riskieren. Es war höchste Eisenbahn gewesen. Keine Viertelstunde später kam Andrea vom Kiez-bummel nach Hause. Ich ging gleich danach ins Bett. Nach den Erlebnissen von heute würde ich sicher lange nicht einschlafen können. Tatsächlich wälzte ich mich in den ersten zwei Stunden ziemlich oft hin und her. Ich war einfach zu aufgewühlt. Erotisch aufgewühlt. Es war nicht nur die Sache mit Oliver, die mich beschäftigte. Es war auch das Gespräch vom Vortag mit Julia. Wie würde das wohl sein, in so einem Club? Das Kopfkino ging an. Aber irgendwann schlief ich doch ein.

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Teil15: Im Sexclub

Beim nächsten Selbstverteidigungskurs lief es schon ein wenig besser. Erste Erfolge waren vorzuweisen. Ich wurde besser. Die anderen aber auch. In jeder Übungsstunde gab es jetzt auch einen Abschnitt, wo wir uns gegen unseren Trainer und gegen seine Assistentin verteidigen müssten. Wir durften alles machen, nur nicht mit dem Finger in die Augen stechen oder ins Gesicht schlagen. Anfangs sahen wir natürlich keinen Stich. Und wir fragten uns, wie der das schaffte, unsere und auch die Tritte von Valerie in die Gegend seiner Kronjuwelen wegzustecken. Aber in der dritten Stunde schaffte ich es dann als Erste. Ich drehte mich bei seinem Angriff zur Seite, dann ließ ich mich fallen, zog ihn dabei am Arm und haute mit einem Bein von mir sein Bein weg. Er landete auf der Matte. Ihn festzuhalten schaffte ich dann nicht, aber es war zumindest ein Achtungserfolg. Er schaute ganz erstaunt und die anderen klatschten. Am Schluss nahm er mich dann kurz zur Seite, um mit mir zu sprechen, ohne dass andere zuhören konnten. "Du bist talentiert!", sagte er.

Was sollte ich antworten? Dass ich vor allem talentiert darin bin, junge Männer zu becircen und flachzulegen? Besser nicht! Trotzdem drängte sich mein kribbelndes Biest wieder dazwischen. "Ach ja? Ich dachte, ich bin sexy?"

Er griente. "Du glaubst gar nicht, wie oft andere das schon versucht haben!"

"Bei dir zu landen?"

"Mich zu besiegen."

"Du lenkst ab."

Wieder Grienen. "Du lässt nicht locker, oder?"

"Nur ungern. Also?"

"Viele. Wir müssen jetzt Feierabend machen!"

"Willst du zu deiner Frau?"

Erneutes Grienen. "Keine Frau." Und dann verschwand er aus der Tür. Aha, dann ist ja noch Hoffnung, dachte die da unten. Ich sah ihm noch einen Moment nach, bis der Mechanismus die Tür geschlossen hatte.

Julia kam dann heran. "Sag mal, läuft da was zwischen euch?"

Ich seufzte. "Leider nein!"

"Dir gefällt er also auch?"

"Ja, klar."

"Hast du eigentlich noch mal darüber nachgedacht?"

"Über den Club? Ja, anfangs."

"Willst du nicht doch mal mit? Brauchst ja nicht mitmachen, vielleicht einfach nur zum Schauen."

"Reizen würde es mich schon."

"Wir fahren übermorgen. Kommst mit?"

"Okay. Wann geht's los?"

"Gegen 21 Uhr. Wo wollen wir uns treffen?"

"Eine Viertelstunde vorher vor der S-Bahn am Stormarnplatz. Könnt ihr mich von da abholen und mitnehmen?"

"Klar doch. Bis dann." Wir umarmten uns. Ich bekam Bammel. Angst vor der eigenen Courage. Was würde mich da wohl erwarten? Natürlich zog ich mich als die Zeit heran war sexy an. Das große Besteck. Schminkte mich. Leerte eine halbe Parfümflasche. Ich war aufgeregt wie ein Mädchen vor der Entjungferung. In Wirklichkeit war es ja auch so etwas Ähnliches. Das Ende der Unschuld und Eintauchen in einer verruchte Welt der Lüste und Gelüste. Dann kam Julia mit ihrem Mann angedüst. Eine dunkler SUV. Auch nicht besser als dunkle Limousinen da diese Dinger sich mittlerweile wie eine Seuche ausgebreitet hatten. Ich stieg hinten ein, begrüßte beide, er saß am Steuer und fuhr los. "Na, wie fühlst du dich?", fragte Julia.

"Bisschen aufgeregt", antwortete ich wahrheitsgemäß.

"Musst du nicht sein. Ist alles recht gesittet und du kannst selbst entscheiden, wie weit du gehst oder nicht gehst", sagte ihr Mann. Wir machten dann noch ein wenig Smalltalk. Die Fahrt ging bis weit hinter Lübeck und hinter einem kleinen Ort ging es kurz einen Feldweg hinein zu einem großen, einzeln stehenden Haus, um das viele Bäume und Büsche standen. Optisch also gut abgeschirmt. "So, wir sind da", sagte Julias Mann. Jetzt bekam ich doch ein wenig Herzklopfen. Was würde mich da erwarten? Die beiden hatten mich schon ein wenig informiert wie das da abgeht. Trotzdem blieb die Anspannung und die Scham. War ich nun endgültig pervers geworden? Sandra, die kleine Bitch, die in miefige Sexschuppen hineingeht? Ich könnte im Boden versinken, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Wir gingen zu den beiden Türstehern, die uns anstandslos durchwinkten, dann zum Empfang, man musste die Kreditkarten einlesen lassen, Julia und Heiko mussten was bezahlen, ich kam kostenlos rein. Die beiden lotsten mich in die Umkleide, Männlein/Weiblein natürlich getrennt.

Julia pfiff durch die Zähne als sie mich sah. Es war also die richtige Wahl gewesen. Sie selbst hatte einen Bikini angezogen, so einen in der Art kaum bis wenig Stoff. Wir bekamen einen Bademantel. Und dann ging es auch schon los, Richtung Bar. Mein Herzklopfen wurde immer größer. Es war hier stimmungsvoll beleuchtet. Julia umarmte sogleich einen großen bärtigen Typen. Ich wollte nicht daneben stehen und ging durch zur Bar, öffnete den Bademantel. Ich spürte regelrecht die Blicke, die auf mir ruhten. Obwohl, ruhend waren sie nicht gewesen. Ich fixierte niemanden, sah aber aus dem Augenwinkel, dass ich durchaus Aufmerksamkeit erregt hatte. Einige Gespräche verstummten. Noch ehe der Barkeeper, eine Frau, bei mir war, kam ein Typ an meine Seite. "Darf ich dich auf einen Drink einladen?"

"Wissen sie, dass die Vogelmänner den Vogeldamen immer Geschenke überreichen, um bei ihnen zu landen?" Gekonnt zu einer Gegenfrage gewechselt, oder?

"Ja klar weiß ich das!" Er sah nicht schlecht aus, hatte aber so ein dreistes, überhebliches Grinsen an sich.

"Ich bin aber keine Vogeldame und mit ihnen vögele ich auch nicht." Damit drehte ich mich weg und ließ ihn erst mal stehen. Ich weiß, das war jetzt gemein, und eigentlich sollte man sich laut Julia und Heiko hier duzen, aber das musste jetzt sein. Ich bestellte für mich und meine beiden Begleiter einen Cocktail und schaute mich erst einmal um. Es gab hier einen erheblichen Herrenüberschuss. Die Damen waren meist recht freizügig gekleidet, einige auch oben ohne, und oft von einem Mann begleitet. Aber meistens sah ihr Outfit eher so wie bei Julia aus. Nicht alle hatten sich getraut, ihren Bademantel zu öffnen oder abzulegen. Und nicht alle waren schlank. Ich war hier eher die Exotin, hatte dafür aber auch das edelste Dessous von allen an. Immer noch gab es verhuschte Blicke auf mich. Auch Heiko war erschienen - er hatte eine witzige Unterhose mit Aufdruck an, wir tranken erst ein mal von unserem Drink - Heiko hatte auf einen alkoholfreien Drink bestanden, und sie erzählten mir einige Sachen von anwesenden Personen, die sie kannten. Da legte sich von hinten eine Hand auf meine Schulter. Ich drehte mich um und sah einen recht jungen und sympathischen Mann mit braunen, modisch gestylten Haaren.

"Du bist neu hier, oder? Soll ich dir mal alles zeigen?" Ich blickte zu Julia und zu Heiko, und zu meinem Erstaunen hörte ich mich sagen: "Aber gerne." Ich ging mit ihm mit und die beiden blickten mir erstaunt hinterher.

"Du hast das tollste Dessous von allen an. Weißt du das?"

"War das ein Kompliment?"

"Aber hallo! Na klar!" Er führte mich überall herum, es gab hier verschiedene Räume, auch welche mit offener Tür, vor denen standen kleine Gruppen und schauten jemanden beim Sex zu. Dann gab es eine Wellnessoase, einen Dunkelraum, und auch so einen mit Folterutensilien, der aber leer war. Das Zuschauen bei den offenen Türen hatte etwas in mir ausgelöst und ich bekam Lust.

"Sag mal, gibt es hier auch Zimmer für zwei?"

"Ja sicher."

"Können wir da hin oder müssen wir Vorbuchen?"

"Nee, wenn was frei ist können wir rein."

"Hast du Kondome dabei?"

"Kondome gibt's in jedem Raum. Willst du etwa mit ...?"

"Hätte ich sonst gefragt? Ich hätte gerne einen Quickie mit alles!"

"Yes Maa'm!"

Wir gingen eine Treppe hoch, er drückte gegen Türen, die dritte schwang auf, wir gingen rein, er schloss zu. Ich fiel ihm um den Hals, knutschte mit ihm, streifte seine Badehose herunter, eine kurze Massage seines Luststabes, er hatte aus einer Box eine Kondompackung genommen und rollte es darüber, ich ging zu einem Lederhocker hin, stellte ein Bein auf, legte eine Hand auf meinen Po, sehnsüchtiger Blick, und es ging ohne Umschweife los, er zog mir einfach den Slip beiseite. Es war einfach irre! In irgendwie so an die fünf Minuten später hatten wir in etwa zwanzig verschiedenen Stellungen gevögelt. Wir keuchten beide um die Wette und in rekordverdächtigem Tempo gab es ein charakteristisches Stöhnen, und er kam - zusammen mit mir. Heftig atmend verweilten wir noch einen Moment, bis wir uns voneinander lösten. "WOW! Das war so ziemlich das Geilste, was ich seit langem hatte. Und das Schnellste noch dazu", sagte ich. Wir knutschten noch einmal.

"Sag mal, wie heißt du eigentlich?", fragte er mich in der ersten Knutschpause.

"Versaute Frau", sagte ich, ging zur Tür, schloss auf, ging raus und ließ ihn verdutzt stehen. Ich ging wieder zur Bar, wo die beiden noch saßen.

"Und, hast du alles gesehen?", fragte mich Julia.

"Alles wohl nicht. Ich musste erst einmal den Jüngling entsaften."

"Na du bist mir ja 'ne Schnelle!"

"Man lebt nur einmal." Ich trank weiter an meinem Cocktail. "Was macht ihr denn hier meistens?"

"Hast du die Kabinen mit offenen Türen gesehen? Meistens gehen wir da hin. Hat es dir gefallen? Das Zusehen?"

"Ja, schon. Aber das war mir zu voll."

"Willst du mal bei uns zusehen? Nur wir beide und du?"

"Klar, gerne. Wenn ich darf." In Wirklichkeit war mir natürlich ein wenig mulmig zumute, aber was soll schon passieren? Schließlich schaue ich doch nur zu. Schließlich soll man ja ab und an mal seinen Horizont erweitern, nicht wahr?

Heiko griente. "Super. Aber erst den Cocktail austrinken. Es gab schon mal einen Fall mit K.-o.-Tropfen hier."

Ich fragte Julia: "Macht dir das nichts aus? So vor Leuten herummachen?"

"Anfangs war es ein wenig schwer. Aber nun liebe ich es. Es ist ein kleiner Extra-Kick."

"Macht ihr denn zu Hause gar keinen Sex mehr?"

Heiko schmunzelte und antwortete an Julias Stelle. "Von wegen! An manchen Tagen kommen wir kaum aus dem Bett!"

"Dann kennt ihr euch erst seit kurzem?"

"Iwo. Fünf Jahre. Wie war das denn bei dir? Julia sagte dass ..."

"Bei uns war diese Phase damals schnell vorbei. Erst vor kurzem habe ich erfahren, dass er ein Doppelleben hatte. Vielleicht lag es ja daran? An mir jedenfalls nicht!" Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf. Mittlerweile hatten wir alle unser Getränk ausgetrunken.

"Komm mit!", sagte Julia. Wir kamen in genau den Raum von eben, wo ich, also Frau mit dem komischen Namen und Mister Namenlos es gerade getrieben hatten. Heiko schloss ab und die beiden gingen zu der Liege, wo ich vorhin aufgestützt war. "Setz dich da hin!", sagte Julia. Es war ein Lederstuhl. Schon bevor ich saß, hatten die beiden mit küssen angefangen, und Heiko begann mit seiner Hand das Bikinihöschen von Julia zu erforschen. Nach einer Weile waren beide nackt, Heiko legte sich hin, und Julia ging auf ihn drauf. Sie spreizte dabei ihre Beine und ich konnte genau sehen, wie Heiko immer wieder in ihr Paradies fuhr. Es kribbelte mittlerweile schon wieder ganz gewaltig, obwohl ich doch vorhin beim Quickie einen Orgasmus gehabt hatte. Es ging eine Weile gut, und dann quiekte Julia auf, presste ihre Beine zusammen, beide machten langsam weiter, bis Julia von Heiko herunterstieg und die beiden sich dann noch liebkosten. Das war super-geil gewesen, ihnen beim Sex zusehen zu können. Anfangs hatte ich ja fast das Atmen vergessen, oder zumindest einige Male den Atem angehalten, weil ich so angespannt war, aber die Show nahm mich schnell in Bann. Am liebsten hätte ich mich an ihre Stelle gewünscht, aber das ging ja nun nicht. Ich war zum Zuschauen verdammt. Das war so ganz anders, als wenn man einen Film schaut. Man war mittendrin, in Echtzeit, ein irrer Kick! Heiko und Julia waren fast ganz bei sich, aber einige schnelle Blicke hatten beide mal kurz zu mir geworfen. Still hatte ich dagesessen, nahezu regungslos. Meine Gedanken waren noch in ganz anderen Sphären, als Julia mich ansprach.

"Hast du dir vorgestellt, es mit ihm zu machen?", fragte Julia sie mich.

Ich war überrascht. "Woher weißt du das?"

Sie lachte. "Das geht den meisten so."

"Habt ihr euch schon mal selbst zugesehen?"

"Mit einer Kamera? Nein. Aber da bringst du mich auf eine Idee."

"Ich würde dabei eher an einen Spiegel denken. Kameras sind ja immer so gefährlich."

"Stimmt", sagte Julia. "Komm, lass uns wieder an die Bar gehen."

Die beiden tauschten einige Blicke aus, die ich nicht richtig deuten konnte, und ich folgte ihnen. Es war hier mittlerweile etwas leerer geworden. Wir machten ein wenig Smalltalk und schauten dem Treiben zu. Die meisten Anwesenden hatten mittlerweile wen gefunden. Um manche Frauen standen zwei oder drei Männer. Keine Ahnung, wer das Rennen machen würde. Da sah ich etwas aus dem Augenwinkel. Ein Mann, der durch eine Tür gekommen war, dann aber sogleich wieder umdrehte. Ich hatte eine Ahnung wer es gewesen sein könnte, war mir aber nicht sicher.

"Bin gleich wieder da!", sagte ich, und ging ihm hinterher. Durch einen langen Gang, der in den Keller mit den Wellnessräumen und dem Dunkelraum führte. Dort ging gerade eine Tür zu. Ich ging dort rein. Es war der Dunkelraum. Es war stockdunkel, man sah absolut nichts. "Wo bist du?", rief ich.

"Mann, das ist mir jetzt aber peinlich! Ich dachte, ich fahre extra weit weg, damit mich keiner erkennt!"

"Zu spät! Soll ich jetzt warten, bis die dichtmachen? Du entkommst mir nicht!"

"Also hast du mich doch erkannt!"

"Klar. Los, raus hier!" Ich ging in den Flur zurück. Er folgte. Dann fiel das Licht im Flur auf ihn. Ich hatte mich also nicht getäuscht. "So schnell sieht man sich wieder!"

"Hallo Frau Neuhaus." Er war ganz geknickt, dass er 'erwischt' worden war.

"Hier duzen uns alle!"

"Na gut. Ich heiße Jens."

"Lass uns zurück zur Bar gehen. Da wolltest du doch hin, oder?" Er nickte. Ich ging vor, und Jens, der mit Nachnamen Mehnert heißt, folgte mir.

Julia griente, als sie uns zusammen sah. "Na, hast du dir was eingefangen?"

"Ja. Er ist 'ne Schnüffelnase und heißt Jens."

Julia kicherte. "Hast doch aber deinen Slip noch an!"

"Jens, das ist Julia und ihr Mann Heiko. Meine Tourguides und Taxifahrer."

"Angenehm. Sonst ist Sandra ja immer diejenige die weiß, wo's lang geht, glaub ich", sagte Jens. Mittlerweile war seine Gesichtsrötung wieder etwas zurückgegangen.

"Darf ich dich zu einem Drink einladen? Musst du fahren?"

"Leider ja!"

"Macht nichts. Ich gebe auch alkoholfreie Drinks aus. Es geht doch nichts über einen O-Saft mit irgendwas." Erinnerungen an die damalige Party mit Piere, Uwe und Evelyn kamen hoch und ich biss mir auf die Lippe. Wir suchten uns einen anderen Platz an der Bar, da neben Julia und Heiko nichts mehr frei war.

"Einen alkoholfreien Piña Colada", sagte er zur Barfrau.

Die Barfrau griente. "Solche Männer braucht das Land."

Ich musste ihn retten. "Ich nehme nur alkoholfreie Männer!"

"Auch gut. Die machen wenigstens keinen Ärger. Und du?"

"Ich nehme einen Sex on the Beach."

"Mit oder ohne?"

Ich griente und fragte sie: "Meinst du damit Sex oder Alkohol?" Ein strenger Blick der Barfrau reichte. Es war ja auch eine echt blöde Frage. Selbst hier wird man an der Bar keinen Sex kriegen, und ein Strand ist hier schon mal gar nicht. "Natürlich mit. Sonst werd ich doch nicht betrunken!"

Jens runzelte die Stirn. "Gibt's einen Grund?"

"Klar. Mein Lieblingspolizist hat mich fast nackt gesehen. Das ist eine traumatische Erfahrung. Ein Albtraum sozusagen."

"Für mich war es eher ein sexy Albtraum."

"Flüchtest du immer vor deinen Träumen?"

"Wenn ich kann ja!"

"Auch wenn die Frau, die dir im Traum erschien, so schön ist wie ich?"

"Gerade dann. Weil schöne Frauen unerreichbar sind."

"Aber ich hab mich doch freiwillig von dir gefangen nehmen lassen. Aber leichtes Spiel wirst du nicht haben!"

"Spiel?"

"Mir an die Wäsche gehen."

Er hob die Hände und griente. "Nie nich!"

"Schade." Seine Miene hellte sich auf. Nur eine Nuance, aber es war eindeutig ein Aufhellen. "Nur leider wird es heute nichts mehr. Ich hatte schon einen Höhepunkt."

Er lachte auf. "Hast du das gesagt, damit ich jetzt zum eifersüchtigen Nicht-Liebhaber werde?"

"Nee, du bist doch nur ein ganz braver Polizist!"

"Manchmal wünschte ich, ich würde weniger brav sein." Wir nippten an unseren Cocktails, die mittlerweile gekommen waren. "Wie läuft es mit deinem Stiefsohn?"

"Eigentlich ganz gut. Aber er hütet ein Geheimnis, und außerdem habe ich das Gefühl, er ist verliebt, und mit dem Gegenüber klappt es nicht so."

"Hast du eine Ahnung, wer die Glückliche ist?"

"Nicht die geringste. Aber ich vermute, dass sie auch im Orchester spielt oder an der Uni mit studiert. Am Wochenende, wenn ja normalerweise keine Uni ist und nur selten Orchesterproben sind, da hat er immer seine melancholischen Tage. Nicht wirklich schlechtgelaunt, aber man merkt es. Ich zumindest, als Frau."

"Ihr habt es gut, dass ihr so feine Antennen habt. Das fehlt uns Männern ja manchmal."

"Meine Antennen haben mir damals auch nichts genützt. Mann, war ich blöd!"

"Mach dir keine Vorwürfe. Du hast eben Vertrauen gehabt und dein Mann hatte es ausgenutzt. Manche Menschen sind sehr gut darin, andere Menschen an der Nase herumzuführen und zu betrügen. Ich erlebe das immer wieder."

"Ich hoffe, ich entdecke irgendwann noch mal eine gute Tat, die er gemacht hat."

"Da kann ich dir nur die Daumen drücken. Es ist einfach bewundernswert, dass du so unbeschadet aus der Sache herausgekommen bist."

"Aus eurem Verhör-Gefängnis", meist du wohl!

"Es tut mir leid! Aber ich musste das machen. Anweisung vom Staatsanwalt! Und mit den Verhören haben wir natürlich so unsere Schulungen und Erfahrungen. Aber irgendwann war mir klar, du warst es nicht. Hat halt nur gedauert bis der Groschen fiel."

"Du meinst wohl, bis dich meine Anwältin in die Mangel genommen hat. Bei mir bist du noch auf Bewährung!" Er griente. Es war offensichtlich, er mochte meine Art von Humor. Das hatte ich so gar nicht erwartet. Sandra, pass auf! Mein Vernunftgehirn meldete sich wieder. Trotzdem machte mein anderer Teil weiter. "Bist du zum ersten mal hier?"

"Woher weißt du das?"

"Na, du sahst so hilflos aus."

"Es fehlt mir halt die Erfahrung für so was."

"Und dann gleich erwischt! Ich bin übrigens heute auch zum ersten mal hier. Also, überhaupt in so einem Club." Ich senkte jetzt die Stimme, als würde etwa ausmachen, dass es hier jemand hören könnte. "Sexclub."

"Bei dir sah es aber souveräner aus!"

"Glaub mir, ich hab meine Unsicherheit nur besser verborgen als du."

"Du meinst wohl, in deinem sexy Outfit verpackt."

Ich musste losprusten. "Ich hab mich schon gefragt, wann das nächste Kompliment kommt!" Er war auf einmal ganz verunsichert. Man sah es an seinem Blick. "Aber ich wäre sonst beleidigt gewesen!"

"Du magst das also? Ich meine, so bewundert zu werden?"

"Als Frau hat man gewisse Privilegien."

"Auch die, ausweichend zu antworten?" Wieder dieses Grienen. Nein, es war eher ein Schmunzeln, was ja zurückhaltender als Grienen aussieht.

"Ach, das kennst du bestimmt von deinen Verhören!"

Er rollte genervt mit den Augen. "Du hast ja keine Ahnung, wie oft so etwas vorkommt!"

"Doch, hab ich. Ich war ja auch eine von denen!" Er schaute ein wenig wie entsetzt. Ich fühlte mich daher bemüßigt, gleich noch was hinterher zuschieben. "Nicht die Kernanschuldigungen. Damit hatte ich nichts zu tun. Ich hatte ein paar illegale Sachen gemacht, um mein Geld wiederzubekommen. Also, sozusagen einen Dieb beklaut. Zurück geklaut. Sonst war da nichts! Eigentlich alles nur Lappalien."

Jetzt leuchteten seine Augen wieder. "Dann vergesse ich das Gesagte besser wieder, oder? Ist eh kein Offizialdelikt, wenn du deinen Mann bestohlen hast."

"Kein Bürojob?"

Jens lächelte. "Ein Offizialdelikt ist etwas, was wir von Amts wegen verfolgen müssen."

"Keine Verfolgung? Wie gnädig. Auch wenn es keine Belohnung gibt? Heute?"

"Klar. Auch dann. Ich mag dich eigentlich."

"Apropos eigentlich ... hattest du eigentlich Erfolg hier?"

"Nur meine Augen."

"Wieder eine Anspielung auf mein Dessous?"

"Auch. Aber ich war sowieso ziemlich skeptisch, als ich mich entschlossen hatte, hier herzufahren."

"Warum nimmst du keine Professionelle?"

"Boah, die hasse ich wie die Pest. Tun immer nur so geil, wollen aber dein Geld, und den gewünschten Leistungsumfang gibt es dann auch nicht."

"Wie oft passierte das denn schon?"

"Null mal. Die Informationen habe ich von den Befragungen und Verhören."

"Ich kenne eine, die anders ist. Die mag Sex wirklich! Willst du sie mal buchen? Ich kann das arrangieren."

Er griente. "Ein Trick, oder? Ich würde lieber dich nehmen."

"Ach Jens, das geht doch nicht! Also, was ist nun?"

"Ist sie teuer?"

"Zweihundert Euro. Dafür gibt's aber auch alles, was du willst, außer den Sachen die für'n Arsch sind, und Peitschenhiebe sind auch nicht drin. Sie kann aber nur in der Woche."

"Weil da ihr Alter nicht da ist?"

"Geheiminfo."

"Klingt nicht schlecht. Wie krieg ich denn die Information? Ich hab hier kein Kärtchen dabei." Er zeigte auf sein Leopardenhöschen, sehr knapp sitzend.

"Ganz einfach. Du fährst mich nach Hause, da du dich ja vorher umziehst, hast du ein Kärtchen dabei, das gibst du mir, und ich ruf dich dann an."

"Da ist aber nur meine Dienstnummer drauf. Da bin ich dann Herr Mehnert."

"Verstehe, Jens." Ich griente.

"Und wehe die verarscht mich, dann mache ich wieder eine Hausdurchsuchung bei dir."

"Wehe du nimmst mir dann meine Vibratoren weg!" Ich stand auf. "Ich sag nur kurz Bescheid."

Ich ging zu Heiko und Julia hin, die auch immer noch an der Bar herumhingen, sich dort aber ein Häschen eingefangen hatten. Eine ältere Frau, klein, zierlich. "Danke ihr beiden für das Herfahren und die Einführung und überhaupt für alles." Ich kicherte über das Wort Einführung. "Er fährt mich nach Hause. Habt noch einen schö ... geilen Abend." Die beiden hoben den Daumen, ich ging zu Jens, wir verschwanden in die Umkleide. Ich war sogar schneller und wartete.

Da kam er heraus. "Gehen wir?" Ich ging einfach an seiner Seite mit, bis wir an einem dunkelgrauen SUV angekommen waren. Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. "Was ist denn so lustig? Ist das der Alkohol?"

"Du gehörst also auch zu den Autosuchern!"

"Versteh ich nicht!" Ich griente einfach weiter, gab keine Antwort, und ließ ihn losfahren. Eine gute Stunde später waren wir bei mir angekommen.

"Willst du nicht den Motor ausmachen? Sonst dürfen wir gar nicht knutschen!"

Er schaute mich erstaunt an, machte den Motor aus. Ich knutschte mit ihm. Zwei, drei Minuten, in denen er natürlich zurück knutschte, das volle Programm. Dann seufzte ich. "Komm gut nach Hause!", sagte ich, und stieg aus dem Auto. Er schaute mir verwundert hinterher. Bestimmt würde er jetzt Probleme mit seinen blauen Bällen haben und sich erleichtern müssen. Aber soweit wollte ich es bei mir nicht kommen lassen. Nicht heute. Ich war nach so viel Genuss einfach nicht mehr in der Lage, so etwas zu genießen.

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Teil16: Ludmilla und 'nur ein paar (schockierende) Fragen'

Nach einer Nacht mit wunderschönem Schlaf war erst einmal Wochenende. Ich chillte erst einmal ein wenig, dann noch ein wenig, und dann noch mehr. Mega-Chillen war angesagt. MSGA. Make Sandra great again. Am Montag war ich das dann tatsächlich. Erste Nervereien meiner kleinen Untermieterin tauchten auf und so fühlte ich mich genötigt das Kärtchen von Jens zu benutzen. Ich rief an.

"Mehnert?"

"Hallo Herr Mehnert. Hier ist Sandra Neuhaus. Ich habe eine Informantin für sie in einer delikaten Angelegenheit. Sie möchte sich mit ihnen Treffen. Treffpunkt heute 20 Uhr vor dem Hotel im Brillkamp. Sie heißt Ludmilla. Seien sie pünktlich." Dann legte ich einfach auf. Wenn er nicht ganz blöde war, würde er wissen, was ihn erwartet. Das kleine Hotel hatte ich vor einiger Zeit aufgetrieben. Es war nicht besonders teuer und sowohl für mich als auch für Peter besser geeignet als die Hotels in der Hamburger Innenstadt. Am Abend hatte ich dann eine gespannte Erwartung. Es waren ja noch nicht viele, die in den Genuss von Ludmillas Diensten gekommen waren. Ich liebte es, als Prostituierte, oder besser gesagt Sexarbeiterin aufzutreten, was man ja neuerdings sagen muss, obwohl beides dasselbe ist. Ist aber auch egal, ich verschmolz geradezu mit der Figur, und erlebte das, was eine echte Prostituierte kaum erlebt: Ich hatte Lust. Ich hatte mir etwas Besonderes einfallen lassen. Ich hatte genau das Dessous vom letzten Freitag angezogen und auch das Kleid, was ich damals darüber trug, nur ergänzt durch eine Stola aus Wolle, da es heute schon ein wenig frisch war. Und natürlich trug ich eine Perücke. Ich hatte mir später noch eine mit silbrig weißen Haaren besorgt, und genau diese hatte ich auf.

Da kam er vorgefahren und stieg aus. Ich stand noch mit dem Rücken zu ihm und drehte mich um. "Du Jens bist?" Er nickte und schaute schon ein wenig perplex. "Bin ich Ludmilla sein. Komm mit!" Ich ging einfach vor, er folgte mir. Das Zimmer hatte ich wie immer im Internet gebucht. Mit der Wirtin verstand ich mich gut und nach ihrer Aufklärung über mein Aussehen und mein Vorhaben gab es auch keinen Ärger. Hier mit Jens wäre das vielleicht nicht nötig gewesen, aber ich wollte das so. Wollte gedanklich in einer anderen Welt sein, wenn ich es mit ihm treibe. Dann waren wir im Zimmer.

"Warum die Maskerade, Sandra?"

"Pssst! Sein Ludmilla. Wenn erwähnen Sandra, ich gehen!", und machte ich ihm damit unmissverständlich klar, wer hier das sagen hatte. "Leg Geld da hin!" Ich deutete auf den Nachtschrank und kicherte. "Heute Sonderangebot. Sonst viel teurer."

"Dann hätte ich gerne das Schnäppchen Ludmilla. Wen es geht mit Garantie."

"Mal sehen. Schauen, was ich kann tun." Ich legte die Stola ab. "Kannst ziehen aus mich. Heute nichts kosten extra." Ich hob meine Arme. Er trat an mich heran, zog mir das Kleid über den Kopf.

"Kommt mir bekannt vor, das Dessous Set!"

"Häufiges Modell sein. Du nicht mögen?"

"Doch, sehr."

"Warum dann nicht machen weiter? Soll ich?" Ich zog mir den Slip aus und gab ihn ihm hin. Er nahm ihn. "Riechen gut? Riechen nach geiles Frau?"

Er sog den Duft tief ein, steckte den Slip dann in seine Tasche. Ganz schön frech. Einen davon hatte ich noch, da es ein Set gewesen war, aber dann müsste ich mir noch welche besorgen, ich wusste, dass es die auch einzeln gab. "Darf ich dich küssen?"

"Was denkst du?" Er sagte nichts, kam nur immer näher. Ganz nah. Ich konnte schon seinen Atem auf meiner Haut spüren. Dann fasste er um mich und küsste. Knutschte. Ich machte alles mit. Es war ... nun konnte ich mein kleines Biest endlich mal machen lassen. Keine Gewissensbisse. Kein 'Sandra, das darfst du nicht'. Jetzt waren wir nur zwei schwitzende, geile Leiber, triebgesteuert bis zum Geht-nicht-mehr. Und nachher waren wir wieder Polizist und Ladeninhaberin. Distanziert, aber ohne Reue. Ich zog ihn aus, bis er ganz nackt war. "Soll ich mal verwöhnen deine kleinen Lümmel? Muss werden größer." Ich ging auf die Knie, und strich mit ihm über mein Gesicht. Oralsex war für mich viel mehr als nur Lutschen und Saugen. Ich musste mit ihm verschmelzen, dann war es gut. Und das tat ich, bevor es kein Halten mehr gab. Und es unanständig wurde, und sportlich. Und ... was weiß ich noch alles. Danach lagen wir beide auf dem Bett nebeneinander, durchgeschwitzt, irgendwie glücklich, zumindest aber zufrieden oder befriedigt ober auch beides.

Er hielt meine Hand. "Wie lange bist du schon diese Ludmilla?"

"Mein ganze Leben. Zumindest paar Jahr seit geboren", sagte ich. "Aber nie herausgelassen so richtig. Was ist bei dir mit Frau? Nie gehabt?"

"Geschieden. Hatte dann nur mal hier, mal da eine. Hat einfach nicht gepasst. Ist auch schwierig heute. Die haben alle entweder hochgeschraubte Ansprüche, irgendeinen Spleen oder beides, oder sind ... ja ..."

"Solche Schlampen?"

"Ja, oder das. Das meine ich jetzt nicht sexuell, sondern ... lassen sich gehen, trinken Alkohol."

"Wird schon kommen noch die richtige. Obwohl, Ehe oder Monogamie sein Auslaufmodell. Alle betrügen irgendwie wie kann. Kaum noch treues Mensch."

"Wie bei deinem Mann?"

Ich legte ihm den Finger auf den Mund. "Ich betrügen nicht. Muss verdienen Geld. Kein Spaß gemacht das hat. Du gehen jetzt."

"Sehen wir uns wieder?"

"Fragen Sandra. Sandra Übersicht. Sandra Ludmilla Managerin sein."

"Na dann frag ich sie doch mal." Jens gab mir noch einen richtig schönen Kuss, den ich erwiderte, und verschwand - mitsamt meinem Slip. Ich kicherte und stellte mir vor, wie er da noch Wochen von zehren würde. Ja, müsste! Als begehrte Frau in den mittleren Jahren kann man ganz schön gemein sein, oder? Das Geld brauchte ich natürlich nicht unbedingt. Ich zog die Hälfte des Hotelzimmers ab, den Rest würde ich an ein Hospiz überweisen. Mir kam es auf das Erlebnis an, nicht auf das Geld. Und das Erlebnis hatte ich gehabt. Und noch dazu mit jemandem, mit dem ich mir das noch vor ein paar Jahren nicht hätte vorstellen können. Damals spülte uns der Zufall zusammen oder besser gegeneinander, und dieses mal auch wieder der Zufall, aber zusammen. Und das erneute Zusammentreffen nach dem Tod von Antonio ging auch viel schneller, als ich gedacht hatte.

Schon eine Woche später gab es einen Anruf. "Kripo Hamburg, Jens Mehnert. Frau Neuhaus?"

"Ja, am Apparat. Ludmilla kann diese Woche aber nicht, Jens!"

"Es geht um eine berufliche Sache. Frau Neuhaus, wäre es möglich, dass sie zeitnah nochmal vorbeikommen könnten? Es gibt da neue Entwicklungen und dazu haben wir noch ein paar Fragen."

"Ähm ja ...?"

"Ihre Anwältin brauchen sie dazu nicht. Sie sind keine Verdächtigte oder Beschuldigte. Nur ein paar Fragen."

"Ja, gut. Bis wann sind sie denn heute da?"

"Bis 19 Uhr. Im Stern."

"Okay, das passt. Wollte sowieso eher Schluss machen." Ich legte auf. Jetzt hatte ich doch ein wenig Herzklopfen. Was könnte das sein? Irgendwie war ich aber auch neugierig und müsste dann wohl meine Nach-Hause-Wanderung ausfallen lassen, die für heute eigentlich geplant war. Den ganzen Tag konnte ich mich nur schwer konzentrieren und fieberte dem Feierabend regelrecht entgegen. Dann fuhr ich dort hin. Das Polizeipräsidium war zum Glück in der Nähe, ich musste nur zwei Haltestellen vor meinem Umsteigepunkt aussteigen. Ich ging zum Empfang und ein Beamter brachte mich hin. Da saß er, in seinem Büro, zwei andere Leute noch verstreut in der Nähe. Er wies mir einen Platz an seiner Seite zu. "Hallo Frau Neuhaus. Schön dass sie kommen konnten." Dazu schmunzelte er und zwinkerte mir mit einem Auge zu. Und ich war erleichtert, dass es dieses mal kein Verhörraum war, in den wir gingen.

"Unsere italienischen Kollegen habe eine Entdeckung gemacht. Sie haben in Salerno ein Drogenlabor ausgehoben, welches in einem alten Bauernhof untergebracht war. Es waren dort nur geringe Mengen Drogen vor Ort, aber man hat sie analysiert und dabei ist Erstaunliches herausgekommen." Dann redete er aber nicht weiter. Er schaute mich nur an und wartete darauf, wie ich reagierte.

"Nun sagen sie schon! Sie haben gewonnen. Ich gebe zu, dass ich neugierig bin!"

"Die Analyse ergab, dass es sich um fast exakt die gleichen Charge Fentanyl handelt, welche damals im Auto ihres Mannes gefunden wurden."

"Und was bedeutet das?"

"Ich sagte ja fast. Die im Labor gefundenen Drogen hatten winzige Abweichungen gegenüber den damals gefundenen. Mit anderen Worten, nach dem Unfall wurden dort weitere Drogen produziert, die Ausgangsstoffe dazu haben immer gewisse Mengen an Verunreinigungen, deshalb nur fast. Aber sie wurden in der gleichen Machart hergestellt. Und die italienische Polizei glaubt auch zu wissen, von wem das Labor betrieben wurde." Er schob mir ein Foto herüber.

Ich schaute drauf und traute meinen Augen kaum. "Andrea???" Das Bild zeigte einen jugendlichen Andrea, und es war ein Erkennungsbild, so ein Mugshot.

Er schüttelte den Kopf. "Nein, das ist nicht Andrea. Das ist sein Zwillingsbruder Mario. Er ist, im Gegensatz zu seinem Bruder Andrea, schon früh mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Wussten sie von ihm?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nee. Ich wusste noch nicht mal, dass es ihn gibt. Andrea wird nachher was erleben!"

Jetzt griente er. "Lassen sie ihn leben. Vermutlich hat er sich einfach für seinen Bruder geschämt. Ich hätte das auch so gemacht."

"Trotzdem!"

"Er sieht jetzt anders aus. Hat sich einen Bart wachsen lassen. Vermutlich hat er das wegen seiner Narbe getan."

"Er hat jetzt eine Narbe?"

"Ja. Die hat er sich bei einer Auseinandersetzung im kriminellen Milieu zugezogen. Daher kommt auch sein Spitzname, den er dort hat. Sie nennen ihn Solco. Italienisch für Furche. Bis vor drei Monaten hat er gesessen. Ein Drogendelikt. Vor dem Ausheben dieses Drogenlabors konnte er aber fliehen. Es ist nur ein kleines Labor. Mit dem Equipment kann man höchstens ein Pfund pro Monat herstellen."

"Kann ich mal sehen, wo das ist? Ich war mit meinem Mann Uwe damals früher in der Gegend im Urlaub."

Er zögerte einen Moment, dann zeigte er mir eine Karte und dann ein Bild. Ein Haus aus Steinen, unverputzt, wie es in dieser Gegend üblich ist. Ich schüttelte den Kopf, prägte mir aber die Stelle auf der Karte ein. "Nee. Da waren wir nicht vorbeigekommen. Das war - wir waren nur in Sorrent und sind dann danach diese tolle Straße lang gefahren, diese ..."

"Amalfiküste?"

"Ja, genau die."

"Wenn er sich bei ihnen meldet oder sie ihn nur sehen, bitte rufen sie mich an. Und seien sie vorsichtig. Er könnte bewaffnet sein."

"Gut, mache ich."

"Was macht eigentlich ... also ihre russische Freundin?"

"Sie hat mich gefragt, ob sie sich schon selbst wegen Diebstahl angezeigt haben."

"Habe ich. Der Staatsanwalt hat wegen mildernder Umstände von einer Strafe abgesehen."

"Na da haben sie ja Glück!", sagte ich ironisch, erhob mich, und ging. Ich war erleichtert und sauer zugleich. Nein, nicht sauer auf ihn.

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Teil17: Die Abreibung und die peinliche Entdeckung

Ich fuhr die zwei Stationen mit der U-Bahn, stieg in Ohlsdorf in die S-Bahn, und fuhr zur Endhaltestelle. Den Rest musste ich zu Fuß nach Hause. Mit jedem Schritt stieg meine Wut. Oh, war ich wütend, stand unter Volldampf, schlimmer als eine Dampflokomotive! Ich öffnete die Tür und ging die Treppe hoch. Normalerweise würde ich mir erst die Jacke ausziehen und die Schuhe, aber dafür hatte ich jetzt keinen Nerv. Durch die Tür hörte man was. Komische Musik heute, dachte ich. Ich riss die Tür auf und sagte, und das in einer hohen Lautstärke und mit sich überschlagender Stimme: "Wann hattest du denn gedacht, mir von deinem kriminellen Bruder Mario zu erzählen?!!!!" Ich gleichen Moment nahm ich wahr, was da vor sich ging. Andrea lag unter Lena und diese war dabei, Andrea zu reiten. Sie hörte dann natürlich damit auf und schaute nach hinten, also zu mir. Erstaunt. Entrüstet. Andrea schaute seitlich an ihr vorbei, schuldbewusst und peinlich berührt zugleich. "Ich erwarte bis morgen früh deinen Bericht!" Und setzte hinterher, nun aber wesentlich milder: "Und treibt's nicht so dolle." Ich schloss die Tür, atmete tief durch. Damit hatte ich ja nun überhaupt nicht gerechnet. Ich war puterrot geworden, ob vor Scham oder aus Wut weiß ich gar nicht. Ja, toll gemacht, Sandra. Wie ein Trampeltier!

Ich schlich die Treppe hinunter, zog meine Jacke und Schuhe aus, setzte mich auf die Couch, und schaltete den Fernseher an, machte ihn auch ziemlich laut. Ich wollte die beiden einfach nicht noch mehr stören. Vielleicht war es ja das erste mal für sie gewesen. So richtig hatte ich aber keine Ruhe. Ich ging ins untere Bad und gönnte mir eine Badewanne. Das machte ich eher selten, aber heute brauchte ich Entspannung. Als ich wieder nach oben ging, war kein Ton mehr zu hören und ich ging ins Bett. Merkwürdige Träume verfolgten mich. Andrea kam darin vor, und Uwe. Oder war es der Mario von damals? Es war das erste mal seit langer Zeit, dass mich der Wecker um 06:01 weckte. Immerhin, kein Murmeltiertag. Dann hätte er um 06:00 geklingelt. Dann war ja noch Hoffnung, aus diesem Tag wieder heil herauszukommen. Aber ohne Kollateralschäden wohl nicht. Da könnte ich noch so viele Heldentaten vollbringen wie dieser Filmheld! Mit ziemlich zitternden Händen machte ich das Frühstück. Dann kam er herunter. Und schaute mich vorwurfsvoll an. Aber auch schuldbewusst.

Trotzdem versuchte ich den Gute-Laune-Trick. "Guten Morgen Andrea. Hast du gut geschlafen? Ist Lena noch unter der Dusche?"

"Lena ist schon weg."

"Oh! Lag es an mir?"

"Sie hat ... also wir haben gestern einen ganz schönen Schreck bekommen. Aber nein, hat damit nichts zu tun. Sie wollte eh nicht über Nacht bleiben."

"Also, es tut mir leid! Ich hatte ja keine Ahnung, sonst wäre ich doch ..."

"Na so schlimm war es ja auch wieder nicht."

"Seid ihr jetzt ein Paar? Es würde mich freuen."

"Weiß nicht. Ich bin ..." Er erzählte nicht weiter.

"Nun sag schon!"

"Ist Lena lesbisch?"

"Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Wie kommst du darauf?"

Andrea schaute mir in die Augen. Traurigkeit. Aber ein kleiner Vorwurf war auch darin zu entdecken. "Ich hab euch gesehen. Damals, auf der Couch."

Ich erschrak mich. "Andrea! Tut mir leid, dass du das jetzt denkst. Ich glaube nicht, dass Lena lesbisch ist. Ich denke, sie wollte es einfach mal ausprobieren, wie es mit einer Frau ist. Hatte ich damals in dem Alter auch gemacht." Das war zwar voll gelogen, denn ich hatte das erst später gemacht, mit Ellen. Aber das musste er ja nicht wissen. "Warum hast du sie denn nicht gefragt?"

"Hab mich nicht getraut!"

"Wer hat denn gestern angefangen? War sie das? War es das erste mal für dich mit ihr?"

"Ja und ja", sagte Andrea.

"Also mir hatte sie gesagt, dass sie in einen Mann verliebt ist, nur nicht, in wen. Das wirst du dann also sein. Das hätte sie ja sonst nicht machen müssen. Oder hast du was gegen sie in der Hand?"

"Nee, gar nichts."

"Habt ihr ein Kondom benutzt?"

"Natürlich!"

"Soll ich sie mal fragen? Ich meine, wegen ihrer sexuellen Präferenzen?" Ich konnte ihm natürlich nicht direkt sagen, dass ich das bereits wusste.

"Nein! Ich frag sie!"

"Na gut." Es entstand eine kurze Gesprächspause. "Also!"

Er begriff sofort, dass es nun um Mario ging. Er fing an, stockend zunächst. "Bis wir dreizehn waren, da war alles noch ganz normal. Sehr innig, wie bei Zwillingsbrüdern üblich. Dann ging es aber los. Er geriet an Kumpels, die einen schlechten Einfluss auf ihn hatten. Zuerst einige Klassenkameraden. Wir waren ja in zwei verschiedenen Klassen. Und dann auch später in der Freizeit. Dann wurde er das erste mal erwischt. Drogenverkauf als Kleindealer. Und dann noch einmal. Mutti und Vati haben gepredigt wie sonst was, aber sie haben ihn einfach nicht mehr erreicht. Ich hatte noch einen kleinen Draht zu ihm, aber er hat alles in den Wind geschlagen. Trotzdem fing er an zu studieren. Chemie. Er war ja nicht dumm. Und dann bekam er die erste Gefängnisstrafe, weil er weiter gemacht hatte. Gleich zwei Jahre. Ich bin dann ja weg gewesen, habe in einer anderen Stadt studiert. Und als das dann mit Mutti und Vati passiert ist, war er schon längst verschollen. Und so ist es bis heute."

"Hast du keine Kontaktdaten?"

Er schüttelte den Kopf. "Die Handynummer ging erst nicht mehr und später hat die Nummer eine andere Person bekommen. Und seine E-Mail-Adresse war dann auch abgemeldet. Ich weiß nichts mehr über ihn seit dem."

"Und warum hast du nichts gesagt? Ich war nicht gerade froh, dass jetzt eine weitere Mine von Uwe aufgetaucht ist. Ich dachte, ich bin frei, aber auf ein mal befand ich mich in einem Minenfeld und keiner hat mich vorgewarnt."

"Kannst du dir das nicht denken? Ich hab mich geschämt für meinen kriminellen Bruder. Damit kann nicht angeben. Ich hatte befürchtet, es könnte unser Verhältnis belasten, wenn das herauskommt."

Ich stand auf und drückte ihn, tröstend. Dabei hatte ich doch selber Trost nötig. "Wollen wir ihn suchen? Die Polizei hat ihn auf dem Kieker. Wenn sie ihn fassen, sitzt er nochmal ein."

Er schaute mich erstaunt an. Nicht nur erstaunt, so richtig voller Ekel. "Das willst du machen? Bloß nicht! Der macht alles kaputt. Er ist gefährlich!"

"Ich habe aber das blöde Gefühl, dass er irgendwie an der Sache mit Uwes Unfall beteiligt ist. Und wenn, dann will ich das wissen. Ich weiß da sowieso viel zu wenig drüber. Die Polizei hat nicht viel gesagt und meine Anwältin konnte auch nicht so wahnsinnig viel herauskriegen, nachdem sie die Beschuldigungen gegen mich fallen gelassen haben."

Wieder Erstaunen bei Andrea. "Du wurdest beschuldigt?"

"Ja, erst wurde ich beschuldigt, dass ich was mit der Drogensache zu tun hatte, und dann behaupteten die sogar, ich wäre am Unfall schuld gewesen."

Andrea schaute mich lange an. "Ich glaube nicht, dass du so was kannst."

"Stimmt. Ich habe dem Mistkerl die Pest an den Hals gewünscht. Aber selbst gemacht habe ich nichts. Außer das geklaute Geld wiederzuholen."

Andreas Gesicht hellte sich jetzt auf. "Dann bist du ja selbst kriminell!" Ein Tonfall, der mir sagte, dass es nicht ernst gemeint war, sondern er mich damit hochzog.

"Genau. Gangsterbraut. Und nun ab in die Uni, du bist schon spät dran. Grüß Lena von mir."

"Mach ich."

Irgendwie hatte die Sache jetzt die Büchse der Pandora geöffnet. Ich hatte es längst verdrängt, aber jetzt kam alles wieder an die Oberfläche. Irgendwas war da ober-faul. Man hatte mir nicht alle Informationen gegeben. Ich musste versuchen, welche zu bekommen. Ich recherchierte ein wenig und fuhr dann erst einmal zu meinem Laden, da ich noch einen Entwurf fertigstellen wollte. Aber schon am frühen Nachmittag fuhr ich wieder zurück. Ich hoffte, dass Andrea erst zu mir nach Hause kommt, was er ja meistens machte. Das tat er dann auch, zusammen mit Lena. Sie zuckte zusammen, als sie mich sah. "Hallo Andrea. Hallo Lena. Wollt ihr jetzt schön üben?"

"Ja. Ein bisschen ohne Oliver."

"Bitte grenzt ihn nicht aus, ja?"

"Deshalb sind wir ja jetzt schon da."

"Übrigens sorry wegen gestern. Das war total unbedacht von mir. Andrea hat dir sicher erzählt, dass ich ziemlich wütend war." Ich kicherte, um ein wenig die Schärfe aus dem Gespräch herauszunehmen, und Lena schmunzelte jetzt auch.

"Ja, das hat er erzählt. Auch, dass er schuld daran war. Und das andere ... so schlimm war es nicht."

"Puh, Gott sei Dank." Schon merkwürdig, dass man diese Floskel immer noch benutzt, selbst wenn man an all das schon lange nicht mehr glaubt, fiel mir in dem Moment ein. "Sag mal Andrea, hast du am Wochenende schon was vor?"

"Eigentlich nichts Besonderes. Nur mit Lena ein wenig ..."

"Ich würde dich gerne nach Italien entführen. Ich brauche jemanden mit Kenntnissen der italienischen Sprache." Ich sah seinen Blick, der nach Lena ging. "Lena kann natürlich mitkommen. Wir übernachten im Hotel. Deal?"

Die beiden sahen sich an und Lena flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dann strahlten sie beide um die Wette. "Danke Sandra!"

"Ja, danke Sandra!", sagte nun auch Lena.

"Gut. Wir fliegen Freitagabend mit dem Flieger um 17:30 Uhr nach Neapel, nehmen da einen Leihwagen, und fahren dann zum Hotel. Sonntagabend geht es zurück. Ist das okay?"

"Ja, super", sagte Andrea. "Hat das was mit meinem Bruder zu tun?"

"Ja, auch. Aber auch mit deinem Vater. So, dann lass ich euch jetzt mal alleine. Ich drehe meine Fitnessrunde. Ich bin erst in gut zwei Stunden wieder da." Dazu zwinkerte ich den beiden zu. Wiedergutmachung für gestern. Ich zog mich schnell um. Als ich fünf Minuten später aus dem Haus ging, hörte man bereits Stöhnlaute. Ich musste schmunzeln. Diese Jugend von heute! Als ich wieder zurückkam, machte ich erst mal meine Buchungen. Ich hatte mir gedacht, erste Nacht irgendwo bei Sorrent übernachten, die zweite dann in Salerno. Jetzt also zwei Doppelzimmer. Auch wenn ich alleine war, nahm ich immer Doppelzimmer. Die Preise für die Flüge waren auch nicht schlecht. Nur nicht um-buchbar oder stornierbar. Aber das war auch nicht zu erwarten. Ich hatte mir vorher angeschaut, wo das Haus liegt, welches Jens, also Herr Mehnert mir auf der Karte gezeigt hatte. Da wollte ich am Sonntag hin. Samstag würden wir über die Amalfiküste nach Salerno fahren. Die Straße wollte ich eh noch mal irgendwann fahren. Ein Traum von Straße die durch eine traumhaft schöne Gegend führt! Und am Nachmittag würde ich dort versuchen etwas über Mario herauszubekommen. Mir war klar, dass ich hier mit Englisch nicht viel erreichen würde, deshalb nahm ich Andrea mit.

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Teil18: Der Italien-Feldzug

Am Freitag machte ich eher Schluss und als die beiden da waren, fuhren wir mit der S-Bahn zum Flughafen. Von mir aus brauchten wir nur 30 Minuten, dann waren wir schon da. Hat auch so seine Vorteile, einen Flughafen direkt in der Stadt, oder zumindest nahe dem Rand zu haben. Irgendwie erinnerte mich unser Aufbruch ein wenig an meine Reise nach Zürich damals. Leider gab es dieses mal keinen Turbulenzen verneinenden Piloten, aber der Flug verlief trotzdem problemlos. Wir holten den bestellten Leihwagen ab und dann waren wir noch rechtzeitig zum Late-Check-In im Hotel. Die beiden Turteltauben bekamen ja kaum was mit, so verliebt wie sie ineinander waren, und knutschten in einer Tour. Mega-Kissing! Am anderen Morgen lachte die Sonne. Genau das richtige Wetter für eine Amalfiküste-Tour. Wir waren alle hin und weg! Selbst Andrea und Lena ließen voneinander ab und konzentrierten sich auf das Schauen. In Amalfi aßen wir zu Mittag und dann ging es weiter nach Salerno. Wir fragten uns durch und fuhren ins Hafengebiet.

Eine Gaststätte nach der anderen klapperten wir dort ab. Na ja, anderenorts würde man eher Spelunken dazu sagen, aber uns war schon klar, dass Mario nicht unbedingt in einem Sternerestaurant aufkreuzen würde. Aber entweder kannte ihn keiner, oder man wollte es uns nicht sagen. In einer 'Gaststätte' drohte man uns sogar Prügel an, wenn wir nicht verschwinden würden, was wir dann auch taten. Immerhin deutete das darauf hin, dass man Mario, oder besser seinen Spitznamen Solco, hier tatsächlich kannte. Trotzdem, das war ja alles ein Schlag ins Wasser. Ich hatte mir mehr erhofft, und mir kamen schon wieder die Tränen. Wir aßen zu Abend und dann bezogen wir unsere Hotelzimmer in Salerno. Meine Hoffnung war, dass wir vielleicht in dem Haus noch irgendwelche Hinweise finden würden. Ich war total unruhig und machte noch einen längeren Abendspaziergang. Ich schnatterte dann noch ein wenig mit dem Concierge, der auch Deutsch sprach, und erfuhr von ihm, dass es hier in Salerno noch so ein anderes Viertel gab, wo halbseidene Leute verkehrten.

Also beschloss ich eine Planänderung. Das Haus könnten wir auch noch morgen Nachmittag aufsuchen. Nach dem Frühstück setzte ich die beiden davon in Kenntnis und wir zogen los. Tatsächlich war es in dem Viertel genauso schmuddelig wie im Hafenbereich. Aber das Resultat war dasselbe. Meine Laune war auf dem absoluten Nullpunkt. Mindestens! So beschlossen wir, erst einmal zu Mittag zu essen. Wir gingen in eine Pizzeria und setzten uns. Der Kellner kam. Er bekam große Augen und starrte Andrea freudig erregt an. Dann sprach er ihn auf Italienisch an: "Ciao Solco!" Und er sprach noch mehr in einem typisch italienischen Redeschwall. Nur die Ansprache verstand ich. Es war also vermutlich so, dass er Andrea mit Mario verwechselt hatte. Irgendwie ein gutes Zeichen, denn dann müsste er ihn zumindest kennen, oder, was noch besser wäre, er könnte Kontakt zu ihm herstellen.

Bestimmt zwei Minuten palaverten sie in Italienisch hin und her, wovon ich kaum ein Wort verstand. Klar, mein italienischer Wortschatz war gerade so ausreichend für die Floskeln bei der Begrüßung, Verabschiedung, und vielleicht auch noch für eine Essensbestellung, und ihre Sprechgeschwindigkeit würde für drei Strafzettel reichen, aber ich musste mich in Geduld üben. Genau deswegen hatte ich Andrea ja mitgenommen. Andrea sprach jetzt zu uns. "Also, er hat mich erst mit Mario verwechselt, und dachte, dass ich beim Schönheitschirurgen war, da an mir keine Narbe mehr zu sehen war, er weiß aber nicht, wo Mario momentan steckt. Aber er fragt mal jemand, der es wissen könnte. Ich hab ihm gesagt, dass wir nur noch heute Zeit haben und er will sich kümmern und gleich noch diesen Bekannten fragen. Und er fragt, was wir essen möchten."

"Super, na hoffentlich klappt das. Ich nehme eine Pizza Margherita, und ein stilles Wasser."

"Ich auch", sagte Lena.

"Due Pizza Marguerite, una Pizza Funghi, due acque naturali e una acqua frizzante, per favore", sagte er zum Kellner. Das war so einfach, dass sogar ich es verstand.

"Grazie", sagte der Kellner, und verschwand.

"Puh, damit habe ich gar nicht mehr gerechnet. Danke, Andrea."

"Ich muss danken für diese schöne Reise. Was machen wir eigentlich, wenn wir ihn gefunden haben?"

"Na was schon? Ich will ihn fragen, was er mit dem Tod von Uwe zu tun hat. Irgendwie war der ja in sein Drogenlabor involviert. Und vielleicht hatte er ja doch was mit dem Unfall zu tun."

"Und du meinst, das erzählt der dir einfach so, ja?"

"Ich hoffe es."

"Und ich hoffe, dass du dich nicht in Gefahr begibst."

"Das Leben ist voller Gefahren!"

"Sandra! Du kennst ihn nicht! Mich hatte er auch ein paar mal angegriffen! Der macht vor nichts halt!"

"Es nützt ja nichts. Ich brauche Antworten!"

Andrea raufte sich die Haare. "Du bist so was von stur!"

Der Kellner kam und sagte etwas zu Andrea. Vom ganzen Satz verstand ich nur das letzte Wort: Angelo. Andrea übersetzte. "Also, Treffpunkt 18 Uhr vor dem Haushaltswarenladen in der Via Filippo Sciaraffia 26, er heißt Angelo." Der Kellner nickte und verschwand.

"Mist. Dann würden wir den Flug nicht mehr kriegen. Also Planänderung: Ich fahre euch nach dem Essen zum Flughafen. Dann komme ich wieder hierher und treffe mich mit dem, und dann schaue ich noch anschließend beim Haus vorbei."

"Alleine? Aber du kannst ja gar kein Italienisch!"

Ich griente. "Mr. Übersetzer schon!" Ich hielt mein Handy in die Höhe. "Nun mach dir keinen Kopf, wird schon klappen. Ich nehme mir dann noch ein Hotelzimmer und einen Flug für morgen werde ich sicher auch noch bekommen. Bin doch schon groß!"

Lena hatte dem Ganzen mit großen Augen zugesehen. Jetzt sagte sie was: "Du bist ganz schön mutig. Als hübsche Frau so ganz alleine in Italien!"

Ich lächelte sie an. "Soll ich mich gezielt auf heruntergekommen trimmen? Das würde das entsprechende Klientel erst recht anziehen! Das ist in Italien auch nicht anders als in Deutschland."

"Nee, bleib mal besser so. Hast ja recht. So siehst du viel mehr ... sexy aus." Jetzt schmunzelte Lena sogar und schaute zu Andrea hin. Er verzog aber erst keine Miene. Dann reagierte er doch.

"Schon okay. Damals waren wir ja noch nicht zusammen", sagte er.

Ich überlegte, ob ich bei so viel Offenheit das Geständnis von Oliver auch noch erzählen sollte, entschloss mich aber, es doch für mich zu behalten. Es war ja auch nichts passiert und ging ja nur uns beide was an. Er hatte es mit den beiden Verliebten jetzt eh schon schwer genug. Der Kellner riss mich aus meinen Gedanken. Das Essen kam. Wir hauten rein. Das war so ziemlich die beste Pizza, die ich jemals gegessen hatte. Selbst die Mitte hatte die richtige Konsistenz und war nicht matschig, das äußere zwar knusprig braun, aber nicht verbrannt. So muss Pizza sein. Am liebsten hätte ich noch eine davon bestellt, aber dazu war weder Platz im Magen noch Zeit. "Und, war gut?"

"Warum können die in Deutschland das nicht?", fragte Lena, und hob den Daumen.

"Weil das bei uns alle keine richtigen Italiener sind! Das sind Deutaliener." Wir lachten alle über die Wortschöpfung von Andrea. Der Kellner kam.

Wieder ein Satz in Italienisch, in Überlichtgeschwindigkeit. "Er fragt, ob wir noch was wollen", übersetzte Andrea.

"Nein, sag ihm, es hat alles super geschmeckt, und dass ich zahlen möchte. Alles zusammen."

Andrea sprach zu ihm in Italienisch. Der Kellner wischte auf dem Display seiner Gerätes herum und zeigte es mir. 62,50 Euro. Ich gab 70. "Molte grazie. Buona giornata a tutti!" Ich nickte ihm zu, dann auch Andrea und Lena, dann brachen wir auf. Ich fuhr die beiden zum Flughafen, im Hotel hatten wir ja schon heute Morgen ausgecheckt. Die Fahrt dauerte eine ganze Stunde und die Rückfahrt sogar noch länger, da ich wohl in den Feierabendverkehr hinein geraten war und es kurz vor Salerno ziemlich stockend war. Zur Leihwagenfirma fuhr ich nicht, aber rief zumindest dort an und gab in Englisch Bescheid, dass ich den Wagen noch einen Tag länger benötigte. Ich würde dann nur wegen der Überziehung einen Zuschlag und den Extra-Tag mehr bezahlen müssen.

Ich fuhr dort zur angegebenen Adresse vor. Eine Stunde war noch Zeit. Ich ging ein wenig herum. Ich gebe zu, jetzt hatte ich doch ein wenig Muffen-sausen. Wie würde er wohl auftreten? Mein Pfefferspray musste ich ja wegen dem Flug zu Hause lassen, das wollte ich nicht riskieren. Fünf Minuten vorher war ich dann da. Ein älterer Herr um die 50 mit Bart, wettergegerbten Gesicht und zerzausten Haaren war bereits vor dem Laden und lehnte lässig und wie gelangweilt an der Schaufensterscheibe. Ich stand einfach nur da. Jetzt warf er doch einen Blick zu mir. Nur kurz, vielleicht eine Zehntelsekunde. Jetzt oder nie, dachte ich.

Ich ging hin zu ihm. Er schaute mich gar nicht an. "Sind sie Angelo?" Jetzt erst schaute er mir ins Gesicht, nickte kaum merklich. "Ich bin Sandra. Sandra Neuhaus. Die Stiefmutter von Mario. Also Solco." Ein fragender Blick. Dann erst fiel mir ein, dass er vermutlich kein Deutsch sprach. Ich sprach also meine Sätze nochmal in den Übersetzer vom Handy und spielte ihm die Übersetzung vor. Er nickte und sprach was auf Italienisch in das Handy, was das Handy als: "Komm mit!" übersetzte. Er ging los und ich folgte ihm. Es ging in eine nahezu leere Garage um die Ecke. Es standen nur einige Kisten dort drin. Er zog hinter uns das Tor herunter. Ja, prima Sandra! Jetzt sitzt du in der Falle! Ich schimpfte mal wieder mit mir. Er fiel nur wenig Licht durch die Lamellen, aber jetzt machte er Licht. "Your Passport", sagte er. Ich holte meinen Ausweis heraus und gab ihm den. Er schaute sich den prüfend an, gab ihn mir dann wieder.

"Quindi sei la madre di Solco!" Der Translator spuckte aus: 'Du bist also die Mutter von Solco!' War lustig jetzt, jeder sprach in das Handy und der andere hörte sich die Übersetzung an.

"Nein, ich bin seine Stiefmutter. Die Stiefmutter von Andrea, und die von Mario. Die beiden sind ja Zwillinge."

"Komisch, davon hat er mir nichts erzählt!"

"Das weiß ich ja auch erst seit kurzem ... du kennst also Solco!"

"Ach so. Ja verstehe. Hab ihn lange nicht mehr gesehen. Will ich glaube ich auch nicht mehr."

"Wieso?"

"Warum schon? Immer wenn er auftaucht, gibt es Ärger mit der Polizei!"

"Weißt du wo ich ihn finden kann?"

"Nein. Und du solltest ihn besser auch nicht finden. Der ist unberechenbar!"

"Ich brauche aber Informationen über ihn. Weißt du von diesem Drogenlabor, das die Polizei ausgehoben hat?"

"Ich hab da mal ein paar Wochen für ihn gearbeitet. War dafür auch im Knast, wegen Beihilfe. Aber illegale Sachen mache ich nicht mehr. Hab jetzt Familie."

Mir kam eine Idee. Ich ging in die Galerie des Smartphones und zeigte ihm ein Foto von Uwe. "Kennst du den?"

Es war das erste mal, dass sein Gesicht eine Regung zeigte, und seine Augen funkelten. "Klar! Zwei, nein, dreimal war der dort im Labor. Er hatte so eine süße blonde junge Frau bei sich. Beim ersten mal haben die nur geredet. Beim zweiten mal gab es eine hitzige Diskussion mit Solco, fast schon mit Handgreiflichkeiten. Der Mann war richtig wütend und die Frau total verängstigt. Dann fuhren die weg. Nach einer halben Stunde oder so kam der Mann wieder, aber alleine. Wieder redete er mit Solco. Und dann gingen beide in den Keller. Ich bin wieder ins Labor gegangen, aber dann hörte ich ein Geräusch, und als ich nach dem Rechten schaute, sah ich, dass jemand anderes eine Tasche geschnappt hatte und damit getürmt ist. Da kamen der Mann und Solco wieder hoch, der Mann ging sogleich weg, und als ich Solco von der Tasche erzählt hatte, folgte Solco dann mit seinem Auto. Dann bin ich auch verschwunden, da ich Ärger befürchtet hatte, von der Polizei. Ich hab Solco nur noch ein mal wiedergesehen, und nur von weitem, das war vor einem guten Vierteljahr."

"Aha. Das ist ja interessant. Noch ein anderer Mann, sagst du?"

"Ja. Hab ihn aber nur von hinten gesehen."

"Was hatte Solco denn für ein Auto?"

"Damals hatte er einen Ford Mustang. Der lebt aber nicht mehr. Zu Schrott gefahren. Danach hatte er einen anderen, einen Alfa Romeo."

Ich zeigte ihm auf dem Handy den Kartenausschnitt, von dem ich annahm, dass es das Haus mit dem Labor zeigte. "Ist es dieses Haus?"

"Ja! Woher hast du das?"

Ich griente. "Ein Polizist hat mich gefragt, ob ich schon mal dort war, und hat mir die Karte gezeigt."

"Du bist listig!"

"Vor allem neugierig. Du weißt also nicht, wie ich Solco finden oder kontaktieren kann?"

"Nein."

"Gut, dann versuche ich es weiter. Vielen Dank, dass sie ihre Zeit für mich geopfert haben!"

"Sei vorsichtig", sagte er noch in das Handy, dann öffnete er das Tor und ich spazierte heraus. Er blickte mir hinterher. Sorgenvolles Gesicht. Ahnte er Ärger für sich oder hatte er Angst um mich? Das würde ich wohl nie erfahren. Ich ging zu meinem Leihwagen, fütterte das Navi, und fuhr los. Das Haus lag an der Gabelung zweier Straßen. Gut gelegen für eine Flucht. Mit einem Geländewagen könnte man sogar den Hang hochfahren, da gab es eine Schneise ohne Bäume. Es wurde bereits dunkel. Ich parkte das Auto etwas abseits hinter der dort stehenden Scheune, sodass es vom Haus und von der Straße aus nicht zu sehen war, und ging dann zum Haus hin. Ein uraltes Haus aus Natursteinen, typisch für diese Gegend. Es gab zwei Türen, beide verschlossen. Ich ging zur Scheune. Auch deren Tor war verschlossen. Was nun? Ich ging zum Haus zurück. An beiden Türen klebte so ein Aufkleber. Offenbar ein Polizeisiegel. Es war in Italienisch. Ich wollte auch gar nicht wissen was dort darauf stand, ich wollte ja rein. Eines des Schlösser war ein Sicherheitsschloss, das andere an der Seite so ein altes Schloss. Ich ging wieder zur Scheune. Hinter der Scheune lag ein wenig Müll herum, wie das so üblich ist. Und ich fand dort ein Stück Draht. Das könnte helfen! Ich bog eine Weile daran herum, bis es mir geeignet schien, und versuchte es an der Tür.

Ich habe ziemlich lange geflucht, viele S-Wörter benutzt. Aber plötzlich war es offen! Ich durchtrennte das Siegel, drückte die Klinke, und war drin! Aber es war nur eine Art Vorraum, in dem Kochutensilien standen. Töpfe und so. Aber es gab noch eine weitere Tür in diesem Raum. Auch hier konnte ich meinen Draht benutzen und nach vielleicht gerade mal fünf Minuten hatte ich auch diese Tür geknackt. Ich öffnete sie, und stand in einer Art Wohnzimmer. Hier hatte eindeutig jemand gewohnt, wie ich selbst im schwachen Dämmerlicht erkennen konnte. Ich suchte den Lichtschalter und betätigte ihn. Es ging! Hier hatte noch niemand den Strom abgestellt. Als Nächstes zog ich aber erst mal alle Vorhänge zu. Musste ja niemand wissen, dass da jetzt wer im Haus drin ist. Das sah hier so richtig nach Junggesellenbude aus. Wurde ewig nicht mehr saubergemacht. Ich suchte ein wenig herum, auch in den Schränken, hier war nichts. Alles ratzekahl leer. Da sah ich eine weitere Tür. Ein Flur dahinter. Kleine Küche, kleines Bad. Auch ziemlich schmuddelig. Und die Tür geradeaus ging in eine Art sehr großen Wirtschaftsraum.

Kahle Wände, lange leere Tische, leere Regale. Hier gab es nichts von Interesse. Stopp, halt. Da war was im Papierkorb. Geschreddertes Papier. Leider wirklich alles geschreddert, kein einziger brauchbarer Zettel dabei. Aber vielleicht könnte ich ja ...? Ich suchte und wurde fündig. Da lag so eine Rolle mit Mülltüten. Ich nahm eine davon und stopfte den Inhalt des Papierkorbes da rein. Den Beutel warf ich schwungvoll vor die Tür, den würde ich nachher mitnehmen. Wenigstens etwas. Ich ging noch mal rein. Im Wohnzimmer fiel mir etwas auf. Eine Stelle auf dem Teppich. Ich klappte den Teppich hoch und fand eine Falltür. Diese öffnete ich. Eine Treppe führte nach unten. Hier war kein Licht und so kam mein Handy wieder zum Einsatz. Ich ging hinunter, Stufe für Stufe, ängstlich. Was würde hier sein? Ich fand aber nur drei Kellerräume, die leerer nicht sein könnten als leer. Ich war ein wenig enttäuscht. Ich hatte mir mehr erhofft. Aber vermutlich hatte die Polizei alles mitgenommen.

Auf ein mal ertönte: "Polizia!"

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Teil19: Erwischt!

Es folgte ein weiterer Wortschwall in Italienisch. Ich schaute zur Stimme hin. Eine Gestalt mit blendender Taschenlampe am Fuße der Treppe war zu sehen. Ich erschrak mich.

"Ich bin Deutsche! I'm german!"

"Umdrehen! Hände an die Wand!", ertönte es in fehlerfreiem Deutsch mit leichtem Akzent. Die Gestalt kam an mich heran und tastete mich ab. Sie hatte noch nicht mal scheu vor meinen Hügeln. "Wer sind sie? Was wollen sie hier?" Es waren harsche Worte.

"Ich bin Sandra Neuhaus. Ich erhoffte hier Informationen über den Verbleib meines Stiefsohnes zu bekommen."

"Und da brechen sie hier einfach ein?"

"Eingebrochen bin ich nicht! Ich habe geklopft, es war keiner da, da bin ich rein." Gute Lüge Sandra, sagte ich mir.

"Und was ist mit dem Siegel?"

"Welches Siegel?"

"Na die bedruckte Klebefolie an der Tür!"

"Ach das! Das war doch schon abgerissen!"

"Komisch. Heute Morgen war es noch intakt."

"Also ich war es nicht. Wie oft fahren sie denn vorbei?" Mal sehen, ob es funktionierte, wenn ich die Fragen stelle.

"Jeden Tag zweimal. Zum Dienst und vom Dienst. Und hier habe ich jetzt Licht gesehen, deshalb hab ich angehalten. Haben sie hier was entwendet?"

"Sehen sie hier was? Hier ist alles leer. Ich habe jedenfalls nichts gefunden. Schauen sie in meinen Rocktaschen nach!"

"Hab sie schon abgetastet. Was mache ich denn jetzt mit ihnen?"

"Freilassen?"

"Geht nicht. Ich muss sie melden und überprüfen. Aber ich hab keine Lust den weiten Weg zur Hauptdienststelle zurück zu fahren. Die in unserem Außenbezirk ist nicht mehr besetzt. Aber ich könnte sie ..." Seine Augen flitzten hin und her, schienen in seinem Inneren nach Licht zu suchen.

"Was denn?"

"Mit zu mir nach Hause nehmen."

"Und mich da vergewaltigen?"

"Quatsch! Was halten sie von mir? Außerdem wird meine Mutter auf mich aufpassen."

"Sie wohnen noch bei ihrer Mutter?"

"Geht ja nicht anders. So los, hoch!" Ich ging hinter ihm die Treppe hoch. Jetzt, im Licht, konnte man ihn besser sehen. Es war ein Polizist in Uniform. Ganz jung. Vielleicht so an die 25, 26. Er ging schnurstracks zum Ausgang und durch die Tür, ich dann auch. Er holte einen Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür des Hauses zu. Ich schaute mich um, wohin ich flüchten könnte. Er las wohl meine Gedanken. "Wie schnell laufen sie 100 Meter? Ich in elfeinhalb Sekunden. Also denken sie nicht mal dran!" Das war deutlich. Aus der anderen Tasche holte er eine Rolle, und versiegelte wieder die Tür. Und er machte vorher noch ein Handyfoto vom gebrochenen Siegel. Dann ging er zu seinem Auto. Es war kein Polizeiauto, sondern ein uralter Fiat Uno. "Ab ins Taxi!", sagte er, und öffnete die Tür hinten. Ich schlüpfte hinein. Er griff meine Arme, auf ein mal machte es 'klick' und ich war an der Kopfstütze mit einer eisernen Acht gefesselt. Mist! Er fuhr los.

"Wieso können sie so gut deutsch?", fragte ich.

"Das ist meine Muttersprache. Meine Mutter stammt aus Bozen. Wir sind vor zehn Jahren hierhergezogen."

"Und ihr Vater?"

"Der ist gestorben. Darmkrebs."

"Das tut mir leid." Er schwieg jetzt, was wohl auch ein wenig daran lag, dass die kurvige Strecke jetzt anspruchsvoller wurde. Ich fummelte während dessen ein wenig herum und schaffte es, die Kopfstütze herauszuziehen. Er bekam es gar nicht mit, es war ja dunkel. Ich legte die Kopfstütze neben mich auf die Rücksitzbank. Eine Viertelstunde später waren wir in einer kleinen Streusiedlung angekommen. An 4, 5 Häusern waren wir vorbeigefahren und nun ging es rechts weg. Schon nach fünfzig Metern waren wir da und er fuhr in eine kleine Hofeinfahrt rein, bei der das Tor offen war. Er stellte den Motor aus, stieg aus, und öffnete die hintere Tür. Er wollte sich schon zu mir herunterbeugen, aber ich schnallte mich selber ab.

"War bequemer so", sagte ich. Wegzulaufen machte aber keinen Sinn. Erst einmal war er schneller, und außerdem kannte ich mich hier nicht aus. Ich stieg aus und ging zum Hauseingang vor. Er bekam große Augen. Er sperrte das Auto ab, holte noch eine Sporttasche aus dem Auto, ich hatte mittlerweile geklingelt. Ich hatte den Knopf noch gar nicht losgelassen, da wurde die Tür schon geöffnet und eine Frau, vielleicht so alt wie ich und mit schwarzen langen Haaren, aber einigen grauen Strähnchen, schaute mich erstaunt an. "Ich bin die Jagdbeute von", ich schaute zur Seite. "Sag mal, wie heißt du eigentlich?"

"Ricardo", schallte es von unten.

"Also die Jagdbeute von Ricardo."

Auf den Lippen der Frau bildete sich ein Lächeln, welches sich sekundenschnell in ein Grienen verwandelte. "Seit wann jagt er denn Frauen?"

"Weiß nicht. Hab ihn gerade erst kennengelernt."

Mittlerweile war er auch da. "So, rein jetzt!"

"Sag mal, wie sprichst du denn mit dieser netten Frau?"

"Mutti, das ist 'ne Festgenommene. Hatte nur keine Lust noch mal zur Dienststelle zu fahren und sie war damit einverstanden. Waren sie doch, oder?"

"Und wenn ich jetzt nein sage?" Ricardo rollte mit den Augen. "Ist ja gut. Also er hat recht. Es war mehr oder weniger freiwillig. Zumindest diese Variante."

"Gut, komm rein", sagte sie. "Möchtest du was essen?"

"Klar. Ich bin übrigens Sandra."

"Angenehm. Ich bin Janine." Ich nickte ihr zu und ging ihr hinterher. Ricardo folgte.

"Da, setz dich. Was hast du denn ausgefressen?"

"Keine Ahnung. Er meint ja, dass ich was ausgefressen hätte! Jetzt will er mich durchchecken. Also überprüfen. Morgen, denke ich. Er hat mir verboten zu flüchten."

"Und, hältst du dich dran?"

"Mal sehen. Wenn das Essen gut ist."

"Glaub mir, das ist gut." Ricardo hatte seine Sporttasche irgendwo oben verstaut und kam jetzt auch wieder herunter.

"Was gibt's denn?", fragte er seine Mutter Janine, schaute aber mich dabei an.

Janine griente. "Die Sandra gibt's nicht, aber Pasta."

"Auch gut", sagte er, ohne eine Miene zu verziehen und ohne den Blick von mir zu nehmen.

"So tolle Pasta hast du noch nie gegessen. Lass es dir schmecken!", sagte Janine, nachdem sie mir was aufgetan hatte.

Ich kostete. "Wow, das sind die besten Nudeln, die ich jemals gegessen hatte!"

"Sag in Italien niemals Nudeln!", meldete sich jetzt Ricardo. "Das heißt hier Pasta! Wir sind in Kernitalien."

"Ach nein! Hätte ich gar nicht gemerkt!"

"Wieso bist du eigentlich alleine unterwegs? Hast du keinen Mann?", fragte mich Janine.

"Doch, aber ich bin Witwe, wie du."

"Ach, hatte er etwa auch Krebs wie mein Mann?"

"Sozusagen ja. Sein Krebs hieß Untreue und in kriminelle Geschäfte war er auch verwickelt. Er hatte dann einen Unfall, hier ganz in der Nähe. Ist in eine Schlucht gestürzt."

Ricardo hörte mit dem Essen auf und schaute mich überaus erstaunt an.

"Wie heißt du denn?"

"Hab ich doch gesagt! Sandra."

"Nein, ich meine den Nachnamen."

"Hab ich vorhin auch schon gesagt. Neuhaus."

"Dann heißt dein Mann Uwe?"

"Ja. Woher weißt du das?"

Man sah, er kämpfte mit sich. Würgereiz. Dann stand er ruckartig auf und lief irgendwo hin. Man hörte Geräusche. Eindeutige Geräusche. Dann spülen und laufendes Wasser. Erst nach einer Weile kam er wieder, kreidebleich, und setzte sich an den Tisch, aß aber nicht mehr weiter. Wir beide, seine Mutter und ich, schauten ihn an, ich eher auffordernd, Janine mitfühlend. "Es war mein allererster Einsatz nach der Polizeischule. Das wird man nie wieder los. Das Wrack total deformiert, Türen abgerissen, und ... alles voller Blut." Seine Stimme stockte.

"Ricardo, ist vielleicht besser das der Sandra nicht zu erzählen, wenn es dich schon so belastet, wie soll es erst bei ihr sein!"

"Ich will die Stelle sehen!" Das sagte ich mit Nachdruck.

"Was willst du denn da?", fragte Ricardo jetzt sehr unwirsch.

"Ich will mir da selbst ein Bild machen. Außerdem fehlen noch Sachen. Handy, sein Notizbuch, und noch ein paar Kleinigkeiten, die er bei sich gehabt haben müsste."

"Du weißt aber schon, dass der auch Drogen im Auto hatte, ja?"

"Ja, das weiß ich. Die Polizei in Deutschland hatte mich da deswegen auch in der Mangel. Und ich weiß auch, dass in dem Haus wo du mich aufgespürt hast das Labor für diese Drogen war."

"Kleine Hobbydetektivin, oder was?"

"Ja. Ich will diesen Solco finden. Er ist für den ga ..."

"Was? Lass mal lieber die Finger von dem! Der ist gefährlich! Kurze Lunte. Der hat schon einige krankenhausreif geprügelt!"

"Nun lass die Sandra doch! Sie wird schon wissen, was sie tut. Ist doch kein kleines Mädchen mehr."

"Das sehe ich!"

"War das jetzt nett gemeint oder nicht?", fragte ich ihn. Ricardo antwortete nicht, saß nur da, grummelte ein wenig. "Fährst du mich morgen hin?", setzte ich nach.

"Ich hab doch Dienst!"

Janine mischte sich ein: "Jetzt sei mal nicht so abweisend zu der Sandra! An ihrer Stelle würde ich auch den Ort sehen wollen. Außerdem hast du doch erst um 14 Uhr Dienstbeginn."

"Na gut, ich überleg's mir. Ist schon spät. Wir sollten schlafen gehen. Und wehe, du haust ab!"

"Großes Ehrenwort. Wo die Nu ... Pasta so fantastisch geschmeckt hat, dürfte ich das gar nicht."

"Danke für das Lob, Sandra. Kannst oben hin neben Ricardos Zimmer. Ist das Besucherzimmer", sagte Janine.

"Danke. Gute Nacht."

Ich stand auf und Ricardo brachte mich zum Zimmer. "Wehe!"

"Gute Nacht!" Ich drückte ihm unvermittelt einen Kuss auf die Wange, ließ ihn verdutzt stehen, und machte die Tür zu. Wie lange würde er jetzt wohl davor stehen bleiben, und überlegen mich einzuschließen oder mir doch Handschellen anzulegen? Da fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste, wo hier die Toilette war. Gab es überhaupt eine auf dieser Etage? Ich öffnete daher vorsichtig die Tür, hätte ja sein können, dass sein Auge am Schlüsselloch hing. Aber er war wohl auch schon in seinem Zimmer. Ich öffnete eine Tür. Die war es nicht. Es war so eine Art Bügelzimmer. Die nächste Tür. Oops. Da stand er, mit nacktem Oberkörper. Sah knackig aus. Genau mein Beuteschema. Mein Jagdinstinkt erwachte kurz, aber ich konnte ihn unterdrücken. "Entschuldigung. Wo ist denn hier die Toilette?"

"Nächste rechts!" Mit Unschuldsmiene machte ich die Tür wieder zu, erleichterte mich auf dem Örtchen, und ging dann schlafen. In einem Rutsch, wie immer, wenn ich einen anstrengenden Tag hatte. Am Morgen strahlte mir die Sonne ins Gesicht. Ich ging ins Bad. Es stand dort ein Becher und eine original verpackte Zahnbürste lag auch da. Und ein neues Handtuch hing über der Duschkabine. Was für ein Service! Und das für eine von ihm vermutete Straftäterin! Also gönnte ich mir die Dusche, putzte mir die Zähne, zog mich an, und ging in die untere Etage. Dort war Ricardo bereits mit seiner Mutter im Gespräch. "Magst du Toastbrot?", fragte er mich. Ich fand es schön, dass er bei Du geblieben war.

"Klar, gerne. Ich bin eine Süße, also mit Marmelade."

Er grinste. "Das hatte ich mir schon gedacht!" Leider oder besser zum Glück war keine blonde Polizistin mit Zopf hier die fragte, ob das hier jetzt eine Flirt-stunde wird. Nur seine Mutter Janine. Die schaute zwar ein wenig, hatte aber wohl scheinbar nichts dagegen.

Zu Janine sagte ich: "Danke für das Handtuch und die Zahnputzsachen."

"Das war ich!", sagte Ricardo. "Und du weißt schon, dass man so eine Badtür auch zuschließen kann?" Dazu grinste er. Es war nicht diese überhebliche Art Grinsen, sondern die Gentleman-Like-Art.

Ich war aber nicht auf den Mund gefallen. "Dann hättest du aber nicht gucken können!"

Janine schaute erst nur staunend von mir zu Ricardo hin und her, sagte dann aber tadelnd nur ein Wort: "Ricardo!" Das reichte und er löste seinen Blick von mir. Die erotische Stimmung zwischen uns war mit den Händen greifbar und das hatte Janine mit ihren feinen Antennen sicherlich mitgekriegt. Es war komisch, aber obwohl er eine Bedrohung für meine Vorhaben war, hatte ich es genossen von ihm so angestarrt zu werden. Ich setzte mich an den Tisch und wir frühstückten. Nadine erzählte mir dabei ein wenig ihre Lebensgeschichte und dann die von Ricardo auch gleich mit. Sie hatten kein so einfaches Leben wie ich gehabt, alle beide nicht. Immer Kampf, vor allem finanzieller Art, und immer viel Arbeit.

Dann waren wir fertig und Ricardo mahnte zum Aufbruch. "In 10 Minuten geht's los. Mach dich fertig!"

"Jawohl Herr Wachtmeister!"

"Das heißt hier nicht Wachtmeister!"

Ich wollte beim Abräumen helfen, aber Janine sagte: "Lass, das mach ich schon. Musst auch das Bett nicht abziehen. Das hat eh noch Zeit."

Ich ging nur noch auf das Örtchen, zog meine Schuhe an, und sagte zu Janine "Danke für alles! Dein Sohn ist ein Guter!"

"Stimmt, das ist er. Dir alles Gute und ich hoffe, du kannst damit abschließen." Dann umarmten wir uns noch.

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Teil20: Ein emotionaler Ausflug

Dann kam Ricardo. "Komm, Abflug!" Ich folgte ihm einfach zum Auto. Er schloss das Auto auf, machte weiter keine Anstalten. So setzte ich mich einfach auf den Beifahrersitz.

"Keine Handschellen diesmal?"

"Nein. Ich glaube dir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand anderes als die Ehefrau die Unfallstelle sehen will. Also wird dein Ausweis, den du mir noch gar nicht gezeigt hast, dann wohl echt sein."

"Willst du ihn sehen?"

"Schon gut." Er fuhr los. Gleich zu Anfang ging es eine sehr kurvige Strecke entlang. Wir fuhren so bestimmt an die zehn oder fünfzehn Minuten, dann wurde es kurz gerader, und man konnte schneller fahren, bis dann wieder eine Kurve kam, sehr lang gestreckt. Am Anfang davon war ein kleiner Parkplatz. Mit am Schluss blockierenden Reifen fuhr Ricardo auf diesen Parkplatz.

"Was nun?", fragte ich.

"Hier ist es." Ich schaute kurz erstaunt, dann stieg ich aus. Ricardo blieb noch sitzen. Ich wollte schon fragen 'Kommst du?', dann erinnerte ich mich aber an seine Reaktion beim Essen gestern Abend.

Ich öffnete seine Tür. "Es verfolgt dich immer noch, oder? Soll ich alleine hin? Wo ist die genaue Stelle?"

"Da vorne, wo die Leitplanke neu gemacht ist." Ich wollte schon losgehen, aber er sagte: "Warte! Ich komm mit." Es musste ihn viel Überwindung gekostet haben. Wir gingen los, ich vorneweg, er hinter mir, hier war ja eine befahrene Straße. Er hatte sich so ein Leuchtdings angezogen, auf dem sogar 'Polizia' stand. Nach etwa 200 Metern kamen wir an. Jetzt wurde mir doch ein wenig mulmig. Alleine das Wissen, dass er von hier aus in den Tod gestürzt war. Es war, wie es diese Zeugen beschrieben hatten. Hinter dieser Stelle zog sich die Kurve wieder sehr eng zu. Man würde es nicht schaffen, ohne zu bremsen hier durchzukommen. "Hier sind sie durch die Leitplanke durch", sagte er, und zeigte auf das Ende der ausgebesserten Stelle. Ich stieg über die Leitplanke. "Wo willst du hin?", rief er.

"Na ich will mir das anschauen!" Er fluchte, kam mir dann aber hinterher. Es ging einen Höhenmeter steil runter, dann kam ein weniger steiler, breiter Buckel, weiter konnte man nicht schauen da es dahinter wieder steiler herunterging. Die Schlucht zog sich bogenförmig um diesen etwa sechzig bis siebzig Meter langen Geländebuckel herum, der so etwa 30 Prozent Gefälle hatte. Ich ging weiter Richtung steilen Abhang. Einige Steine lagen auf dem Buckel, alle etwa kopfgroß.

Er zeigte auf einen von denen. "Da ist sie gegen und dann noch einen halben Meter weiter gerutscht. Und er mit dem Auto dort runter." Wenn man genau hinsah, konnte man sogar noch Furchen von den Reifen erkennen. Es war kurz vor dem Ende dieses Buckels, ein wenig seitlich nach rechts. Andächtig schaute ich auf die Stelle.

"Mir wurde berichtet, sie ist über eine Wiese geschlittert!"

Er griente. "Das ist ja auch eine Wiese. Eine mediterrane Wiese. Man nennt es Maccie oder Maccia. So etwas wie eine Steppenwiese mit Zwergsträuchern. Es war eine hübsche blonde Frau. Was ist mit ihr passiert?" Ich erinnerte mich, wie schrecklich ich bis vor kurzem noch mit ihr umgegangen war, und mir kamen die Tränen in die Augen. "Ist sie ... ist sie etwa tot?" Er war jetzt leichenblass.

"Nein. Sie ist ins Wachkoma gefallen. Ihr Freund meinte aber vor kurzem, sie reagiert jetzt langsam wieder auf Reize. Ich war auch mit ihr befreundet, bis sie mit meinem Mann getürmt ist. Und ja, sie war hübsch. Hübsch und jugendlich. Genau die Art von Frau, auf die Männer in der Midlifecrisis fliegen."

"Ich wäre auch auf sie hereingefallen, glaub ich." Ich reagierte darauf nur mit einem Lächeln und dachte mir: 'Männer!' Dabei war ich mittlerweile ja auch nicht viel anders. Ich ging zum Rand des Buckels, da wo die Reifenfurchen zu sehen waren.

"Hier ist er also runter, ja?" Er nickte. Ich fing an, eine Stelle zu suchen, wo man runter konnte. Dort, etwa zwei, drei Meter links schien es mir geeignet zu sein.

"Was machst du da?"

"Na ich will nach unten. Muss nach unten."

"Das geht dort aber nicht!" Ich hatte aber bereits einige Tritte nach unten gemacht. "Sandra, lass das!!! Das ist gefährlich und rutschig."

Ich fing an zu heulen. "Wie kann ich denn sonst dort runter?"

"Wieso musst du denn da überhaupt hin?"

"Ich muss es halt!"

Er seufzte. Man konnte genau sehen, was er jetzt dachte. Es war: 'Frauen!', und zwar mit wesentlich mehr als nur einem Ausrufezeichen. "Es geht nur von dort aus, wo wir damals rein sind. Vom Ausgang der Schlucht aus. Das ist aber auch anstrengend und mit ein wenig Kletterei verbunden."

"Fährst du mich da hin?"

Er seufzte. "Ja. Ich komme mit."

"Danke!" Mittlerweile hatte ich mit heulen aufgehört und wir gingen zurück zum Parkplatz, zum Auto. Wir fuhren noch etwa 5 Minuten und dann fuhr er seitlich in eine nicht offizielle Parkstelle hinter einer Brücke rein, grade groß genug für ein Auto, legte das Blaulicht auf das Armaturenbrett und ein Schild 'Polizia'.

"Hier ist es!" Vor der Brücke auf der anderen Seite ging es eine Böschung hinunter und dann standen wir in so einer Art Schlucht, nicht tief, aber unregelmäßig, und vor allem ohne richtigen Weg. Bloß gut, dass ich keine Stöckelschuhe, sondern Sneaker anhatte. Da er zögerte, ging ich einfach vor. Es war ziemlich anstrengend. Oft musste man zwei Meter hoch klettern, allerdings waren die Felsen griffig. Allerdings hatte ich so etwas noch nie gemacht. Aber ein innerer Trieb jagte mich immer weiter. Dann kam endlich mal eine längere Gerade. Also so etwas nur leicht ansteigendes, als Boden so eine Art Kiesbett. Es sah alles danach aus, als ob hier zumindest periodisch Wasser fließen würde. Ich blickte mich um und erwischte ihn.

Sogleich lächelte ich ihn an, trotz der Anstrengung, in der ich mich gerade befand. "Vorsicht! Von hinten bin ich genauso attraktiv wie von vorne." Er wurde rot im Gesicht, antwortete aber nicht. Weiter ging's. Schwer atmend kämpfte ich mich nach oben, wie von einem unsichtbaren Band gezogen. Meine Beine taten mir schon lange weh, aber ich musste das einfach tun! Wieder kam ein kurzes flacheres Stück ohne Klettereinlagen oder Steinstufen. Ein kurzer Blick. Wieder erwischt. "Na, hast du dich schon verliebt in mich?"

Auch er lächelte jetzt. "Falls ja, bräuchte ich es nur nicht zugeben, dann würde mir schon nichts passieren."

"Vielleicht passiert auch mit zugeben nichts. Jedenfalls nichts Schlimmes." Schlimm wurde jetzt dagegen der Weg. Immer steiler wurde es, keine flache Stelle mehr zum Ausruhen. Mir hing schon die Zunge zum Hals heraus, also ich hatte Durst, und Luftknappheit ebenso. Plötzlich, ich wollte schon fast aufgeben, kam doch noch eine flache Stelle, diese war sogar ziemlich lang, und machte einen Bogen. Dann kam noch mal eine kurze Steilstufe.

Ich war schon etliche Meter weiter gestapft während Ricardo sich noch hochhievte, da sagte er: "Stopp! Hier ist es!" Er zeigte nach oben, auch hier waren an einigen Stellen Spuren der Reifen zu sehen. Aber sehr tiefe Spuren, weil das Auto da ja mit Karacho runter gerauscht ist. Die Felsen ragten gut und gerne 40 Meter oder mehr neben uns auf. "Hier lag es!" Er zeigte auf eine Stelle. Tatsächlich lagen hier noch etliche Splitter aus Plastik und Glas herum. In mir machte sich ein Engegefühl breit. Jetzt war mir auch klar, warum ich beim Aufstieg hierher herumgealbert hatte: Ich musste mir selbst vorspielen, dass es schon nicht so schlimm werden würde. Aber das wurde es! In diesem Moment wurde mir klar, dass hier, genau an diesem Punkt, Uwe sein Leben ausgehaucht hatte. Mit Wucht kam die Erkenntnis in mein Hirn. Augenblicklich musste ich weinen. Und das richtig intensiv! Ich schluchzte und Unmengen an Tränen liefen aus meinen Augen. Ich setzte mich auf einen großen Felsbrocken und ließ den Gefühlsausbruch über mich ergehen. Keine Ahnung, wie lange er dauerte. Vielleicht drei oder vier Minuten? Ich hätte nie gedacht, dass mich das nach so langer Zeit noch so stark mitnimmt.

Endlich nahm ich Ricardo wieder wahr. Er saß auf einem anderen Felsbrocken und sah mich erschrocken und mitleidig an. "Sollen wir besser wieder gehen?", fragte er.

"Nein, geht jetzt wieder. Es ist so lange her aber trotzdem ... trotzdem er mir so weh getan hatte liebe ich ihn wohl noch immer noch ein wenig. Wie geht es dir?"

"Schön, dass du fragst. Ich hatte natürlich auch einen Flashback. Das hatte mich ja auch ganz schön mitgenommen als ich am ersten Tag meines Polizeidienstes gleich so etwas Krasses sah. Ich wollte schon aufhören, hab es aber nicht getan. Mittlerweile kamen aber noch viele andere Tote dazu. Trotzdem nimmt es einen jedes mal ein wenig mit. Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen."

"Hast du viel von ihm gesehen?"

"Nicht viel. Er war total zerschmettert, alles voller Blut. Der Leichenfledderer hat gesagt, er war sofort tot."

"Sein Glück. Das tröstet mich ein wenig."

"Was machen wir jetzt? Zurück?"

"Nee. Wir suchen! Handy, Notizbuch, Kleinigkeiten."

"Na dann an die Arbeit." Er ging suchend am Rand des Steilhanges entlang, ich suchte die Schlucht weiter innen ab. Es dauerte nicht lange. Unter einem Felsbrocken lag etwas.

"Fund!", rief ich, und hob das Notizbuch in die Höhe, nahm es mit mir. Dann suchte ich weiter.

Auch Ricardo rief "Fund!" Er hielt eine Sonnenbrille in die Höhe. Ich entdeckte eine tiefe Spalte. Ich nahm mein Handy und leuchtete rein. Da lag tatsächlich etwas. Ich angelte und erwischte das Ding. Ein Handy. Sein Handy vermutlich. Das Display total gesplittert und auch das Gehäuse war nicht mehr ganz, aber es schien seines zu sein. Ich blickte zu Ricardo. Seine Aufmerksamkeit war auf eine andere Stelle gerichtet. Ich steckte das Handy an der Bluse vorbei in meinen BH, suchte weiter. Am Schluss fand ich tatsächlich noch was. Ein Feuerzeug von Mattsinvest. Uwe rauchte nicht, hatte so was aber immer als Werbegeschenk dabei.

"Fund!", rief ich. Ein paar Minuten suchten wir noch, fanden aber nichts mehr. Ich zeigte ihm die beiden gefundenen Sachen, aber natürlich nicht das Handy. Ich hoffte, man sah es nicht unter dem Kleid und dem BH.

"Lass uns zurückgehen", sagte Ricardo.

Kurz zögerte ich noch, den Ort zu verlassen, wo Uwe gestorben war, schaute mir noch einmal alles an und prägte es mir ein. Ich zückte auch mein Handy und machte einige Fotos. Ricardo war super-einfühlsam und wartete ganz brav auf mich. Dann startete ich den Rückweg. Schon an der ersten Geländestufe zögerte ich. War der Aufstieg nach hier oben zwar schwer, aber schaffbar gewesen, schien es nahezu unmöglich zu sein, hier wieder herunterzukommen. Ricardo half mir aber. "Lass mich vorgehen! Ich helfe dir!" Er legte los und war in gefühlt drei Sekunden die zwei Meter nach unten geklettert. "Siehst du den Vorsprung da rechts? Da stellst du das rechte Bein drauf! Nein, nicht so herum! Du musst rückwärts heruntergehen! Ja, so! Und jetzt das linke auf die Traverse links! Ja, super, genau so! Und nun den rechten Fuß in die breite Spalte!" Puh, geschafft!

Das hätte ich nie gedacht! Der Abstieg schien eine gefährliche Sache zu sein. Und plötzlich fiel mir ein Gedanke ein. Der hatte mir ja voll unter das Kleid schauen können! Allzu lang war es jedenfalls nicht. 'Soll er doch! Ich mag das!' Das war ja klar, dass sich meine Untermieterin wieder meldete! Und das in so einer Situation! Weiter ging es. Ich war heilfroh, dass Ricardo voranging. Und irgendwann auch wegen der Blicke. Ich hatte es ja auch selbst provoziert mit meinen Bemerkungen beim Aufstieg. Am Schluss ging es dann aber schon ein wenig besser und ich fand meistens selbst die Stellen, wo man drauf treten oder sich festhalten musste, um heil herunterzukommen. Endlich waren wir unten angekommen. Ich hatte das Gefühl, dass es genauso lange gedauert hatte wie der Aufstieg oder sogar noch länger.

Unten sagte ich: "Danke für die Hilfe. Alleine hätte ich das nicht geschafft!"

Ricardo schaute mich aber bewundernd an. "Du hast das wie eine Gazelle gemacht!" Er schmunzelte dabei aber.

"Du sollst mich nicht verarschen!"

"Nein, ganz und gar nicht! Ich hab nur ein wenig übertrieben. Aber meine Kollegin, die damals mit war, die hatte sich viel blöder angestellt und hatte gezittert wie Eichenlaub!"

"Espenlaub heißt das", sagte ich.

"Oh, Verzeihung, ihre Majestät!", sagte Ricardo und lachte dabei.

"Und, welche Farbe hat mein Slip?" Schweigen. "Glaub mal nicht, dass ich das nicht gesehen habe!"

Er zögerte lange, dann sagte er endlich: "Schwarz, klein, und sexy."

"Sexy, ja?" Ich trat an ihn heran, bis unsere Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. Unsere Augen sprangen hin und her. Ich war mir sicher, dass meine Augen dabei funkelten. Und die da unten wusste natürlich mal wieder genau, was sie wollte. Der Kampf Nord gegen Süd war schnell entschieden. Wenn sie in Wallung geriet, hatte mein Gehirn nichts mehr zu melden. Sie gab mir den Befehl, ihn zu küssen. Das tat ich, aber er drückte mich weg und funkelte mich wie wütend an.

"Was soll denn das!"

"Erzähl mir jetzt nicht, dass du nicht mit mir schlafen willst!"

"Will ich nicht!"

"Aber ficken, ja? Ficken willst du mich!" Er gab keine Antwort. "Wusste ich's doch! Komm, wir fahren ins Hotel." Er reagierte nicht. "Willst du mich hier stehen lassen?" Er schüttelte den Kopf. "Na dann!" Ich ging die Böschung hoch bis zum Auto, wartete an der Beifahrertür. Er machte einen total verunsicherten Eindruck, öffnete dann aber das Auto, und ich setzte mich einfach den Beifahrersitz, schaute stur nach vorn.

"Wo ist denn dein Hotel?", fragte er.

"Da wo es für dich am einfachsten ist zum Hinfahren. Hab noch keins gebucht." Er raufte sich die Haare. "Wo ist denn dein Problem? Hast du Angst vor einer Beziehung? Ich will keine! Oder bist du schwul?"

"Nein. Bin nicht schwul!"

"Was dann?"

"Weiß nicht. Ich bin jung. Und du bist älter."

"Na und? Ich werde deiner Mutter auch nichts erzählen."

"Das ist es nicht!"

"Ach, ich weiß: Du hast eine Freundin!"

"Nein! Ich ... ich hatte."

"Frisch getrennt? Tut mir leid. Dafür wäre das aber auch das Richtige. Zumindest kurzzeitig wirkt es."

"Wieso gerade ich? Wieso willst du so einen jungen Mann wie mich?"

"Ich nehme oft junge Männer! Und nur welche die mir auch gefallen. Das sollte beide Fragen beantworten."

"Na gut!" Er startete den Motor, wendete, fuhr los. Ein, zwei Minuten schwiegen wir, dann fing er an zu erzählen. "Sie heißt Linetta. War eine Kollegin auf der Wache. Wir waren zwei Jahre zusammen. Dann hatte sie einen Einsatz. Nein, nicht mit mir. Mit einem anderen Kollegen. Es gab einen Schusswechsel mit einer Bande."

"Oh Gott! Ist sie gestorben?"

Er schüttelte den Kopf. "Nein, das nicht. Sie wurde ins Bein getroffen und kam ins Krankenhaus. Ich hab sie jeden Tag besucht. Aber als sie wieder nach Hause kam, da hatte sie mit mir Schluss gemacht. Einfach so! Ich weiß noch nicht mal wieso! X-mal hab ich sie gefragt, aber jedes mal hat sie dicht gemacht."

"Hat sie einen anderen?"

"Angeblich nicht."

Ich seufzte für ihn. "Weißt du, vielleicht gibt es gar keinen wirklichen Grund. Frauen treffen manchmal merkwürdige, scheinbar unlogische Entscheidungen. Aus dem Bauch heraus. Mach dir da nichts draus. Ich bin auch so, manchmal." Ich lächelte ihn dabei an, da er gerade zu mir herüberschaute. Ich schob meine Hand an sein Lustdreieck.

"Mach das nicht! Das ist gefährlich!"

"Weiß ich. Hatte die das bei meinem Ehemann auch gemacht?"

"Keine Ahnung. Soweit hab ich das nicht gesehen." Hmm. Ich nahm mir vor, Ellen noch mal explizit danach zu fragen. Ich ließ erst mal die Finger von ihm. Wir fuhren weiter, erst an dem Ort vorbei wo er wohnte, dann kamen wir auch an dem Haus vorbei, wo mein Leihwagen noch stehen müsste, und bald darauf kamen wir in den Außenbezirken von Salerno an. Er hielt vor einem Hotel. Es sah klein aus, eher familiär.

"Nehmen wir das?", fragte ich. Er war wieder ganz blass geworden, nickte aber. Ich stieg aus und er kam hinterher. Wir gingen in den Eingang rein. Keiner zu sehen. Ich drückte die Klingel. Dann kam eine sehr füllige Frau.

Sie fragte mich etwas in Italienisch. Natürlich verstand ich nichts.

Ricardo antwortete an meiner Stelle in Italienisch. Und fragte mich dann: "Wie lange willst du denn hier bleiben?"

Ich schaute auf die Uhr. "Bis morgen. Und ein Doppelzimmer." Wieder sagte er etwas zu der Frau. Die nickte, schob mir den Anmeldezettel hin. Ich füllte alles aus, wobei Ricardo nun endlich meinen Ausweis zu Gesicht bekam, und nahm den Schlüssel an mich. Die Frau zeigte auf ihn. Er schüttelte den Kopf. Die Frau nickte.

Ich fragte: "Kommst du?"

Er sagte noch was zu der Frau, dann folgte er mir. Kein Fahrstuhl. Wir gingen hoch. "Was hast du zu der Frau gesagt?"

Er lächelte mich an. "Dass du hier alleine übernachtest, wir aber noch was zum Zeugenschutzprogramm durchsprechen müssen."

"Zeugenschutzprogramm, ja?" Beidseitiges Grienen. Etage zwei. Mittlerweile hatten sich meine Beine aber wieder etwas erholt. Ich sagte "Sesam öffne dich!", schloss auf, und ging hinein. Gleich neben dieser Tür war das Bad. "Muss mal", sagte ich, und ging hinein, schloss aber die Tür hinter mir ab. Ich zog das kaputte Handy aus meinem BH und legte es in den Schrank unterhalb des Waschbeckens unter die Handtücher, ging auf Toilette, und wieder heraus. Er saß brav wie er war, und vollständig angezogen auf dem Bett. "Komm, duschen!", sagte ich. Ich machte im Bad das Warmwasser an, es würde wie in Hotels üblich dauern, bis es kam, und fing an, mich auszuziehen. Als er hereinkam, hatte ich mein Kleid gerade ausgezogen. Ich sah seine blitzenden Augen. Immer noch war er sehr zurückhaltend, passiv.

Ich ging einfach an ihn heran, knöpfte seine Uniformjacke auf, dann folgte seine Uniformbluse, die Hose, dann die Schuhe, die Strümpfe, endlich half er ein wenig mit, sonst wäre das ja nicht gegangen. Er hatte nur noch die Unterhose an, und ich nur noch den Slip und den BH, beides ziemlich dünne Teile, sexy aussehend. Wieder ging ich auf Zentimeterabstand an ihn heran, küsste ihn aber nicht, sondern drehte mich um und lehnte mich leicht an ihn. Ich wollte, dass er jetzt selbst aktiv wird. Endlich machte er was. Seine Hand ging an meine Brüste, er drückte sie, erst nur ganz leicht, dann aber fester. Mein Drücker ging auch an. Es war dieser Drücker zu meinem Innersten. Meldung zu meinem Lustzentrum. Es reagierte sofort. Ich drehte meinen Kopf so weit wie möglich nach hinten, zu ihm. Und endlich küsste er mich, küsste er mich richtig, knutschte endlich mit mir, wild, verlangend, keuchend und stöhnend. Wir beide.

Im Nu bildete sich unten eine Überschwemmung. Ein Sumpfgebiet. Und ein Sumpf voll hemmungsloser, schmutziger, dunkler Gedanken. Ich öffnete meinen BH, zog mir meinen Slip aus, ging in die Dusche. Gutes Timing, Wasser war warm. Da kam er auch schon zu mir mit rein. Sein Luststab signalisierte nun auch seine Lust. Wir lebten sie voll aus. Mal war der eine der Aktive, mal der andere. Und das auf unsere Körper perlende Duschwasser sorgte für ein besonders prickelnden Liebesakt. Alles lief aber noch ohne Penetration ab. Ich musste zu meiner Schande gestehen, ich hatte keine Kondome dabei. Die waren noch im Auto. Er ging dann, nachdem wir uns abgetrocknet hatten zu seiner Hose, holte ein Schlüsselbund heraus, und daran war so ein kleines Behältnis aus Plastik dran, wo ein Kondom drinnen war. Von außen konnte man nicht sehen, welcher Inhalt im Behältnis verborgen ist. Ich wartete mittlerweile im Bett auf ihn und signalisierte es auch durch meine Position, dass ich es jetzt ganz dringend brauchte.

Die nächste Stunde war ganz von unseren Stöhnlauten ausgefüllt, es fielen nur wenig Worte. Und dann kam er. Ich hatte schon nach kurzer Zeit meinen Orgasmus bekommen, mehr als diesen einen brauchte ich nicht. Wir streichelten uns hinterher noch eine ganze Weile. Er seufzte. "Ich muss langsam los zum Dienst."

"Ich hatte befürchtet, dass du das sagst, Liebster." Seine Augen funkelten. Fast sah es ... wütend aus. Er wollte schon was sagen, aber ich kam ihm zuvor. "Hereingelegt. Liebster für diesen Tag. Für diese Stunde. Aber du gefällst mir wirklich. Ich könnte mir sogar was Längeres mit dir vorstellen, aber ich will es nicht. Seit der Sache damals binde ich mich nicht mehr. Ich hoffe, du verstehst mich."

"Ist mir auch ganz recht, Sandra. Es war trotzdem wunderschön mit dir. Warum können nicht alle Frauen so unkompliziert sein?"

Ich ließ die Frage einfach offen. Vermutlich hatte er darauf sowieso keine Antwort erwartet. "Ricardo?"

"Ja?"

"Kannst du mir Kontakt zu den Zeugen verschaffen, die den Unfall damals gesehen haben?"

"Spinnst du? Ich kann dir doch nicht deren Adresse geben!"

"Die brauche ich auch nicht. Ich will mich nur mit ihnen treffen. In einer Gaststätte, was weiß ich!"

"Gut, ich schaue mal. Tipp mir mal deine Nummer in mein Handy ein!" Er gab es mir. Ich hinterlegte diese unter 'SandraN' und gab es ihm wieder. Zum Abschied knutschten wir noch ein mal miteinander. Ich wusste, wir würden uns vermutlich nicht wiedersehen. Ohne sich noch mal umzudrehen, ging er aus dem Zimmer. Ein paar Tränchen fanden den Weg in meine Augen. Ich war mir sicher, bei ihm würde es ganz ähnlich sein. Und dann wartete ich. Es kam aber lange nichts. Nur schwere Beine. Und Muskelkater. So langsam trieb sich eine ganze Katzenfamilie in meinen Beinen herum. Im Nachhinein war es mir unvorstellbar, dass ich das alles geschafft hatte, so ganz ohne Vorbereitung und alles. Das war ja mit meinen häufigen Ausflügen in der Ebene nicht vergleichbar. Und dennoch hatte ich es geschafft! Könnte es sein, dass ich mich bisher immer unterschätzt hatte?

Trotz der schmerzenden Beine ging ich ein wenig umher dort im Ort, immer in der Hoffnung, wieder zurückfinden zu können. Aber ich kannte ja den Namen des Hotels. Hotel Corona. Ich verzog das Gesicht, als ich an die Sache dachte. War eine schwere Zeit gewesen damals, für alle. Ich suchte mir eine Gaststätte, trank einen Kaffee und aß einen Kuchen, stilvoll natürlich ein Tiramisu. Da sah ich gegenüber ein Taxi halten. Jetzt erst erinnerte ich mich daran, dass beim Haus ja noch mein Leihwagen stand. Ich rief ihm zu "Stopp! I need you!", er reagierte und wartete, ich bezahlte schnell in der Gaststätte und zeigte dem Fahrer, der kein deutsch kannte auf dem Handy wo ich hin will. Dann fuhren wir los. Eine halbe Stunde später waren wir da und ich 70 Euro los. Zum Glück stand der Wagen noch da und er war unbeschädigt. Ich schnappte mir die Mülltüte mit den Papierschnipseln und schaffte es später, die trotz der Größe auch noch in meinem Koffer zu verstauen.

Dann fuhr ich zurück, aber nicht zum Hotel, sondern zum Meer, stellte das Auto dort ab, suchte mir eine Stelle zum Hinlegen, und sonnte mich ein wenig, sinnierte. Nun hatte ich also schon wieder einen Polizisten verführt. Er war aber auch zu schnuckelig gewesen. Er hatte es gebraucht, ich aber auch. Eine klassische Win-win-Situation. Irgendwie war ich dann eingeschlafen, als das Handy piepte. Eine SMS einer italienischen Nummer. 'Sie möchten dich morgen treffen. 11 Uhr in der Eisdiele Buon Gelato in Sorrent. Viel Glück. R.' Ich schrieb zurück: 'Vielen Dank mein lieber R. Ich spüre noch die vielen Küsse auf meinem Körper. Mach's gut! S.' Was dort aber brannte, und so langsam sah man es auch, war die gerötete Haut von der Sonne. Es war an der Zeit zu flüchten. Ich hatte auch schon wieder Hunger. Ich suchte mir eine Gaststätte und schob mir eine Pizza rein. Außerdem rief ich bei der Leihwagenfirma an und verlängerte noch um einen Tag. Dann fuhr ich ins Hotel, checkte die Flüge und buchte mir den Rückflug für morgen am späten Nachmittag. Ich war hier fertig und würde vorerst nichts mehr erreichen können.

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Teil21: Zeugenbefragung

Nach dem Frühstück checkte ich aus und fuhr nach Sorrent, welches auch direkt am Meer gelegen war, ging ein wenig an der hoch über dem Meer gelegenen Balustrade entlang, bis die Zeit heran war. Die Lage der Eisdiele hatte ich schon vorher gecheckt. Wahnsinnspreise, aber ich hatte ja sozusagen Urlaub. Ich setzte mich unter einen Schirm - noch mehr Sonne wollte ich meiner Haut nicht antun, und wartete. Nur wenige Minuten nach der Zeit kam ein Paar heran, schaute sich suchend um, entdeckte mich, und steuerte zielstrebig auf mich zu. "Sandra Neuhaus?", fragte der Mann, der so einen Strohhut aufhatte, und natürlich braungebrannt war. Auch die Frau hatte einen Hut auf, aber ein Stoffhut. Ebenfalls braungebrannt. Beide so etwa 50 Jahre, aber gutaussehend. Sie hatte ein leichtes Kleid an, er ein kurzärmliges Hemd und eine dünne Sommerhose.

"Si", sagte ich.

Der Mann lächelte daraufhin. "Wir können Deutsch sprechen. Wir sind aus Wiesbaden und vor etwa 20 Jahren hierher ausgewandert."

"Oh, das ist ja toll. Hatte meinen Dolmetscher schon griffbereit." Ich hob mein Handy in die Höhe.

"Ich bin Richard, und das ist meine Frau Madeleine."

Beide gaben mir die Hand. "Angenehm. Sie sind natürlich eingeladen. Wo sie doch schon den weiten Weg auf sich genommen haben, extra für mich."

"Danke. Aber so weit war er nicht. Eine Viertelstunde zu Fuß. Wir wohnen hier im Ort." Ich reichte ihm die Eiskarte, die er erst einmal an seine Frau weiterreichte, und sich dann selbst was aussuchte, nachdem sie was gefunden hatte. Wie auf Bestellung kam auch gerade die hübsche Kellnerin und nahm unsere Wünsche auf. "Sie sind also die Frau von dem Mann, der mit dem Auto in die Schlucht gestürzt ist?"

"Ja. Es war das erste mal, dass ich mir selbst ein Bild von der Unfallstelle gemacht hatte."

"Unser Beileid. Sie haben es verdrängt anfangs, oder? Keine Angst, das ist kein Vorwurf. Auch wir haben schon mal jemanden verloren. Unsere Tochter. Aber unser Verhalten war da ganz ähnlich gewesen."

"Ich war gestern sogar da drin in der Schlucht. Hab mir dort alles angeschaut. Sogar die Stelle, wo er ..."

Beide schauten erstaunt. "Das ist aber so steil! Das haben sie geschafft?" Es war das erste mal, dass die Frau mit mir sprach. Sie hatte eine angenehme, warme Stimme.

"Es war nicht einfach. Es ging nur von unten in der Schlucht hoch. Aber das war nicht das Schlimmste." Meine Stimme stockte. Tränen kamen in meine Augen, dann fing ich an zu schluchzen, eine ganze Weile. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. "Entschuldigung. Das Ganze hat mich emotional doch mehr belastet, als ich dachte."

Die Frau legte ihre Hand auf meinen Arm. "Alles gut. Lassen sie nur ruhig ihre Gefühle heraus. Wie mein Mann schon sagte, wir kennen das auch. Man fragt sich, wie man da noch weiterleben kann, aber irgendwie geht es dann doch."

Die Bedienung kam jetzt und brachte unsere Eisbecher, und wir fingen an, diese langsam zu löffeln. "Wir wussten gar nicht, dass ihr Mann in dem Auto war", sagte der Mann. "Den haben wir ja nicht gesehen. Nur das Auto vor uns, und dann lag nach dem Unfall da diese Frau. Wir hatten gedacht, das ist die Frau von dem Fahrer des Autos." Zwischendurch löffelte er immer von seinem Eisbecher. "Wir sind dann raus, ich habe mich mit den anderen abgesprochen, und Madeleine ist zu der hin. Sie war ja früher mal Krankenschwester."

Jetzt erzählte Madeleine weiter. "Das Auto war nicht mehr zu sehen, nur Reifenspuren nach unten. Die blonde Frau lag dort, ein kleines Stück hinter einem Felsbrocken, gegen den sie wohl mit ihrem Kopf geknallt ist. Es war Blut dort dran. Sie hat nicht mehr geatmet und ich und Richard haben uns dann mit der Herzdruckmassage abgewechselt, bis der Rettungsdienst kam. Kannten sie die Frau? Wie geht es ihr denn? Hoffentlich hat sie überlebt."

"Sie hat überlebt, ist aber ins Wachkoma gefallen. Das ging so viele Jahre, aber so langsam reagiert sie wohl wieder auf Reize, sagte ihr Freund mir kürzlich."

"Ach so. Ich dachte, sie wäre eher eine Verwandte von dem Mann im Auto."

"Sie war seine Geliebte. Ich kannte sie auch, von deren Freund, welches der Chef meines Mannes war. Wie ich dann erfuhr, vor kurzem aber erst, hatte mein Mann auch noch so eine Art weiteres Doppelleben geführt. Er hatte noch eine zweite, langjährige Geliebte hier in Italien, mit der er sich ab und zu getroffen hat."

"Klingt so, als hätten sie ihn besser gar nicht erst heiraten sollen."

Ich zuckte die Schultern. "Weiß man das vorher? Ich habe jedenfalls nichts gemerkt, bis er damals mit der später verunfallten Frau durchgebrannt ist."

"War er sofort tot? Wissen sie das?"

"Man sagte mir ja. Trotz seiner Betrügereien hätte ich ihm ein langsames qualvolles Sterben auch nicht gewünscht."

Wieder legte mir die Frau ihre Hand auf den Arm. "Sie sind eine gute Frau. Sie haben also nicht noch mal geheiratet?"

"Nein. Ich habe dann das Leben genossen, soweit das geht. Tue ich immer noch."

"Das ist das Beste, was sie tun konnten. Machen sie das nur ruhig weiter."

"Wie lief denn damals diese Sache ab? Die Fahrt, der Unfall?"

"Das hatten wir ja schon der Polizei gesagt. Wir fuhren hinter diesem Auto her. Die sind eine Weile vorher vor uns aus einer Nebenstraße eingeschert. Die waren anfangs schneller als wir. Aber dann haben wir sie wieder gesehen. Sie waren auf so einem Parkplatz neben der Straße drauf gefahren und dort hat die Frau gerade von vorne nach hinten gewechselt, oder umgekehrt, so genau konnten wir das nicht sehen. Dann sind sie vor uns wieder drauf gefahren und haben sich also erneut vor uns eingefädelt. Danach hatten sie es nicht mehr so eilig, wir aber auch nicht. Kurvenreiche Strecke, überholen wäre ohnehin kaum gegangen. Wir hatten so etwa 100 Meter Abstand, aber plötzlich driftete der Wagen mit ihrem Mann immer weiter auf die Gegenfahrbahn, und vor Erreichen der seitlichen Felswand - es kam ja auch gerade im Gegenverkehr ein LKW auf sie zu - plötzlich ruckhaft zur anderen Seite, viel zu heftig, krachte voll in die Leitplanke, die riss er nieder und verschwand dann aus unserer Sicht hinter der Böschung. Wir hatten dann davor gehalten, auf dem Geländebuckel lag sie dann, vom Auto hat man nichts mehr gesehen."

"Gab es noch andere Autos?"

"Es gab dieses Auto vom Gegenverkehr, ein LKW, der hatte eine Vollbremsung gemacht, als der Wagen ihres Mannes auf seiner Seite fuhr, stand der dann ein wenig schräg auf der Fahrbahn, wir hätten da auch gar nicht weiterfahren können. Der Fahrer des LKW ist ausgestiegen, wir haben uns kurz abgesprochen und der hat die Polizei gerufen, und ist hinter die Kurve gerannt, um den Gegenverkehr zu warnen. Und hinter uns waren noch zwei andere Autos. Das eine hielt mit uns an, dessen Fahrer sicherte dann die Unfallstelle in der Richtung ab, aus der wir gekommen sind. Und ein anderes Auto hielt erst an, der Fahrer stieg aus und schaute zur Schlucht herunter. Als wir schon zur Böschung runter sind und da zu tun hatten, wendete er sein Auto, und fuhr zurück."

Ich wurde hellhörig. "War es etwa so ein Auto?" Ich öffnete das Handy und zeigte das heruntergeladene Bild des Automodells.

"Ja, das war so eine Art Oldtimer, so ein dicker Angeberschlitten. Der war aber nicht hellblau, sondern cremeweiß. So genau haben wir uns das aber nicht angeschaut. Unsere Aufmerksamkeit lag ja auf dem Unfall. Wussten sie von dem Auto?"

"Nicht direkt. Es gab eine Andeutung von jemand, dass der Typ in dem Auto meinem Mann hinterhergefahren sein könnte."

"Kann sein. Eingegriffen hat der aber nicht. Er kam irgendwann heran, blieb aber immer hinter unserem und dem anderen Auto hinter uns, und machte auch keine Anstalten zu überholen. Kannten sie den etwa?"

Ich verzog das Gesicht. "Er soll mein Stiefsohn sein." Ich seufzte. "Irgendwie hat mir mein Mann nicht nur seinen Tod mit den Problemen hinterlassen, sondern auch noch so einige Minen!"

Wieder tätschelte Madeleine meinen Arm. "Sie machen das schon! Sie sind stark! Das sehe ich."

Ich lächelte etwas gequält. "Nicht immer, nicht immer."

Richard sagte: "Madeleine hat eine gute Menschenkenntnis. Sie schaffen das!"

"Irgendwie hab ich das auch schon. Zumindest ein Stück weit des Wegs ist geschafft. Sagen sie, waren da nur die beiden im Auto?"

"Also wir haben ja nur die Frau direkt gesehen und ein wenig so von hinten durch die Heckscheibe während der Fahrt", sagte Madeleine. "Aber ich hatte tatsächlich gedacht, dass ich außer dem Fahrer und der Frau noch jemanden gesehen hatte. Aber Richard hat das nicht gesehen, und so haben wir das dann auch nicht der Polizei gesagt. Aber die haben doch nur ihren Mann im Unfallauto gefunden? Oder?"

"So sagten die mir das zumindest. Warum sollten sie da was verschweigen?"

"Kann ich mir auch nicht vorstellen", sagte Richard. "Die Italiener sind da immer sehr korrekt." Er schaute zur Uhr und Madeleine sah es, schaute auch auf ihre.

"Wir müssen jetzt leider los. Wir haben noch eine Verabredung", sagte Madeleine. "Und danke für die Einladung."

"Kein Problem. Ich hoffe, ich habe euch mit meiner Neugier nicht zu viele Umstände bereitet."

"Ganz bestimmt nicht!" Beide standen auf, umarmten mich noch, und gingen. Ich blieb noch eine Weile sitzen, ließ das Gespräch auf mich wirken. Viel neue Informationen hatte ich wie zu erwarten nicht bekommen, aber tatsächlich könnte es sein, dass dieser Solco Uwe hinterhergefahren war. Aber den Unfall hatte er nicht verursacht. Es sah ja nach einer ganz normalen Fahrt aus, und nicht nach einer Flucht. Aber was war mit der eventuellen anderen Person? Hatte Madeleine sich getäuscht? Immerhin hatte Richard keine dementsprechende Entdeckung gemacht. War es eine Fata Morgana gewesen? Oder war da tatsächlich etwas dran? Ich reimte mir was zusammen: Evelyn saß vor dem Haus im Auto, Uwe ging rein und lenkte Mario ab, eine weitere Person nahm die Tasche mit den Drogen, saß dann am Steuer, als Uwe zurück kam fuhren sie los. Am Parkplatz stieg der dritte Mann in sein dort geparktes Auto und fuhr davon, und Uwe und Evelyn wechselten nach vorne. Das würde auch die spätere, langsamere Fahrt erklären. Anderer Fahrstil. Den letzten Wechsel von Evelyn nach vorne hatten Richard und Madeleine gesehen. Uwe war ja von ihnen aus vom Auto verdeckt, wegen der langen Kurve. Ja, so könnte es gewesen sein. Ein bezahlter Helfer vermutlich.

Ich bezahlte dann, fuhr zum Flughafen, gab den Leihwagen ab, musste da natürlich eine saftige Überziehungsgebühr bezahlen, und verbrachte die letzten Stunden bis zum Flug noch im Terminal. Am frühen Abend war ich dann endlich wieder zu Hause und fiel regelrecht ins Bett, weil ich so fertig war. Als ich am anderen Morgen aufwachte, war ich immer noch voll angezogen. Ich machte mich frisch, frühstückte, dann schnappte ich mir den Beutel, querte die Straße, und klingelte. Bettina öffnete. Sie war noch im Nachthemd.

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Teil22: Die Spaghettiparty

"Guten Morgen Sandra. Du bist ja früh dran. Ist was passiert?"

Ich schaute zur Uhr. 6:40. "Oh sorry, hab nicht zur Uhr geschaut. Ich brauch mal einen Rat von Nico."

"Er macht sich gerade zurecht. Setz dich doch solange. Ist deine Mülltonne voll? Soll ich mal?"

Ich lachte. "Nein. Darum geht es ja in dem Rat."

Jetzt lachte auch Bettina. "Nico ist aber kein Müllexperte!"

"Ich hoffe ja auch, dass das hier kein Müll ist." Ich öffnete die Tüte.

"Oh", sagte Bettina.

"Oh", sagte auf einmal Nico, der lautlos herangeschlichen war. "Gibt's heute Spaghetti zum Frühstück?"

Ich griente. "Klar. War ja in Italien. Ist ein Mitbringsel." Ich zeigte ihm das kaputte Handy. "Und das auch."

"Hast du auch was Schönes aus Italien mitgebracht'?", fragte Nico.

"Klar. Mich!" Bettina lachte, und Nico dann auch, als er merkte, dass es ein echtes Lachen von ihr war. Hatte er Angst vor einem Eifersuchtsdrama? "Aber das kaputte Zeugs hätte ich auch gerne hübsch gemacht."

Bettina sagte: "Da ich gerade dabei bin, wird sich Nico vermutlich nicht trauen zu sagen, dass man nichts so hübsch wie dich machen kann." Dann kicherte sie ein wenig. Oh Mann, wo bin ich denn jetzt hingeraten? Hatten die beiden einen Ehestreit? Aber dafür wirkte es doch noch recht harmonisch. Nur eben nicht hormonisch. Gab es bei einem von den beiden ein Sexdefizit?

Nico sagte: "Also von dem Handy willst du vermutlich nur die Daten haben, oder? Ist es deines?"

"Nein. Uwes, vermutlich."

"Hui, mit meinen Fingerabdrücken darauf."

"Schon weggewischt." Zu Bettina sagte ich: "Er hatte es mal in der Hand, um es auszutauschen."

Bettina sagte: "Ich weiß. Nico hat mir die Geschichte erzählt."

"Alles?!"

"Natürlich auch deine Sexcapaden mit Nico!", sagte Bettina.

Ich bekam einen Schreck. "Auweia!"

"Na ja, war ja vor meiner Zeit mit ihm. So hab ich ihn sozusagen mit Erfahrung bekommen."

Nico konnte nur danebenstehen und von einem zum anderen schauen sowie einen roten Kopf bekommen. "Und was hast du mit dem Spaghetti vor?" Ja, klassisches Ablenkungsmanöver von Nico, nicht wahr?

"Ich wollte es nicht essen, aber lesen."

"Viel Spaß", sagte Nico.

"Gibt's denn keinen Weg?"

"Man hat mal so eine Software entwickelt, um die geschredderten Stasiunterlagen lesbar zu machen. Aber da muss ich mich erst mal einlesen. Ich glaube, die hieß im Volksmund Stasi-Schnipselmaschine."

"Okay. Wäre ein Hoffnungsschimmer."

"Was hast du denn noch in Italien gemacht, außer Müll zu sammeln?", fragte jetzt Bettina.

"Ich war an Uwes Unfallstelle."

"Oh. War es schlimm?"

"Also ich hab schon ein bisschen geheult. Aber irgendwann war es dann auch vorbei."

"Ich muss los", sagte Nico. Ich schau mal, ob ich da Daten herauskratzen kann. Schön sieht es ja nicht mehr aus."

"Danke Nico." Nico gab Bettina noch einen Schmatzer, so richtig in der Art, dass ich mich schämen musste zuzuschauen, dann ging er zu seinem Wagen.

"Musst du auch los, Sandra?"

"Ja, aber erst später."

"Das heißt, du könntest mir noch einen Rat geben?"

"Klar, schieß los!"

"Nicht hier! Lass uns zu dir hinübergehen."

"Oh, du machst es aber spannend!"

Ich ging vor und Bettina kam mir hinterher. Dann bat ich sie auf das Sofa. Sie eröffnete das Gespräch mit: "Es ist, weil ich hoffe, du hast eine Idee wie mein oder besser gesagt unser Sexleben etwas aufregender werden kann. Es ist in letzter Zeit ein wenig ... nicht eingeschlafen, aber eintönig. Immer im Bett, immer Abends am Wochenende."

"Warum variierst du nicht?"

"Ich habe Angst, dass er dann denkt, ich hätte eine Affäre."

"Hast du eine?" Bettina schüttelte den Kopf.

"Ich hab ständig eine. Aber ich bin ja auch verwitwet."

"Und vorher?"

"War ich ganz brav. Versuch es doch so einfach mal." Ich dachte an mein letztes Erlebnis zurück. "Zum Beispiel unter der Dusche. Hast du es schon mal mit Dessous versucht?"

"Nee, nie. Also so ein wenig sexy Sachen für darunter hab ich schon. Aber eher nichts Besonderes."

"Komm mal mit!"

Ich ging die Treppe hoch und Bettina folgte mir. Es ging schnurstracks in mein Schlafzimmer. Ich zog mir das Kleid über den Kopf, und zeigte Bettina das Set, was ich anhatte. Weiße Spitze, aber ohne Strapsgürtel, das wäre bei diesem Kleid zu gewagt gewesen. Ich zog meine Sachen nun aus, öffnete die Schublade und holte ein anderes Set heraus. So ein bunt geblümtes und das hatte auch einen passenden Strapsgürtel. Ich zog es mir erotisch an, so wie ich es geübt hatte, nur dass dieses mal nicht der Spiegel mein Zuschauer war, sondern Bettina. "WOW", sagte sie. "So könnte man sich glatt in dich verlieben!"

"Das haben schon viele Männer zu mir gesagt."

"Nico auch?"

"Weiß ich nicht mehr. Ich glaube nicht. Er war nur scharf auf mich."

"Ist er vermutlich heute noch", sagte Bettina, fast wie beiläufig, ohne Emotion in der Stimme.

"Da hat er keine Chance. Aber die Tipps solltest du wirklich mal ausprobieren, wenn es sich wieder einrenkt. Ich hätte das damals bei Uwe auch machen sollen, bevor die Sache begann. Aber da war es vermutlich zu spät und an seinem Doppelleben hätte es sowieso nichts geändert."

"Ein Doppelleben?"

"Er hatte schon vor mir eine Affäre in Italien und mit der hat er sich mehrmals im Jahr getroffen. Und ein Kind hat er mit der auch. Der wohnt jetzt bei mir für eine Weile."

"Ach, ist das der den ich schon ein paar mal bei dir herausgehen sah? Ich hab mich schon gefragt, wer das ist und ob der bei dir wohnt. Und ständig geht noch anderes junges Gemüse bei dir rein und raus. Mit so kleinen Köfferchen. Ich hatte schon vermutet, du bist eine Mafiapatin." Bettina schmunzelte.

"Ja, genau der ist das. Er studiert Musik. Lena heißt seine Freundin und die ist auch Musikerin. Und mit Oliver zusammen üben die immer bei mir mehrmals die Woche."

"Ach daher kommen immer diese Töne! Und wie heißt dein Stiefsohn?"

"Andrea. Er spielt Cello."

Bettina schaute zur Uhr. "Oh Gott, schon so spät. Danke Sandra. Ich muss los in die Kita."

"Wo ist denn euer Sprössling?"

"Der hat heute bei Nicos Mutter übernachtet, den nehme ich gleich mit."

"Ihr habt es ja gut!"

"Du sagst es!" Bettina ging aus dem Haus, ich zog mir wieder die ursprünglich geplanten Sachen an, räumte auf, und fuhr zum Laden. Da war so einiges liegen geblieben in den letzten Tagen. Ich war kaum zu Hause, da klingelte es. Ich öffnete. Nico stand vor der Tür.

"Spaghetti! Es gibt Spaghetti!"

"Hä?"

"Du kannst dein Papierspaghetti aufkleben, dann kann ich das über das Scanprogramm jagen."

"Das sind ja gute Nachrichten!"

"Bettina hat gesagt, sie hat auch schon eine Idee, wie sie Hilfe dafür organisieren kann."

"Das wäre toll! Hat Bettina denn sonst noch was gesagt?" Mein Herz klopfte ein wenig.

"Ja. Sie hat mich gefragt, wie ich es finden würde, wenn sie sich Dessous zulegt. Und ich hab mir gedacht, dass sie diesen Tipp von dir hat. Richtig?"

"Ist ja nichts Verbotenes. Du solltest für so etwas offen sein."

"Ich hab mir schon lange gewünscht, dass sie welche anzieht. Hab mich nur nicht getraut, es zu sagen. Ich freue mich schon darauf. Die Details wegen der Scans schicke ich dir mit einer Mail. Und das Handy dauert noch. Mein Spezi hat das in der Mangel."

"Ich bin froh, dass ich dich kenne, Nico."

"Und ich erst dich! Ohne dich würde ich wohl immer noch bei Muttern versauern."

"Grüß Bettina, ja?"

Nico nickte, und verschwand. Es dauerte nicht lange, da machte es 'pling'. Maileingang. Noch ehe ich die Mail öffnen konnte, machte es nochmal 'pling'. Die erste Mail war von Nico und enthielt technische Details dazu wie ich mit den Papierschnitzeln vorgehen müsste. Die zweite Mail war von Bettina. Voller Herzklopfen öffnete ich sie. Der Betreff war 'Papierchaos'.

Liebe Sandra,

ich habe schon eine Idee wie ich dir dabei helfen kann, das Chaos mit den Papierschnipseln zu lösen. Nico hat mir geschrieben, die Streifen muss man aufkleben. Du hast doch so einen großen und schönen Garten ... wir könnten doch eine kleine Party dort machen? Ich könnte etliche Kolleginnen und meinen Kollegen Marco organisieren. Zur 'Strafe' für das Hinkommen müssen dann alle mithelfen. Und du musst natürlich Belohnungen besorgen. Süßigkeiten, Kaffee, Kuchen. Und später bräuchten wir natürlich auch noch was zum Essen, vielleicht was grillen? Und dann Wein, Likör, usw., oder? Samstagnachmittag??? Was hältst du davon?

LG Bettina

P.S.: Mach dir keinen Kopf! Wir schaffen das!

Puh. Party bei mir? Bettina hatte recht. Ich hatte hier wie die anderen Häuser auf meiner Straßenseite einen viel größeren Garten als Nico und Bettina auf der anderen Seite. Der Garten war auch wie ein Park gestaltet, Tipp-Top in Schuss, es gab eine Rasenfläche, eine große Terrasse mit Sitzmöbeln, und und und. Es gab auch keine Beete, nur naturnahe Blumenrabatten, da konnten auch angeschickerte Leute nicht viel kaputt machen. Ich stand auf und ging ins Gartenhaus. Dort stand Uwes Super-Duper-Grill. Ewig nicht mehr benutzt, aber noch sauber bis auf ein wenig Staub. Früher hatten wir hier öfters gegrillt, manchmal auch mit einigen Nachbarn. Aber eine so große Party hatte ich noch nie gemacht. Trotzdem, das könnte funktionieren. Ich schrieb:

AW: Papierchaos Liebe Bettina,

ein schöner Vorschlag! So machen wir das! Was denkst du, wie viele werden denn kommen?

LG Sandra

AW: AW: Papierchaos Liebe Sandra,

klär ich gerade und gebe dir Bescheid.

LG Bettina

Irgendwie war ich ganz aus dem Häuschen bei der Aussicht. Ich hatte schon lange an keiner Party mehr teilgenommen, geschweige denn eine ausgerichtet. Und sonst immer nur mal einzelne Leute getroffen, mal ein, höchstens zwei. Außer in meinem Laden natürlich. Aber auch da verkaufte ich nicht mehr so oft selbst, das ließ ich meistens meine Mitarbeiterinnen machen. Es war also wirklich eine super Idee. Das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Später kam dann die Antwort von Bettina. So 14-15 Leute, meinte sie. Hui. Ganz schön viele. Ich setzte mich hin und fing sofort an eine Liste zu machen. Sowohl die Sachen zum Essen als auch das für die Papierschnipsel. Ich schickte dann noch eine SMS an Vanessa, dass ich morgen später aufschlagen würde und ging ins Bett, ohne Fernsehen zu schauen. Vor dem Aufwachen hatte ich einen Traum. Ich, nackt auf dieser Party. Schweißgebadet wachte ich auf und schüttelte mich. Bloß nicht! Ich fuhr dann nach dem Frühstück los und war die erste beim Discounter im Einkaufszentrum. Ich kaufte so viel ein, dass ich nicht alles im Kofferraum unterbringen konnte und verteilte alles auf so viele Beutel, dass ich sie noch tragen konnte.

Einen jungen männlichen Helfer konnte ich heute nicht gebrauchen und suchte daher auch keinen. War eh keiner da um diese Uhrzeit. Dann fuhr ich nach Hause und verstaute alles. Ich musste sogar den Zweitkühlschrank im Keller reaktivieren. Der war ein Stromfresser, aber für die zwei Tage ging es. Und dann bereitete ich alles vor. Die Stühle und Gartenmöbel würden nicht reichen. Aber Bettina und Nico hatten noch welche und mein Nachbar Norbert sagte mir auch welche zu. Das sollte reichen. Am Samstag hatte ich keine Zeit aufgeregt zu sein. Ich buk einen Blechkuchen und dazu noch Kleingebäck, eine einfache Torte hatte ich gestern Abend schon angefertigt. Dann stellte ich alle Möbel auf, schaffte den Grill auf die Terrasse, deckte die Tische. Vorne hatte ich ein Schild an die Tür gemacht 'Gleich zum Garten durchgehen!'. Und dann kamen die ersten beiden, noch bevor Bettina heran war.

"Hi, ich bin Beate. Du musste Sandra sein! Das ist Nicole." Ich wollte ihnen die Hand geben, aber sie umarmten mich gleich. Dann kamen Bettina und Nico, und danach Daniela, Annalena, Sabrina, Nele, Jaqueline, Lucy, Marco (zusammen, waren sie ein Paar?), kurz danach Hilal, Dilek, Filiz, und dann noch Carla, Isabel, Jelena, Mirja, Ivana, und Tessa. Und etwas später kam auch noch Elana. Zwei von denen waren um die 50, so etwa fünf in meinem Alter, und der Rest eher so um die dreißig und darunter. Carla und Isabel hatten auch noch ihre etwa 10 Jahre alten Töchter mitgebracht. Also bis auf den Marco und Nico eine reine Frauenrunde. Marco kannte das sicher von der Arbeit, aber auch Nico war sehr angetan von dem ganzen jungen Gemüse, wurde aber von Bettina mit Argusaugen beobachtet. Erst ein mal versorgte ich alle mit Getränken, wobei mir Bettina und Nico halfen, dann gab es eine kurze Begrüßung von mir und ein Anstoßen mit Sekt. Mit Andrea, Lena und Oliver hatte ich vorher gesprochen und sie gewarnt, dass es etwas laut werden könnte, daraufhin haben sie sich spontan bereit erklärt ein kleines Ständchen zu geben und gesagt, dass sie heute auf ihre Probe verzichten würden.

Die drei führten also ihr Ständchen auf und Andrea und Lena verschwanden dann, während Oliver fragte, ob er denn mitmachen dürfte. Ich war überrascht, hatte aber nichts dagegen. Dann gab ich eine Einführung was wie zu machen ist, führte es an einem Exemplar vor, dann ging es los. Ich hatte jede Menge Folienblätter und Klebestreifen besorgt und die Schnipsel in Häufchen aufgeteilt. Ich ging immer ein wenig herum, kümmerte mich um die Versorgung und kontrollierte und korrigierte zusammen mit Nico die Arbeiten. Es dauerte nicht lange bis ich mitbekam, warum Oliver mitmachte. Schon nach kurzer Zeit war er mit Elana im Gespräch und die beiden lächelten sich immer wieder an. Da hatte wohl Amors Pfeil getroffen. Ich freute mich für die beiden und war jetzt erst recht heilfroh, damals Olivers Avancen abgewiesen zu haben. Bald waren die ersten 50 Folien fertig und ich kümmerte mich um den Kaffee und Bettina trug Geschirr und Kuchen heraus. Dann machten wir erst mal alle Kaffeepause und ein paar Likörflaschen wurde auch getötet. Wahnsinn, schon 60 Seiten zum Scannen zusammengesetzt.

Danach wurde noch ein wenig weiter gebastelt, bis es dann Zeit war. Ich schüttete fast eine ganze Tüte Holzkohlebriketts auf den Grill, zündete die an, wollte mich schon umdrehen, da bemerkte ich, dass jemand hinter mir stand. Ich drehte mich ruckartig um. Hinter mir stand Jens Mehnert. "Was machen sie denn hier?"

"Ähm ... da steht doch: Bitte zum Garten durchgehen, und ja, das habe ich gemacht."

"Hier ist aber eine Party!"

"Ja, das sehe ich. Offenbar eine Frauenparty. Na ja, fast. Puzzelt ihr da?"

"Ja. Wir puzzeln um zu ermitteln welche dich kriegt. Ludmilla ist aber nicht dabei. Aber du kannst ja warten bis dich eine andere kriegt."

"Haha. Frauen sind für mich keine Ware, die man im Kaufhaus aussuchen kann. Ich möchte eine, die gerne meine Zeit mit mir verbringt. Und was wird das da, wenn ihr fertig seid? Sind die Schnipsel von deiner Stasi-Akte?"

"Ja, ich war damals eine Top-Agentin, die reihenweise die Kanzler flachgelegt hat."

"In deinem Alter von damals haben sie dir höchstens den Hintern versohlt."

"Der war aber damals schon sexy!"

"Das glaube ich."

"Sind sie beruflich hier oder bist du privat hier?"

Er griente. "Toll, wie du mit den Anreden variieren kannst. Also ich würde mal sagen, beides. Privat, weil ich dich mal wieder sehen wollte, und dienstlich, weil ich sie fragen wollte, ob ich die Daten von dem Handy bekomme, wenn ihr Hacker das ausgelesen hat. Vielleicht ja auch den Text von den Puzzle-Teilen? Das wäre wirklich sehr nett."

"Du bist ja genauso schlimm wie ich."

"Mindestens. Und noch neugieriger. Nur nicht so hübsch."

"Wenigstens ein Kompliment heute! Die Frauen haben das natürlich alle nicht gemacht und der Mann hat es vergessen."

"Ich sehe aber zwei Männer!"

Ich schaute. Marco war gerade nicht zu sehen. Vielleicht war er ja drinnen auf Toilette. "Ach so. Eigentlich sind es sogar drei. Der eine zarte da ist ja ein Musiker, der zählt nicht. Aber ein Kompliment hatte er mir schon mal gemacht, früher." Ich zeigte auf Oliver.

"Und, lässt du sie beide am Leben? Der turtelt mit einer anderen."

"Wenn ich ihn kaltmache, rufe ich dich, also sie. Dann können sie die tote Leiche als erster untersuchen."

"Gibt's lebende Leichen?"

"Ja. Im Film."

Er seufzte. "Im Film ist alles immer so einfach."

"Kannst du auch. Du muss dich einfach nur an das Drehbuch halten."

"Das kenne ich ja nicht! Man hat mich einfach in diesen Film gesteckt und vergessen, mir das Drehbuch zu geben."

"Also bei deiner Szene jetzt steht, dass du die Party verlassen sollst. Du wirfst noch einen traurigen Blick auf die Angebetete und gehst dann mit hängenden Schultern."

Wieder seufzte er. "Willst du nicht wissen, woher ich das mit dem Handy weiß?"

"Doch. Aber ich kann es mir auch denken. Ricardo hat dich angerufen und es dir erzählt. Hab gar nicht bemerkt, dass er das mitbekommen hat."

"Auch Männer haben manchmal hinten Augen. Und gute Kriminalpolizisten haben ihre Möglichkeiten herauszubekommen, ob Vermutungen Gewissheiten sind."

"Du Scheusal", sagte ich.

Er antwortete nicht darauf, warf noch einen traurigen Blick auf mich und ging mit hängenden Schultern aus dem Garten. Nun ja, ich hatte es ja so gewollt. Trotzdem tat er mir jetzt leid. Aber ich wollte erst ein mal bei der Variante mit Ludmilla bleiben, und außerdem hatte ich oder besser gesagt sie ein Auge auf Marco geworfen. Vielleicht könnte ich ja erreichen, dass er heute bei mir Überstunden macht. Ich versorgte meine fleißigen Helfer(innen) mit Nachschub, holte dann die vorbereiteten Grillsachen aus dem Haus und stellte diese auf dem Campingtisch ab. Dann wollte ich anfangen, aber Marco, der dann wieder mit am Tisch gesessen hatte, kam an mich heran. Sofort machte mein Biest sich mit Kribbeln bemerkbar. 'Mach ihn an!', schien sie zu sagen. Und was machte ich? Nichts! Außer ihn ein wenig schmachtend anzuschauen. "Soll ich das mal lieber machen? Du hast doch mit dem Service genug zu tun", sagte er.

"Na gut, wenn du unbedingt willst."

"Ich will!", sagte Marco, und es klang so ähnlich wie die Geschichte bei der Heirat. Mein kleines Biest dachte natürlich sofort, dass die sich mit IHM verheiraten könnte, aber das ging natürlich nicht. Ich versorgte daher weiterhin meine größtenteils weiblichen Helfer mit Getränken, und nach kurzer Zeit kam dann auch noch das Grillgut dazu. Fleisch, Bratwürste, Gemüse. Für den Schluss hatte ich auch einige Ananas aufgeschnitten, die schmeckten gegrillt immer so wahnsinnig gut. Ich wurstelte für Marcos Geschmack wohl etwas zu viel um ihm herum, denn irgendwann sagte er: "Du Sandra, ich bin nicht so einer."

"Was meinst du damit?"

"Na, einer der auf Frauen steht."

"Ach so." Sie war jetzt natürlich enttäuscht, aber es hielt sich in Grenzen. Ich hatte eh zu tun und die Terrasse war voller Gäste. Ein wenig hatte das Anfangstempo natürlich nachgelassen, aber so gegen 21 Uhr waren tatsächlich alle Schnipsel aufgeklebt. Ich hatte versprochen für jedes Blatt 5 Euro an ein Hospiz zu spenden und am Schluss kamen wir auf die Summe von 985 Euro, die ich dann natürlich aufrundete als ich die Spende überwies. Endlich hatte ich auch ein wenig Zeit mich mit den Helferinnen zu unterhalten. Später kamen noch Andrea und Lena hinzu, die verschwanden dann aber kurz darauf in sein Zimmer. Die beiden Frauen mit den großen Mädels, Oliver und Elana, und noch zwei andere verschwanden auch als erste. Die anderen verschwanden dann nach und nach, verabschiedeten sich von mir. Nur nicht Tessa, mit der ich mich am Schluss über die Arbeit als Erzieherin unterhalten hatte.

"Ich helfe dir noch", sagte sie. Diese Hilfe könnte ich gut gebrauchen. Draußen könnte ich morgen noch aufräumen, aber in der Küche stand ein Berg Abwasch, mehr, als in den Geschirrspüler passen würde. Nach der Befüllung wusch ich den Rest ab, Tessa trocknete ab. Die Reste verstaute ich im Kühlschrank, besonders viel war nicht übrig geblieben. Endlich waren wir fertig.

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Teil23: Natürlich: Tessa

"Wollen wir es uns noch gemütlich machen?", fragte ich Tessa. Sie nickte. "Komm mit ins Wohnzimmer. Möchtest du was trinken?"

"Gerne. Was trinkst du denn sonst?"

"Manchmal Wein. Aber oft Cognac. Der ist viel milder als Weinbrand und schmeckt auch viel besser."

"Dann nehme ich den." Ich holte alles aus dem Schrank, schenkte ein, stieß mit ihr an. Irgendwie fühlte ich mich zu ihr hingezogen, aber ich wusste nicht, wieso. Sie war dezent geschminkt, hatte dunkelblonde, halb kurze Haare, filigrane Ohrringe, ihr Kleid sah doch recht sexy aus, ohne nuttig zu wirken, und wölbte sich über kleine Brüste. Und ihre Stimme hatte einen dunklen Timbre. "Schön hast du es hier. Hast du keinen Mann?"

"Nicht mehr. Ich bin Witwe."

"Oh, hab ich jetzt ...?"

Ich lächelte sie sofort an und fiel ihr ins Wort. "Hast du nicht. Es ist schon ein paar Jahre her. Außerdem hatte er mich betrogen. Meine Trauer ist also längst verjährt."

"Wie du das sagst ...!"

"Das ist meine Art, mit den Ereignissen umzugehen. Und du? Hast du keinen Freund?"

"Nein, ich hatte noch nie jemanden. Ich fühle mich einfach nicht hübsch genug, und unreif.

"Aber du bist doch wunderschön! Und jung!"

"Ja, aber ... bisher fehlte einfach der Wunsch dazu. Ich bin wohl einfach anders als die anderen."

"Anders? Du bist rätselhaft. Nett und süß, aber rätselhaft."

"Das ist ja das Problem. Ich würde gerne sexy sein. So sexy wie du."

"Das bist du doch auch! Ich stehe manchmal auch auf Frauen. Also wenn ich im passenden Alter wäre, ich würde dich nehmen." Sie schaute mich so merkwürdig an, so als erwartete sie eine Zurückweisung. Aber wieso? Für mich war sie ähnlich anziehend wie Ellen. Eigentlich noch viel mehr, da sie so verletzlich wirkte. Und gehemmt. "Es ist aber auch kein Problem, so spät anzufangen. Hab ich damals auch gemacht."

"Erzählst du mir das?"

Ich seufzte, weil ich wusste, es würde neben der schönen Erinnerung auch die Wunden aufreißen, welche Uwe geschlagen hatte. Aber ich fing an, angefangen von ersten Treffen in der Bibliothek, dem späten Wiedersehen, und der schönen und leichten Zeit der Verliebtheit danach. Tessa erzählte dann auch von sich. Von ihren strengen Eltern. Einige der Geschichten hatten mich schon geschockt. Es wurde später und später, keiner hatte zur Uhr geschaut, als Tessa auf ein mal einen Schreck bekam. "Oh, Mist, jetzt muss ich den Nachtbus nehmen!"

"Kannst hier schlafen. Entweder hier auf der Couch, oder auf der freien Seite meines Bettes." Ich sah ihren skeptischen Blick. "Ich tue dir nichts!"

"Na gut, dann bei dir."

Wir gingen hoch. Ich fing an, mich auszuziehen. Tessa schaute mich mit großen Augen an. "Hast du das noch nie gesehen? Bei einer anderen Frau?" Beim Warten auf ihre Antwort zog ich mir BH und Slip aus. Ihr Blick fuhr über meine Scham, dann über meinen Busen.

"Doch. Aber du bist echt schön! So schöne runde Rundungen!"

"Das liegt am Kuchen", antwortete ich. "Ich mag Kuchen."

"Hab aber auch welchen gegessen." Kurz zögerte sie, dann zog auch sie sich aus. Während dessen zog ich mir mein Nachthemd drüber, und schaute ihr zu. Sie hatte schöne Unterwäsche an, in Weiß. Diese war gar nicht mal so aufwendig, aber in schöner Spitzenausführung und ganz leicht durchsichtig. Ihre Brustwarzen waren unter dem BH zu sehen, der sich um kleine Brüste schmiegte. Dann entledigte sie sich ihres BHs. Ein Paar kleiner, aber wunderschöner knospiger Brüste kam zum Vorschein. Knospig, weil Tessa solche Puffnippel hatte, wie man sie eher bei noch nicht voll entwickelten Brüsten findet, wie ich sie damals auch hatte, als ich noch im Zwischenstadium war. Ich legte mich mittlerweile ins Bett und schaute ihr beim Rest des Ausziehens zu. Tessa hatte so eine natürliche Art der Bewegungen und keine Scham dabei, obwohl sie schon eine Scham hatte.

Auch sie legte sich nun ins Bett, deckte sich zu, und ich löschte das Licht, wünschte ihr eine gute Nacht. Am Morgen weckte mich die Sonne, die durch das Schlafzimmerfenster fiel. Ich lag auf dem Rücken und schaute zu Tessa, die auf der Seite lag, und noch schlief. Aber das war nicht wirklich überraschend. Die Überraschung war nämlich, sie war aufgedeckt, und hatte eine Hand auf meinen Oberkörper gelegt, unterhalb des Busens. Ich schaute ihr noch eine Weile beim Schlafen zu. Wie schön sie doch war! Völlig perfekt! Dann räkelte sie sich aber irgendwann, schlug die Augen auf, und schreckte hoch, als sie sah, wo ihre Hand war, und zog sie weg. Ich schmunzelte. "Guten Morgen Tessa. Keine Angst, es ist nichts passiert."

"Entschuldigung Sandra. Das hab ich nicht gemerkt."

"Kein Problem. Im Schlaf merkt man ja nicht, was man macht. Aber immerhin hast du dich bei mir gut geborgen gefühlt."

"Bist du schon lange wach?"

"Vielleicht zehn Minuten. Gut geschlafen?"

"Ja, in einem Rutsch."

"Wollen wir uns zurechtmachen?", fragte ich.

"Zusammen?" Ich nickte. "Ja, warum nicht." Ich sprang aus dem Bett, zog mir mein Nachthemd aus, und ging vor, Tessa folgte.

"Kannst anfangen", sagte ich, und zeigte auf die Dusche. Ohne Scheu ging sie hinein. Kurzes Kreischen. Das Wasser war anfangs noch ziemlich kalt, da ich ja kein Umlaufsystem hatte. Dann wurde das Wasser wärmer, und Tessa duschte, so wie Frau das eben tut. Aus dem Augenwinkel schaute ich immer wieder zu ihr hin, während ich die Zähne putzte. Ich suchte ihr ein Handtuch und eine Zahnbürste heraus. Dann war sie fertig. Fliegender Wechsel. Jetzt war ich dran. Ich tat so, als sähe ich ihre versteckten Blicke nicht. Augenzucker mochte sie also auch.

"Hättest mich auch vorwarnen können mit dem Wasser", sagte Tessa, als ich aus der Dusche trat, und mich abtrocknete.

"Dann wärst du aber nicht richtig wach geworden!"

Durch das lange Duschen von zwei Personen war das Bad eine einzige Waschküche. Das Fenster öffnete ich, aber das würde wohl eine Weile dauern, bis die Feuchtigkeit raus war. Dann ging es ans Föhnen der Haare, ich föhnte Tessas Haare gleich mit, da ich ja nur einen Föhn hatte, und Tessa ließ es geschehen. Sie hatte zum Glück keine Berührungsängste. Dann waren wir fertig. Die Anzieh-Sachen lagen alle noch im Schlafzimmer. Wir gingen also über den Flur dorthin. Da öffnete sich gerade die Tür von Andreas Zimmer und beide, er und Lena, kamen heraus. Beide waren in Unterwäsche. Andrea und Lena bekamen jedenfalls große Augen. Aber selbstbewusst schritten sowohl ich als auch Tessa so nackt, wie wir waren, an ihnen vorbei. Ich grinste dabei sogar.

Wir gingen wieder ins Schlafzimmer. "Sind die ein Paar?", fragte Tessa.

"Wie machst du das nur?", war meine dazu völlig unpassende Gegenfrage.

"Was meinst du?", fragte Tessa grienend zurück, als ahnte sie schon, wohin meine Frage zielte.

"Du bist so gegangen, als wäre es das natürlichste auf der Welt, nackt an für dich nahezu fremden Menschen vorbeizuschreiten!"

"Bin ich ja auch. Das Produkt meiner natürlichen Eltern und natürlichem Essen."

"In deinem Alter konnte ich das nicht. Essen schon, aber nicht das Selbstbewusstsein, was du hast."

"Es ist vorgetäuscht", antwortete Tessa.

Mittlerweile waren wir angezogen. "Schaffst du noch ein Frühstück?"

"Gerne!" Wir gingen also in die Küche, ich machte Kaffee und Toast, holte Butter, Wurst und Konfitüre aus dem Kühlschrank, Tessa deckte den Tisch mit dem Geschirr aus dem Schrank. Und dann aßen wir. Zwischendurch erzählten wir noch ein wenig.

"Hast du einen Freund?", fragte Tessa.

"Keinen festen Freund. Ich fliege eher wie ein Bienchen umher und kümmere mich mal um die eine, oder andere Blüte. Pollen oder Stempel." Tessa lachte bei meinen Worten auf. "Hab ich das jetzt nett gesagt?"

"Oh, dann hatte ich also gefährlich geschlafen heute Nacht?"

"Aber nein. Da hättest du schon aktiv werden müssen."

"War ich dann aber doch!"

"Aber das war dir nicht bewusst!"

In diesem Moment kamen Andrea und Lena herunter, und setzten sich mit dazu. Ich stellte die beiden einander vor. Gesehen hatten sie sich zwar gestern schon, aber da wusste ja niemand wer derjenige ist. "Tessa, das ist Andrea, Cello, und das ist Lena, Flöte. Lena, Andrea: das ist Tessa. Ein Instrument spielt sie meines Wissens nicht."

Andrea griente. "Hast du mit ihr gespielt?"

"Nee. Natürlich nicht. Wir haben nur ein wenig geredet ... und geschlafen." Andrea fing an zu grinsen. Er kannte ja meine sexuellen Abschweifungen ans andere Ufer. "Das richtige Schlafen!"

"Okay, Okay." Andrea wechselte jetzt zum Glück das Thema, ehe es allzu peinlich wurde. "Und, alles geschafft?"

"Alle Schnipsel weg. Nachher bringt mir unser Nachbar Nico noch einen Scanner und dann muss ich Überstunden machen."

"Was erhoffst du dir denn da von der Sache?", fragte Tessa.

"Na Hinweise auf meinen Stiefsohn."

"Sitzt der nicht vor dir?"

"Er schon, aber nicht sein Zwillingsbruder. Er ist verschollen."

"Ach so." Tessa musterte Andrea jetzt auffällig lange, griente ihn sogar provokant an, aber der gab den Blick auch zurück.

"Wie lange bist du denn schon so?", fragte der jetzt glatt.

"Was meinst du? Frech? Das bin ich schon seit meiner Kindheit. Hübsch? Da arbeite ich noch dran."

Lena mischte sich ein. "Jetzt lass doch mal die Tessa in Ruhe! Ich mag sie jedenfalls."

"Ich mag sie doch auch! Ich wollte doch nur ..."

"Höflich sein. Interesse zeigen", sagte ich. "Ist doch normal. Alles gut!"

"Ich muss jetzt los. Um 9 Uhr muss ich in der Kita sein. Danke für alles", sagte Tessa.

"Ich hab zu danken! Warte, ich komme noch mit zur Tür."

"Tschüss Tessa", kam von meinen beiden Hübschen.

"Es war sehr schön mit dir zu reden", sagte Tessa.

"Stimmt, war wirklich ein schöner Abend. Machs gut, und danke für alles."

"Bis dann, Sandra." Tessa ging aus dem Haus. Ich schaute ihr noch hinterher, sie ging Richtung S-Bahn-Station. Ich seufzte und gesellte mich wieder zu den beiden.

"Und, seht ihr euch wieder?", fragte Lena.

Ich griente. "Keine Ahnung. Schau in die Noten!"

"Trommelwirbel, die langsam verhallen. Es ist unbestimmt, wie es weitergeht!"

"Kluges Mädchen." Lena schaute ein wenig perplex, weil ich sie als Mädchen bezeichnet hatte, aber so war es ja gar nicht gemeint, wie ihr dann wohl auch klar wurde. Ich verstand, was sie meinte. Ich hätte liebend gerne was mit Tessa angefangen, wir hatten ja auch einen guten Draht zueinander gehabt, aber irgendwie ging es nicht. Es war wohl, weil ich gespürt hatte, dass sie noch nicht bereit dafür ist. Die beiden verschwanden dann zur Uni, und auch ich musste mich nun meine Entwürfe kümmern. Heute war Sonntag und die Scans konnte ich dann heute Abend und nächste Woche machen. Nico kam dann am späten Nachmittag herüber, richtete mir den Treiber ein, und zeigte mir den Umgang mit dem Ding. Und dann hatte ich viel zu tun, bis Dienstagnachmittag, immer nach einem frühen Feierabend mit ausgefallenen Fernsehprogramm. Ich zog alles auf einen USB-Stick und tauschte diesen mit dem Stick von Nico, der es endlich geschafft hatte das Handy auszulesen.

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Teil24: Halblegal erlangte Erkenntnisse

Ich öffnete die Daten mit zittrigen Fingern. Darauf waren Anrufliste, GPX Daten, Bilder, SMS, Whatsapp und Downloads. In letzterem Ordner waren allerdings nur vier abgelaufene Karten für zwei Konzerte und drei Kinofilme. Die Bilder waren schon interessanter. Da waren Bilder von uns und mir, aber auch jede Menge Bilder von Evelyn drinnen, die meisten mit irgendwie sexy Posen, verliebt aussehend, oder gar mit Dessous oder nackt. Beim Anblick bekam ich sogar ein wenig Eifersucht. Auf einigen wenigen Bildern mit Evelyn war auch Uwe mit drauf. Bilder von Lorena gab es nicht, aber die hätte ich sicher längst gesehen, wenn da welche drauf gewesen wären. Vermutlich hatte Uwe, falls er welche gemacht hatte die damals auf seinen Laptop überspielt, und dann auf dem Handy gelöscht.

Nun, die Bilder waren für mich also nicht so interessant. Wie Evelyn aussah, wusste ich ja. Außerdem wühlte das Ansehen von den Bildern wieder alte Gefühle hoch, das wollte ich vermeiden. Ich wendete mich der Anrufliste zu. Besonders die letzten Tage waren für mich interessant. Ganz viele Anrufe gab es zu deutschen Nummern mit 0175 3769 beginnend, von denen ich wusste, dass damit die Dienstnummern von Mattsinvest begannen. Und beim Rest tauchten im Wesentlichen nur drei Nummern auf. Alle mit italienischer Landesvorwahl. Ich recherchierte. Eine gehörte zu einem Hotel in Salerno, wie sich herausstellte. Und die beiden anderen Nummern waren tot. Ich recherchierte und bekam heraus, dass die eine der beiden Nummern seiner Geliebten, also Andreas verstorbener Mutter gehört hatte. Aber die letzte? War die von Mario alias Solco? Es war darüber nichts zu finden. Ob ich mal Jens fragen sollte? Im SMS Ordner waren einige SMS von Firmen drin, Bestätigungs-SMS von Banken, vom Handy Provider. Die GPX Daten konnte ich erst mal nicht lesen. Da müsste mir Nico helfen. Ich öffnete den Whatsapp Ordner. Da fand ich eine Konversation von mir, eine von Piere, einige von anderen Leuten die wohl auch von seiner alten Firma waren, da es da nur um geschäftliche Sachen ging.

Dann gab es eine WA von einer unbekannten Person, die sich Freya Xanti nannte:

Bin im Hotel. Zimmer wie immer. Bist du schon unterwegs?

Bin nur noch zwei Kusslängen entfernt. Kann es kaum erwarten!

War die WA von dieser Lorena? Ich verglich diese später mit den Nachrichten von Evelyn und die zeitlich einige Stunden danach eintreffende Whatsapp Nachricht von Evelyns Account machte die Sache klarer. Das Datum sagte mir auch etwas. Das war die angebliche Dienstreise nach Riga! Also war diese Konversation wirklich von Lorena! Und es sagte mir, dass er diese Lorena Evelyn auch verschwiegen hatte. Wie tief kann man sinken!

Und eine weitere Konversation war von Evelyn. Und die war interessant:

Hi! Hab dich gesehen!

Wer bist du denn?

Wer ist blond und hat gerne Dessous an?

Ach Evelyn!

Begeistert klingt das aber nicht!

Von wegen! Sandra hat ja keine ...

Lust, mal meine anzusehen?

Wenn ich deinen Körper dann auch ansehen darf!

Der ist ja sozusagen mit meinen Dessous verheiratet!

Dann ja. Wo und wann?

Wann kannst du denn?

Grins. Immer!

Typische Männerantwort. Bringt uns aber nicht weiter!

Steakhaus am Hans-Albers-Platz auf St. Pauli? Morgen 13 Uhr?

Klingt gut! Lechz ...

Nach mir?

Weiß nicht. Finde es raus!

Mach ich. Bis dann!

Yippie!

Dann ging es am nächsten Tag weiter:

WOW! Du bist so toll! Hast mir total den Kopf verdreht!

Und du mir den Körper verbrannt mit deinen heißen Küssen ... überall hin!

Dafür entschuldige ich mich nicht. Das war deine Ausstrahlung!

Die haben ganz schön geguckt da in dem Hotel! Bezahlung nach Stunden. Haha! Die erste Löschung hat nur fünf Minuten gedauert! Man müsste es in Minutenhotel umbenennen!

Brauchst du noch eine Löschung?

Am besten schon gestern! Und noch viel mehr ...

Mich ganz? Kannst du haben!

Ist wohl langweilig im Bett mit deiner Ollen? Sie sieht ja gut aus, hat es aber nicht drauf, oder?

Stimmt. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Vor allem wegen Piere.

Wollen wir durchbrennen? Nur du und ich?

Klingt verlockend. Aber wir brauchen noch wen.

So? Ein Dreier? <lach>

Nee. Er heißt Geld. Hab auch schon eine Idee.

Wieder in derselben Gaststätte?

Yes! Aber heute erst 17 Uhr. Wichtige Besprechung! (Piere nervt!)

Passt! Ich und sie freuen uns schon darauf!

Es gab dann noch einiges Hin und Her mit üblichen Liebesbekundungen, aber etwa 2 Wochen später, an einem Sonntag:

Halte es nicht mehr aus! Wann kommst du von Mailand wieder?

Besprechung läuft noch. Kann spät werden. Warte nicht auf mich!

Manno! Du bist so gemein!

Es war das richtige Datum. Mailand! Das war das vermutete Intermezzo mit Lorena und bedeutete also wirklich, dass Evelyn nichts von Lorena wusste. Besprechung! Dass ich nicht lache! Zurück kam von Uwe nur ein Smiley-Küsschen und das auch erst Stunden später. Am Morgen dann:

Hast du Hand an dich gelegt?

Nee, aber ich warte auf deine Hand. Und auf etwas anderes <kicher>

Leider heute wieder lauter Besprechungen. Heute Abend reite ich wieder zu dir!

Ja mein wilder Hengst! Ich sattele mich und werde dich reiten. Es ist nur schwer auszuhalten ohne dich!

Küsschen!

Bin im Flieger! Kommst du dann zum Terminal?

Geht nicht! Piere ist ja da! Morgen früh!

Schade!

Dann gab es wieder einige Verabredungen mit Liebesgesäusel und so, aber richtig interessant wurde es erst eine gute Woche später:

Du musst jetzt hineinkommen! Der kann kaum noch sitzen! Die Pin hab ich!

Bin unterwegs!

Das war wohl, als sie den Typen lahmgelegt hatten. Und dann wieder etliche Tage später:

Alarm! Deine Alte hat mich aufgespürt! Und angegriffen!

WAAAAS? Und nun?

Konnte entkommen. Bin unterwegs zum Hotel!

Gott sei Dank. Ich warte hier!

Dann gab es erst einmal nichts Sinnvolles, außer diesen regelmäßig hin und hergeschickten Küssen und sonstigen Liebesbezeugungen. Aber am 3ten Tag nach der Leerung seines Kontos durch Nico und mich in Zürich gab es das nächste Interessante:

Du musst zurückkommen! Wir müssen eine Reise in den Süden machen!

Warum das denn? War gerade so schön shoppen mit dem leicht verdienten Geld aus dem Deal!

Solco macht Dummheiten!

Wer ist denn Solco?

Mein Sohn Mario. Der wohnt jetzt in Salerno, und da müssen wir hin.

Manno! Du hast einen Sohn?

Sogar zwei. Zwillinge. Frag nicht. Komplizierte Geschichte. Ich erklär dir alles und auch den Plan. Ich muss untertauchen. Wir müssen untertauchen. Inkognito. Und für dich finde ich auch eine Lösung.

Ja, ich komme <schmoll>

Das war jetzt überraschend. Also dass die da hingefahren sind, war ja klar, aber dass sie vermutlich doch dieses Derivatdings gemacht hatten, war mir neu. Wie konnte das gehen? Ich müsste noch mal Nico fragen oder vielleicht sogar besser Piere. Das hatte Uwe wohl vermutlich mit dem aufgelösten Aktiendepot finanziert. Ob davon noch was über ist? Wenn ja, wo ist es und wer hat das? Die Nachforschungen der Polizei hatten laut Ellen nur ergeben, dass der Rest des Geldes des Aktiendepots von dieser Bank zu einer anderen Bank, und von der dann in Bitcoin transferiert wurde. Das war damals in diesem Land noch völlig unreguliert gewesen und so war das auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Ich wäre ja davon immerhin die Erbin. Aber gleich darauf schalt ich mich. Kannst du nur noch an Geld denken, Sandra? Mein Gewissen hatte recht. Das war nicht der Grund, warum ich nachforschte. Meine Gewinnaussicht waren Informationen. Und was hatte er für ein Untertauchen geplant? Das hatte dann ja nicht so geklappt wie vorgesehen.

Dann gab es noch einige letzte Nachrichten, alle von Uwe. Es war am Todestag. Eine halbe Stunde vor dem Unfall.

Sag ihm, die Tasche steht neben dem Kamin. Wir müssen improvisieren, ich glaube der will türmen!

Okay! Was soll ich tun?

Ich hab mir was überlegt. Sag ihm, er soll mein Zeichen abwarten, und dann reinkommen und die Tasche schnappen!

Hab ich gemacht. Er wartet.

Gut. Ab jetzt Funkstille!

Ich gehe jetzt rein. Bleib im Auto auf dem versteckten Parkplatz und KOMM JA NICHT REIN! Nur er!

Jetzt!

Das war es! Der dritte Mann! Aber was da genau passiert war, wusste ich immer noch nicht. Ich hatte mir was zusammengereimt, aber stimmte das auch? Das würde nur einer wissen, nämlich Mario alias Solco. Uwe war ja tot, Evelyn war außer Gefecht und war wohl auch nicht direkt dabei. Es musste da wohl eine Auseinandersetzung gegeben haben. Aber warum machte ich mir da solche Gedanken? Uwe war tot. Für ihn würde sich nichts mehr ändern. Plötzlich wusste ich es. Ich! Ich machte es für mich! Ich wollte, dass ich wenigstens noch eine gute Sache an Uwe finde, der ihn mir wieder menschlicher macht. Aber das Entdecken dieser erhofften Sache war nun wieder in weite Ferne gerückt. Weiter denn je! Plötzlich überfiel mich die Emotion. Ich begann zu weinen. Einfach so. So lange nach dieser Sache! Ich versuchte mich zu beruhigen, aber ich schaffte es einfach nicht. Immer mehr Tränen kamen, immer heftiger kullerten sie. Ich schluchzte, immer wieder. Das musste mehrere Minuten so gegangen sein. Dann kam ich endlich wieder zur Ruhe und hatte wieder zu mir selbst gefunden. Ich machte mich notdürftig wieder zurecht und ging aus dem Haus, über die Straße.

Ich klingelte bei Nico und Bettina. Nico öffnete nach einer halben Minute. "Oh, Sandra!"

"Komme ich ungelegen?"

Er schaute mir aufmerksam ins Gesicht. "Geht's dir gut? Du siehst so ..."

"Verheult aus? Ja, stimmt. Weil, ich komme nicht weiter."

"Was fehlt dir denn?"

"Informationen. In den SMS stehen schon interessante Sachen, aber nicht die was mit meinem zweiten Stiefsohn, also dem Bruder von Andrea der bei mir wohnt, passiert ist. Vielleicht hilft ja diese GMX Datei weiter, aber ich kann damit nichts anfangen."

"Eine GPX Datei ist das. Komm rein!"

"Hast du die Daten auch noch?"

"Na klar!"

Ich folgte ihm. Sein PC Zirkus, er hatte jetzt mehrere davon, stand nun in einer Ecke des Wohnzimmers. Er drückte eine Taste, bewegte in atemberaubender Geschwindigkeit die Maus, und dann erschien eine Karte. "So, hier kannst du die Karte vergrößern und verkleinern, im Fenster rechts stehen die Positionen, Höhe, Datum, Zeit, Geschwindigkeit, und damit kannst du vor und zurück navigieren. Er zeigte auf die Navigationselemente. Lass dir Zeit. Wenn du einen Kaffee brauchst oder so, einfach rufen. Ich bin eine Etage höher." Meine Etage darunter reagierte glücklicherweise und ausnahmsweise mal nicht, sodass ich mich gleich an die Arbeit machen konnte. Es waren etwa drei Monate, die hier dargestellt waren. Einmal war das seine Fahrt in die Alpen für etwa 2 Wochen, da war ich ja nicht mit. Da traf er sich ja sicher mit dieser Lorena, das vorletzte mal. Da war viel bergauf und bergab zu sehen, vermutlich auch an Lorenas Hügeln, aber das hatte sein Handy ja nicht aufgezeichnet. Dieser miese ..., den Rest verschluckte ich. Also nicht in Gedanken, aber meine Wiedergabe hier.

Besonders der letzte Monat war interessant. Die Wege auf der Karte vorher waren klein, nur in Hamburg, und fast jeden Tag nahezu gleich. Aber dann begannen die Abweichungen. Die Abzweige nach St. Pauli, wo diese Gaststätte war, das Hotel, später kamen noch andere Gaststätten dazu, verteilt in anderen Stadtteilen. Dann gab es diese Reise nach Mailand, von der ich dachte, dass er in Riga war. Auch die wurde angezeigt. Selbst das Hotel war zu sehen, aber auch viele Wege kreuz und quer in der Stadt Mailand. Da wird er sich nochmal mit dieser Lorena getroffen haben. Oder? Laut der Nachrichten, und auch der Auskunft damals von Piere war Evelyn da nicht mit. Auf jeden Fall war da keine lange Autofahrt gewesen, sondern ein Flug.

Ich hätte mich ohrfeigen können! Wenn ich damals nachgebohrt hätte wegen dieser Übernachtung in Mailand unter meinem Namen, dann hätte ich dieses verdammte Doppelleben vielleicht schon viel früher entdeckt! Weiter ging es mit den Geodaten. Die Fahrt nach Kopenhagen, später dann nach Marseille, da immer mit dem Auto. Das war eine extrem lange Strecke, welche Uwe in einem Zuge gemacht hatte. In 23 Stunden! Da waren nur ein paar wenige Pausen auf Raststätten dazwischen, alle weniger als eine halbe Stunde. Danach ging die Reise nach Wien. Die beiden schienen sich da einiges angeschaut zu haben, einige Schlösser, Museen, eine Fahrt auf der Donau. Tatsächlich schien auch Uwe hier den Öffi benutzt zu haben, wie man an den fehlenden Abschnitten im Tunnel dort sah.

Dann ging die Fahrt nach Zürich. Das Auto hatte er in Zürich, wie ich jetzt sehen konnte, auf einem anderen Parkplatz abgestellt, weit weg vom Hotel. Kein Wunder, dass ich es dort nicht gefunden hatte. Dann gab es das übliche Hin und Her mit dem Öffi oder zu Fuß. Sogar den Gang zur Gaststätte mit dem damaligen Handytausch konnte man nachvollziehen. Wahnsinn! Dann begann aber in den letzten beiden Tages des Juni eine hektische Betriebsamkeit, kreuz und quer durch Zürich. Das war wohl, nachdem Uwe das Leerräumen des Kontos gemerkt hatte. Genau da kam ja der Anruf bei mir. Und gleich zu Anfang des Monats gab es etwas wirklich Bemerkenswertes. Seine Geodatenspur ging in Zürich erst zum Flughafen, und dann tauchte sie wieder auf. In Hamburg! Der war hierhergeflogen!

Mit zitternden Händen folgte ich der Geospur. Sie ging vom Flughafen los, verschwand dann, vermutlich im Tunnel der S-Bahn, tauchte in Ohlsdorf wieder auf, ging dann entlang der S-Bahn Strecke bis zur Endstation Poppenbüttel. Von dort aus über die Straße und bis zu einem Gebäude. Dort war das Ortsamt. Was wollte er denn da? Plötzlich hatte ich eine Idee. Der Pass! Hatte er sich hier einen Pass machen lassen? War sein alter Pass verschwunden? Aber dann hätte er den ja schon Wochen vorher beantragen müssen! Das musste ich überprüfen! Ich rief zu Nico hoch: "Muss mal bei mir was überprüfen!"

Nico antwortete "Gut! Lass die Tür einfach offen!" Ich ging hinüber zu meinem Haus, hastete zum Schreibtisch, holte das Kästchen heraus, nahm den Pass an mich, schaute hinein. Tatsächlich! Ausstellungsdatum 26.06.2019! Warum hatte ich das denn nicht vorher bemerkt? Die Polizei aber offenbar auch nicht. Jedenfalls hatte mich keiner darauf angesprochen. Ich war total perplex, fühlte mich überhitzt. Trotzdem musste ich weitermachen. Die Sache brannte mir unter den Fingern. Ich ging zurück und setzte mich wieder an den PC, folgte der Geodatenspur weiter. Vom Ortsamt ging es dann weiter, immer den Heegbarg entlang bis zu - ja, bis zu mir nach Hause! Er ging aber nicht auf dem normalen Weg, sondern er war irgendwo bei einem Nachbarn durchs Tor oder über den Zaun geklettert und von hinten an das Grundstück gekommen. Der war also in meinem Haus gewesen! Was hatte er da gewollt oder gemacht? Ich hatte keine Ahnung. Hatte es was mit dem Datenspeicher zu tun, nach dem der Einbrecher damals gesucht hatte?

Das Türschloss hatte ich jedenfalls erst einen Tag später austauschen lassen. Verdammt, es gab keinen Hinweis! Nicht den kleinsten! Die Polizei hätte das doch damals gefunden! Eine gute Stunde später ging die Spur wieder zurück zur S-Bahn, dann zum Hamburger Flughafen und tauchte in Zürich wieder auf. Wie konnte der hierherfliegen, ohne aufzufallen? Das hätte die Polizei doch mitkriegen müssen! Die Sache war ein komplettes Rätsel. Gleich danach ging es von dort mit dem Auto in den bergigen Teil der Schweiz. Und dann, zwei Tage vor dem tödlichen Unfall, ging es nach Italien. Salerno. Dort hin und her, weil sie wohl viel mit dem Auto gemacht hatten. Merkwürdigerweise waren sie im selben Hotel wie ich gewesen! Dreimal waren sie bei diesem Haus von Mario vorbeigefahren. Bis auf den dritten Besuch waren sie immer etwa eine Stunde da geblieben.

Dann ging es am dritten Tag nach kurzem Aufenthalt von dort weg. An der Geschwindigkeitsanzeige konnte man sehen, es war keine Flucht gewesen. Anfangs zwar schnell, dann ein kurzer Stopp auf diesem Parkplatz, und dann eine ruhigere Fahrt. Ich wusste ja nun, dass Mario denen gefolgt war, aber offenbar hatten sie ihn nicht bemerkt. Und dann ging es auf die Straße, wo diese Schlucht war. Immer noch normale Geschwindigkeit. Mein Herz raste. Hier hätte er wegen der Kurve die Geschwindigkeit reduzieren müssen. Tat er aber nicht. Genau an der Unfallstelle brach die Aufzeichnung ab. Es war dort, wo ich mit Ricardo gewesen war. Ich hörte ein ohrenbetäubendes Krachen, obwohl um mir herum alles recht ruhig war. Eine Sinnestäuschung. Wieder liefen die Tränen. Meine Tränen. Ich ließ es einfach laufen, bis es vorbei war. Auch mein Herzschlag beruhigte sich wieder. Es war nicht einfach gewesen, dem Ereignis im Nachhinein innezuwohnen. Chronik eines unangekündigten Todesfalls. Nico tauchte auf.

"Und, bist du schlauer? Emotion wieder im grünen Bereich?"

Nico war ja sehr aufmerksam. Vermutlich hatte er meine verlaufene Wimperntusche entdeckt. "Ja, bin ich. Meine Vermutung war wohl richtig. Er wurde nicht in den Tod getrieben. Sein unehelicher Sohn folgte ihm ja bis zum Unfall, aber unauffällig. Er dürfte den Verfolger nicht bemerkt haben. Trotzdem habe ich so das Gefühl, dass er nicht ganz unschuldig an der Sache ist. Und Uwe war vorher noch mal hier gewesen. In meinem Haus."

"Was? Was wollte er da?"

"Keine Ahnung. Vielleicht hat das ja mit diesem Einbrecher von damals zu tun. Aber das ist alles sehr rätselhaft."

"Und was willst du nun machen?"

"Meinen zweiten Stiefsohn versuchen zu kontaktieren. Gibt es schon Resultate vom Spaghettimenü?"

Nico griente. "Ist gerade fertig geworden. Es konnte fast alles zusammengesetzt werden. Wo es noch Probleme gab, hat das die KI ergänzt und korrigiert."

"KI?"

"Künstliche Intelligenz."

"Ach so. Der Mist."

"Sag das nicht! In vielen Bereichen ist die schon besser als ein Mensch. Zumindest gründlicher, und schneller. Für so etwas völlig ausreichend. Ich hab das auf diesen Stick gezogen. Alles als Bilder. Schau mal durch, ob du da was Interessantes findest. Im Ordner Original ist das italienische, Ordner Deutsch die Übersetzung."

Er gab mir den Stick. "Danke, Nico. Ihr beide habt euch echt eine Essenseinladung in einem Schickimicki Lokal verdient, so toll wie ihr mir geholfen habt!"

"Na, da muss ich aber noch meinen Schatz überzeugen!" Er griente.

"Wieso?"

"Schickimicki isst sie nicht so gerne."

"Na, schauen wir mal." Ich drückte dem völlig verdutzten Nico noch einen Kuss auf die Wange, und ging zurück in mein Haus. Ich steckte den Stick ein. Es poppte sofort eine Textdatei auf. Darin stand:

Liebe Sandra! Du solltest dich echt mal um deine Computersicherheit kümmern. Ein 'echter' Bösewicht hätte jetzt Schindluder mit deinem Gerät getrieben!

Gruß Nico

Ich musste schmunzeln. Er hatte recht, aber ich hielt so etwas immer für überflüssig.

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Teil25: Das gefährliche Samenkorn und ein ungefährliches Date

Ich öffnete das Laufwerk und nahm mir erst einmal den Ordner Deutsch vor. Es handelte sich größtenteils um Abrechnungen, Lieferscheine, etc. Da war eigentlich nichts Persönliches dabei. Meist hatten diese Bilder aber auch kleine Lücken, dort wo Daten fehlten oder nicht richtig zusammengesetzt werden konnten. Im ersten Moment war ich enttäuscht. Nichts Sinnvolles. Die einzigen brauchbaren Daten, seinen Namen und die Adresse dieses Hauses, die kannte ich ja bereits. Ich schaute noch einmal alles durch, dieses mal gründlicher, und entdeckte einige Merkwürdigkeiten. Dann hatte ich eine Idee. Ich schaute mir die Originale an. Die, welche in Italienisch sind. Ich fand zwei interessante Dokumente. Es waren nur Fragmente, aber offenbar waren das Ausdrucke von E-Mails und die dort stehende Adresse war unvollständig. Ich konnte co_quello_invisibile@se??eb.i? aus den beiden Schnipseln extrahieren. Aber wie war der Rest? Ich recherchierte und war mir dann beim Servernamen sicher. Es musste seeweb.it sein. Das war ein italienischer Provider. Und der Rest? Solco? Dann wäre seine Adresse: solco_quello_invisibile@seeweb.it.

Ich überlegte. Sollte ich eine Mail dahin schreiben? Und wenn ja, was für eine und was wollte ich damit bezwecken? Na was schon? Ihn treffen und aushorchen, oder? Aber ich erinnerte mich auch an die Warnungen vor ihm. Aber soweit war es ja noch nicht. Erst mal anschreiben und Kontakt bekommen, dann könnte ich mir immer noch Hilfe holen. Und wie sollte ich schreiben? Ich beschloss es in zwei Sprachen zu machen und nutzte dazu den Online Übersetzer.

Von: sandra_d_s_m@gmx.de An: solco_quello_invisibile@seeweb.it Betreff: famiglia / Familie

Ciao Mario, sono Sandra, la tua matrigna. Ho davvero bisogno di parlarti. Riguarda Uwe, tuo padre. Pensi che potremmo incontrarci da qualche parte? È importante!

cordiali saluti Sandra

Hallo Mario, ich bin Sandra, deine Stiefmutter. Ich muss dich unbedingt sprechen. Es geht um Uwe, deinen Vater. Meinst du, wir könnten uns irgendwo treffen? Es ist wichtig!

Liebe Grüße Sandra

Mit zitternder Hand schickte ich es los. Nun hieß es warten. Warten. Warten. Ich wartete tagelang. Aus Tagen wurden Wochen. Keine Nachricht. Die Spur schien im Sande zu verlaufen. Ich hatte Kontakt zu Jens Mehnert aufgenommen und ihm die Daten geschickt. Ich bekam ein Danke und eine Essenseinladung. Mittlerweile hatte ich aber wieder weniger Zeit. Ich hatte meine Wanderungen, die eigentlich nur lange Spaziergänge in flachem Gelände waren, wieder aufgenommen, und auch beim Selbstverteidigungskurs ging ich wieder hin. Wieder traf ich dort Julia und die anderen sowie unser Lehrerduo Valerie und Sven, von denen ich ahnte, dass sie auch privat ein Paar waren. In der Übungsstunde war das aber nicht zu sehen. Aber ein Vorfall machte es deutlicher. Wir sollten uns gegen Angriffe verteidigen. Valerie und Sven waren jeweils die Angreifer. Meistens gewannen sie auch, aber manchmal konnten wir doch schon einiges abwehren.

Sven griff mich gerade an. Ich beherzigte den Tipp die Kraft des Gegners für die Verteidigung zu nutzen. Sven flog auf die Matte und ich ließ kniete mich blitzschnell auf ihn, ehe er sich hochrappeln konnte. Ich kniete nun auf seinen muskulösen Oberarmen. Einige Sekunden schaffte ich es ihn am Boden zu halten, ehe er mich mit einer Beinschere abwerfen konnte. Jetzt erst kam er wieder auf die Beine. "Nicht schlecht", sagte er. "Aber du musst dich dann um deine Deckung kümmern." Er hatte ein hochrotes Gesicht. Alle starrten mich an. Und Valerie tat das richtig wütend mit blitzenden Augen. In der Umkleide, als nur noch ich dort war und ich mich gerade fertig angezogen hatte, kam sie an mich heran, griff mir an die Klamotten in Höhe Dekolletee, und kam ganz dicht an mich heran.

"Du lässt die Finger von ihm, hörst du!!!!"

"Sonst? Vielleicht nehme ich ja dich! Ich stehe auch auf süße Frauen!" Das irritierte sie sichtlich. Sie ließ von mir ab, drehte sich um, und entschwand, aber nicht ohne mir nochmal einen giftigen Blick und ein "Wehe!" zugeworfen zu haben. Somit war klar, die waren zusammen oder Valerie hatte zumindest Interesse an ihm. Meine Neugier hatte das aber erst recht angefacht.

Aber erst einmal nahm ich die Essenseinladung von Jens Mehnert an. Er wollte mich erst in ein Sternerestaurant führen, aber ich bestand darauf, dass es was 'normales' ist. So landeten wir in einem Restaurant, welches bei mir in der Nähe war. Vielleicht 10 Minuten Autofahrt. Ich ließ mich von ihm abholen. Angeblich mongolische Küche, aber in Wirklichkeit war es eher so allgemein asiatisch. Aber recht viel Auswahl und wenn man zur richtigen Zeit da war, und das waren wir, gab es Menü. All you can eat. Als Nachtisch vielleicht all he can fuck, aber das würde sich dann ergeben oder auch nicht. Ich zog mir jedenfalls vorsorglich sexy Sachen an und das natürlich auch darunter. Ich gab ihm einen unverbindlichen Kuss auf die Wange und er fuhr los. Zusammen mit ein paar hundert anderen Fahrern geradewegs in einen Stau.

Er schielte ein paar unauffällig zu mir und meinem Outfit. "Ist heute weit entfernt vom Rotlichtoutfit", sagte ich.

"Darunter auch?"

Ich griente. "Du bist aber direkt!"

"Frechheit siegt!"

"Blaulicht würde helfen."

Er seufzte. "Darf ich leider nicht."

"Na gut, dann gedulde ich mich mal." Ich auch, sagte meine kleine haarige Freundin da unten. Mit einer Intimrasur konnte ich mich immer noch nicht anfreunden. Anfangs war es vielleicht schön, aber dann kratzte es furchtbar in den darauf folgenden Tagen. Also ließ ich es meistens. Wir kamen an, bestellten unser Getränk - auch ich nahm was ohne Alkohol, und holten uns den ersten Schwung vom Buffet. So konnten wir uns schon mal ein wenig den Magen füllen. Dann gab es den zweiten Gang. Erst das Aussuchen der Fleisch - und Gemüsesorten zum Brutzeln dort ganz frisch in der zum Gastraum offenen Küche. Nun mussten wir warten. Amüsiert hatte ich schon gesehen, dass die hier diese Art von Speisegängen mit so einem kleinen fahrenden Roboter auslieferten. Der sah richtig süß aus mit seinen Kulleraugen und den blinkenden Lichtern.

Jens sah meinen Blick. "Willst du tauschen?", fragte er.

"Nee, ich glaube, du bist doch der bessere Gesprächspartner."

Er machte eine Kopfbewegung zu ihm hin. "Aber der kann immer!"

"Welche Frau möchte das schon!"

Jens lachte. "Nie um eine Antwort verlegen, Sweety. Danke übrigens für die zur Verfügung gestellten Sachen. Wo hast du die eigentlich her?"

"Die Dokumente sind aus einem Einbruch!"

Er prustete los. "Warum wundert mich das nicht?"

"Ricardo hat darüber hinweggesehen. Also wirst du es auch tun, oder?"

"Vermutlich. Er hat mir gesagt, das Handy war aus dieser Schlucht?"

"Ja, oder besser das, was vom Handy noch über war. Wir sind da zusammen zur Absturzstelle hin. Das war ganz schön schwierig!"

"Du meinst jetzt nicht nur das körperliche, oder?"

"Du bist sehr einfühlsam. Das hätte ich bei einem Kommissar nicht erwartet."

"Ich kann auch anders. Und die berufliche Variante hast du ja schon kennengelernt. Wenn man da zu weichgespült anfängt, erfährt man nichts. Aber den tröstenden Kommissar kann ich auch, und muss den noch nicht mal spielen. Wenn ich ihn mal heraushole, ist der echt. Und, wie war es dort?"

"Na wie schon? Emotional hatte mich das ganz schön mitgenommen, trotz der langen Zeit, die es her ist. Ich war genau dort, wo sein Auto auf die Felsen gekracht ist. Krass, nicht?"

"Das kann ich mir vorstellen. Was ist eigentlich mit der anderen da?"

"Evelyn? Ihr Freund meint, dass sie jetzt doch wieder Reaktionen zeigt. Wer weiß, vielleicht lernt sie ja doch noch ihr Kind kennen."

"Die hatte ein Kind? Das wüsste ich aber!"

"Die war schwanger, als sie diesen Unfall hatte. Der Junge hat sich dann gut entwickelt."

"Echt? Na, wenigstens etwas Gutes was bei der Sache herausbekommen ist. Das ist aber nicht von deinem Mann, oder?"

"Nein, von ihrem Freund. Dieser CEO."

"Patrick hieß der, oder?"

"Nee, Piere."

"Hast du noch Kontakt zu dem?"

"Klar. Ab und zu lass ich mich mal von dem durchvögeln."

Jens verschluckte sich fast. "An deine Direktheit muss ich mich erst mal gewöhnen."

"Ich bin eben anders. Ich bin sozusagen eine Blume, die zu den Bienen fliegt. Da hab ich die volle Auswahl."

"Und, heute doch er?" Er zeigte wieder mit dem Kopf auf diesen Robbi, der blinkend und schnarrend zu uns angefahren kam.

Wir entnahmen unser Essen und fingen an zu essen. "Nee, besser nicht. Der kann zwar gut ausliefern, aber die Art Lieferung, die ich heute vielleicht will, die kann er nicht."

"Wieso nur vielleicht?"

"Kennst du eine richtige Frau, die ja sagt?"

"Ja, meine Ex."

"Lass mich raten: Du konntest nie dein Essen zu Ende essen. Musstest immer ellenlange Überstunden machen. Und musstest dich den Verführungsversuchen der verdächtigen Frauen erwehren. Deshalb ist es in die Brüche gegangen?"

"Nein, Drogen!"

"Du hast Drogen genommen?"

"Quatsch. Obwohl, auch Frauen können manchmal Drogen sein. Verführerische Drogen für Männer. Nee, sie nahm selbst Drogen und kam nicht davon los. Hab es x-mal versucht. Aber irgendwann war Schluss."

"Bist du deswegen da so hinterher gewesen?"

Er schüttelte den Kopf. "Fentanyl spielte damals noch keine große Rolle. Nein, bei ihr war es Koks. Egal, vorbei. Und das mit diesen Fernsehkommissaren ist voll das Klischee. Natürlich können wir zu Ende essen und haben in der Regel pünktlichen Feierabend. Wo hast du denn eigentlich dieses Spaghetti gefunden? In der Schlucht war es ganz sicher nicht, wie mir dieser Ricardo versichert hat."

"Da war es auch nicht. Es stammte aus diesem Einbruch. Obwohl, so ein richtiger Einbruch war es gar nicht. Ich hatte mir einen Dietrich gebastelt und damit das simple Schloss ganz normal aufgemacht."

"Ganz normal aufgemacht!", sagte Jens amüsiert, dabei jedes Wort scharf mit einer Pause voneinander abgegrenzt. Selbst seine Augen schauten reichlich spöttisch.

"Aus Versehen ist da das Siegel kaputtgegangen, weil ich das in der Dunkelheit nicht gesehen hatte." Er griente daraufhin und zog seine Augenbrauen hoch. Ich konnte es nicht deuten. War es Missbilligung? Oder Bewunderung? Eine Mischung von beiden? Ich fuhr einfach fort: "Da war sonst nichts mehr. Nur diese Schnipsel im Papierkorb. Das haben die wohl bei der Hausdurchsuchung für wertlos gehalten. Ich hab es in eine Tüte gesteckt und später mitgenommen. Hätte nie gedacht ... konnten die denn was damit anfangen?"

"Wenn sie diesen Solco kriegen, können sie ihn damit hopps nehmen. Das geben die Lieferscheine astrein her. Das reicht dann für ein paar Jährchen."

"WOW, ich bin Ermittlerin!"

"Ich habe schon eine Ermittlerkollegin!"

"Ach nee! Nicht mehr der arabisch aussehende Typ?"

"Nee, der ist jetzt bei der Sitte. Ich hab jetzt die ... ich glaube, die war damals auch bei der Hausdurchsuchung dabei."

"Die mit dem Pferdeschwanz?"

"Jetzt hat sie einen Zopf. Das sieht sogar noch niedlicher aus. Sie hat sich dann weitergebildet und ist jetzt im gehobenen Dienst."

"Und wie ist sie im flachen Dienst?"

"Hä?"

"Na, ist sie gut im Bett?"

"Nee, erst mal macht man das nicht mit der Ermittlerin an seiner Seite. Und dann ist die auch zu jung für mich. Hat auch 'nen Freund."

"Immer noch denselben?"

"Weiß nicht. Wie kommst du darauf?"

"Hatte ihr damals den Tipp gegeben sie soll Dessous anziehen, und sie meinte, das brauche sie ja nicht."

"Und du?"

"Schau doch nach!" Leider tat er nichts. Er schaute nur. Was er jetzt schon dort sehen müsste, war aber auch so ziemlich ein Hingucker. Dirndl-Effekt dank meines BHs und der ziemlich offenen Bluse. "Na gut, hol ich mir noch was zu Essen", sagte ich, stand auf, legte mir neues Grillgut auf den Teller. Er folgte mir dann und tat es mir gleich. Und wieder mussten wir warten.

"Konntest du denn mit dem Handy was anfangen?", fragte er.

"Im Wesentlichen wusste ich schon alles. Es war nur noch eine Bestätigung der Ereignisse. Aber eine Sache hatte ich übersehen. So hätte ich damals ihn und sein Doppelleben vielleicht schon früher enttarnen können."

"Hätte aber nichts genutzt, oder?"

"Wohl kaum."

"Und auch der spätere Einbruch damals bei mir erscheint jetzt in einem anderen Licht. Weißt du überhaupt davon? Uwe war nämlich noch mal bei mir im Haus gewesen, ohne dass ich davon was mitbekommen habe. Den Daten nach war es ein Flug hierher und ich frage mich, wie er es machen konnte, ohne dass ihr das entdeckt habt. Außerdem hatte er da noch Glück gehabt. Einen Tag später hatte ich die Schlösser ausgetauscht."

"Also geflogen ist er garantiert nicht! Das haben wir doch geprüft! Und ja, von dem Einbruch damals hatte ich was mitbekommen. War ja mit Einsatz einer Waffe. Hab später den Abschlussbericht gesehen."

"Vielleicht ist Uwe ja unter falschem Namen geflogen?"

"Mag sein. Dann war er gut. Aber im Schengen-Raum problemlos möglich. Da wird das ja nicht so genau geprüft wie sonst. Meist wird nur ein kurzer Blick auf den Ausweis geworfen."

"Trotzdem habe ich keine Ahnung was er da wollte. Eigentlich fehlte nichts und diesen Datenträger hat er auch nicht hinterlegt. Den hättet ihr doch gefunden!"

"Aber sicher doch!"

"Übrigens ... weißt du, wie ich dich damals in Gedanken genannt habe?"

"Keine Ahnung! James Bond?"

Ich lachte. "Na wie ein Womanizer siehst du ja nun wirklich nicht aus. Aber sonst bist du dicht dran. Es war Blondie. Also fast James Blond." Ich kicherte. "Schlimm?"

Er verzog das Gesicht. "Geht so. Bei Frauen ist das mit blond ja meistens abwertend gemeint. So in die Richtung blond und hübsch, aber doof."

"So war das damals nicht gemeint. Ich hatte schon ein wenig Respekt vor dir. Also, auch vor deinen kognitiven Leistungen."

"Oh, du bist eine gebildete Dame!"

"Ich dachte, das ist Grundvoraussetzung dafür, dass du dich mit einer triffst?"

"Ist es ja auch. Ich dachte nur, es hilft mal ab und an ein Kompliment einzuflechten."

Ich war belustigt. "Du willst mich doch nur ins Bett kriegen!" Und SIE da unten sagte: 'das will ich doch'.

Er ging in die Offensive. "Ich dachte, das wäre klar!" Ich neigte meinen Kopf. Nur so ein bisschen. Es könnte Zustimmung ausdrücken, aber auch Ablehnung, oder eine Geste, dass man noch darüber nachdenkt. Für eine Frau ist es immer vorteilhaft, den anderen über seine Absichten dahingehend im Unklaren zu lassen.

"Natürlich. Nach dem Essen gehen mit einem Mann gehe ich immer ins Bett. Oft aber auch allein." Beim letzten nachgeschobenen Satz erstarb sein sich ansatzweise gebildetes Lächeln wieder.

"Es macht dir Spaß zu spielen, oder?"

"Klar. Manchmal gewinnt ja auch einer." Im Moment war aber wieder jemand anderer auf der Gewinnerstraße, und das war Robbie. Freudestrahlend und krächzend kam er wieder auf uns zugefahren und lieferte den nächsten Gang aus. Wir hatten erst einmal mit Mampfen zu tun. So frisch gebrutzelt war das alles sehr lecker und ich hatte mir natürlich zu viel aufgetan, schaffte es aber alles aufzuessen. "Puh, ich kann nicht mehr", sagte ich, und schob den leeren Teller von mir weg.

"Kein Dessert mehr?"

"Doch. Ich bin 'ne Süße und kann bei so was nicht nein sagen. Morgen putze ich die überflüssigen Kalorien wieder runter."

"Fitnessstudio?"

"Da gehe ich auch noch hin. Aber viel öfters in der freien Natur."

"Radfahren?"

"Nee. Ich wandere. Oder spaziere, je nach Sichtweise."

"Wo ist die Grenze?"

"Angeblich bei einer Stunde."

"Und wie lange wanderst du?"

"Anfangs über zwei Stunden, aber jetzt schaff ich es in einer Stunde und fünfundfünfzig Minuten."

"Cool. Hätte ich nicht gedacht. Dann bist du ja fitter als ich!"

"Das werden wir ja gleich ausprobieren."

"Wie, du willst noch? ..."

"Nein! Beim Sex natürlich. Aber erst kommt noch das Dessert!" Ich stand auf und ließ Jens mit staunenden Augen und offenem Mund zurück, aber er kam dann nach, nahm sich auch noch einige, aber kleine süße Teilchen, die wir dann am Tisch aßen, jeder den anderen belauernd. Unsere Augen hatten aber längst miteinander Sex. SIE hatte meine Kontrolle übernommen und ER bei ihm sicher auch. "Was hast du denn für ein Bett zu Hause?", fragte ich.

"Na so eine Art Gitterbett."

"Echt jetzt?"

"Sabrina wollte das!"

"Das ist deine Ex, ja?"

"Ja. Und wieso willst du das wissen?"

"Wirst du gleich sehen. Fahren wir zu dir? Ist es weit?"

"Nö. Viertelstunde." Wir hätten auch zu mir fahren können, er wusste ja eh, wo das ist, aber ich wollte nicht unbedingt auf Andrea treffen, und außerdem ... hatte ich mir so was immer schon mal gewünscht. Er rief die Bedienung, zahlte, wir gingen zum Auto, setzten uns dort rein, und fuhren ... nicht los. Ich knutschte erst ein mal mit ihm. Ich brauchte das jetzt zur Einstimmung.

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Teil26: Handschellen und Gummiknüppel

Nach mehreren Minuten ließ ich von ihm ab, schnallte mich brav an, und sagte: "So, nun können wir!" Während der Fahrt schaute ich oft zu ihm herüber und lächelte ihn an, nicht dass er es sich doch noch anders überlegt. Zu erwarten war das zwar nicht, aber man weiß ja nie was in so einem Männerkopf vor sich ging. Hihi. Wir gingen dann zum Eingang seines Wohnblocks und da in die dritte Etage, dann in seine Wohnung rein. Ich schaute mir kurz alles an, während er in der Küche Wein einschenkte. Es war eine typische Singlewohnung. Nur wenig Dekosachen. Aber zumindest wirkte sie nicht so düster wie damals die von diesem Hoteldetektiv in Zürich. Das Licht war mir hier aber zu hell. "Kannst du das Licht dimmen?", fragte ich. Er nickte, betätigte einen Knopf und ich auch meinen Knopf. Meinen Romantikknopf. Wieder knutschte ich mit ihm, und dann tranken wir beide einen Schluck Wein.

"Ich kann es kaum glauben, dass ich jetzt mit dir zusammen hier bin!", sagte Jens.

"Na dann musst du mich festhalten", sagte ich.

"Wie soll ich das denn machen?"

"Was meinst du, warum ich nach dem Bett gefragt habe? Jetzt machst du mich fest!"

"Wie denn?"

"Hast du deine Handschellen nicht hier?"

"Doch. Aber ich kann doch nicht ..."

"Du musst!" Ich fiel ihm ins Wort. "Ist es da?" Ich ging zu einer Tür und hatte den richtigen Riecher. Es war das Schlafzimmer. Ich legte mich so wie ich war, also voll angezogen, auf das Bett, und wartete. Er erschien in der Tür. "Nimm mich fest! Und dann musst du mich verhören!"

"Du meinst das wirklich ernst, ja?"

"Natürlich!" Ich hatte lange überlegt, um so etwas zu machen, muss man schon sehr viel Vertrauen zum Partner haben, aber ich dachte mir, bei ihm kann ich das wagen. Er verschwand und kam dann mit den Handschellen wieder. Er rutschte über mich. 'Nimm mich endlich', dachte ich, oder war sie es? Aber er nahm wie von mir gefordert meine Hände und führte die zusammen mit den Handschellen zu den Gitterstäben hin. Es klickte zweimal und ich war seine Gefangene. Mein Körper wurde von Adrenalin geflutet. Aber auch andere Hormone waren dabei, welche sich in meinen Unterleib bohrten. Da musste er noch gar nichts machen. "Hast du auch einen Gummiknüppel?", fragte ich.

"Den eingebauten?", fragte er.

"Nee, den aus Gummi." Wieder ging er aus dem Schlafzimmer und kam mit dem wieder. Ein richtig großes Ding.

"Und nun?"

"Was denkst du denn, was du damit tun sollst?"

"Weiß nicht. Dich verwöhnen?"

"Klingt gut." Er begann jetzt, den über meinen Körper zu führen. Aber er traute sich nur beim Oberkörper. Trotzdem war es schön, was er da mit meinen Brüsten und den schon längst steif gewordenen Nippeln anstellte. "Da unten ist keine verbotene Zone mehr." Er nickte wissend. Sein Gummistab wanderte jetzt in meine südlichen Gefilde. Erst glitt er nur meine Schenkel hinauf. Aber dann ... seine Berührungen machten mich wahnsinnig! Es war eine Lustfolter. Alleine der Gedanke, dass ich gefesselt war, erregte mich auf das Äußerste. "Zieh mich aus!", sagte ich. Er zog mir den Rock herunter, pfiff durch die Zähne, weil ich mir natürlich ein Set mit Strapsgürtel angezogen hatte, öffnete dann meine Bluse, dabei immer wieder mit mir knutschend, ausziehen konnte er die ja wegen der Fesselung nicht, befreite aber zumindest meine Brüste aus dem BH. Dann zog auch er sich aus. Er hätte mich jetzt mühelos vergewaltigen können, aber er machte es ganz zärtlich, und erst am Schluss kraftvoll. Ich drückte ihm meinen Körper in Ekstase entgegen, als er kam. Und kam selbst!

Nach einer kurzen Pause knutschten wir wieder miteinander. Dann wurden die Küsse wieder zärtlicher. Ich sah, dass sein bester Freund wieder etwas zuckte. "Komm, wir tauschen", sagte ich.

"Du meinst?"

"Ja. Angst?" Er schüttelte den Kopf. Er machte mich los und legte sich hin. Er hatte gelogen. Seine Augen flackerten. Offenbar hatte er eine Heidenangst davor, sich in die Hände von jemanden zu begeben, versuchte mir aber etwas vorzuspielen. Ich küsste ihn, und legte ihm die Handschellen an. Dann küsste ich ihn nochmal, da ich wollte, dass er sich zumindest ein klein wenig entspannt. "Wo sind denn die Kondome?", fragte ich.

"Nachtschrank. Aber ...!"

"Lass mich mal machen!" Ich zog das benutzte Kondom von seinem Schniedelwurz ab und sorgte mit dem Mund dafür, dass ich ihm dann ein neues Kondom darüber rollen konnte. Er schien seine Angst verloren zu haben und sah jetzt eher so ungläubig-genießerisch aus. Sein Luststab sah jetzt stabil genug aus. Ich setzte mich auf ihn und brachte mich erneut in Stimmung, indem ich immer vor - und zurück auf ihm rubbelte. Es wirkte und die Lust kam, was ich auch daran merkte, dass ich leise aufstöhnte und die Augen verdrehte. Mit kleinen Bewegungen sorgte ich dann dafür, dass ER dahin kam, wo ER hingehörte. Und dann lief mein bewährtes Programm für diese Stellung ab. Langsam, schneller, schnell mit langsamen Intervallen. Das hatte noch jeden weich geklopft. Zumindest IHN hinterher. Seine Augen kamen fast heraus und er stöhnte. Und als ich ihm meine Brüste hinhielt, da hielt er es nicht mehr aus.

Beide schwitzend, genossen wir noch eine ganze Weile das Beisammensein. Dann rutschte ich von ihm herunter, und zog mir meinen Slip und den Rock wieder an, machte auch im oberen Bereich wieder Ordnung. "Du bist einfach eine tolle Frau, Sandra. Du weißt das, oder?" Die Frage war rhetorisch und aus seiner Sicht eher eine Feststellung, trotzdem ging so ein Lob natürlich herunter wie Öl. Er war vielleicht 6-7 Jahre jünger als ich und somit eher nicht ganz mein Beuteschema, aber trotzdem hatte es mir gefallen, dieses Gefesselt-Sein und auch das Fesseln. Eine neue Erfahrung, zumindest mit diesen metallenen Fesseln. Bei Peter hatte ich ja sonst immer nur Schals oder Nylonstrümpfe dafür genommen. Eine feste Größe in meinem Sexleben oder gar in meinem Leben würde Jens aber trotzdem nicht werden können. Zumindest nicht in naher Zukunft.

"Natürlich weiß ich das. War echt schön mit dir!" Ich machte Anstalten zu gehen.

"Sandra! Du kannst doch jetzt nicht abhauen! Mach mich los! Bitte!"

Ich drehte um und warf ihm ein Lächeln zu. "Oh, sorry, hätte ich fast vergessen." Dann machte ich ihn los. Wir knutschten noch mal.

"Sehen wir uns wieder?"

Ich zuckte die Schultern. "Mal sehen, wie das Leben so spielt, nicht?"

Dann ging ich. Ein Blick zurück zu ihm sagte mir, sein Blick war traurig, aber er würde es überleben. Er wusste sicher genauso wie ich, dass das nichts werden kann mit uns im Moment. Das nächste Mal würde ich, wenn ich es für nötig hielt, dann wieder Ludmilla für ihn spielen. Auch das brachte mir immer einen extra Kick. Aber das würde noch dauern. Ich musste kichern als ich an die ersten Anfänge mit uns dachte. Das Verhör, seine Verdächtigungen. Schon merkwürdig, was das Leben so für verschlungene Wege für uns bereithielt. Nette Männer, die früher meine Feinde waren. Minen-Blindgänger von Uwe, den ich für meinen Freund gehalten hatte. Ich hoffte, ich hatte nun alle Minen entdeckt. Es reichte auch langsam! Die hatten mein Leben genug durcheinander gewirbelt. Und jetzt, nachdem sich Mario alias Solco nicht gemeldet hatte, könnte ich endlich mein altes Leben wieder genießen. Aber halt! War da nicht noch was? Ach ja, der Stein. Aber um den könnte ich mich auch nächstes Jahr kümmern. Oder übernächstes. Die Welt würde schon nicht untergehen, wenn ich es schiebe. Nur ein kleines bisschen.

Trotzdem machte ich weiter meine mittlerweile häufigen Flachland-Wanderungen. Schadete ja trotzdem nicht, fit zu bleiben. Und außerdem mochte ich es mittlerweile und machte es nicht nur zur Fitness-Steigerung. Und natürlich machte ich auch weiter den Selbstverteidigungskurs. Auch der brachte mir mehr und mehr Spaß. Dieses mal brachte ich sogar meine Friseurin Samira mit, die sich schon beklagt hatte, dass ich nur noch so selten ins Fitnessstudio gehe. Dabei war es doch immer noch wenigstens einmal pro Woche! Und der Selbstverteidigungskurs war auch nur ein mal pro Woche. Aber ich hatte sie angefixt und sie war neugierig geworden. Es musste da aber wohl auch ein Ereignis gegeben haben. Aber sie rückte nicht mit der Sprache raus. Sven machte mir gleich klar, dass wir nicht im selben Kurs üben könnten. Samira müsste erst den Anfängerkurs durchlaufen und erst dann könnten wir das zusammen machen. Heute durfte sie aber zusehen und zumindest ein klein wenig mitmachen. Julia kam an mich heran.

"Hi! Ist das deine Freundin?"

"Freundin, Friseurin, Fitnessclubpartnerin. Alles mit F." Julia griente, sagte aber nichts dazu. Sie hatte es wohl auf der Zunge, traute sich aber nicht im Beisein von Samira. Sven riss uns aus unserer internen Vorstellungsrunde: "So die Damen, sind wir dann auch mal so weit? Darf ich vorstellen: Das ist Samira und sie will sich mal anschauen, was wir hier so alles lernen. Also gebt euer Bestes und bietet ihr eine gute Show. Valerie und ich werden euch jetzt nacheinander angreifen und ihr versucht abzuwehren. Dann kommt die nächste an die Reihe. Los geht's! Sandra, du fängst an!"

Mist. Und das, wo ich nicht so gerne im Mittelpunkt stand. Aber es musste sein. Valerie fing an. Erst ein wenig schubsen und stoßen. Wie das in einem Streit typischerweise oft anfängt. Dann kam eine Gerade von ihr. Ich sah es aber schon in ihren Augen, dass der Schlag jetzt kommen würde. Unsere Schläge gingen aber nie ins Gesicht. Ihrer sollte auf meine Schulter treffen. Ich sah schon vorher, dass sie all ihre Kraft hineinlegen würde. Ihre Augen blitzten wütend. Bestimmt dachte sie jetzt, dass ich doch was mit Sven angefangen hatte, weil er mich beginnen ließ. Ich drehte mich weg und stieß sie an ihrem dem Schlagarm gegenüber liegenden Arm, und setzte meinen Fuß ein. Ihr Schlag ging ins Leere. Sie klatschte auf die Matte. Sie rappelte sich wieder auf, hielt sich den Arm und schaute mich an. Jetzt richtig wütend.

"Valerie! Jetzt du gegen Julia!" Sven unterbrach ihre Eskalation. Widerwillig ließ sie von mir ab und Sven griff mich an ihrer Stelle an. Natürlich schaffte er es, mich zu Boden zu bringen, aber ich es dann auch, sein Weichteil zu treffen. Er verzog keine Miene, sagte aber zu mir: "Gut gemacht!" Marie war die nächste. Es ging mehrere Runden, dann war Wechsel. Wir waren die Angreifer. Und in der dritten und letzten Runde für heute war dann wieder die Sache mit der Abwehr eines Messerangriffs dran. Da hatten wir alle noch viel zu üben, aber es gab auch schon einige Erfolgserlebnisse. Trotzdem wollte ich so etwas besser nicht in echt erleben. Obwohl Samira nur zuschauen sollte, übte Sven dann mit ihr schon einige Grundlagen, während Valerie uns zu gegenseitigen Angriffen und Abwehren anleitete.

Dann war es zu Ende. Wir gingen zur Umkleide, zogen uns um, gingen wir zum Parkplatz. Die anderen waren alle schon weg, auch Julia. Samira stieg dann ihr ihr Auto und fuhr los. Ich wollte auch gerade los, da merkte ich, dass ich mein Handy im Spind liegen gelassen hatte. Ich ging also schnell zurück, und tatsächlich, da oben in der Ablage lag es. Vor der Tür traf ich auf Sven. "Ach Sandra. Was meinst du, hatte es Samira Spaß gemacht?"

"Sah eher so aus, als hättet ihr Spaß gehabt. Und deiner Freundin hat es gar nicht gefallen."

"Du meinst Valerie?"

"Wen sonst? Sag mir jetzt nicht, das ist nicht deine Freundin. Dafür seid ihr doch sehr vertraut miteinander."

"Doch. Ist sie. Sie ist immer furchtbar eifersüchtig, will aber trotzdem ihre Freiheit behalten. Es ist so ein hin und her."

"Und dann lässt sie dich trotzdem alleine? So mit mir?"

"Du wirst schon nichts mit mir anfangen? Oder doch?"

Ich überging seine Frage. "Sag mal, wie hältst du das aus? Ich hab dir schon x-mal an deine Eier getreten aber dich scheint das gar nicht zu stören!"

"Komm mal mit!", sagte er. Er ging zu einem Spind in einen anderen Raum. Es war der Umkleideraum für die Männer. Er öffnete einen Spind und holte was heraus. "Da!"

Ich schaute mir das Teil an. Es war so eine dünne gewölbte Metallplatte, die auch noch gepolstert war. Deshalb! "Ich hatte ja erst gedacht, du hast so was nicht was die Männer sonst haben."

Er griente mich an. "Schau doch nach!" Ich trat an ihn heran und wollte schon meine Hand in seine Hose schieben, wurde dann aber durch ein Räuspern unterbrochen.

"Störe ich?", fragte Valerie, die gerade um die Ecke lugte. Gleich danach kam sie zu uns, passierte mich, dabei warf sie mir zwar einen giftigen Blick zu, aber ich bekam keinen Schlag, noch nicht mal eine Backpfeife, sie fiel Sven um den Hals, und knutschte mit ihm. Ich war nun hier überflüssig und fuhr nach Hause. Als ich zu Hause ankam, hatte ich immer noch Lust. Ich ging sogleich in mein Schlafzimmer und vollendete meine Lust bis zum Höhepunkt, wobei ich natürlich an die Szene von eben dachte, diese im Kopf aber zu meinen Gunsten umstrickte. Ich hoffte, dass Sven keinen Ärger bekommen hatte oder würde. Am anderen Morgen konnte man mir meine Stimmung noch ansehen. Andrea musterte mich aufmerksam. "Du schaust aus wie frisch gebügelt", sagte er, ohne rot zu werden.

Ich lachte auf. "Vielleicht bin ich das ja auch!"

"Das musst du mir unbedingt mal erzählen!"

"Träum weiter!", antwortete ich nur darauf. Andrea musste dann los und ich kurz danach auch. Später rief mich dann noch Samira an, erzählte mir wie die das Training fand, dass sie es weitermachen wollte, und versuchte mich zu Sven auszufragen. Natürlich erzählte ich nichts, warnte sie aber vor der eifersüchtigen Valerie. So kam es, dass ich beim nächsten Training, eine Woche später, nach der Stunde zu Valerie ging, im anderen Gang der Umkleide ganz hinten, wo sie ihren Schrank hatte. Es gab ja Kurse zu verschiedenen Uhrzeiten. Da ich immer im zeitlich letzten Kurs da war, zogen sich da natürlich auch Sven und Valerie um. Heute hatte sie mich erstaunlicherweise in Ruhe gelassen und auch sonst hatte ich keine Eifersüchteleien bemerkt.

"Hi Valerie", sagte ich. "Hast du mal kurz Zeit?" Sie antwortete nicht, schaute mich aber fragend an. "Ich wollte mich noch mal entschuldigen wegen letztens. Das war nicht in Ordnung, was ich gemacht hatte. Ich weiß, es klingt blöde, aber manchmal überkommt es mich einfach und dann mache ich Sachen, die ich hinterher bereue."

"Muss man immer alles bereuen? Ist schon okay. Ich fand es nicht schlimm. Es war ja nichts passiert. Oder doch?"

"Warst du nicht eifersüchtig? Und nein, du kamst so früh, dass ich es nicht geschafft hatte, meine Hand dorthin zu schieben, wo ich es wollte."

"Ich war eifersüchtig! Ich hab ja auch schon vorher gemerkt, dass du ein Auge auf Sven geworfen hast. Deshalb war ich ja so ..."

"Echt jetzt? War mir nicht bewusst. Also, ich verspreche, dass ich künftig die Finger von ihm lasse, okay?"

"Schon gut", sagte Valerie, ich verschwand dann aus der Umkleide, und dann in meinem Auto. Ich war heilfroh, dass es so glimpflich abgegangen ist und Valerie sich wieder beruhigt hatte. Ich würde mit Sven künftig besser aufpassen und auch Samira noch einen Tipp geben, es ebenso zu handhaben. Was hatte denn bloß zu dieser Stimmungsänderung bei Valerie geführt? Hatte sie mit Sven eine Aussprache gehabt? Wenn ja, hatte sie ja Wunder vollbracht.

Kurz danach hatte ich bei einer reichen Witwe im Stadtteil Uhlenhorst zu tun. Anprobe einiger speziell für sie gefertigter Sachen. Nachdem ich mit allem fertig war, ging ich noch ein paar Schritte herunter zur Außenalster. Beim Anblick der Segelboote bekam ich einen Flashback.

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Teil27: Das Boot

Es war noch gar nicht so lange her. Ich war wie üblich wieder zur Ferienwohnung gefahren. Dieses mal am Sonntag, und gleich frühmorgens. Da am Samstag eine der Mitarbeiterinnen ausgefallen war, konnte ich es nicht wie sonst am frühen Samstagabend machen. Die Sonne knallte, es war schon warm, um nicht zu sagen heiß, da der übliche Wind noch nicht eingesetzt hatte. Ich zog mich um, dieses mal einen Bikini, da ich vielleicht baden wollte, zog mir ein luftiges Kleid drüber, durch den man meinen Bikini sehen konnte, cremte meine freien Körperstellen mit Sonnencreme ein, zog meine Strandlatschen an, nahm ein Handtuch mit, setzte einen Strohhut auf, und ging jagen, sprich: Ich setzte mich auf die Strandbalustrade und beobachtete. Es war aber noch kein Opfer zu sehen. Die wenigen infrage kommenden jungen Männer waren alle in Begleitung. Aber es war ja noch früh am Tag.

Aber dann spürte ich etwas. Blicke, die auf mir lagen. Ich schaute zur Seite. Dort saß ein Mann, ca. 55, wettergegerbtes Gesicht, dunkle Haare, die mit grauen Strähnen durchsetzt waren, der mich ziemlich ungeniert anstarrte. Das wollte ich zwar, aber eigentlich nicht von ihm, sondern von anderen Männern. Ich weiß nicht wieso, aber es ärgerte mich ein wenig. Ich stand auf und ging zu ihm hin, strich mir die Haarsträhnen aus dem Gesicht, und sagte: "Was soll denn das? Sie starren mich die ganze Zeit an! Schauen sie doch bitte woanders hin!"

Er blieb ganz cool, sagte: "Haben sie schon mal von der Panoramafreiheit gehört? Man darf hinsehen, wohin man will."

"Ja, aber nicht zu mir. Schauen sie bitte woanders hin!"

"Gut, mache ich." Er schaute aber weiter zu mir. Nur jetzt so irgendwie durch mich durch.

"Sie sollen doch woanders hinschauen!"

"Tue ich doch. Ich schaue aufs Meer. Nur sie stehen mir da jetzt im Weg. Außerdem klauen sie mir die schöne Sonne. Bitte gehen sie doch wieder zu ihrem Platz."

Ich war baff über diese Dreistigkeit, ging aber doch nach ein paar Sekunden weg und wieder zurück zu meinem Handtuch. Und jagte weiter. Also, ich versuchte es, aber es ging nicht mehr. Der Mann hatte meine Aufmerksamkeit geweckt. Immer wieder schielte ich zu ihm hin, um ihn dabei zu erwischen, wie er mich anschaute, aber er schaute einfach weiter Richtung Meer. Mich ärgerte es auf ein mal, dass er mich nicht mehr anschaute. Ja, Frauen können manchmal komische Wesen sein. Ich auch. Aber ich fragte mich schlicht: war ich so unattraktiv geworden? Obendrein machte ich mir Vorwürfe, dass ich ihn so hart angegangen war. Immerhin hatte er ja recht. Ich wollte ja, dass ich angestarrt werde. Dass er nicht zu meiner üblichen Zielgruppe gehörte, konnte er ja nicht wissen. Das blöde war, er gewann dann. Ich seufzte, stand auf, ging zu ihm, stellte mich vor ihn hin.

"Na, ist das heute ihr 'Ich-ärgere-mal-einen-alten-Mann-Tag?" Er schaute mich kurz an. Seine Augen waren aber immer noch milde gestimmt. Ich setzte mich neben ihn.

"Ich wollte mich entschuldigen. Das war ... ich habe überreagiert." Er schaute weiter nach vorne, zum Meer. "Okay, sie haben gewonnen. Sie dürfen mich wieder anschauen."

Er blickte mich wieder an, scannte mich von oben bis unten. "Tatsächlich? Sie sind ein wenig widersprüchlich. Obwohl sie sich so in Schale geschmissen haben, als wollten sie gesehen werden, tun sie so, als wollten sie das nicht. Klingt ein wenig nach Täter-Opfer-Umkehr, meinen sie nicht?" Er lächelte mich an.

Jetzt war es an mir zu lächeln. "Manchmal mag ich die Provokation. Hatten sie keine Angst?"

"Doch, aber ich habe sie verborgen. Ich hatte aber keine Angst vor ihnen, sondern vor einer Aufruhr. Vielleicht hätte sich einer von den Muskelprotzen hier angesprochen gefühlt, ihnen zur Seite zu stehen. Das geht schneller, als sie denken."

"Schon mal passiert?"

"Fast. Mit einer Escortdame." Er schaute mich traurig an. "Jetzt bin ich bei ihnen durch, oder?"

"Erst ein kleines Stück. Ich weiß ja zu wenig darüber. Sitzen sie hier, um andere Frauen zu finden, die keine Escortdamen sind?"

Er lachte auf. "Da kommen ganz sicher keine!"

"Bin ich etwa keine?"

"Bei ihnen bin ich mir sicher, dass sie keine Escortdame sind." Eine kleine Sprechpause. "Nein, ich warte hier einfach."

"Also doch auf eine Frau!"

"Nein, auf einen Er. Den ..."

"Na, kommt da noch was?"

"Wind."

"Sie warten auf Wind?"

"Ja, auf Wind. Es macht keinen Spaß, mit einem Segelboot hinauszufahren, wenn man dabei den Motor anschmeißen muss."

"Sie haben ein Boot?"

"Ja, stört es sie?"

"Nein, gar nicht. Ich bin aber noch nie mit einem mit gefahren."

Wie auf Bestellung kam auf ein mal der erste Windhauch, der hier an der Küste ziemlich zuverlässig am Vormittag beginnt. "Na dann, auf geht's!"

"Sie meinen, ich soll?"

"Nun kommen sie schon!"

"Darf ich erst ...?" Ich zeigte auf mein Handy.

"Sie können das Boot und mich dann fotografieren, bevor wir losfahren, und es dann ihrer Vertrauensperson schicken. Da draußen gibt es nicht überall Netz."

Er stand auf, ich auch, wir gingen los, Richtung Sportboothafen. "Nehmen sie oft unbekannte Frauen mit zum Segeln?"

"Nein, nicht so oft. Eher selten."

"Escortdamen?"

"Ja, eine von denen war schon mal mit."

"Was sagt denn ihre Frau dazu?"

"Was sagt denn ihr Mann dazu, dass sie einfach mit einem fremden Mann mitgehen?"

"Es liegt einen guter Meter Erde auf ihm. So schnell kommt er da nicht mehr raus."

"Sorry, ich wollte nicht ... Ich bin geschieden. Zehn Jahre. Oder mehr? Ich weiß es gar nicht mehr. Das war ein anderes Leben."

"Was lief schief?"

"Sie sind ganz schön neugierig. Soll ich es auf den Punkt bringen? Es wird sie aber schockieren!"

"Sex?"

"Nicht schlecht. Dicht dran. Ich bin ... also ich kann nicht. Nicht mehr."

"Fahren wir doch nicht raus?"

"Nein, das meine ich nicht. Ich bin ... Mann, wie soll ich das sagen? Ich bin impotent."

"Oh, sorry. Ich bin ..."

"Schon gut!", murmelte er. "Aber hängen sie's bitte nicht an die große Glocke. Normalerweise sag ich das nur denen, die mit mir schlafen wollen."

"Vielleicht wollte ich das ja? Das waren dann also die Escortdamen, denen sie es gesagt haben, oder?"

"Ja, einige. Und früher meine Frau."

"Und jetzt haben sie ihren Frieden mit der Sache geschlossen?"

"Muss ja, 'ne. Wollte mich nicht umbringen deswegen. Gibt ja trotzdem noch schöne Sachen im Leben."

"Segeln zum Beispiel?"

"Segeln auch. Aber, um noch mal auf Frauen zurückzukommen, auch da gibt es noch gewisse Möglichkeiten." 'Krieg es raus!' Meine haarige Untermieterin war durch das Gerede und die Aussicht auf etwas Neues schon wieder ein wenig vorwitzig geworden. Es ging jetzt auf einen Bootssteg und wir gingen dort ein Stück. Rechts und links lagen überall schöne Boote. Eines schöner als das andere. Kleine, aber auch größere. Beeindruckend waren sie alle. "So, hier liegt das gute Stück." Es sah wirklich schön aus, war überraschend groß, und wurde Esmeralda genannt. Ich machte ein Foto vom Boot und schickte das an Udo, der für mich hier die Ferienwohnungen als Hausmeister, eher Mädchen für alles bediente. Er war auch als mein Rettungsanker vorgesehen, falls mal was bei meinen Besuchen aus dem Ruder lief, aber bisher war das noch nie nötig gewesen.

"War deine Frau Spanierin?"

"Ja, fragst du wegen dem Namen des Bootes?"

"Genau. Ich bin auch halb Spanierin, heiße aber Sandra."

"Oh, dann muss ich wohl auch meinen Namen nennen, oder? Ich heiße Jochen, für gute Freunde Jockel."

"Hast du was zum Trinken da?"

"Klar, aber wir wollen hinausfahren. Da trinke ich keinen Alkohol."

"Kein Problem. O-Saft geht auch."

"Komm mit." Wir gingen in den Bauch des Bootes, auch hier war überraschend viel Platz, er holte aus einem Kühlschrank eine Flasche, zwei kleine Gläser, schenkte ein. Wir stießen an, verschränkten die Arme, und gaben uns einen Kuss. Das heißt, er gab mir einen Kuss, ich fing gleich mit dem Knutschen an. Wollte ich oder besser sie jetzt schon herausbekommen, ob er wirklich impotent war? Im Nachhinein konnte ich das nicht mehr sagen. Er löste sich aber von mir. "Vielleicht später", sagte er. "Wir fahren erst mal raus, oder, Sandra?" Man merkte, er war wohl noch ein wenig ängstlich. Fürchtete er weitere Zudringlichkeiten? "Zieh das mal aus", sagte er. Ich zog mir mein Kleid über den Kopf, wollte schon den BH vom Bikini aufmachen, da sagte er aber: "Das doch nicht! Nur das Kleid." Ich grinste, er gab mir eine Schwimmweste, zog sich auch selber eine an, dann gab er mir einige Instruktionen, er kappte die Stromverbindung, dann holte er die Leinen ein, hisste ein Segel, und schon ging es los. Nahezu lautlos, ohne Schulterblick und Blinker zu setzen glitt das Boot aus seiner Parkposition, schlängelte sich durch die Mole, und segelte dann auf das offene Meer hinaus. Er war toll! Ich fühlte mich frei. Bald verstummten auch die Lautäußerungen der Badegäste und man hörte nur noch das Plätschern der Wellen am Rumpf und ab und an mal den Schrei von Möwen. Ich saß an der Seite auf einer Bank und auch Jochen setzte sich nun neben mich.

"Musst du nicht steuern?", fragte ich.

"Nee, das macht jetzt der Autopilot. Ich muss nur ab und an schauen, ob da was ist mit dem wir kollidieren könnten."

"Sag mal, diese Escortdamen ... was sind denn das für welche, sind das bessere Nutten?"

"Was? Nein! Das sind, wie der Name schon sagt, Begleiterinnen. Zu öffentlichen Auftritten, zum Essen, was auch immer."

"Das heißt, die müssen dann nicht ...?"

Er lächelte mich an. "Nein, müssen sie nicht. Wenn sie jemanden sympathisch finden und das wollen, dann dürfen sie das machen, wenn derjenige zustimmt. Wie im wirklichen Leben halt auch."

"Und dann gibst du extra Geld, wenn es eine tut?"

"Nein, das ist dann ja nicht Teil der Buchung, sondern deren persönlicher Wunsch. Es ist ja auch für sie selbst ein Bonus, den sie bekommt. Ich würde nie eine Frau für Sex bezahlen. Schon gar nicht mit meiner Einschränkung. Ich sag das auch immer vorher und bis auf eine oder zwei hatten die dann trotzdem weiter gemacht. Ich gebe natürlich immer ein Trinkgeld, unabhängig davon ab die Frau mit mir schläft oder nicht."

"Wie oft tust du das denn?"

"Immer wenn ich mal Gesellschaft haben will. Vielleicht ein mal im Monat."

"Ist das nicht zu teuer?"

"Wenn Geld ein Problem wäre, würde ich nicht dieses Boot haben. Ich habe auch ein Haus. Mit Seeblick. Also Geldsorgen habe ich bestimmt nicht."

"Hast du geerbt?"

Er schmunzelte. "Ich bin also der Prototyp des Nichtsnutzes, der in seiner Eigenschaft als Sohn reich geworden ist, und dann ohne einen Finger zu rühren durchs Leben geht. Das hast du jetzt gedacht, oder?"

"Irgendwie schon."

"Stimmt aber nicht. Erst seit ein paar Jahren. Ich hatte im Lotto gewonnen. Und dann hatte ich auch Glück mit Aktienkäufen und Verkäufen. Meine Frau war da schon lange weg. Vorher war ich einfacher KFZ Mechaniker und habe in einer Autowerkstatt gearbeitet."

"Gut, ich entschuldige mich."

"Für Gedanken musst du dich nicht entschuldigen. Höchstens, wenn du diese nicht gehabt hättest. Manche Leute sind einfach furchtbar oberflächlich und denken nur ans Geld. Ich glaube, du bist nicht so eine. Machst du hier Urlaub?"

"Ich bin öfters hier. Ich habe drei Ferienwohnungen und oft buche ich auch eine für mich. Wie ich Lust habe."

"So? Ich hab dich hier noch nie gesehen."

"Ich bin sonst eher Samstag ab späten Nachmittag da. Selten auch mal mittwochs."

"Ach so, ja, da bin ich meistens noch draußen auf dem Meer. Und was machst du normalerweise, wenn du hier bist? Einfach den Strand genießen? Baden?"

"Jetzt kann ich dich mal schocken: Ich fische. Und der Köder bin ich selbst."

Es dauerte eine Weile, bis das oben bei ihm ankam. "Du fischst Männer?"

"Was dagegen?"

"Nein, ist ja dein Leben."

"Seit mein Mann unter ziemlich dramatischen Umständen von mir gegangen ist, lebe ich ein wenig ... ungeniert."

"Besser als zu vertrocknen, oder?"

Er ging zum Ruder, checkte jetzt ein Gerät, korrigierte kurz den Kurs, kam wieder zu mir. "Wir sind gleich da!"

"Wo denn da?"

Er zeigte nach vorne. "Gleich kommt eine Sandbank."

"Und was machen wir da?"

"Wir ankern!" Wir kamen an eine Stelle, wo am Rande höhere Wellen waren, und dann auf einmal kaum noch welche. Er ließ das Segel fallen und dann hörte man die Ankerkette rasseln. "Mach das ab", sagte er zu mir, und meinte die Schwimmweste. Er holte aus einer Kiste Tauchermasken und Schnorchel raus, und gab es mir. Ich legte es an, so wie er auch, und dann glitten wir ins Wasser, tauchten und schnorchelten. Gut, es war nicht wie im Korallenriff, aber ein wenig Leben war hier auch. Mal hier und da ein Fisch, ein Krebs, eine Krabbe, und ganz viele Kleintiere, spärlich verteilte Seepflanzen. Nach einer Weile kamen wir wieder an die Oberfläche und gingen wieder an Bord. Er verstaute alles, und hatte eine Tube in der Hand. Sonnencreme. "Lust auf ein Sonnenbad?", fragte er.

"Na klar!" Ich und auch er rieb sich ein, aber ich zog mir vorher meinen Bikini aus. Er bekam große Augen. "Gefällt dir mein Körper?", fragte ich.

"Aber ja doch!" Er nahm sich so eine Yogamatte, legte sich auf das Vorschiff, und ich mich dann auch. Ich war sogar eingeschlafen vom sanften Wiegen der Wellen. Als ich wach wurde, lag er auf der Seite und schaute mich an. "Du bist so schön!", sagte er.

"Du darfst mich gerne streicheln", sagte ich. "Auch meine Hügel."

"Wirklich?" Ich antwortete nicht, schloss meine Augen. Kurze Zeit später waren seine Hände auf mir. Ich genoss es, und sie auch. Es kribbelte wieder enorm da unten bei mir. Aber noch hatte ich einen Rest Kontrolle. Irgendwann musste ich aber den Stopp-Knopf drücken. Wir hatten doch später noch Zeit, oder? Das müsste ich ergründen.

"Kann ich heute bei dir übernachten?", fragte ich ihn.

"Möchtest du denn?", fragte er zurück.

"Ja, gerne."

"Wollen wir noch ein Stück hinausfahren? Wir haben noch viel Zeit."

"Klar. Ich finde es schön, dieses Segeln. Das andere können wir doch später haben. Oder ist es ein Problem für dich?"

Er lachte. "Das ist Wurst." Er ließ von mir ab. Dann lichtete er den Anker, hisste das Segel, und nun auch noch ein zweites dazu. Die Fahrt ging weiter, inzwischen aber um einiges schneller. Ab und an schwappte auch ein wenig Wellengang oder auch Gischt über den Bug. Natürlich hatte ich meinen Bikini und auch die Schwimmweste wieder angezogen. Wir rauschten noch eine ganze Weile weiter, die Küste in der Ferne immer in Sichtweite und in Richtung Fehmarn, wie er mir sagte. Als wir das Bügeleisen sahen, wie man die Fehmarnsundbrücke scherzhaft nennt, drehten wir um, und es ging zurück. Jetzt sogar noch eine Spur schneller, auch waren die Wellen nicht mehr ganz so hoch. Das Boot schaukelte, aber ich wurde nicht seekrank. Einige Stunden später waren wir zurück und liefen in den Hafen ein. Zum Anlegemanöver ließ Jochen den Motor dann doch mal kurz an, aber ansonsten waren wir die ganze Zeit nur mit den Segeln unterwegs gewesen. Es war eine schöne Tour gewesen und ich fühlte mich großartig. Ein ganz neues Erlebnis! Wir gingen dann noch in eine schöne Gaststätte, wo wir beide ein Fischgericht zu uns nahmen, und wo ich ihm die ganze Sache mit meiner zerstörten Ehe auch im Detail erzählte. Und dann ging es zu seinem Haus. Es war eine richtige kleine Villa, wo er alleine lebte, wie er mir sagte. Nur eine Haushälterin kam dreimal in der Woche für einige Stunden vorbei.

Jetzt hatte ich doch ein wenig Bammel. Natürlich wollte ich ihn jetzt haben. Beide wollten wir ihn haben, und ich hatte Angst, ihn damit zu überfordern. Trotzdem wurde es dann super-schön. Nach einem weiteren Drink - ein Glas Wein hatten wir schon in der Gaststätte gehabt, geleitete er mich dann in sein Schlafzimmer. Das war so richtig schön romantisch und in dem Bett fühlte ich mich wie eine Königin. Nach ganz viel Küssen und Knutschen und dem sehr langsamen Verlust all unserer Kleidungsstücke verwöhnten wir uns dann gegenseitig. Mit Händen und Mund, anders ging es ja bei ihm nicht. Er schaffte es mich zum Orgasmus zu bringen, und, was ich vorher nie gemacht hatte, ich es auch bei ihm, obwohl er nie so richtig steif wurde. Fast war ich erschrocken, als es aus ihm heraussprudelte. Ich hatte bei ihm dann auch übernachtet und nach dem Frühstück fuhr ich von da direkt zu meinem Laden. Und wir hatten versprochen, in Verbindung zu bleiben.

Die Erinnerung verblasste, ich schaute noch eine Weile den Segelbooten auf der Außenalster zu und fuhr dann nach Hause.

Kaum angekommen, kam mir sogleich Jochen noch mal in den Sinn. Er hatte mir doch vor kurzem einen längeren Segeltörn angeboten. Ich schnappte mir das Telefon und rief an.

"Jockel hier", kam nach wenigen Sekunden.

"Sandra hier. Hoffentlich kannst du dich noch an mich erinnern!"

"Welche Escortdame warst du noch mal?" Dann lachte er aber auf. "Klar weiß ich, wer du bist. Die hübsche reife, und sehr sexy aussehende Dame mit dem spanischen Temperament, die gerne ältere Männer ärgert, die zu viel stieren."

Jetzt war es an mir, zu lachen. "Ich hab auf dich wohl einen bleibenden Eindruck gemacht?"

"Ja, die Anmache war einmalig! Ich rate jetzt mal, warum du anrufst ... du willst mit mir ins ... fängt mit B an ... Boot. Stimmt's?"

"Richtig, Bett ist nicht dabei, wobei ich aber denke oder eher hoffe, dass es bei beiden ein Happy End geben wird."

"Wieso beiden?"

"Beim Segeln, wir also im ganzen Stück zurückkommen, und dann bei der Nachbesprechung."

"Nachbesprechung, das muss ich mir merken!"

"Ja, lach nur. Also?"

"Zum nächsten Wochenende hin soll das Wetter gut sein. Kein Regen, aber ausreichend Wind."

"Ich freue mich. Wo soll es denn hingehen?"

"Ein Törn durch und um dänische Inselwelt. Esmeralda erwartet dich nächsten Mittwoch um 11 Uhr. Okay, Frau Seemann?"

"Ahoi, Käpt'n!" Er lachte und legte dann auf. Irgendwie freute mich, dass es so problemlos geklappt hat, aber ich hatte auch ein wenig Bammel. Mehrere Tage mit ihm auf dem Boot, und ein wenig Angst vor dem Meer hatte ich auch. Was, wenn ich doch seekrank würde? Aber da musste ich nun durch. Absagen gildet nich, hätten meine Freunde aus dem Kindesalter damals gesagt. Ich ruhte mich wie so oft am Sonntag aus, zumindest nachdem ich im Garten ein wenig Ordnung gemacht hatte, was dieses mal wirklich nötig war. Zum Glück musste ich nicht mehr Rasen mähen. Das machte jetzt Robbie. Mein Roboterhund. Tatsächlich war er nur ein Mähroboter und keineswegs ein Hund, aber da er von mir so eine Art Hundehütte spendiert bekommen hatte, war er also eine Chimäre. Ein Mischwesen.

Und wieder hatte ich einen Flashback.

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Teil28: Carl der Große

Ich musste an Carl denken. Carl der Große. Der hieß aber nicht Lagerfeld mit Nachnamen, und groß war er auch nicht, sondern klein, und groß war nur sein Herz. Er war damals in meinem Laden aufgetaucht, um ein Geburtstagsgeschenk für seine Mutter zu kaufen. Es war schwierig, da er die Sachen ja nicht zum Anprobieren mitnehmen konnte, weil, dann wäre das ja keine Überraschung geworden. Jedenfalls war diese Stola, die ich ihm dann empfohlen hatte, genau die richtige Art von Geschenk, so eines von der Art Man-kann-da-nichts-falsch-machen. Passt immer. Jedenfalls tauchte der gute Carl eine Woche später, also nach dem Geburtstag der Mutter, bei mir auf, und bedankte sich.

"Liebe Frau ... ähm?"

"Neuhaus." Ich lächelte ihn an, da er regelrecht strahlte.

"Liebe Frau Neuhaus, ich muss mich tausendmal bei ihnen bedanken! Das war ja genau das Richtige! Meine Mutter war ganz aus dem Häuschen! Die Stola nimmt sie jetzt immer, wenn sie in ihrem Sessel sitzt. Wissen sie, ich wollte ihr ja erst einen Schrank bauen, aber der hätte ja nirgendwo hingepasst. So war es doch viel besser und ..."

"Sie können Schränke bauen?"

"Ja, kann ich."

Ich bekam eine Idee. "Für wie viel können sie mir denn eine Hundehütte bauen? Für Draußen."

"Sind Hundehütten nicht immer für draußen? Weiß nicht, wie groß ist denn der Hund?" Ich zeigte ihm die Ausmaße mit der Hand. "Das ist aber eine komische Form. Was ist das denn für eine Rasse?"

"Ein Golden Segway. War damals ein Sonderangebot. Spezialedition."

"Kenne ich nicht. Stammt der von einer Kreuzung mit einem Golden Retriever ab? Eine Spezialzucht? Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ... haben sie mal ein Foto?" Ich scrollte in meiner Handy-Fotosammlung zeigte es ihm. Auf ein mal fing er zu lachen an, schallend zwar, aber dabei richtig sympathisch. "Ein Rasenmähroboterhund! Sie sind ja lustig!" Endlich konnte er wieder reden. "Wissen sie was: Ich baue ihnen die Hütte umsonst, sie müssen mir nur die Materialkosten bezahlen. Ich habe nicht mehr so schön gelacht seit meine Frau ... ach, egal." Er schrieb mir seine E-Mail-Adresse auf und bat mich, ihm die Maße und meine Vorstellungen zu mailen, und verabschiedete sich überschwänglich. Zurück zu Hause, überlegte ich. Es sollte schon ein wenig außergewöhnlich sein, aber nicht zu extravagant, und sich gut in den Garten einfügen. Ich entschied mich daher für eine Variante aus dunkler Eiche mit einem sehr flachen Spitzdach im Blockhüttenstil.

Ich bedankte mich per Mail bei ihm für das Angebot, schickte ihm meine Vorstellungen, schon nach drei Minuten kam die Antwort, dass es allerhöchstens 150 Euro kosten würde, eher weniger, und es in einer Woche fertig wäre. Hocherfreut sagte ich zu und tatsächlich war es eine Woche später fertig. Da die Hundehütte ziemlich schwer war, sagte er zu, diese vorbeizubringen, und stellte sie in meinem Garten auf. Natürlich gab ich ihm die vereinbarte Summe und, es war mir ein besonderes Anliegen, verabredete mich mit ihm zu einem Abendessen. Freitag, also zwei Tage später. Hocherfreut sagte er zu. Ich kämpfte dann zwei Stunden damit, meinem Golden Segway zu sagen, dass er jetzt doch bitteschön einen größeren Bogen vor der Hütte fahren muss um zu seiner Docking Station fahren zu können, bis ich dann merkte, dass ich die Änderungen in der App-Oberfläche ja auch noch bestätigen muss. Frauen und Technik!

Am Freitagabend machte ich mich zurecht, zwar chic, aber eher schlicht, so ganz normal halt. Es war ja nichts geplant. Zumindest von meiner Seite aus nichts. Er war dann auch sehr galant und machte keinerlei Anstalten, noch nicht mal die sonst üblichen Komplimente. Auch wenn das von seiner Seite sicher als Höflichkeit gedacht war, es ärgerte mich doch ein wenig. Aber ich hoffte, meine Verärgerung fiel ihm nicht auf. Nach dem üblichen Vorgeplänkel mit der Bedienung kamen wir dann ins Gespräch.

"Und, ist ihr Rassehund jetzt gut versorgt?"

"Er ist nicht ganz so rassig wie ich, aber er hat jetzt ja auch das kleinere Haus, und ich das große."

Er schaute mich erstaunt an, vermutlich weil ich das Attribut rassig für mich verwendet hatte, antwortete dann aber doch: "Das hätte ich jetzt an ihrer Stelle auch gesagt. Kann dieser kleine Roboterhund ja nicht verlangen, oder?"

Ich überging die Beantwortung der Frage, die ja eher eine Feststellung mit ergänzender Zustimmen-Bettelei war. "Wohnen sie denn auch in einem Haus?"

"Ja, ich wohne jetzt wieder im Haus meiner Eltern."

"Wegen der Sache mit ihrer Frau?"

Er seufzte. "Genau das. Und obwohl ich jetzt statt ihrer wieder unter der Kontrolle meiner Eltern bin, war es wie eine Befreiung für mich."

"Ist ihre Frau Privatdetektivin?"

"Nö, aber Privatnörglerin. Mein Gott, was hatte die alles zu meckern! Selbst der Zucker für ihren Kaffee war ihr nicht weiß genug."

"Die hätte den doch weglassen können!" Daraufhin fing ich mir einen voll verdienten, strafenden Blick von ihm ein. "Ja, stimmt, ist eine Scheinlösung. Und jetzt? Wie geht's weiter mit ihnen und ihr?"

"Kleinkrieg mit taktischen Verlusten und einer strategischen Bedrohung."

"Wer wird denn bedroht?"

Er grinste. "Aktuell sie. Sie hatte mir immer wieder ein Bein gestellt, um mir Lene abspenstig zu machen."

"Ist Lene ihre Tochter?"

"Ja, sie ist zehn. Zum Glück ist sie ein Papa-Kind und mag ihre hyperaktive Mutter nicht so wie mich. Wir haben das gemeinsame Sorgerecht, aber Lene lebt ja bei ihrer Mutter, sodass mir immer nur die Besuche bleiben. Und genau damit gab es Ärger. Immer wieder hat sie Ausflüchte erfunden. Lene sei krank, oder will mich nicht sehen, oder so. Man ist da ja relativ hilflos und die Ämter helfen einem ja nicht dabei seine Rechte durchzusetzen."

"Und was war dann?"

"Dann hat sie Ärger mit dem Familiengericht bekommen. Sie haben ihr klipp und klar gesagt, wenn sie das nicht unterlässt, wird ihr das Sorgerecht entzogen und dann wird es mir allein zugesprochen."

"Wie haben sie das denn geschafft?"

"Der Richterin habe ich ein Gartenhaus genau in die Ecke ihres unsymmetrischen Gartens gebaut. So etwas gibt es nicht von der Stange in den Baumärkten. Und der Mitarbeiterin vom Amt habe ich einen wunderschönen Raumteiler gebaut."

"So sind ihre holz liebenden Hände ja doch zu was nütze. Es war nicht immer so mit ihrer Frau, oder?"

"Sie heißt Maren. Ich hoffe, sie heißen nicht Maren?" Ich schüttelte den Kopf. "Es war wie bei einer Aktienblase. Ein kurzer, heftiger Hype, und dann ein Absturz ins Bodenlose. Und nun haben wir beide eine wertlose Ehe."

"Wie lang war der Hype?"

"Zwei Jahre, höchstens. Heute frage ich mich, was mich überhaupt an ihr gereizt hat. Wir sind wie Hund und Katze. Aus ihrer Sicht eher wie Ratte und Katze."

"Und jetzt? Leben sie in Scheidung?"

"Genau, wir sind momentan im Trennungsjahr. Noch fünf Monate, dann hab ich es geschafft."

"Und, schon was Neues im Auge?"

"Eine neue Frau? Nee!"

"Auch nicht mal kurz? So ein ... Intermezzo?"

"Machen sie das selbst so? Ihr Mann ist doch auch weg, oder?"

"Ja, der liegt im Grab. Aber er war vorher schon weg. Eine andere Frau."

"Ja, so was kann manchmal sehr gefährlich sein. War es ein Herzinfarkt?"

"Verkehrsunfall." Ich lachte. "Aber nicht beim Geschlechtsverkehr. Obwohl ... man weiß nicht."

"Ach, war sie dabei? Meiner Schwester ist so was beim Fahren auch mal passiert. Aber beide hatten nur ein paar Kratzer abbekommen. Ich denke, das machen die nie wieder." Er lachte und schaute, wie ich darauf reagierte.

"Seine Affäre war da Beifahrerin."

"Aber er liegt doch jetzt nicht neben ihr, oder?"

"Nein, sie liegt zwar, aber nicht auf dem Friedhof. Sie muss noch nachsitzen. Hat eine Verlängerung bekommen. Wachkoma."

"Verstehe." Unser Essen kam, und das Gespräch versiegte fast.

"Hmm, war super", sagte er nach dem Speisen. "Hat ihr Essen auch so gut geschmeckt?"

"Es war köstlich. Wollen wir noch verlängern?"

"Sie meinen, hier?"

"Nein, ich meine, bei mir zu Hause. Oder haben dann ihre Eltern was dagegen?" Eigentlich war ich zu Anfang gar nicht drauf eingestellt, aber da er bei mir nicht herum geschleimt hatte, war meine kleine Miss Sandra nicht untätig geblieben und hatte mich so lange bekniet, bis ich auch Lust auf ihn bekommen hatte.

"Wirklich?"

"Ich biete ausschließlich Sachen an, die ich nicht will. Ich hoffe, sie verstehen die Ironie dahinter."

"Ja klar, ich dachte nur, weil ..."

"Weil ich mich nicht aufgedonnert habe? Das hole ich dann nach. Lass dich überraschen."

"Okay." Ich rief nach dem Kellner und bezahlte. Ich war zu Fuß da, es war ja im Italiener bei mir in der Nähe gewesen.

"Wir gehen zu Fuß."

"Darf man ihren Vornnamen erfahren?", fragte er.

"Ja klar, ich heiße Frau für eine Nacht. Und du?"

"Carl der Tagträumer. Ich meinte aber deinen richtigen Vornamen."

"Dein Name passt gut, glaube ich. Meiner ist Sandra." Während des Weges erzählte er noch ein wenig, wie er denn seine Maren kennengelernt hatte, dann waren wir auch schon da. "Komm rein! Schuhe kannst du da abstellen." Das machte ich mit meinen auch, zeigte ihm die Richtung, und ging die Treppe voran ins Obergeschoss. Ich zeigte auf das zweite, kleine Bad. "Kannst dich da ein wenig frisch machen." Ich ging in das große Bad im Keller, machte mich selbst frisch, ging dann ins Schlafzimmer, ließ die Tür offen, setzte mich auf das Bett, wartete. Dann hörte ich die Tür klappern und wenig später erschien er in der Tür. "So, dann kann ich ja anfangen", sagte ich, und begann, mir das Oberteil auszuziehen, machte weiter mit den anderen Teilen, und ergötzte mich an seinem Gesichtsausdruck. Vermutlich hatte er noch nie so etwas gesehen.

Als ich damit fertig war, ging ich zum Schrank, öffnete die Schublade mit den Dessous, und holte einige heraus, die mir gut geeignet erschienen. "Das? Oder das? Oder vielleicht lieber das?" Er sagte nichts. "Nun sei nicht so schüchtern! Ich liebe es, so etwas anzuhaben. Nun sag!"

"Vielleicht das schwarze da in der Schublade?"

Ich griff hinein. "Das hier?" Er nickte. Es war tatsächlich eine gute Wahl, und vor allem, ich hatte das noch nie bei einem Mann benutzt. Auch noch nicht bei einer Frau. Es war ein Bodysuit, also so wie bei einer halb durchsichtigen Strumpfhose, welche man über den ganzen Körper zieht. Ich zog es an und seine Augen blitzten. Seine Augen quollen schon fast heraus. Ich machte den Spiegelschrank zu, schaute mich im Spiegel an, drehte meinen Kopf zu ihm, nach hinten, strich mir mit den Händen über meine Brüste, und sagte: "Sieht verboten sexy aus? Willst du das wirklich?"

"Ich will dich!", antwortete er.

Ich schaute ihn darauf hin auffordernd an. "Na, wo bleiben deine Hände? Deine Beule in der Hose habe ich schon längst entdeckt!" Das war die richtige Anfeuerung für ihn. Er trat jetzt hinter mich, seine breiten Hände legten sich auf meine Brüste, quetschten sie. Auch meine Lust quetschte er damit aus dem verborgenen Nichts hinein in meine Seele. Einige Minuten später lagen wir dann schon keuchend und Lustlaute von uns gebend auf dem Bett.

Meine Erinnerung verblasste. Ja, das war einer der wenigen, verheirateten Männer, mit dem ich es bisher gemacht hatte. Gut, er war in Scheidung, aber verheiratet war er schon noch. Aber egal. Seiner Ehe wird das nicht geschadet haben, die stand eh nur noch auf dem Papier.

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Teil 29: Das Boot, Episode II

Ich war wieder zurück in der Wirklichkeit. Ausflug mit dem Segelboot. Sicher würde es wohl auch etwas kühl werden in den Nächten, vielleicht auch ungemütlich. Im Gegensatz zum diesem spontan durchgeführten Segelausflug letztens sollte ich mich also vorbereiten. Ich suchte also Kleidung für ein breites Wetterspektrum heraus und packte alles in eine Reisetasche. Ein Koffer wäre wohl zu viel dafür. Ich hatte die ganze Woche schon Vorfreude, und dann fuhr ich am Donnerstag in aller Ruhe nach Grömitz, wo meine Ferienhäuser sind, parkte das Auto bei mir, und ging von dort aus zum Bootshafen mit dem Boot.

Dort angekommen rief ich: "Landei bittet an Bord kommen zu dürfen!"

Eine Frau steckte den Kopf aus der hinteren Luke zum Innenraum. Sie war einen halben Kopf größer als ich, Figur etwa so wie ich, hatte braune, relativ kurze Haare, die zu einer Ponyfrisur gestylt waren, wache, hellgraue Augen, und ein Allerweltsgesicht, und schien ein paar Jahre jünger zu sein als ich. Bekleidet war sie mit Outdoorkleidung. Sie fragte mich: "Wer bist du denn?"

"Ich heiße Sandra und gebe die Frage mal zurück."

"Ich bin Sabine. Komm rauf." Ich ging an Bord.

"Bist du die neue Freundin von Jochen?"

"So viel ich weiß, braucht Jockel keine richtige Freundin. Seine Freundin heißt Esmeralda und sein Freund heißt Meer."

"Bist du eine Escortdame?"

"Mädchen, schau mich doch mal an! Sehe ich so aus, als würde jemand Geld dafür bezahlen, dass ich für ihn die Escortdame spiele?"

"Wieso, hast doch eine schöne Figur! Das Alter passt auch! Mit ein wenig anderen Klamotten ging das durchaus!"

"Ja, aber das ist nicht meine Welt. Und ich habe schon auch andere Klamotten, aber dachte mir zu dieser Segeltour wäre das nicht die geeignete Kleidung."

"Stimmt auch wieder."

"Na dann komm, die anderen sind alle unten."

Interessant, also auch noch andere. Ich ging hinter ihr die Luke herunter. Drei Leute saßen da, ein gut aussehender, hochgewachsener Mann mit länglichem Gesicht und gegelten stoppeligen Haaren um die 35 mit Schnurrbart, auch er hatte Outdoorkleidung an, ein älterer Mann um die 50 ohne Schnurrbart mit kurzem Haar, etwa so groß wie ich, braune Augen, gekleidet war er mit Sportsachen, also Trainingsanzug, und Jochen. Alle hatten ein Glas mit O-Saft vor sich stehen. "Ich sehe schon, alkoholfreie Zone", sagte ich.

"Alkohol brauchen wir nicht, wir sind schon trunken vor Glück. Ich bin Anton", sagte der mit dem schütterem Haar. Leicht österreichischer Akzent.

"Und ich bin Maik", sagte der Schnurrbärtige.

Jochen griente. "Ich bin Jochen. Chef von das Ganze."

"Sandra. Willkommen auf meinem Boot", sagte ich, und Jochen prustete los.

"Ich hab euch ja schon gesagt, dass Sandra super-frech ist", sagte Jochen. "So, dann können wir ja starten. Auch wenn hier viel automatisiert ist, jeder muss ein wenig was machen, eine Wache übernehmen, also ans Ruder gehen, Aussicht halten, das Segel nachjustieren, natürlich auch Kochen, und so weiter. Ich gebe euch gleich noch eine Einweisung. Jetzt laufen wir erst mal aus." Wir gingen auf das Deck, legten die Schwimmwesten an, und fünf Minuten später liefen wir aus dem Hafen aus. Jochen zeigte uns, worauf man achten muss, und jeder durfte dann ein wenig steuern, als Einführung. Jochen sagte, dass er die Nachtwache übernimmt. Ich fand es herrlich, mal was ganz anderes als sonst. Ich erfuhr, dass es nur 4 Kojen gibt. Schlafen mussten wir also alle abwechselnd in einem anderen Bett. Egal, war ja nicht so schlimm. Die Kojen waren aber eng. Ich pirschte mich zuerst an Maik heran, der die erste Wache übernommen hatte.

"Ist das dein erster Trip?", fragte ich.

"Ich trippe ständig. Aber jetzt darf ich mal viel langsamer trippen."

Ich fing an zu kombinieren. Maik. Sabine. Viel langsamer trippen. Nur Anton passte da nicht rein. Konnte das wirklich sein? Wenn ja, wäre es schon ein ziemlicher Zufall. "Dann bist du sonst Pilot! Und Sabine ist deine Copilotin?" Maik schaute mich mit großen Augen an und hätte fast das Steuer los gelassen.

"Wieso denkst du das denn?"

"Ich bin mal mit euch geflogen, nach Zürich."

"Wir? Nee. Wir fliegen eher selten."

"Dann heißt du nicht Baumann? Und Sabine heißt nicht Weiß?"

"Nee. Du musst ja ein gutes Gedächtnis haben, dass du dir die Namen von irgendwelchen Piloten gemerkt hast!"

"Ich war damals in einer sehr schwierigen Situation, und der Linienflug mit diesen beiden am Steuer war der Anfang davon, mich da wieder hinauszubringen. Raus aus den Turbulenzen. Deshalb hatte ich mir das gemerkt."

"Es klappte also?"

"Nach einer privaten Bruchlandung bin ich jetzt auch auf dem Flug. Ein Flug durch mein Leben. Manchmal starte ich dann auch mein Triebwerk." Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihn dabei anzulächeln. Ja, mein Triebwerk. Es ging oft spontan an, und dann war ich nicht zu bremsen. Bekam meinen Trieb. Manchmal war es etwas nervig, aber es hatte mir immer schöne Situationen beschert. Daher war ich froh, dass ich es hatte. Und auch genügend Lebenskerosin dafür. Aber woran lag das? Ich hatte oft darüber nachgedacht. War es, weil ich es als Jugendliche zu selten benutzt hatte? Eigentlich fast gar nicht. Oder war es diese 'Jetzt-erst-recht-Stimmung', in welche ich kam, nachdem ich mehr und mehr über Uwes dunkle Seiten herausbekommen hatte. Aber dieses Nachdenken war eigentlich sinnlos. Ein Ergebnis würde ich nicht bekommen. Körper und Geist sprachen ja nicht mit mir, und wenn doch, waren sie nicht ehrlich, logen mich an. Es war aber auch egal. Momentan war es eben da, und vielleicht würde es eines Tages auch wieder verschwinden. Aber noch war es nicht so weit, und solange würde ich es benutzen. Oft in gemäßigtem Tempo. Manchmal auch Presto. Wie es eben passte.

"Wohin fliegst du denn da immer?"

"Das Land kennst du nicht. Ist Sabine deine Frau?"

"Nein, wir sind nur Kollegen. Außerdem sind wir beide mit jemand anderem verheiratet. Glücklich."

"Und wo sind eure Partner?"

"Meine Frau wollte nicht mit segeln kommen. Sie ist eher so häuslich. Und Sabines Mann kann momentan nicht. Er hatte sich vor zwei Wochen ein Bein gebrochen. Sonst wäre er schon mitgekommen."

"Ist deshalb Anton da, als Nachrücker?"

"Nee, Anton ist ja ein Freund von Jockel. Sie haben viel zusammen erlebt, sagt Jockel. Was genau, weiß ich aber nicht."

"Und als was arbeitet ihr beide?"

"Wir sind Programmierer. Deshalb sind wir froh, mal der rauen Natur ausgesetzt zu sein. Das Kontrastprogramm. Sabine programmiert in der Firma, und ich mache sonst Kundenbetreuung, Anpassungen vor Ort, und so weiter. Medizinische Geräte. Deshalb das Trippen. Wegen der vielen Fahrten. Wohnen und arbeiten tun wir beide in Lübeck."

"Das kann ich verstehen. Mal was anderes als Tastatur und Autobahn. Ich kümmere mich dann mal um des Essen!"

Ich ging wieder unter Deck, um mich um die Zubereitung des Essens zu kümmern. Es gab Nudeln. Hier in Deutschland durfte man die ja so nennen. Der nächste, der mit der Wache dran war, war Sabine. Auch zu ihr ging ich später hin, um sie ein wenig besser kennenzulernen. Sie sprach mich an. "Na, hat Maik dich schon eingenordet?"

"Wieso, das macht doch der!" Ich zeigte auf den Kompass.

Sabine lachte. "Ich meinte die Sache zwischen ihm und mir."

"Er sagte mir, da wäre gar keine Sache."

Sabine schmunzelte. "Er ist schon ein fescher Mann. Aber ich bin ja verheiratet. Sonst hätte ich es vielleicht doch mal versucht."

"Er meinte aber, ihr wäret beide glücklich verheiratet!"

Sabine lachte und überging gekonnt meine versteckte Frage. "Maik konnte eine Sache bei dir aber nicht so richtig einordnen. Fliegst du denn? Ich meine, als Pilotin?"

"Nein, wieso? Ich lass mich immer fliegen."

"Er meinte wegen Triebwerk und so."

"Ach so, das Triebwerk hat er gemeint. Es ist mehr so, dass es mir manchmal einen Schub gibt. Lustland, sag ich nur."

"Ah, jetzt verstehe ich! Hast du da jetzt wen? Jockel sagte mir, dass deinem Exmann irgendwas nicht gut bekommen ist."

"Übertreiben tut nie gut. Besonders beim Trieb. Ich hab ihn aber nicht dahin gebracht, ehrlich! Meine Kurven haben ihn nicht davon abgehalten, sich an einer zu kurvenreichen Strecke zu versuchen."

"Verstehe." Kurzes Schweigen. "Willst nicht darüber erzählen, 'ne?"

Ich seufzte. "Stimmt. Heute nicht. Na dann ... man sieht sich." Ein wenig unterhielt ich mich im Unterdeck mit Jochen, während Anton mit Sabine quatschte, und Maik auf dem Oberdeck die Seeluft genoss. Dann war ich dran mit der Wache. Jochen half mir ein wenig, denn wir passierten den Fehmarnsund, wir wurden jetzt langsamer, und es war viel zu tun, da wir nun gegen den Wind kreuzen mussten. Dann übernahm Anton. Ich blieb nach der Übergabe noch bei ihm. "Sag mal Anton, was macht denn ein Österreicher im Norden?"

"Ich suche die Flachheit."

"Und, hast du sie gefunden?"

Er deutete auf das Meer. "Siehst du doch!"

"Hast du ein Problem mit den Bergen?"

"Nein, du?"

"Ja. Ich komm nicht rauf. Glaube ich zumindest."

"Das kann man lernen, Sandra. Oder hast du Höhenkrankheit?"

"Nee, glaub nicht."

"Du musst langsam anfangen. Nicht schon am ersten Tag ganz hoch hinaus. Einen Tag mittlere Höhe, dann noch höher und erst nach drei oder vier Tagen ganz hoch."

"Ist da was passiert bei dir, dass du jetzt hier im Norden bist?"

"Nein, ich bin nur im Norden gelandet. Manchmal fahr ich noch da hin. Also in die Berge."

"Gut, dann kannst du mich ja begleiten."

"Brauchst du einen Guide?"

"Wäre nicht schlecht. Wann ist denn die beste Zeit?"

"Ab Ende Juni, besser Juli, bis so Ende August. Manchmal gibt es da im September schon den ersten Schnee. Gibt's einen speziellen Grund?"

"Ich will mir das einfach mal ansehen. Die Dolomiten sollen ja sehr schön sein."

"Also gibt's doch einen Grund. Hat das mit deinen Turbulenzen zu tun?" Ich schaute ihn erstaunt an. Er griente und an seiner Nasenwurzel bildeten sich kleine, strahlenförmige Fältchen. "Maik und Sabine haben gequatscht. Genauer gesagt, ich habe sie ausgefragt. Die pikanten Details haben die mir aber nicht erzählt."

"Die kennen sie ja auch nicht!"

"Also?"

"Ach so. Ja, ich will auf den Averau. Genauer gesagt, ich muss. Hab da einen Auftrag."

"So so. Das klingt ja spannend. Ich helfe dir gerne, wenn du meine Hilfe brauchst. Hab ja viel Zeit."

"Gebucht", sagte ich, und griente.

"Ich war da mal drauf. Ist ein wenig schwierig an einigen Stellen, aber noch gut schaffbar."

"Willst du nicht wissen, wieso?"

"Schon, aber du wirst es mir dann erzählen. Glaube ich. Wirst ja wohl keinen Goldbarren hochtragen wollen, oder?"

"Nein, es ist kein echtes Gold, es ist Herzgold."

"Herzgold ist wichtig."

"Es ist ein Versprechen, welches ich jemanden gegeben hatte. Versprechen und Fluch zugleich." Ich versuchte das Thema zu wechseln. "Segelst du denn öfters mit Jochen?"

"Gelegentlich. Wir waren zusammen schon in der Karibik, nach Brasilien, zu den Azoren."

"Musst du nicht mehr arbeiten?"

"Nee. Genug Geld gescheffelt. Macht nicht glücklich, ich weiß, beruhigt aber."

"Stimmt. Woher kennst du denn Jochen?"

Er seufzte. "Wir hatten mal eine schwere Zeit zusammen. Geteiltes, langes Leid. Das schweißt zusammen. Vielleicht erzähle ich es dir irgendwann mal, obwohl es mich dann ziemlich mitnimmt."

Ich verstand, heute war nicht die Zeit dafür. "Ich geh mal unter Deck. Wird kalt jetzt. Wir sprechen das noch mal durch, ja? Dann erzähl ich dir auch meine Geschichte."

"Bis dann, Sandra." Als Anton wiederkam, in die Koje neben mir ging, war ich schon eingeschlafen. Aber ich entdeckte ihn dann beim Aufwachen. Ich ging nach dem Frisch-machen an Deck und unterhielt mich eine ganze Weile mit Jochen. Aber auch er wich der Frage nach seiner Vergangenheit mit Anton aus. Dann bereitete ich das Frühstück vor. Wir waren schon kurz vor der Insel Lolland, denn das Boot hatte ein Radargerät an Bord und ein GPS Gerät, sodass wir auch nachts fahren konnten. Hier draußen war auch immer genug Wind vorhanden. In den weiteren Morgenstunden passierten wir die Insel und nahmen jetzt Kurs auf den Norden der Insel Seeland, auf der auch Kopenhagen liegt. Der Wind stand jetzt günstiger und wir kamen gut voran. Unser Leben hier an Bord war schnell eingespielt und am Freitagnachmittag legten wir in Kopenhagen an, schauten uns ein paar Stunden die Stadt an, dann legten wir wieder ab für den Rest der Reise, die Rückfahrt.

Viel zu schnell war alles vorbei, Sonntag am späten Nachmittag waren wir wieder zurück, machten noch ein wenig klar Schiff, mit Anton tauschte ich die Telefonnummern und E-Mail-Adressen aus, damit wir in Kontakt blieben, und Jochen bekam natürlich noch seine Belohnung, bevor ich Montag früh wieder nach Hamburg zurückfuhr. Es war ein tolles Erlebnis gewesen in diesen Tagen, wir hatten alle jede Menge Spaß und gute Gespräche gehabt. Ich hatte sogar einige der dramatischen Sachen aus meinem Leben erzählt. Aber es war mir noch nicht gelungen, aus Anton und Jochen herauszukitzeln welches einschneidende Erlebnis sie denn gehabt hatten. Waren sie mal im Krieg gewesen? Bei der Fremdenlegion? Immer wenn ich versuchte, die Sprache darauf zu bringen, stockten sie. Ich wurde nicht seekrank, hatte auch keinen angebaggert, war also richtig stolz auf mich! Könnte es sein, dass meine wilde Zeit so langsam zu Ende ging? Oder war es nur eine Episode? Ich fühlte mich aber immer noch nicht reif für eine neue, feste Beziehung. Einige Tage musste ich mich dann wieder um meinen Laden kümmern. Beim Törn hatten wir wirklich tolles Wetter gehabt, aber das blieb nicht so. Danach gab es fast zwei Wochen lang nahezu täglich Regen, aber dann wurde es endlich wieder besser. Zum Glück!

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Teil30: Poolparty

Ich hatte mich in der Vergangenheit ja schon öfters mit Jakob und Meike getroffen, seit einiger Zeit waren sie Bauherren geworden und ab da war es etwas schwierig. Ihr neues Haus lag nicht weit weg von meinem, vielleicht eine halbe Stunde zu Fuß oder höchstens 10 Minuten mit dem Auto. Natürlich dachte ich bei den ersten Treffen immer noch an die Szene am Fenster mit Jakob damals, aber nach diesem einen Vorfall gab es nichts weiter. Vielleicht hatte ich mich auch echt getäuscht. Seine Hand war ja nur auf meiner Schulter, was auch eine unterstützende Geste gewesen sein konnte. Außerdem bedauerte ich es nicht. Ich kannte ja meinen schwachen Punkt in der Hinsicht und war froh, dass ich mich nicht gegen meine Triebhaftigkeit wehren musste. Nun war ihr Haus fertig und sie luden zur Einweihungsparty ein. Das Wetter war bombig, es war warm und die Sonne schien in Strömen, gefeiert wurde draußen auf der Terrasse. Erst gab es Kaffee und Kuchen, und dann wurde gegrillt. Alle hatten auch etwas mitgebracht, ich einen schönen Nudelsalat, andere Kartoffelsalat, Paprikasalat, und und und. Außer Jakob und Meike kannte ich ja keinen anderen. Ich hatte erst überlegt, wen von meinen Bekannten mitzunehmen aber, die beiden meinten, es kämen auch einige Singles.

So war es dann auch. Wir hatten alle viel Spaß. Wie üblich gab es natürlich auch einige Leute, meistens Männer, die versuchten sich in den Vordergrund zu spielen, aber es war auch eine Frau, die so eine Ader hatte. Ihr schrilles Lachen hallte bestimmt noch zwei, drei Häuser weiter. Ich unterhielt mich mit allen nett und hielt natürlich auch Ausschau nach jemandem, der mich interessierte. Tatsächlich gab es einen etwa in meinem Alter oder einige Jahre jünger, der meine Kragenweite war, aber dummerweise verließ er die Party, ehe ich mit ihm reden konnte. Ich war enttäuscht, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen. Immerhin führte es aber dazu, dass ich meine weiteren Jagdgelüste abbrach. War eh kein anderer da, der mir gefiel, nur Jakob, und der war tabu. Es wurde immer später, einer nach dem anderen ging, bis wir nur noch zu viert waren. Natürlich hatten wir alle etwas gepichelt und waren dadurch ein wenig übermütig.

"So, Pool einweihen", sagte, nein, befahl auf ein mal Meike.

"Aber ich hab doch gar keinen Badeanzug dabei", protestierte ich.

"Macht nichts! Wir gehen eben so." Meike ging ins Haus, holte ein paar Handtücher. Mittlerweile waren Jakob und die vorlaute Frau, die mit Namen Ella hieß, schon dabei sich auszuziehen. Jakob war schon nackt und Ella dann auch. Ich zögerte noch, aber dann fing ich auch an. War eh schon ziemlich dunkel. Was sollte schon passieren? Meine Sachen fielen. Ella und Jakob waren schon im Pool. Auch Meike zog sich jetzt aus. Nackt hatte ich sie noch nie gesehen, aber ihre Figur hatte ich mir genau so vorgestellt. Total schlank, zierlich, nur kleine Fettpölsterchen. Bei mir waren es von letzterem doch etwas mehr. Und auch Jakobs Körper war so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Anziehend, aber tabu. Ich glitt ins Wasser. Auch Meike schaute mir hinterher. Das Wasser hatte genau die richtige Temperatur. Wir schwammen ein paar Runden, plantschten dann, alles ganz harmlos, bis wir genug hatten. Keiner hatte versucht, den anderen anzutatschen. Wir gingen dann einer nach dem anderen aus dem Wasser, ich zuerst, dann Meike. Wir trockneten uns ab, dann zogen wir uns wieder an. Ich hatte die verstohlenen Blicke der Männer und Frauen auf mich sehr genossen. Ich hatte trotz meines Alters immer noch einen schönen Körper. Und jünger sah ich auch aus.

Meike sprach mich an: "War schön, oder?"

"Ja, so ein Pool ist was Tolles. Vielleicht sollte ich mir auch einen bauen lassen." Bei Erwähnung dieses Satzes bekam ich gleich wieder einen Flashback.

Es war vor zwei Jahren, während einer Corona-Lücke. Ich hatte den Einkäufer einer Modekette kennengelernt, die einige Stücke von mir aufnehmen wollte. Wir kamen ins Gespräch und er lud mich zu seinem Haus ein. Da ich ihn mochte, nahm ich an, und fand mich an einem Sonntagnachmittag bei ihm ein. Dass er keine Frau hatte, wusste ich schon. Wir aßen Kaffee und Kuchen und tranken danach einen Aperitif. Bruno war nicht der redseligste, aber wenn er was sagte, hatte es Stil. Also redete ich die meiste Zeit. Von meinen Erlebnissen, aber nicht aus meinem Nähkästchen, wie man so schön sagt. Kein Wunder, hatte er doch noch nicht versucht, mit mir zu flirten, sodass ich noch nicht warm geworden war. Seinen blitzenden Augen sah man aber an, dass er mehr wollte.

Dort draußen war es schön warm an dem Tag, aber dann fing es an zu tröpfeln. Erst nur sehr wenig. Einzelne kleine Tropfen. Aber irgendwann wurde es doch mehr. "Bruno, es regnet noch doller, lass uns hineingehen!"

"Ja, machen wir", sagte Bruno. Dann zog er sich einfach flugs seine Sachen aus, und stieg in den Pool. Ein muskulöser, ziemlich behaarter Oberkörper war zu sehen. Tiefer traute ich mich nicht zu schauen. Ich war total perplex! An diese Art des Hinein-gehens hatte ich eigentlich nicht gedacht, aber Bruno hatte natürlich recht. Im Pool waren wir vor den Regentropfen bestens geschützt. "Hat es nicht so ein leicht verwegenes Geschmäckle?", fragte er grinsend.

"Ist mir egal", antwortete ich, nachdem ich mich von ersten Schock erholt hatte. "Deine Firma wird schon nichts davon erfahren, oder?" Auch ich zog nun meine Sachen aus, unter seinen bewundernden Blicken, und glitt ins Wasser. Zur Antwort auf meine Frage kam es nicht mehr, bei dem, was folgte, brauchte man keine Worte. Bruno war dieser besondere Typ Mann, dieser Untertyp Abenteurer. Nicht der, welcher durch die Gegend streift und gefährliche Sachen macht oder wilde Tiere jagt. Seine Jagdopfer waren Frauen. Nie im Leben hätte ich sonst so einen genommen, aber an diesem Tag kam er mir gerade recht. Die Corona-Zeit hatte in mir irre Entzugserscheinungen ausgelöst und er war die Lösung zur Überbrückung.

Nach einer lang ausgedehnten Knutschorgie, einem vermutlich sehenswerten Unter - und Überwasserkampf - es schaute ja niemand zu, ruppigen Zerren an Körperteilen, welche einem Wasserballmatch angemessen waren, wechselten wir in das Gebäude. Nach der gegenseitigen mündlichen Befragung, und den anschließenden ausgedehnten Nahkampfübungen im Trockenen waren wir beide jedenfalls voll befriedigt auseinander gegangen, nach all dem, was er mit mir gemacht hatte kribbelte nahezu jede Stelle meines Körpers vor Lust auf das Äußerste, und es hatte lange gedauert, ehe alles wieder abgeklungen war, und ich neue Jagdgelüste bekam.

Ja, so ein Pool wäre tatsächlich eine gute Idee.

"Mach das ruhig Sandra. Ich hatte immer keine Lust ins Schwimmbad zu gehen, wegen der vielen Idioten." Meike riss mich damit aus meinen Gedanken.

"Meinst du das Anstarren?"

"Nö. Die blöden Bemerkungen oder Versuche zu landen."

"Kann ich verstehen. Wer ist das denn?" Ich zeigte auf sie.

"Ella? Die haben wir bei einem Urlaub auf Teneriffa kennengelernt."

"Ist das schön da?"

"Immer schönes Wetter, nie zu warm, nie zu kalt. Weniger gut für Strandurlaub geeignet wegen der fehlenden Sandstrände, taugt aber gut zum Wandern."

"Toll, dann muss ich auch mal da hin. Dann seid ihr dort zusammen gewandert?"

"Ja, das auch. Und die Insel erkundet. Eine, nein, zwei Rundtouren."

"Aha." Meike stand auf und half Jakob jetzt beim Abtrocknen. Als alle wieder angezogen waren, war aber irgendwie die Luft raus. Ich beschloss zu gehen und verabschiedete mich von den dreien. Ich ging so nach Hause, wie ich gekommen war, zu Fuß. Es war für mich trotzdem eine schöne Party gewesen. Die Idee mit dem Swimmingpool irrte mir noch eine Weile im Kopf herum. Aber noch hatte es Zeit. Dieses Jahr würde es eh nichts mehr werden, die Planungen könnte ich im Winter machen und so eine Baugenehmigung müsste ich da sicher auch haben. Ich beschloss, mich irgendwann später darum zu kümmern, wenn die dunklen Tage kommen werden. Wenn ich geahnt hätte, welches Dunkel mich erwarteten würde ...! Aber ich buchte, um dem hier in Hamburg meist dunklen und nassen November zu entfliehen, schon mal eine Urlaubsreise nach Teneriffa für 10 Tage.

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Teil31: Das Date mit der Vergangenheit und die hübsche Angelika

Einige Wochen später war ich auf dem Friedhof. Das Treffen mit Uwe stand an. Ich ging nicht mehr so oft hin, vielleicht alle zwei Monate. Aber nun gab es ja Neuigkeiten. Heute war es schon früh warm. Ich zog mir ein dünnes Sommerkleid an. Wie üblich war er auf ein mal da, lautlos gekommen. "WOW! Gehst du heute wieder auf die Jagd?"

"Nicht, was du denkst. Ich bin heute eine Ghost-Buster."

"Wer wird denn gejagt?"

"Rate mal!"

"Wieder der aus der Firma? Dieser ..."

"Julian? Nee, der nicht. Den muss ich ja nicht jagen. Der geht mir immer freiwillig in die Falle. Oder besser gesagt, ich gebe mich ihm hin. Es kann ja nichts passieren. Ich kann ja nicht schwanger werden."

"Genau. Keine Kinder."

"Gutes Stichwort. Was fällt dir denn dazu ein?" Das war ein richtig guter Gesprächswechsel, denn Uwe wurde jetzt ziemlich rot im Gesicht, was sich bei der langen Gesprächspause noch verstärkte. "Na, keine Idee?"

"Ich ich ..."

"Das Wort welches schlimm genug ist um dich zu titulieren, muss erst noch erfunden werden! Was hattest du dir denn dabei gedacht?!!!"

"Sandra, es ist nicht so wie du denkst ich ..."

"Hättest es mir sagen müssen, richtig? Hast du gedacht, ich lasse mich dann scheiden? Oder heirate dich gar nicht erst?"

"Wäre das so gewesen?"

"Weiß ich nicht. Vermutlich ja."

"Also war es richtig, dass ich ..." Mehr traute sich Uwe nicht zu sagen. Erst nach einer Weile fuhr er fort: "Ja, ich hätte es dir sagen müssen. Egal, was passiert. Gleich zu Anfang."

"Das war aber nicht alles!"

"Was war denn noch?"

"Es fängt mit Doppel an und hört mit Leben auf."

"Spielst du jetzt Tennis?" Ein gestrenger Blick reichte. "Ja, ich weiß. Auch das war Mist. Aber ich konnte einfach nicht von ihr lassen. Sie wusste dann aber von dir. Wie hast du sie denn aufgespürt?"

"Antonio hat es mir gesagt."

"Ach, der! Der hat mir seine Schwester nie gegönnt! In die Hölle mit ihm!"

"Zu spät! Er ist jetzt im Himmel."

"Woher weißt du das? Warst du dort?"

"Leute, die gute Taten machen, kommen in den Himmel. Weißt du doch!"

"Ich hab aber auch eine gute ..." Ein neuerlicher gestrenger Blick von mir ließ ihn wieder verstummen. "Lorena ist auch da im Himmel."

Es dauerte eine Weile, bis er es checkte. "Lorena ist?"

Ich nickte. "Ein Autounfall."

"Oh Scheiße." Uwe war jetzt voll betroffen. Ich gab ihm ein wenig Zeit, bis ich fort fuhr.

"Wieso hast du keinen Unterhalt für die beiden bezahlt?"

"Lorena wollte das nicht! Sie war einfach zu stolz! Und dann ihr Mann ..."

"Ist das die Wahrheit?"

"Ich schwöre!"

"Du hast mir schon mal was geschworen. Treue."

"Das mit Lorena und dem Unterhalt stimmt aber wirklich!"

"Ich versuche das mal zu glauben. Ich weiß jetzt übrigens was mit den Drogen war. Du wolltest die deinem missratenem kriminellen Sohn wegnehmen, damit er besser eine bürgerliche Karriere macht, oder?"

Uwe tat ganz erstaunt. "Woher weißt du das?"

Ich diesem Moment wurde unser Gespräch gestört. Eine Frau beugte sich von hinten über die Bank und fragte: "Entschuldigung! Ist alles in Ordnung? Brauchen sie Hilfe?"

Wie immer in solchen Momenten war Uwe augenblicklich verschwunden. Lauscher mochte er überhaupt nicht. Ich erkannte in der Frau diejenige, welche ich damals beobachtet hatte. Sie war immer noch so hübsch und hatte heute genauso wie ich ein dünnes Sommerkleid an. "Ja, alles okay. Wissen sie, ich spreche manchmal mit meinem verstorbenen Mann. Also tue so, als wäre er hier neben mir auf der Bank."

Sie ging um die Bank drumherum und setzte sich drauf. "Das mache ich auch immer. Anders kann man ja nicht mehr mit ihm reden."

"Was reden sie denn so?"

"Ich beichte."

"Haben sie einen neuen Mann?"

"Ja, ich kannte ihn aber damals schon. Aber erst vor kurzem haben wir uns zusammen gefunden. Wenn sie wissen, was ich damit meine."

"Intim geworden meinen sie, nicht?" Sie nickte. "Woran ist ihr Mann denn gestorben?", fragte ich.

"Er hatte Krebs. Die Chemo hat nicht geholfen, und dann ..."

Jetzt kamen ihr die Tränen. Ich ergriff ihre Hand und wartete geduldig, bis ihr Weinen versiegte. "Entschuldigung. Ich labere sie hier voll und ..."

"Ich tröste sie gerne." Das war nicht gelogen. Meine damalige Absicht zu versuchen, sie als Gespielin zu bekommen, verwarf ich sogleich. Sie hatte ja jetzt jemanden, da würde ich mich nicht dazwischen drängen. Ich ließ daher auch ihre zarte Hand wieder los.

"Was war bei ihnen?"

"Ganz plötzlich. Autounfall. Ich war aber nicht mit drin."

"Manchmal hofft man das, oder?"

"Ich hoffe, ich schlage mich gut in der Verlängerung", antwortete ich ausweichend.

"Wollen sie mal mit einer echten Person reden? Dann könnten wir doch ...?"

"Ins Café nebenan gehen?", schlug ich vor, selbst überrascht von meinem spontanen Entschluss. Und klar, es würde nur zum Reden sein. Nach so einer Unterbrechung kam Uwe sowieso nicht mehr, das wusste ich. Es war daher sinnlos, hier noch länger zu verweilen.

"Gerne. Wie sind sie hierhergekommen?"

"Zu Fuß. Also nicht die ganze Strecke, obwohl ich das auch öfters gehe, aber ich wollte nicht so durchgeschwitzt sein, wenn ich mit Uwe rede, also bin ich den größten Teil mit dem Öffi gefahren. Vielleicht gehe ich dann zu Fuß ganz zurück, das mache ich öfters."

"Uwe heißt er also, aha. Wohnen sie weit weg?"

"In Sasel, fast an der Grenze zu Poppenbüttel."

"Ganz schön weit. Ich bin auch zu Fuß da. Also mit Bus nach Ohlsdorf und dann hierher zu Fuß."

"Na dann, gehen wir." Ich stand auf und sie ging mit mir mit, mit federndem, energischen Gang. Während des Weges, etwa 10 Minuten, schwärmten wir von der Schönheit dieses Friedhofs. Auch ich war hier nicht nur, um Uwe zu besuchen, sondern gehe auch gerne spazieren, besonders während der Zeit der Rhododendronblüte und im Herbst zur Zeit des Laubfalles, und wie die Frau mir sagte, machte sie es ebenso. Außerdem kannte sie einen Friedhofsteil, den ich bisher noch nicht entdeckt hatte. Da befanden sich vor allem Gräber anderer Kulturen, zum Beispiel die muslimische. Religion war mir selbst zwar nicht wichtig, aber auch diese Leute brauchten natürlich etwas für ihr seelisches Wohlbefinden. Und dann waren wir schon im Café angekommen. Vor einiger Zeit neu eröffnet, modern, mit Tischen und Nischenplätzen auf der Terrasse und im Innenraum, sowie einem netten Kuchenbuffet. Ich wollte da heute sowieso dorthin, hatte extra vorher geschaut, wann die offen haben. Wir hatten Glück und ergatterten einen Tisch draußen.

"Essen sie auch Kuchen?", fragte ich.

"Ja klar. Ich liebe Kuchen! Noch haben die Nebenwirkungen nicht begonnen!"

"Welche Nebenwirkungen?", fragte ich.

"Na die Speckröllchen."

"Ach so. Also bei mir schon!"

"Quatsch. Ihre Figur ist doch gut. Passt gut zu Ihnen. Sie sind nicht zu dick. Genau richtig."

"Meinen sie?", fragte ich ein wenig zweifelnd. Was das anging, war ich eine typische Frau. Es gab gar keinen Grund dazu, denn die Männer flogen auf mich, zumindest die, welche keine zarten Frauen bevorzugen, aber trotzdem kennt wohl jede Frau diese Angst davor, aus dem Leim zu gehen. Mit meinem Training wirkte ich aber solchen Tendenzen entgegen, zumindest momentan noch mit Erfolg.

"Aber klar. Schauen sie mal da rüber." Sie gab mir einen Wink mit den Augen. Da saß in der Tat ein Typ, eigentlich sah er gar nicht mal so schlecht aus, die Frisur hatte aber Verbesserungspotential, und er schaute mich ziemlich dreist an. Was ich aber überhaupt nicht leiden konnte, weder hier noch wenn ich mit dem Öffi fahre, war dieses breitbeinige Sitzen. 'Platz da, hier bin ich', hieß das. Dieser Typ hatte ganz offenbar ein übergroßes Ego, welches ihm weit vorauseilte, und ich hoffte, er könnte es irgendwann mal einholen. Ja du Vollpfosten, da kannst du dann auch bleiben, dachte ich mir. Das passte heute eh nicht, und in Stimmung war ich sowieso nicht. Jedenfalls nicht dazu. Aber zum Reden war meine Stimmung passend.

"Würden sie ihn denn nehmen, wenn sie frei wären?" Sie war in etwa in seinem Alter.

"Nee, bestimmt nicht. Schauen sie doch mal, wie der sitzt. Eine widerliche Zurschaustellung."

"Dann sind wir ja einer Meinung."

"Für sie passt der vom Alter eh nicht", sagte sie.

"Nur nicht zum Zusammenleben", antwortete ich.

Es kam darauf nur ein: "Ach?", und ein dazu passender fragender Blick.

"Manchmal mache ich das, wenn es passt. Der passt nicht." Ich kicherte, und sie auch. Eis gebrochen. "Ich schau mir mal das Kuchenbuffet an", sagte ich, und ging rein. Leider hatte sie keinen Kuchentyp mit dem von mir favorisierten Baiser, dafür aber eine schöne Torte mit Schokomouse. Davon würde ich mir ein Stück gönnen. Ich ging wieder zu unserem Tisch. "Jetzt können sie auch schauen", sagte ich, sie stand auf und verschwand in den Innenraum. Ich übte mich derweil darin, den dreisten Typen zu ignorieren. Demonstrativ strafte ich ihn mit Verachtung. Er warf mir dann einen enttäuschten Blick zu, und ging auch Richtung Innenraum. In seiner Welt war die Hose vielleicht modern, in meiner nicht. Deren Schritt hing ihm in etwa in Höhe der Kniekehlen. Also ein Hip-Hop-Typ. Eigentlich sollte er ja aus dem Alter raus sein, war aber wohl nicht so. Jetzt kam meine Begleiterin zurück. "Hat der sie angemacht?", fragte ich.

"Nee, der ist Richtung Toilette gegangen. Aber ein Kuchenstück hatte mich angemacht."

"Und welches gönnen sie sich?"

"Die Schokomouse Torte."

"Auf die hatte ich auch ein Auge geworfen."

Die Bedienung kam. "Guten Tag. Was kann ich ihnen bringen?"

Meine Begleiterin sagte: "Zwei Stück Schokomouse-Torte, einen Kaffee ... nehmen sie auch einen?"

"Nein, ich nehme heute einen Cappuccino."

"Gerne." Die Bedienung entschwand.

"Wie heißen sie eigentlich?", fragte sie jetzt.

"Ich bin die Sandra. Bitte sag doch du zu mir. Ist das ok?"

"Na klar. Ich bin Angelika."

"Das ist aber ein ungebräuchlicher Name für eine Frau deines Alters."

Sie seufzte. "Ja, aber meine Eltern wollten das so. Ich habe noch mehr Vornamen. Eva und Maria passten mir aber auch nicht und so nehme ich jetzt immer diesen."

"Ja ja, die Eltern."

"Hattest du Stress mit deinen? Damals?"

"Nö, die waren ganz okay. Hab auch nur diesen einen Namen bekommen."

"Wieso waren? Sind sie gestorben?"

"Ja, beide kurz hintereinander."

"Das tut mir leid."

"Ist ja schon 'ne Weile her. Ist bei Eltern nun mal so, dass sie meist vor einem sterben."

"Meine Eltern leben zum Glück noch. Sie haben mir damals auch beigestanden in der schweren Zeit."

"Hat es lange gedauert? Ich meine, das mit deinem Mann?" Der Typ kam gerade vom Innenraum zurück und warf einen geringschätzigen Blick auf mich. Vermutlich hatte er es nun aufgegeben.

"Ja, ziemlich. Es war Lungenkrebs. Er war übrigens kein Raucher. Man hat den Tumor entfernt, dann bekam er eine Chemotherapie. Er war dann praktisch Tumor-frei, aber dann hat man ein gutes Jahr später doch Metastasen entdeckt. Und dann ging es rapide bergab. Die nächste Chemo hatte dann kaum noch geholfen. Ich fand das merkwürdig."

"Wieso das denn?"

"Na man wird ja heutzutage vorher getestet, ob diese Chemo für den Krebstyp, den man hat überhaupt geeignet ist. Das war sie, und trotzdem hat sie nicht gewirkt."

"Und was haben die Ärzte dazu gesagt?"

"Die meinten, das so etwas manchmal vorkommt, trotz der Testung. Aber irgendwie ..."

"Ja? Meinst du, da gab es Unregelmäßigkeiten? Wurde der Test vielleicht falsch gemacht?"

"Ich weiß noch nicht so recht. Ich bin da an so einer Sache dran. Aber das ist noch in der Schwebe."

"Leider macht ihn das auch nicht wieder lebendig. Hattest du ihn zu Hause gepflegt?"

"Ja. Es hatte mich ganz schön mitgenommen, seinem Verfall so zusehen zu müssen. Grässlich." Ich hatte schon Angst, jetzt würden wieder ihre Tränen kommen, aber es kam stattdessen unser Kuchen und die Getränke, und wir machten uns erst mal darüber her.

"Was war bei dir mit deinem Mann?", fragte sie dann, als der sehr leckere Kuchen jeweils in unserem Magen verschwunden war. "Irgendwas hab ich vorhin von Drogen gehört."

"Die kamen dann später tatsächlich ins Spiel. Aber er hat sie nicht selbst genommen. Er hatte sich in eine Bekannte verliebt, ist mit der stiften gegangen. Wie ich dann später erfuhr, hatte er während unserer Ehe ein Doppelleben geführt und in Italien noch eine Geliebte gehabt. Und mit der hatte er zwei Kinder. Zwillinge. Einer von denen studiert und wohnt jetzt bei mir, aber der andere ist auf die schiefe Bahn geraten und hat synthetische Drogen hergestellt. Mein Mann hatte welche bei sich, als er mit dem Auto in eine Schlucht gestürzt ist. Mit seiner Geliebten, die aber überlebt hat. Die ist im Wachkoma seit dem."

"Das klingt ja sehr dramatisch!"

"Das war in Wirklichkeit noch viel dramatischer. Das war nur eine ultrakurze Zusammenfassung. Seit dem habe ich auch keinen Nerv mehr für einen festen Partner. Und du hast jetzt also einen?"

"Ja, habe ich. Endlich. Er ist Apotheker. Er gehörte damals schon zu unserem Bekanntenkreis. Ein Studienfreund meines Mannes."

"Ach, dein Mann war Apotheker? War schwer für ihn in der Ausbildung, oder? Wenn ich zur Apotheke gehe, sehe ich immer viel mehr Frauen als Männer."

"Ach, er fand das damals gar nicht so schlecht, meinte er. Markus auch nicht."

"Heißt so dein neuer Freund?"

"Genau. Er - also beide - hatten gesagt, dass es ihnen geholfen hat, sich die Hörner abzustoßen. Danach wurden sie sesshaft."

"Markus auch?"

"Ja, aber Markus ist seit einiger Zeit geschieden. Er hat eine Tochter. Er und seine Exfrau haben das gemeinsame Sorgerecht. Hast du - also, habt ihr gemeinsame Kinder?"

"Ich kann keine Kinder bekommen. Aber ich wurde dann ja eine späte Stiefmutter."

"Was studiert er denn?"

"Musik. Er spielt Cello. Da ich ein ausreichend großes und extra stehendes Haus habe, kommen oft auch zwei aus seiner Studiengruppe zum Üben zu mir. Ich habe also ganz oft Hausmusik bei mir."

"WOW, richtig Leben in der Bude." Angelika schaute zur Uhr. "Ich muss jetzt los. Bin noch mit Markus verabredet." Die Kellnerin kam gerade vorbei und Angelika sagte: "Ich möchte zahlen! Zusammen!"

"Angelika, das ..."

"Ach was. Es war schön mit dir zu plaudern. Wollen wir warten bis wir uns mal wieder am Grab treffen? Oder?"

"Oder ist besser. Nächstes mal kommst du zu mir. Einverstanden?"

Ehrliche Freude zeigte sich in ihrem Gesicht. Ich fischte mein Handy aus meiner Handtasche und speicherte mir ihre Nummer ein, die sie mir dann nannte. "Bis dann Angelika. Und danke für die Einladung."

"Hat mich gefreut. Bis dann!" Sie ging und winkte mir noch ein mal zu. Den Typen der da immer noch am Eingang saß, strafte sie mit Ignoranz. Auch ich stand nun auf und machte es genau so. War mir auch egal, ob er hinter mir her schaut. Nach einigen dutzend Metern schaute ich mich aber noch um, damit ich sicher sein konnte, dass er mir nicht folgt. Da es noch ausreichend früh war, ging ich entlang des Alsterwanderwegs nach Hause. Zwei Stunden später war ich zurück. Ich machte mir noch einen schönen Abend, ging dann schlafen. Anfangs konnte ich erst nicht einschlafen. Es war wegen Angelika, der hübschen Witwe. Meine Gedanken drehten sich nicht direkt um sie, obwohl ich unter anderen Voraussetzungen schon scharf auf sie geworden wäre. Es war die von ihr erwähnte Sache, die mir im Kopf herumging. Gab es da eine Manipulation? War es so etwas? Aber dann schlief ich doch noch ein, etwa eine Stunde später.

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Teil32: Die Einladung

Schon am anderen Abend rief ich sie an. Ich ahnte, wieso ich es so eilig hatte. Ich war neugierig, an welcher Sache sie dran war. Das Jagdfieber hatte mich gepackt. An irgendeine Gefahr dachte ich in diesem Moment nicht. Die beiden, also Angelika und ihr Freund, würden schon wissen, was sie tun. "Ja, hallo?"

"Angelika, bist du das? Hier ist Sandra. Die vom Friedhof."

"Ach du, hallo!"

"Störe ich?"

"Nein, ich habe gerade Fernsehen geschaut. Eine Arztserie. Ja, ich weiß, da wird gelogen, dass sich die Balken biegen, aber es ist was fürs Herz."

"Ist doch egal! Wenn du das brauchst ... also der Grund meines Anrufes ist, ich würde dich gerne zu mir einladen, das heißt, euch beide natürlich. Am Samstagnachmittag. Das Wetter soll ja schön sein und ..."

"Klar, wir werden kommen!"

"Musst du da nicht erst Markus fragen?"

Man hörte sie durch Telefon lachen. "Er sitzt ja neben mir und hat schon genickt."

"Das heißt, er schaut auch diese Arztserie?"

Die Antwort dauerte einige Sekunden und man hörte es im Hintergrund murmeln. "Er hat gesagt, er schämt sich auch, braucht das aber trotzdem."

"Dann hast du ja den richtigen Partner gefunden. Samstag dann 15 Uhr? Ich mache Kuchen und dann später noch grillen? Vielleicht kann ich ja auch meinen Stiefsohn überreden dabei zu sein."

"Das passt. Ich freue mich schon. Wir freuen uns. Bis dann!"

"Mach's gut, Angelika."

In den nächsten Tagen bereitete ich alles vor, kaufte ein, am Freitag machte ich eher Schluss, backte den Boden für eine schöne Torte mit Baiserhaube, welche ich dann Samstag vor dem Einkauf fertig machte, kaufte dann ein, stellte Wein und Bier kalt - ich wusste ja nicht, was Markus trinken würde - und holte den Grill aus dem Gartenhaus. Mit Andrea und Lena hatte ich gesprochen, sie würden zum Kaffeetrinken auch hier sein, danach wollten sie aber noch losziehen. Und dann war die Zeit heran. Es war schön warm, sollte trocken bleiben, so hatte ich die Terrasse gedeckt und Punkt 15 Uhr klingelte es an der Haustür. Ich öffnete. Vor der Tür stand Angelika und leicht versetzt hinter ihr Markus. Er hatte ein kleines rundliches Gesicht mit wenig Haaren, die wohl vormals blond waren, einen kleinen Schnurrbart und wache Augen. Und er hatte einen Blumenstrauß in der Hand, welchen er mir überreichte. "Hallo. Ich bin Markus. Du bist also Sandra?"

"Genau. Kommt doch rein! Und danke!" Die beiden traten ein. "Ich stell die mal schnell in die Vase, ja? Wenn ihr mal müsst, hier ist die Toilette. Schaut euch ruhig um, wir gehen dann auf die Terrasse, ja? Oder hast du eine Sonnenallergie?" Die letzte Frage war natürlich an Markus gerichtet, von Angelika wusste ich ja, dass sie Sonne verträgt. Aber draußen hatte ich ja die Markise ausgefahren.

"Nein, hab ich nicht. Ich liebe Sonne!" Ich ging in die Küche, versorgte die Blumen, und stellte die Vase mit den Blumen auf dem Couchtisch ab. Beide, Angelika und Markus, standen vor Uwes Steinbild.

"Ist das gemalt?", fragte Markus. "Das sieht so nach 3d aus."

"Nein, geklebt. Es ist ein echter Neuhaus. Mein verstorbener Mann hat das angefertigt. Er war jedes Jahr ein oder zwei mal Bergwandern, hatte immer solche flachen Steinchen mitgebracht, und dann hatte er in einem hellen, aber kalten Dezember vor etlichen Jahren dieses Bild daraus gebastelt."

"Das Bild muss doch total schwer sein? Oder?"

"Ist es auch. Ein Nachbar hatte damals geholfen es aufzuhängen, und in der Wand sind dafür Schwerlastdübel gesetzt. Da es mir gefällt, habe ich es gelassen."

"Alles andere ist verbannt?"

"Ja, fast alles."

"Verstehe. Angelika hat da so was angedeutet."

"Ich erzähle es euch nachher. Aber lasst uns doch erst mal hinausgehen. Es ist schönes Wetter und da habe ich draußen gedeckt."

Ich lockte die beiden nach draußen, sie nahmen Platz, ich holte Kaffee und Kuchen aus der Küche, gab dabei auch gleich Andrea und Lena Bescheid, die sich zu uns gesellten. Erst mal hatten die beiden die ganze Aufmerksamkeit und wurden von den beiden ausgefragt, bis die Klingel ertönte. Nanu? Eigentlich war doch niemand erwartet. Ich ging hin, öffnete verwundert die Tür. Oliver stand vor der Tür. Er hatte sein Oboenköfferchen dabei. "Hi Oliver. Wollt ihr proben? Heute ist doch Samstag! Komm erst mal rein!"

"Hallo Sandra ... Frau Neuhaus. Nein, proben wollen wir nicht, aber wir wollen doch ein Ständchen spielen. Gina kommt auch noch!"

"Huch, da weiß ich ja gar nichts von. Hat das Andrea ausgeheckt? So ein Schlingel!" Ich wollte gerade die Tür schließen, da sah ich aus dem Augenwinkel eine junge Frau durch mein Gartentor kommen. Sie hatte ein Violinenköfferchen bei sich. Ich öffnete die Tür also wieder. Mit: "Hallo Gina!" begrüßte ich die junge Dame freudestrahlend.

"Tach. Sie müssen Frau Neuhaus sein."

"Ich bin die Sandra. Komm rein!"

Sie trat ins Haus und ich geleitete die beiden in den Garten, stellte sie meinen Gästen vor, und holte aus der Küche zwei weitere Gedecke, und hoffte, der Kuchen würde reichen. Ich freute mich über die Initiative von Andrea. Oder war es Lenas Idee? Da der draußen stehende Kuchenvorrat bereits sehr ausgedünnt war, holte ich noch Nachschub, und endlich hatte auch ich nun Muße, mir den Kaffee und den Kuchen schmecken zu lassen. "Was spielt ihr denn?", fragte ich Andrea.

"Ein Quartett von Mozart. Geht gleich los", antwortete Andrea.

"Das war eine gute Idee von dir!"

"Das war gar nicht meine Idee. Die kam von Oliver."

"WOW Oliver, du machst dich." Das Lob machte ihn ganz verlegen. "Du kannst wohl immer zu Hause üben?", fragte ich Gina.

"Ich habe ein Agreement mit unserer Nachbarin. Ich muss nur die Zeiten einhalten."

"Ja ja, die lieben Nachbarn. Zum Glück steht mein Haus ja extra. Oder eher zum Glück für Lena, Andrea, und Oliver."

"Stimmt", sagte Andrea, dabei ein wenig schmatzend. "Nicht dass du denkst ... Gina habe ich natürlich auch gefragt, aber sie wollte lieber zu Hause proben. Nur für das Ständchen macht sie heute mal eine Ausnahme."

"Musstet ihr denn die Stücke von heute vorher nicht zusammen üben?"

"Nö, im Orchester der Hochschule haben wir das auch schon ein mal gespielt."

"Na, dann bis ich mal gespannt." Angelika und Markus fragten die vier Musiker auch noch das eine oder andere, dann waren wir alle mit Essen fertig, Gina packte ihre Violine aus, Oliver seine Oboe, und die anderen beiden holten ihre Instrumente aus Andreas Zimmer, Lena ließ ihre Flöte ja meistens da. Die vier schnappten sich dann ihre Stühle, und legten los. Sie spielten sehr schön und bekamen natürlich am Schluss eine Menge Applaus. Ich fragte mich, ob da vielleicht was zwischen Oliver und Gina war, denn die beiden wirkten doch sehr vertraut miteinander, doch das klärte sich am Schluss auf. Andrea und Lena wollten noch in die Innenstadt losziehen, fragten Oliver, ob er mitkommen will, der darauf antwortete, dass er noch mit Elana verabredet war. Ich atmete auf, und die drei und auch Gina zog dann ab, letztere nach Hause zum Üben, wie sie sagte.

Nun waren wir alleine. Ich räumte schnell ab, füllte schnell alles in den Geschirrspüler. Wir hatten jetzt Zeit für uns. Ich erzählte meine Geschichte mit Uwe zuerst, dieses mal mit viel mehr Einzelheiten, die Kurzform kannte Angelika ja schon. Die beiden waren ganz betroffen und waren erstaunt, dass ich das alles so gemeistert hatte. Das ging mir damals ja auch nicht anders. "Und, jetzt ist alles okay und abgeschlossen? Hast du deinen Frieden mit der Sache gemacht?" Die Frage kam von Angelika.

"Ja, schon. Ich genieße jetzt die Freiheit."

"Das stimmt nicht so ganz, oder?", fragte Markus mich jetzt.

"Ja, natürlich. Ich hätte es gerne anders gehabt, offener. Warum hatte Uwe nicht einfach gesagt, dass er sich verliebt hat, und sich trennen will? Dann hätte es zwar immer noch weh getan, aber auf eine andere Art. Nicht ganz ohne Ungewissheit, aber mit einer anderen Art von Ungewissheit. Aber das war dann wohl zu weit fortgeschritten, und dann noch sein Doppelleben. Irgendwann kann man wohl einfach nicht mehr zurück, wenn man den richtigen Zeitpunkt verpasst."

"Das stimmt wohl. Ich glaube auch nicht, dass es von seiner Seite ohne Gewissensbisse ablief, aber wenn man schon so weit ist, spielt das irgendwann keine Rolle mehr. Man spielt einfach sein Spiel weiter. Routiniert. Und wohl auch selbstsicher."

"So wird es wohl gewesen sein, Markus."

Es entstand eine kurze Gesprächslücke, Angelika ergriff die Chance und fing an: "Wir, also mein verstorbener Mann und ich, haben uns im Botanischen Garten kennengelernt. Auf ein mal stand er vor mir, fragte ganz höflich, ob er sich zu mir setzen darf, und ich sagte ja. Ich war damals ganz schüchtern und hatte über mich selbst gestaunt. Wir kamen dann schnell ins Gespräch über die schönen Pflanzen in diesem Park und dann ..."

"Ach, bist du Gärtnerin?", fragte ich dazwischen.

"Nein, aber ich liebe Pflanzen. Gärtnern ist ein Hobby. Wirst du dann auch sehen, wenn du mich, also uns mal besuchst. Unser Garten ist ähnlich parkartig gestaltet wie deiner, aber mit noch mehr Blumen. Markus mag es auch." Markus warf mir einen bestätigenden Gesichtsausdruck zu.

Angelika fuhr fort: "Nein, ich bin Krankenschwester, arbeite jetzt aber in einer Arztpraxis. Das ist nicht ganz so anstrengend. Also, wir fanden schnell einen Draht zueinander, schon für den ersten Abend hatte ich eine Einladung zum Abendessen von ihm - er hieß Torsten - es hatte gefunkt, und schon eine Woche später waren wir ein Paar. Anfangs war es natürlich schwierig wegen meiner Schichten, aber trotzdem haben wir zu uns gefunden. Wir wollten später noch Kinder haben, aber dann kam der Krebs dazwischen." Angelika stockte kurz. Man merkte, das, was sie jetzt erzählen musste nahm sie immer noch mit. Der Krebs wurde entfernt, mit einem kleinen Teil des Lungenflügels, dann kam die erste Chemo, alles war chic und Torsten hatte auch wieder zu arbeiten angefangen, da kam der Krebs zurück. Als Streukrebs. Operabel war das nicht mehr, das waren zu viele Befallsherde, aber die Chemo sollte helfen. Anfangs tat sie das auch, aber dann ..." Es kamen nun bei Angelika Tränen in die Augen, aber Markus legte einen Arm um sie, und dann war es schnell wieder gut. "Dann wuchs der Krebs wieder. Und das trotz Screening. Ich war in der Zeit zu Hause geblieben und habe ihn betreut, die Infusionen gewechselt, die mir die Apotheke vorbeigebracht hat. Trotzdem, alles vergebens. Dann ging alles ganz schnell und ehe ich es mir versah, war ich Witwe."

Wieder kamen Tränen in ihre Augen. Markus übernahm. "Ich habe dann in der Zeitung von seinem Tod erfahren, war bei der Beerdigung dabei, danach haben wir uns gelegentlich getroffen, später auch ein paar Sachen zusammen unternommen. Ich wusste ja, wie es ihr innerlich ging, und habe mich zurückgehalten, bis sie dann bei einem Kinobesuch, schon ziemlich am Ende des Films meine Hand genommen hat, dann sind wir essen gegangen, und dann haben wir uns zum Abschied geküsst."

Angelikas Augen waren immer noch feucht, allerdings lachten sie jetzt. Sie lachten Markus an. "Okay, den Rest kann ich mir denken. Wie lange ist das her?"

"Ein halbes Jahr."

"Na dann seid ihr ja noch frisch verliebt. Wollt ihr heiraten?"

Die beiden schauten sich an. "Vielleicht", sagte Angelika. "Nicht so schnell jedenfalls."

"Müsst ihr ja auch nicht überstürzen. Lebt ihr schon zusammen?"

"Ja. Ich habe aber meine kleine Wohnung noch behalten", sagte Markus.

Ich beschloss, nun zum spannenden Teil überzugehen. "Angelika sagte, dass du da an einer Sache dran bist."

"Ich vermute was. Ich habe dafür extra die Arbeitsstelle gewechselt. Ich arbeite jetzt in der Apotheke, welche damals die Chemo Beutel für Angelikas verstorbenen Mann hergestellt hat. Das dürfen nur ganz wenige Apotheken machen, weil man dafür einen Reinraum und eine Zertifizierung benötigt. Mit der Sache selbst bin ich nicht direkt befasst, das macht der Chef und ein anderer Mitarbeiter, aber ich habe da was entdeckt. In den Abrechnungen. Es war mehr ein Zufall, weil Unterlagen herumlagen. Aber da gab es Differenzen, die ich mir nicht erklären konnte. Ich habe meinen Chef darauf angesprochen und der meinte, das sei so schon in Ordnung und ich solle mir keine Sorgen machen."

"Was vermutest du?"

"Ich denke an Manipulation."

"Ui. Und wie willst du das beweisen?"

"Ich habe mich zusätzlich als Kurierfahrer angeboten, also nach meiner eigentlichen Arbeitszeit, und mache dabei Prüfungen. Ich hab ihm gesagt, dass ich das Geld brauche. Das hat er gefressen."

"Was machst du denn für Prüfungen?"

"Die Wirkstoffkonzentration der Zytostatika."

"Ist das einfach?"

Markus schüttelte den Kopf. "Man darf die ja nicht öffnen. Aber manche Typen dieser Infusionslösungen sind gelb oder bräunlich gefärbt und die messe ich mit einem speziellen Gerät und vergleiche die mit den vorherigen. Aber noch war alles in Ordnung, also zumindest waren die Abweichungen gering. Aber das mache ich ja erst eine gute Woche."

"Habe ich das richtig verstanden: Ihr vermutet, die machen weniger rein, und deshalb ist damals dein Mann verstorben, ja?"

Angelikas Miene blieb verschlossen, aber Markus sagte: "Möglicherweise könnte das so sein, ja."

"Passt da bloß auf! So was ist gefährlich! Immer wenn es um viel Geld geht!"

"Das wissen wir. Trotzdem! Wir müssen das machen! Vielleicht ist ja nichts dran, aber ..."

"Schon okay, wir passen auf", sagte Angelika.

Ich ließ es darauf beruhen, heizte den Grill an, dann aßen wir unsere Würste und das Fleisch zum Kartoffelsalat, den ich vorher gemacht hatte, quatschten dann noch ein wenig belangloses - vor allem von unseren Urlaubsreisen, und ließen damit den Abend ausklingen. Etwa eine Stunde vor Mitternacht brachen die beiden auf. Es wurde jetzt draußen auch zu kalt zum Sitzen. Ich bekam noch eine Einladung der beiden für das nächste Wochenende, die Handynummern der beiden und Angelikas Wohnadresse bekam ich auch. Ich verabschiedete mich von den beiden, ermahnte sie noch einmal, vorsichtig zu sein, dann fuhren sie nach Hause. Ich fand beide super-sympathisch und freute mich schon auf das nächste Wochenende. Die beiden passten wirklich gut zusammen.

Das nächste Zusammentreffen fand dann aber ungeplant vorher, und unter ganz anderen Vorzeichen statt. Am Donnerstag danach - ich hatte wie sonst auch eher Schluss gemacht, im kleinen Café ein Stück Kuchen gegessen, und war durchs Alstertal nach Hause gewandert, da wartete Angelika vor meinem Haus in ihrem Auto auf mich. "Gott sei Dank, du bist jetzt da. Ich wollte dich gerade anrufen", sagte sie.

Ich bekam einen Schreck. "Ist was passiert?"

"Nein ... ja. Wir haben einen Treffer. Wir wollen ... wir werden ihn jetzt zur Rede stellen."

"Seid ihr wahnsinnig? Lasst das die Polizei machen!"

"Nein ... wir müssen das erst mal so machen. Es ist ja noch gar nichts Genaues ... bitte Sandra, du musst was für uns verwahren. Bitte leg das in den Kühlschrank. Wir holen das später wieder ab."

Sie gab mir so einen Plastikbeutel mit einer leicht bräunlichen Flüssigkeit. "Ja gut. Mache ich. Soll ich nicht doch lieber mitkommen?"

"Nein ... du bist unsere Sicherheitsleine. Bitte frag nicht, Sandra, wir haben das genau durchgesprochen und ... bitte glaube mir."

Und was machte ich? Ich ließ mich einlullen. "Gut Angelika. Aber bitte bitte passt auf, ja?"

Ins Gesicht von Angelika zauberte sich jetzt ein leichtes Lächeln. "Machen wir. Mach dir keinen Kopf." Sie setzte sich in ihr Auto und fuhr davon. Und ich stand wie bedröppelt da mit diesem Infusionsbeutel. Dort war auf einem Etikett der Name eines Patienten und medizinische Informationen aufgedruckt.

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Teil33: Das vereitelte Verbrechen

So ganz wohl fühlte ich mich nicht in dem Wissen, jetzt etwas zu haben, was ein anderer dringend benötigte, aber ich erinnerte mich an ihre Worte: Kühlschrank. Ich ging also erst mal wieder ins Haus zurück, legte den Beutel dort hinein, und sinnierte. Wussten die wirklich, worauf sie sich da einlassen? Immer wenn es um viel Geld ging, oder um etwas Illegales, oder sogar beides, wurde es gefährlich. Das wusste ja jedes Kind! Ich bekam Gewissensbisse, die immer stärker wurden. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich suchte die Adresse von Angelika heraus, griff mir meinen Autoschlüssel. Vorher machte ich aber noch ein Foto von diesem Infusionsbeutel und fuhr dann los, in der Hoffnung, dass dieses erwähnte Treffen bei ihr zu Hause stattfinden sollte.

Das Haus war in Rahlstedt. Nach einer knappen halben Stunde - freitags benötigt man in Hamburg mit dem Auto immer besonders lange - war ich da. Es war genau wie meines ein einzeln stehendes Haus, allerdings in Backsteinoptik, hatte zwei Etagen, und große Fenster nach vorne raus. Und es stand das Auto von Angelika davor. Ich atmete auf. Dann checkte ich die Lage. Etwas weiter weg stand noch ein Auto. Es schien jemand drinzusitzen. Offenbar eine Frau. Die bewegte sich aber nicht. Sie schien auf jemanden zu warten. Ich stieg aus, öffnete die Gartenpforte, ging hindurch zur Haustür. Ich lauschte. Nichts zu hören. Oder doch? Irgendwas war jetzt doch zu hören. Schritte. Knarren. Da kam offenbar jemand eine Holztreppe herunter. Ich klingelte. Die Schritte verstummten kurz, fingen dann aber wieder an, wurden sogar schneller. Man hörte jemanden murmeln, dann rumpelte etwas, dann hörte man eine Tür klappern. Mir kam das sehr merkwürdig vor. Niemand kam, um mir zu öffnen.

Ich ging seitlich um das Haus drumherum zur Hinterseite. Da ging gerade jemand durch den Garten, den ich nur von hinten sah. Was heißt ging, er lief! Er hatte so einen Trenchcoat an, dunkle Haare, war hoch aufgeschossen, breites Kreuz. Jetzt war er hinter einem Gebüsch verschwunden. Da war etwas ober-faul! Ich betrat die Terrasse, von daher war der Mann auch gekommen. Die Terrassentür stand offen. Auf ein mal ging ein ohrenbetäubendes Piepen los. Das musste ein Rauchmelder sein! Brannte es? Ruck-zuck war ich bei der Tür, spähte hinein. Ich erschrak. Dort auf dem Dielenboden lag ein Mann. Markus. Neben seinem Kopf war eine Blutlache zu sehen. Adrenalin flutete mich. Etwas knisterte. Da an der Seite, unter einer Couch, lagen einige Zeitungsseiten, welche brannten und stark qualmten. Ich erschrak. Auf einem Sessel davor lag eine Decke. Ich griff mir diese und versuchte die Flammen zu ersticken, was mir auch gelang. Aber dann bemerkte ich, dass es weiter qualmte. Offenbar hatte der Polsterstoff oder der Schaumstoff im Inneren der Couch bereits Feuer gefangen. Es kam dicker schwarzer Rauch aus der Sitzfläche. Ich dachte gar nicht groß nach, griff mir die eine Seite der Couch, und zog diese Richtung Terrassentür. Bis ich mit der Couch draußen angelangt war, stand diese schon zu einem größeren Teil in Flammen oder besser gesagt, in schwarzem Rauch. Es brannte nicht richtig, aber es qualmte wie wild, und ich spürte die Hitze, die sie ausstrahlte.

Ich konnte die Couch nicht komplett nach draußen befördern, da die hinteren Füße an einer Kante hängen geblieben waren. Aber ich schaffte es die Couch kippen und schleifte diese mehrere Meter weit bis auf die Terrasse, ging dann wieder hinein ins Zimmer, welches offenbar das Wohnzimmer war. Die Wand und die Decke oberhalb der Couch bis zur Tür der Terasse war schwarz vor Ruß, aber es brannte nichts mehr. Zum Glück! Ich wusste nicht, wo hier der Feuerlöscher war, vielleicht gab es auch keinen. Dort wo die Couch jetzt stand konnte sie aber gefahrlos ausbrennen. Ich ging zu Markus, fühlte am Hals. Es war Puls vorhanden. Aber wo war Angelika? Ich zückte mein Handy. Die Feuerwehr, Rettungsdienst, und Polizei mussten her. Ich rief beim Polizeinotruf an, gab meinen Namen durch, die Adresse, sagte was passiert war.

Plötzlich sah ich etwas. Der Mann war zurückgekommen. Jetzt erst sah ich ihn richtig. Wirres dunkelbraunes Haar mit kurzen Locken, der Körper massig, das Gesicht auffallend hager mit hervorstehenden Wangenknochen, dünne Lippen. Und er war leichenblass. Er schaute wie irre aus etlichen Metern Entfernung vom Rasen aus auf die Szenerie. Jetzt murmelte er, wiederholte mehrfach: "Ich wollte das nicht, ich wollte das nicht!" Er blieb wie angewurzelt stehen. Zwischen der Terrasse, wo ich stand und der Rasenfläche war noch ein Steingarten und einige kleine Gehölze. Trotzdem bekam ich es ein wenig mit der Angst. Da kam von hinten, von der Seite her eine Frau. Angezogen wie eine Businessfrau, schlank, etwa so groß wie ich, schwarze, dünne Hose, darüber so ein Blazer, die braunen Haare zu einer Betonfrisur gebändigt. Da bewegte sich kein Haar auch nur einen Millimeter. Sie selbst dafür um so mehr. Sie bewegte sich wie voll geladen schnurstracks auf den Mann zu, an der Terasse vorbei, dann quer über den Rasen. "Ich hab doch gesagt, du sollst die Sache aus der Welt schaffen! Und was machst du? Du Versager!"

Jetzt hatte sie ihn erreicht, schlug ihm ins Gesicht, schubste ihn, trotz seines massigen Körpers fiel er hin, sie trat mehrfach gegen seinen Körper, dann auch gegen seinen Kopf, er wehrte sich nicht, versuchte aber seinen Körper zu schützen, sie überlegte es sich nun anders, schaute sich um, entdeckte eine Stelle hinter sich, wo eine Reihe etwa knapp armdicker Äste gestapelt waren. Sie griff sich einen von denen. Bisher hatte sie mich nicht entdeckt, aber soeben fiel ihr Blick auf mich. Jetzt wird's gefährlich, dachte ich, und begann, nach einem Gegenstand zu suchen der mir als Waffe dienlich sein könnte. Aber zu meinem Glück beachtete die Frau mich erst mal nicht weiter, sondern ging wieder zu dem Mann hin. Die wollte den damit schlagen! Aber erst ein mal trat sie noch mal gegen seinen Körper. Er stöhnte auf. Mist, wo bleibt denn die Polizei? Aber schon hörte ich in der Ferne Tatütata. War ja kein Wunder, die Couch kokelte immer noch vor sich hin und die Rauchsäule war meterhoch. Vielleicht hatte ja schon jemand anders die Feuerwehr gerufen.

Die Frau trat zurück, offenbar um ihn mit dem Ast zu schlagen, oder gar zu erschlagen. "Ich bring dich um, du Versager", schrie sie, voll in Rage, und holte aus. Das konnte ich nicht zulassen! Mittlerweile hatte ich die Zeit genutzt und mich bewaffnet. Direkt vor der Terrasse war ein Steingarten. Ich hatte mir einen Stein davon gegriffen und warf ihn zu ihr hin. Eigentlich wollte ich mit dem Stein ihren Rücken treffen, hatte aber das Gewicht falsch eingeschätzt, und der Stein landete an ihrem Bein, genau in dem Moment wo sie den Ast schon hoch über ihrem Kopf erhoben zum Schlag angesetzt hatte. Es gab ein knackendes Geräusch, die Frau knickte beim Schlag ein, ihr Schlag ging zu Seite, sie schrie auf, fiel zur Seite hin, schrie weiter und hielt sich nun das Bein, mit schmerzerfülltem Gesicht.

Das Tatütata war mittlerweile ohrenbetäubend laut geworden, jetzt brach es ab, aber in der Ferne hörte man noch weitere dieser Sondersignale. Der Mann lag immer noch vor der verletzten Frau und wimmerte vor sich hin. "Nein, nein, nein!", kam in einer Tour aus seinem Mund. Ich war in dem Moment wie erstarrt und bewegte mich sekundenlang nicht von der Stelle, war traumatisiert, wusste nicht, was ich jetzt machen sollte. In diesem Moment kamen drei Feuerwehrleute um die Ecke des Hauses gehastet. Ihre Blicke gingen auf mich, dann auf die immer noch kokelnde Couch, dann auf die beiden anderen Personen. Da kamen noch drei weitere Feuerwehrleute. Das nächste Sondersignal war jetzt ganz laut zu hören. Zwei der Feuerwehrleute kümmerten sich mit einem Handfeuerlöscher um die Couch. Zwei von denen kamen auf mich zu. In diesem Moment hörten endlich die Rauchmelder im Haus auf zu piepen.

Der eine fragte mich: "Sind sie in Ordnung? Sind noch Menschen in Gefahr?"

Ich zeigte auf die Terrassentür. "Da drinnen liegt jemand verletzt! Und eine Frau ist müsste auch noch da drin sein, glaube ich." Die beiden begaben sich sofort ins Haus. Ich war nervlich am Ende! Ich setzte mich in einen metallenen Gartenstuhl. Dass dort keine Auflage darauf war, das war mir völlig egal. Ich konnte schlicht nicht mehr! Völlig apathisch sah ich dem Treiben zu. Es war wie ein Film, der ablief. Ein Krimi, und zwar in echt. Immer mehr Leute kamen, Polizisten, Rettungssanitäter, sie gingen ins Haus, oder liefen zu den beiden dort liegenden Mann und Frau. Keiner beachtete mich zunächst. Die Couch hatte jetzt ein Schaumcover bekommen. Es stank erbärmlich! Da sah ich etwas. Auf der Terrasse lag mein Handy. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich es fallen gelassen hatte. Ich stand auf und nahm es an mich, hielt es an mein Ohr. Ich sprach hinein. "Ja?"

"Ah, da sind sie ja wieder. Wie ist die Lage vor Ort?"

"Alles gut, ihre Kollegen sind bereits da und kümmern sich." Ich legte auf.

Auf ein mal stand ein uniformierter Polizist vor mir. "Können sie mir sagen, was hier passiert ist? Haben sie den Notruf abgesetzt? Sind sie verletzt?"

Ich schüttelte den Kopf. "Nein, mir geht es gut." In so einer Situation gibt man völlig blödsinnige Sachen von sich. Körperlich ging es mir vielleicht gut, aber innerlich war ich zwischen total durcheinander, besorgt, und innerlich aufgewühlt. "Ich kam hierher, habe geklingelt. Hat keiner aufgemacht, aber ich habe was im Haus gehört. Da bin ich nach hinten herum hier zur Terrasse. Da ist der Mann, der dort liegt gerade aus dem Haus gerannt und ist dort hinten", ich zeigte da hin, "in dem Gebüsch verschwunden. Da bin ich dann rein. Im Wohnzimmer lag Markus und ..."

"Ach, sie kennen den?"

"Ja, flüchtig. Also, der lag dort regungslos, und unter der Couch brannten ein paar Zeitungsseiten. Ich hab die mit einer Decke gelöscht. Aber die Couch hatte schon Feuer gefangen. Da hab ich die nach draußen gezogen. Dann hab ich nach Markus geschaut, er hatte noch Puls. Ich hab den Notruf gewählt. Dann kam der Mann, der da auf dem Rasen liegt zurück, war völlig verwirrt. Und von der Vorderseite kam dann auf ein mal diese Frau und hat den attackiert, erst mit Fäusten und Füßen, dann mit diesem Ast da, die wollte den damit erschlagen! Ich habe mit einem Stein nach ihr geworfen und jetzt liegt sie da. Was ist mit Angelika? Habt ihr sie gefunden?"

"Ist das die Besitzerin? In der oberen Etage wurde eine Frau aufgefunden. Sie lebt."

"Kann ich sie sehen?"

"Die Sanis holen sie gleich raus." In diesem Moment trugen zwei Sanis eine Trage mit Markus heraus und an mir vorbei. Ein dritter, der wohl der Notarzt war und neben denen ging, hielt einen Tropf. "Wie heißen sie denn?", fragte mich der Polizist.

"Sandra Neuhaus. Ich kenne die beiden erst seit kurzem. Aber die Leute, die da im Garten liegen, die kenne ich nicht."

"Haben sie eine Ahnung worum es hier ging?"

"Sie haben da wohl eine Unregelmäßigkeit aufgedeckt. Der Markus, also der mit der Kopfverletzung, war da einer Sache auf der Spur. Mehr weiß ich auch nicht. Ich hatte da so ein komisches Gefühl, deshalb bin ich hierher. Ich ahnte, dass sie mit dem Besitzer der Apotheke sprechen wollten, bei der Markus arbeitet."

"Hmm, das klingt alles so, als sollte das eine Verdeckungstat werden. Also Mordversuch. Ich informiere mal den KDD. Es wird eine Weile dauern, bis die hier sind. Kommen sie, setzen sie sich so lange in unseren Einsatzwagen."

Ich schüttelte den Kopf, denn ich wollte zuerst nach Angelika sehen, aber in diesem Moment kamen schon zwei Sanitäter mit einer Tage heraus, und darauf lag sie, total apathisch, und konnte kaum die Augen offen halten. Ich trat zu ihr, nahm ihre Hand, drückte diese. "Angelika", sagte ich nur, mitfühlend. Sie reagierte aber nicht. "Alles wird gut!", fügte ich noch hinzu.

"Sie hat wohl ein Sedativum bekommen", sagte der hintere der beiden Sanis. "Das dauert eine Weile." Sie gingen an mir vorbei und am Haus seitlich vorbei zu ihrem RTW. Ich war erst mal froh, dass ihr nichts Schlimmes passiert war, folgte den Leuten, hatte den Polizist im Schlepptau. Er geleitete mich zu einem Bulli. Ich schaute noch zu wie die Sanis Angelika in den RTW verluden, dann setzte ich mich in den Bulli rein. Der Polizist hatte mittlerweile per Funk mit der Einsatzzentrale kommuniziert und dann kam er zu mir und gab mir eine Flasche mit Wasser. Zum Glück ließ er die Tür offen, sprach aber ab und an in das Funkgerät oder mit den Einsatzkräften, also seinen Kollegen und den Feuerwehrleuten. Ich war nervlich völlig fertig und ließ das Ganze einfach nahezu teilnahmslos an mir vorbeigehen. Wie ein Film in der Dauerschleife zogen die seit meiner Ankunft erlebten Szenen wieder und wieder an mir vorbei.

Lang und breit malte ich mir in Gedanken alles aus, was hätte passieren können, mit all den grausamen Details. Ich war ja gerade noch rechtzeitig gekommen! Nur eine Minute später, und das ganze Haus hätte in Brand gestanden. Da hätte ich maximal noch Markus retten können, und das auch nur mit ganz viel Glück. Angelika wäre dann eine verkohlte Leiche gewesen, bis die Feuerwehr gekommen wäre. Es schüttelte mich. Oder der Mann oder die Frau hätten mich angegriffen. Oder beide. Erinnerungen an meinen damaligen Einbruch kamen hoch. Hier hätte ich keine brauchbare Waffe zur Verteidigung gehabt. Wie hatte ich das überhaupt mit der Couch geschafft? Die war ja nicht gerade leicht gewesen. Aber in so einer Situation setzt der Körper, und auch der Geist, ja enorme Kräfte frei. Mitten in meinen Gedanken steckte jemand seinen Kopf in den Bulli hinein. Es folgte ein beiderseits erstaunter Blick. Es war Jens Mehnert.

"Ach, die Frau Neuhaus. Immer im Einsatz, oder?"

Ich zeigte zum Haus. "Das war nicht lustig!" Ich wurde laut, konnte es aber noch verhindern, dass Tränen kamen. Ich weiß, dass ich dazu neige, wenn mich Leute auf eine erlebte schlimme Sache ansprechen. Das hatte ich ja schon einige male erlebt.

"Kann ich mir denken. Wie geht's ihnen?"

"Den Umständen entsprechend passt wohl am besten."

"Was ist passiert?" Ich erzählte jetzt die ganze Geschichte nochmal, nun aber wesentlich detaillierter, und auch mitsamt der relevanten Teile der Vorgeschichte. Aber das Erzählen machte was mit mir. Genauer gesagt, mit meinen Emotionen. Zuerst erzählte ich noch flüssig. Aber als ich dann bei den dramatischen und gefährlichen Situationen angekommen war, stockte ich, und fing dann an mit flennen. Ich erzählte trotzdem weiter, aber jetzt dauerte alles viel länger. Jens hielt das alles aus, legte seine Hand auf meinen Arm und schaute mich mitfühlend an. Tatsächlich half es, und ich konnte dann den Rest der Geschichte normal weitererzählen, wenn man unter normal die total verlaufene Schminke mit dazu rechnet. "Geht's wieder?", fragte er. Ich nickte.

"Sie haben alles richtig gemacht."

"Dafür sind hier jetzt aber zu viele Verletzte!" Den Satz schleuderte ich ihm entgegen, immer noch ein wenig verzweifelt.

"Das war aber nicht ihre Schuld! Diesen Beutel haben sie jetzt zu Hause, ja?"

"Ich hoffe, dass der da noch liegt. Im Kühlschrank."

"Gutes Versteck, außer der Einbrecher hat Hunger."

"Es ging da wohl eher um die Haltbarkeit dieses Infusionsbeutels. Jedenfalls sollte ich den Beutel da hineinlegen."

"Können wir den jetzt holen? Geht das? Oder müssen sie noch ..."

"Ich denke ja."

"Gut, wir warten aber noch auf die SpuSi." Kaum hatte er es ausgesprochen, kam schon deren Wagen vorgefahren. Den kannte ich. Es war immer noch der damals vom Einbruch bei mir. Auch den brummigen Chef erkannte ich. Jens ging zui ihm, sprach mit ihm, kam dann zu mir zurück. "Wo warst du denn im Haus?"

"Ich war heute das erste mal dort. Ich hatte nur den Öffnungshebel der Terrassentür angefasst, um die Tür weiter aufzuziehen, und diese Couch da an den Füßen. Und ich bin im Zimmer die paar Schritte bis zur Couch und zu Markus gegangen. Und natürlich da auf der Terrasse und auf dem Weg ums Haus drumherum."

"Gut, sage ich ihm. Gib mir mal bitte deine Schuhe." Die SpuSi-Leute waren immer noch dabei sich umzuziehen, waren aber noch nicht bereit für ihre 'Raumfahrt'. Er ging zu ihnen mit meinen ausgezogenen Schuhen hin, sprach mit dem Chef von denen, reichte die ihm, zeigte auf den Wagen, gestikulierte, der Spusi-Mann nahm die Schuhe, machte was mit denen in ihrem Wagen, dann gab er diese Jens wieder, warf noch einen Blick auf unser Auto, schüttelte seinen Kopf, und machte weiter mit seinen Verrichtungen. Seine Kollegen waren jetzt fertig mit dem Umziehen und warteten auf ihn. Jens kam wieder zu mir hin und gab mir meine Schuhe wieder, die ich mir umgehend wieder anzog. Jens wartete bis ich so weit war, sagte dann: "Na dann, kommen sie, steigen sie um." Er sprach dann noch mit dem Polizisten, der wohl der Einsatzleiter war und nahe bei uns stand, deswegen hatte er wohl auch das 'sie' benutzt, rief dann seine Kollegin. "Paula!" Die stand noch neben dem Haus und sprach mit einem Polizisten und zwei Feuerwehrleuten. Es war die Frau von damals bei der Hausdurchsuchung, nun aber in zivilen Sachen gekleidet. Die beiden fuhren sogleich mit mir los, nachdem Paula sich ans Steuer gesetzt hatte.

Schon nach kurzer Zeit drehte sich Jens zu mir um und sprach mich an: "Irgendwie habe ich ja das Gefühl, dass ich sie bei jedem dritten Tatort antreffe." Dann kicherte er aber und schaute zu Paula hinüber.

Die antwortete: "So wenig? Ich dachte, bei jedem zweiten", und griente ihn an. Dann mich.

"Aufmunterung gelungen", sagte ich.

"Na dann!", sagte Jens. "Wie bist du ... wie sind sie überhaupt dort hingekommen?"

"Musst dich nicht verstellen", sagte Paula zu ihm. "Hab schon längst gecheckt, dass ihr euch irgendwie näher kennt."

"Ach, wie denn?", fragte Jens zurück.

"Ich bin doch bei der Polizei!" Das war natürlich die Erklärung schlechthin. Dann setzte Paula aber nach: "Nee. Hab doch eure Blicke gesehen. Und offenbar richtig gedeutet." Dabei strahlte sie die Straße vor sich an.

"Also lieber Jens", ich gab mir dabei Mühe meine Ansprache total distinguiert vorzutragen, also völlig übertrieben: "Ich bin mit meinem Auto dorthin gefahren. Hast du das nicht gesehen?"

"Nee."

"Oh nee! Dann ist es geklaut!" Bei Erwähnung dieses Wortes fiel mir das Kinderlied ein, welches ich damals neben Uwe sitzend vorgetragen hatte. Aber es berührte mich nicht mehr so wie früher.

"Ist es nicht! Hereingelegt! Es stand hinter dem Feuerwehrauto."

"Puh, Glück gehabt."

"Das heißt, dann muss ich dich noch dahin zurückfahren, oder?"

"Wäre nicht schlecht. Bestimmt sagst du mir noch, wo ich dann die beiden besuchen kann, oder?"

"Du tust ihnen doch aber nichts, oder?"

"Wenn ich NICHTS getan hätte, dann wären sie jetzt tot! Natürlich tue ich ihnen was. Ich gebe ihnen seelischen Beistand."

"Bist du jetzt Pastorin?"

"Seelisch habe ich gesagt, nicht göttlich. So vermessen bin ich nicht."

Paula drehte sich jetzt wieder kurz zu mir um. "Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich jetzt denken, ihr seid ein Paar."

"Und wenn wir das sind?", antwortete ich.

Paulas Blick ging kurz in den Spiegel. "Bestimmt nicht. Jens ist zu jung für dich. Oder?" Wieder ein prüfender Blick in den Spiegel.

"Nee. Eigentlich nehme ich sonst eher noch jüngere."

Paula sprach Jens an. "Die verarscht mich, oder?"

"Ganz bestimmt nicht. Bei meinen Recherchen habe ich herausbekommen, dass sie nur jüngere Männer nimmt. Da hab ich keine Chance."

"Das stimmt nicht! Manchmal sind es auch Frauen!"

"Ach", sagte Paula nur. Einige Sekunden sagte keiner was, dann setzte Paula nach. "Das ist der merkwürdigste Zeugentransport, den ich je hatte."

"Liegt es an mir? Oder an Jens?", fragte ich.

"Weiß nicht. An beiden? Mensch, fahr doch!", rief sie jetzt in Richtung eines Fahrzeugs, dessen Fahrer an einer grünen Ampel träumte. "Wo fand denn deine Recherche statt?", fragte Paula jetzt Jens.

"In einem Sexclub."

Zum Glück trank Paula gerade nichts, sonst hätte sie sich wohl verschluckt. "Du und Sexclub!"

"Er hat nicht gelogen", sagte ich. "Danach sind wir das erste mal fast zusammen ins Bett gegangen."

"Aber nur in Gedanken!", antwortete Jens.

"Ach, hattest du die damals?", fragte ich belustigt, wohl wissend, dass es natürlich mit Sicherheit wirklich so war.

"Ich bin ein Mann", antwortete Jens daraufhin.

"Ihr seid beide Meister der maximalen Verwirrung", sagte Paula jetzt lachend. "Ich habe keine Ahnung mehr, wem ich überhaupt noch glauben soll, und das, obwohl ich Polizistin bin."

"Dann haben wir ja unser Ziel erreicht. Die Wahrheit in einer Unmenge von Nonsens verpackt."

Paula lachte. "Bis zu unserem Ziel brauchen wir aber noch ein paar Minuten."

Jens schaute zu ihr hinüber. "Das Verwirrungsziel sitzt aber neben mir."

"Na warte!", sagte Paula zum Spaß. So mochte ich sie auch viel lieber, als mit dieser abweisenden Art, die ich vor etwa drei Jahren kennengelernt hatte. Prompt richtete sie eine Frage an mich, die mit den damaligen Umständen zu tun hatte. "Sag mal, hast du immer noch so viele Dessous?"

"Damals hatte ich nur zwei. Jetzt sind es viel mehr. Willst du mal was anprobieren? Du bist aber ein wenig schlanker als ich und viel dürfte dir da nicht passen."

Jens schaute ein wenig perplex. "Und was mache ich in der Zwischenzeit?"

Ehe Paula was sagen konnte, sagte ich: "Du musst doch zuschauen! Wir brauchen da natürlich einen männlichen Bewerter!"

Paula, nicht auf den Mund gefallen, sagte: "Das geht leider nicht. Mein Freund würde mich lynchen, wenn er es erfährt!"

"Dann darf er es eben nicht erfahren!", sagte Jens.

"Träum weiter!"

"Schade", sagte Jens. Wirklich enttäuscht schien er aber nicht zu sein. Vermutlich hatte er eh damit gerechnet, dass wir ihn verarschen. Wir waren erstaunlich gut durchgekommen. Wir bogen gerade vom Ring3 in den Heegbarg ab. Gleich würden wir da sein. "So, Taxi ist angekommen!", sagte Jens dann, als wir vor meinem Haus zum Stehen kamen.

Ich stieg aus, was aber erst ging, nachdem mir Paula die Tür von außen geöffnet hatte. Von innen ging es nicht. "Dann folgt mir mal!" Ich ging voran und schloss die Tür auf. "Immer hereinspaziert." Ich ging sogleich in die Küche, die beiden folgten mir.

Ich ging schnurstracks zum Kühlschrank, öffnete den, und wollte schon den Beutel greifen, da sagte Jens: "Stopp!" Augenblicklich stoppte ich meinen Zugriff. "Hab den doch vorhin schon angefasst."

"Gut mitgedacht, aber je weniger fremde Fingerabdrücke darauf sind, desto einfacher ist es, welche vom Täter ... vom Verdächtigen zu finden."

"Bin aber nicht fremd", sagte ich, trat vom Kühlschrank zurück. Jens zog sich blaue Latexhandschuhe an, bekam von Paula einen Plastikbeutel überreicht, holte den Infusionsbeutel heraus und versenkte ihn in der Tüte.

"Hab noch nie einen so leeren Kühlschrank gesehen", sagte er grinsend, und machte ihn zu.

"Einkauf ist ja erst morgen. Dann ist er wieder voll."

"Ich will das flirten ungern unterbrechen, aber wir haben noch zu tun", sagte Paula in einem schon fast vorwurfsvoll klingenden Ton zu Jens.

"Hmm, doch keine Dessous Anprobe?", fragte ich zu Paula. Die antwortete aber nicht, grinste nur.

"Auf geht's", sagte Jens. "Ich setz dich da ab, ja?" Ich nickte, wir gingen raus, ich schloss ab, wir fuhren zum Haus von Angelika zurück. Unterwegs ließ sich Jens noch vom jemanden aus seiner Abteilung informieren. Das Telefonat dauerte bestimmt eine Viertelstunde und Jens stellte immer wieder Zwischenfragen. Es ging wohl darum, wann und wie bei der Apotheke eine Hausdurchsuchung gemacht wird und ich hörte mit, dass die so lange eine Streife vor der Apotheke parken, bis sie den Durchsuchungsbeschluss haben. "Wir sollen das dann gleich ins Labor bringen und dann nach Hause zum Verhör kommen!", sagte er zu Paula. "Die SpuSi braucht da noch 'ne Weile."

Ich grätschte dazwischen: "Ihr macht zu Hause Verhöre?"

"Nee, so nennen wir das Polizeirevier, weil wir da länger sind als im eigentlichen Zuhause. Zumindest während der wachen Phasen."

"Ach so. Wo kann ich die beiden denn jetzt besuchen?"

"Die sind beide im AK Barmbek. Ihr geht's wohl schon wieder gut, aber er hat eins auf den Kopf bekommen. Das dauert noch. Man sagte mir aber, das wird vermutlich wieder. Weißt du, wie du da hinkommst?"

"Ja. Ich parke Friedhof Ohlsdorf West und dann nehme ich die Buslinie 172."

"Kluges Mädchen", sagte Jens. "Die Frau von denen hast du übrigens gut lahmgelegt. Glatter Beinbruch."

"Scheiße. Wird die mich dann verklagen?"

"Kann sie versuchen, aber damit kommt sie nicht durch. Notwehrparagraf 32, Absatz 2-2 STGB, regelt die Nothilfe. Deiner Schilderung nach war sie ja kurz davor, mit dem Ast zuzuschlagen. Anders ließ sich das ja nicht stoppen, denke ich."

"Puh, Glück gehabt." In diesem Moment kamen wir vor dem Haus von Angelika an. "Danke fürs Bringen", sagte ich, wollte aussteigen, und kam nicht raus. Paula lachte, stieg aus, und öffnete mir.

"Du kommst bitte morgen noch vorbei für deine Zeugenaussage, ja?"

"Klar doch. Wenn kein anderer Tatort dazwischenkommt." Paula griente, setzte sich wieder in den zivilen Dienstwagen, und düste mit dem Auto ab. Jens winkte mir noch nach hinten zu.

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Teil34: Die Besuche

Ich schaute mich um. Es stand noch ein Streifenwagen da, und der Wagen von der SpuSi. Feuerwehr und Rettungswagen waren weg. Einige Nachbarn standen in ihrem Garten und schauten neugierig dem Treiben zu. Ich atmete tief durch, als ich nun wieder am Tatort war. Wieder einmal ein Tatort. Konnte so langsam zur Gewohnheit werden. Trotzdem nahm es mich ganz schön mit. Ich musste daher schnell weg, setzte mich in mein Auto, fuhr damit zum Friedhof Ohlsdorf und dann mit dem Bus weiter, stieg aus, fragte mich durch. Angelika war noch in der Notaufnahme, sagte man mir. Dazu musste ich in einen anderen Eingang rein. Zum Glück hatte sie mir damals ihren Nachnamen genannt. Hellwig. Ich meldete mich dort und dann wurde ich auf einer Stuhlreihe geparkt, und erst viel später zu ihr gelassen. Sie lag auf so einer hochgestellten Liege, in einem mit Vorhängen abgetrennten Separee, genauso wie damals auch Antonio, und lächelte mich an, als sie mich sah. Danach wurde ihr Gesicht aber gleich wieder sorgenvoll. Sie hing an einem Tropf und hatte an der Hand so einen Zugang.

"Wie geht es Markus", fragte sie gleich als Erstes.

"Die Kommissare sagten mir, eine Kopfverletzung, aber mit guten Aussichten auf Genesung. Hab ihn aber noch nicht gesehen. Was ist mit dir? Hat dir der Arzt schon was gesagt?"

"Ja, aber ich kann mich nicht so recht erinnern, ich bin so müde und matschig, aber jetzt wird es langsam besser." Wieder nahm ich ihre Hand und drückte sie. Da ging der Vorhang beiseite und ein Arzt kam rein. Jung und schnuckelig. Und ich hatte ihn schon einmal gesehen. "So Frau Hellwig. Geht es denn langsam wieder?" Er warf einen Blick auf mich. "Sie waren schon ein mal hier! Zusammen mit diesem Italiener, oder?"

"Stimmt."

"Wie geht's ihm denn?"

"Er ist wie erwartet verstorben, etwa eine Woche später."

"Das tut mir leid." Er richtete seine Aufmerksamkeit jetzt wieder an Angelika.

"Schon etwas besser", sagte sie.

"Und die Erinnerung?"

"Vieles ist weg. Auch das, was sie gesagt haben."

"Okay, also noch mal. Man hat ihnen ein Barbiturat und ein Relaxanzpräparat verabreicht. Die benutzten Ampullen wurden jedenfalls neben ihnen aufgefunden."

"Ein Relaxanzpräparat! Ach deshalb! Ich wachte wieder auf, konnte mich aber kaum bewegen."

"Ach ... sind sie vom Fach?"

"Krankenschwester. Also war ich früher."

"Das war jetzt aber kein ... Suizidversuch von ihnen, oder?"

"Nein! Das war ein tätlicher Angriff! Ein Mordversuch!" Ich antwortete an ihrer Stelle.

"Hui. Dann wurden sie ja gerade noch rechtzeitig aufgefunden. Später hätte vielleicht sonst eine Atemlähmung eingesetzt. Sie hatten also Glück."

Und an mich: "Wissen sie, ob man ... ob sie Polizeischutz braucht? Man hat mir nichts gesagt."

"Der Täter sitzt erst mal hinter Schloss und Riegel und die Frau von dem müsste mit einem Beinbruch hier sein. Die war auch an der Sache beteiligt."

"Ach, dann ist das die mit der Polizeibewachung?"

"Vermutlich ja."

"Wie geht es denn meinem Freund? Markus Weyda?", fragte jetzt Angelika.

"Keine Ahnung. Bei mir war er nicht. Warten sie, ich frag mal. Versuchen sie schon mal, sich hinzusetzen ... helfen sie ihr?" Der letzte Satzteil war natürlich an mich gerichtet. "Aber nur hinsetzen, mehr nicht!"

Er schnappte sich sein Telefon, und ich half Angelika, sich hinzusetzen, was nur unter Ablassen einer ganzen Menge ächzender Geräusche ihrerseits ging. "Hui", sagte Angelika, während der Arzt mit seinem Telefon jemanden erreicht hatte und eine ganze Menge medizinischer Fragen stellte.

"Und?", fragte er Angelika, als er mit seinem Telefonat fertig war. Man sah die Besorgnis in ihrem Gesichtsausdruck.

"Mir ist noch ein wenig schwindlig", sagte sie.

"Das ist normal. Der Blutdruck muss sich erst wieder aufbauen. Moment, ich messe mal." Er nahm ein Gerät von einem Tisch, so eine Manschette mit Pumpe, legte die ihr um, pumpte, und horchte dann mit seinem Stethoskop. "100 zu 60. Bleiben sie ruhig noch einen Moment sitzen. Ihrem Freund geht es den Umständen entsprechend. Er hat ein Schädelhirntrauma in einem niedrigen Grad. Er braucht auf jeden Fall ein paar Tage Ruhe, und wir behalten ihn erst mal da, um seinen Gehirnzustand zu überwachen."

"Und was war mit dem vielen Blut?", fragte ich.

"Das war nur äußerlich."

"Wirklich? Das war ziemlich viel!"

"Auf dem Schädel laufen eine Menge Blutgefäße lang. Es war aber kein Bruch im Schädel. Laut der voraussichtlichen Prognose wird es ihm also bald wieder besser gehen." Angelika entspannte sich bei seinen Worten wieder etwas, blieb aber trotzdem noch etwas besorgt.

"Kann ich denn zu ihm?", fragte sie.

Der Arzt schaute sie ein wenig streng an. "Sie kümmern sich erst mal um sich selbst. Vielleicht können sie dann morgen zu ihm. Wir schauen in einer Viertelstunde mal wie es mit dem Stehen ist und dann könnten sie wieder nach Hause."

"Ihr Zuhause ist momentan okkupiert", sagte ich. "SpuSi." Den Begriff kannte er wohl, wie man seinem Gesichtsausdruck entnehmen konnte. "Sie kommt dann zu mir", fügte ich an.

Angelika griff meine Hand. "Danke, Sandra." Ich redete noch ein wenig beruhigend auf sie ein, so in der Art, dass das alles ja gar nicht so schlimm sei, und dann, dass ich auch schon mal überfallen wurde und alles verwüstet war, wohl wissend, dass es natürlich nicht so sein würde. Die Verwüstungen in der Wohnung waren meistens schnell beseitigt, die in der Seele sicher nicht. Die blieben. Lebenslang. So wie die Verwüstung in meiner Seele, welche Uwe angerichtet hatte. Aber immerhin, auf die beiden war ein Mordanschlag verübt worden! Das war schon eine ganz andere Nummer. Obwohl, bei dem Einbrecher bei mir damals hätte es ja auch so kommen können. Das Leben konnte ganz schön grausam sein. Immer wieder kamen die Geschehnisse von früher wieder hoch. Trotzdem plapperte ich einfach weiter, bis der Arzt wieder erschien. Er maß noch ein mal den Blutdruck.

"110 zu 75. So, Frau Hellwig, jetzt probieren wir mal das Stehen und Gehen. Auf geht's. Schön langsam, ja!" Er half Angelika, ihre Beine über den Rand der Liege zu bekommen. Dann ließ sie sich herunterrutschen. Er wartete eine Weile, fragte dann: "Geht's? Oder ist ihnen schwindelig?"

"Nein, ich glaube, es geht."

"Kommen sie, wir gehen mal ein paar Schritte. Er hakte sie unter, zog den Vorhang beiseite, und ging mit ihr ein wenig herum. Es sah schon recht gut aus. Er ging mit ihr in den Wartebereich, ich natürlich hinterher. "So, setzen sie sich. Ich mache ihnen noch die Unterlagen fertig, dann können sie nach Hause. Zu Frau ... ähm?"

"Neuhaus", sagte ich.

Er nickte, ging dann in so eine Art Büro, und kam nach einigen Minuten mit einem Brief wieder. "So Frau Hellwig, für ihren Hausarzt. Wenn noch was ist, gehen sie bitte zu ihm. Im Notfall den Rettungswagen rufen. Und in den nächsten Stunden gerne noch ein wenig schonen und viel trinken. Vom Alkohol sollten sie aber erst mal die Finger lassen. Frau Neuhaus passt ja auf sie auf. Bis dann!"

"Tschüss, und danke", sagte sie noch zu ihm, und zauberte ein kurzes Lächeln auf sein Gesicht.

"Tschüss, bis dann", sagte ich. Erneutes Lächeln. So etwas bekam er vermutlich viel zu selten zu hören.

"Wo steht denn dein Auto?", fragte Angelika.

"Auf dem Friedhof. Wir müssen noch einige Stationen mit dem Bus fahren. Hier ist mir das Parken immer zu teuer." Wir gingen zur Haltestelle, zum Glück kam auch gleich ein Bus, ich kaufte die Fahrkarte beim Busfahrer, und waren in weniger als einer halben Stunde bei mir. Unterwegs rief ich noch Jens Mehnert an und sagte ihm, dass Angelika wieder auf dem Damm ist und heute bei mir übernachtet, und dass wir morgen gegen zehn Uhr bei ihm aufschlagen werden zur Aussage, was ihn sehr beruhigte. Ich vermied es Angelika auszufragen was passiert war, das könnte ich machen, wenn wir zu Hause bei mir angekommen waren. Sie war immer noch ganz geknickt, fing dann aber von selbst an. "Meinst du, Markus wird sich jetzt von mir trennen?"

"Warum sollte er?"

"Na, das ist ihm doch alles nur meinetwegen passiert! Er hätte doch sterben können! Oder behält irgendwelche Schäden zurück!"

"Ja, kann alles sein. Aber er liebt dich doch! Er hat das alles freiwillig auf sich genommen, und wusste, dass es ein Risiko ist. Du wirst sehen, er wird froh sein, dich gesund und munter wiederzusehen. Ganz sicher!"

"Meinst du?"

"Ja, und du solltest dir da nicht solche Gedanken machen. Sei einfach für ihn da, wenn er dich braucht, und das wird er. Für die körperliche, und die seelische Heilung. Und für deine musst du auch da sein!"

"Wird man das wieder los?", fragte sie.

Ich riskierte einen kurzen Blick zur Seite. "Nein. Aber es wird besser. Schau mich an. Oder schaue in den Spiegel. Trotz der Sache mit deinem Mann hast du ja auch wieder ins Leben gefunden."

"Stimmt auch wieder." Die restlichen Minuten der Fahrt schwiegen wir, jeder hing seinen Gedanken nach. Dann kamen wir an, gingen ins Haus. Angelika kannte es ja schon.

"So, da sind wir. Es ist zwar schon spät, aber ich brauche jetzt noch einen Kaffee. Und was zu essen. Nimmst du auch einen? Und ich mache schnell was mit Nudeln. Ähm, Pasta. Okay?"

"Klingt gut", sagte Angelika. Ich setzte also schnell das Nudelwasser auf, schnitt eine Zwiebel in feine Würfel, dünstete die ein wenig an, öffnete eine Dose gewürfelte Tomaten, tat die dazu, würzte sie, tat die Nudeln ins kochende Wasser, machte uns den Kaffee fertig, deckte schnell den Tisch, stellte uns noch zwei Gläser und eine Wasserkaraffe hin, wir tranken schnell unseren Kaffee, und dann waren die Nudeln fertig, die wanderten in das Abtropfsieb, dann in eine Schüssel, und wir machten uns darüber her. Angelika schien genauso viel Hunger zu haben wie ich, nämlich einen großen. Wir aßen alles auf bis auf einen kleinen Rest, und ich genehmigte mir noch einen Joghurt, Angelika wollte aber keinen.

"So, geht's wieder?", fragte ich Angelika.

"Du hast super gekocht!"

"Quatsch. Ganz einfache Pasta."

"Warum sagst du nicht Nudeln?"

"In Italien sagt man besser nicht Nudeln zur Pasta."

"Da sind wir doch aber nicht!"

Ich lachte. "Stimmt. Aber ich habe es mir angewöhnt. Hatte schon mal Schimpfe bekommen deswegen, als ich in Italien war."

Angelika seufze. "Ja, ist schön da, nicht?"

"Stimmt. Aber als ich das letzte mal dort war, da war es keine Urlaubsreise gewesen. Eher so etwas detektivisches."

"Ist das dein Hobby?"

Jetzt war es an mir zu seufzen. "Scheinbar ja. Und bei dir? Bei euch? Kannst du darüber reden?"

Angelika musste sich erst sammeln. Einige Sekunden lang. Um die Nase herum bekam sie Fältchen, vermutlich von der Anspannung, dann entspannte sich ihr Gesicht aber wieder. "Markus hatte was entdeckt. In einem der Beutel schien weniger Wirkstoff zu sein als drin sein müsste. Er hat mir den Beutel gegeben, den ich dir dann überreicht habe. Seinen Chef hat er angerufen und ihm gesagt, dass der aus seinem Auto geklaut wurde, ist zurückgefahren, hat einen neuen bekommen damit der Patient keine Versorgungslücke bekommt, hat den ausgeliefert. Dann hat er seinen Chef damit konfrontiert, der darauf hin mit uns reden wollte. Wir haben bei mir zu Hause auf ihn gewartet. Wir haben ihn bekniet, sich zu stellen. Er wollte uns Geld anbieten, da haben ihm gesagt, dass wir da nicht mitmachen. Dann fing er an zu schreien. Hat gesagt seine Frau würde das niemals akzeptieren, er gehe nicht ins Gefängnis, alles so was. Dann ist er auf Markus losgegangen. Es kam zu einer Rangelei, Markus ist gestürzt und mit dem Kopf auf die Tischplatte geknallt, lag dann da wie tot. Ich bin in die obere Etage gerannt, wollte die Polizei rufen. Ich hatte schon jemanden dran, aber ehe ich was durchgeben konnte kam der auf ein mal von hinten und hat mir ein Tuch mit Chloroform vorgehalten. Und dann war ich erst mal weg, ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, konnte ich mich nicht bewegen. Die Rauchmelder gingen los. Ich dachte schon, dass ich jetzt sterben müsste. Aber dann kamen die Sanitäter und der Notarzt und ich habe dich draußen gesehen, als ich auf der Liege lag. Dann ging es ins Krankenhaus. Es war ... total wuselig, drei, vier Leute um mich herum, ich bekam einen Zugang, man hat mir was gegeben, und nach einer ganzen Weile wurde es dann langsam besser, nach und nach kam das Gefühl wieder und ich konnte meine Arme und Beine wieder bewegen. Es war total beängstigend und ..."

Und dann stockte sie. Vermutlich bekam sie jetzt einen Flashback. "Ist schon gut, Angelika. Musst nicht weiter erzählen. Vermutlich musst du das erst mal selbst verarbeiten." Sie nickte. "Vermutlich hat dir das noch keiner gesagt, aber das war ganz schön leichtsinnig, das ohne Einschaltung der Polizei zu versuchen. Nur durch viel Glück ist nicht noch schlimmeres passiert."

"Ja, das weiß ich jetzt auch. Wieso warst du denn überhaupt dagewesen?"

"Ich hatte so eine Ahnung, ein ganz blödes Gefühl, und bin dann zu euch, kurz nachdem du mir den Beutel überreicht hattest. Es hatte keiner aufgemacht und dann bin ich nach hinten zum Garten, da lief so ein Mann im Trenchcoat vom Haus weg zur Hecke, die Rauchmelder gingen los, ich bin hinten rein, da lag Markus, und unter eurer Couch lagen einige Zeitungen welche brannten. Ich erstickte das Feuer mit einer Decke, aber die Flammen hatten bereits die Couch erreicht, welche zu Kokeln anfing. Ich habe die Couch herausgezogen bis auf die Terrasse. Ich bin zu Markus hin, habe den Puls gefühlt, die Polizei gerufen. Dann hab ich gesehen, dass so eine Frau von der Seite kam und die hat den Mann angeschrien, der wieder zurückgekommen war. Dann ist sie auf den los, hat den zu Fall gebracht, wollte den dann sogar erschlagen, das konnte ich aber verhindern, und dann waren auch schon Polizei und Feuerwehr da und haben den Rest gemacht. Es ist dir doch klar, das war ein Mordversuch auf euch!"

"Ja, ich weiß, das war blöd. Du hast uns das Leben gerettet! Vielen Dank Sandra!"

"Ich musste ja nicht viel machen. Ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das hätte jeder gemacht!"

"Aber du warst es und nicht jemand anders!"

"Egal. Ihr hattet also den richtigen Riecher, ja? Der hat an den Beuteln manipuliert?"

"Genau. Bestimmt ist deswegen auch mein Mann gestorben."

"Ja, kann sein. Wir aber schwer bis unmöglich sein, das exakt zu beweisen. Beim Mordversuch an euch und von ihr an ihm ist das schon anders. Wer war das denn überhaupt?"

"Ich hab die ja nicht gesehen, aber es könnte seine Frau sein. Die Inhaberin der Apotheke."

"Na, ich bin mal gespannt was die Polizei morgen sagt. Du kannst übrigens gerne ein paar Tage hier bleiben. Eure Wohnung muss sicher in Ordnung gebracht werden, zumindest das Wohnzimmer. Bestimmt ist das ziemlich verrußt. Morgen meldest du dich erst mal krank. Dann sehen wir weiter."

"Danke, Sandra. Hat dich das nicht alles ziemlich aufgeregt?"

"Doch, ich brauche jetzt erst mal einen Cognac. Ich würde dir ja auch einen anbieten aber ..."

"Nein, ist schon gut. Hast ja gehört. Ich fühl mich auch schon besser. Ich mach mir halt nur Sorgen wegen Markus, aber der Alkohol würde da auch nichts helfen, oder?"

"Sicher nicht. Willst du schlafen? Leider kannst du nicht ins Besucherzimmer, da schläft ja Andrea, aber du kannst in mein Schlafzimmer gehen. Die rechte Seite ist unbenutzt. Ich schlafe dann auf der Couch."

"Nein! Kannst doch neben mir schlafen. Oder ist das ein Problem für dich?"

"Nein, ist kein Problem. Ich leg dir noch eine Zahnbürste raus." Ich ging nach oben in die Schlafebene, suchte alles heraus, ging dann wieder herunter, sagte Angelika gute Nacht. Dann zog ich mir noch einen kleinen Cognac rein. Den brauchte ich jetzt, um wieder herunterzukommen. Das war knapp heute! Fast zu knapp. Wieder hatte ich sehr aufregende Sachen erlebt. Ich sinnierte noch eine Weile über alles, dann machte auch ich mich schlaf fertig. Es war noch recht früh am Abend, aber ich konnte echt nicht mehr. Angelika auch nicht. Andrea kam dann noch, der sich mit Lena bei ihr getroffen hatte, heute war ja proben-freier Tag, ich erzählte ihm noch die Geschichte in Grundzügen, was er kaum glauben konnte, aber als ich ihm sagte, dass Angelika hier übernachtet, da hatte er wohl gefressen, dass es wahr ist. Als ich ins Zimmer kam, da schlief sie schon und auch ich schlief in Sekundenschnelle ein.

Ich schlief durch und am Morgen begrüßte mich Sonnenschein. Einer der Vorteile, wenn das Zimmer zur Richtung Osten lag. Ich blickte nach rechts. Auch Angelika war wohl auch gerade wach geworden. "Guten Morgen. Wie fühlst du dich?", fragte ich sie.

"Guten Morgen. Schon viel besser als gestern. Ich habe wie ein Murmeltier geschlafen."

"Ist ja auch kein Wunder. Wollen wir aufstehen? Kannst duschen gehen, beeil dich, sonst ist mein Stiefsohn schneller. Ich mache das Frühstück." Ich legte für Angelika noch ein Handtuch heraus, und ging hinunter in die Küche. Andrea kam dann auch zum Frühstück, da waren wir schon fast fertig.

"Guten Morgen. Habe schon die spannende Geschichte gehört. War das wirklich so? Sandra übertreibt manchmal."

"Nee. Ich Wirklichkeit war es bestimmt noch viel schlimmer. Der wollte uns umbringen und wenn Sandra nicht gewesen wäre ..."

"Sandra ist eine Gute", sagte er, und mampfte weiter sein Frühstück. "Wie geht's denn jetzt weiter?"

"Na, wir gehen zur Polizei, machen dort unsere Aussage, und fahre Angelika ins Krankenhaus um ihren Freund zu besuchen", antwortete ich.

"Der von letztens hier?"

"Genau der."

"Bestellt ihm mal gute Besserung von mir. Was ist ihm denn passiert?"

"Eine Schädelverletzung. Wird ein wenig dauern, bis er wieder auf dem Posten ist. Vermutlich muss er sich auch einen neuen Job suchen."

"Wieso das denn?"

"Na, die Urheber dieser kriminellen Sache waren doch seine Chefs selbst."

"Auweia. So, ich muss los", sagte Andrea, und verschwand dann zur Uni. Wir aßen noch in Ruhe unser Frühstück zu Ende, ich räumte auf, machte die Betten, duschte auch noch, dann brachen wir auf. Während der Fahrt meldete sich Angelika krank. Sie gab durch, überfallen worden zu sein, was ja auch stimmte. Da ihre Chefin ziemlich betroffen von der Nachricht war, dauerte das Telefonat so lange, bis wir angekommen waren. Ich fuhr auf den Besucherparkplatz für das Polizeigebäude in Alsterdorf, wir meldeten uns dann am Empfang, und fuhren in die richtige Etage. Dort am Schreibtisch saßen bereits Jens Mehnert und Paula, von der ich den Nachnamen noch nicht kannte. Paula schnappte sich gleich die Angelika und Jens ging alleine mit mir in einen Raum. Es war ein Verhörraum, aber in das Aufnahmegerät sagte er Zeugenvernehmung, die Tätlichkeit, Datum, seinen und meinen Namen. Ich wiederholte praktisch meine Aussage von gestern, nur noch detaillierter, Jens stellte noch einige Zwischenfragen, dann waren wir auch schon durch, und er stellte das Gerät ab.

"Muss ich denn noch so eine Gegenüberstellung machen?", fragte ich.

"Nee, erst mal nicht, das ist ja eindeutig. Die anderen erkennen den ja auch wieder. Außerdem hat er ja gestanden. Er hatte Täterwissen. Spuren haben wir auch genug."

"Und seine Frau?"

"Schweigt wie ein Grab. Es sieht aber so aus, als hat sie ihn zu der Sache angestiftet, auch zu der Tätlichkeit, falls die beiden da nicht einlenken sollten. Er war ja vorbereitet und hatte die Medikamente dabei. Trotzdem bekommt sie auch einen Prozess Beihilfe und wegen versuchten Totschlags gegen ihren Mann."

"Und wenn sie das abstreitet?"

"Willst du mal sehen?" Er holte sein Handy heraus, startete einen Film. Er wackelte ein wenig, aber man sah alles. Er fing in dem Moment an, als ich die Couch aus der Terrassentür zog. Vermutlich hatte der Rauchmelder die Aufmerksamkeit eines Zeugen in der Nachbarschaft auf sich gezogen. Dann sah man, wie der Mann wieder kam, wie die Frau von der Seite kam, ihn anschrie, dann angriff, sich den Ast griff und zuschlug. Und man sah mich, wie ich erst dem Ganzen zusah, von den Geschehnissen bereits gezeichnet, und dann, als die Sache brenzlig zu werden drohte, diesen Stein griff und den nach ihr warf. Die Frau knickte ein und der Schlag ging dicht neben dem Kopf des Mannes nieder. Die Ansicht war frontal, die Frau stand zu seinen Füßen, und man sah den Ansatz des Schlages. Wäre er heruntergegangen wie geplant, hätte er vielleicht den Schädel des Mannes zertrümmert. Die Wucht ihres Schlages war zu erahnen. Nur mein Stein hatte das verhindert.

"Sollte reichen, oder?" Jens nickte. "Und was ist mit denen, die wegen der gepanschten Chemo gestorben sind?"

"Das wird sich nur schwer nachweisen lassen. Aber zumindest Körperverletzung oder schwere Körperverletzung sind drin, natürlich auch schwerer Betrug. Hab schon mit dem Staatsanwalt gesprochen. Ich weiß, das ist irgendwie unbefriedigend, aber die Rechtslage wird wohl nicht mehr hergeben. Es gibt auch einen Präzedenzfall, bei dem war es ähnlich gewesen. Auch da hat es nicht für Mord oder Mordversuch gereicht. Du weißt, dass du dann beim Prozess als Zeugin aussagen musst?"

"Ja, das hab ich mir schon gedacht. Werde ich dann natürlich machen."

"Gut. Wie geht's der anderen?"

"Sie lässt sich nicht so viel anmerken, aber ich denke, das kommt später, wenn sie alleine ist. Momentan ist sie noch in großer Sorge um Markus."

"Kennst du ihn näher?"

"Nein. Er war nur einmal bei mir zu Besuch, zusammen mit Angelika. Die beiden sind ein Paar. Da habe ich von ihnen ansatzweise von den ersten Merkwürdigkeiten in der Apotheke gehört, ohne Details zu wissen. Weißt du denn wie es um ihn steht?"

"Es besteht keine Lebensgefahr. Er ist wach, aber noch nicht vernehmungsfähig. Eine Hausdurchsuchung in der Apotheke haben wir heute früh gemacht. Mehr darf ich dir nicht sagen."

"Sind wir jetzt durch?"

"Ja, wir sind fertig." Jens schaute mich aber noch so an, als würde noch etwas kommen. Dann sagte er aber doch noch etwas. "Das war mutig von dir. Respekt!"

"Aber ich musste doch was machen!"

"Schön, dass du das sagst. Ist leider nicht bei allen so. Viele zücken heute bei so etwas nur das Handy und filmen. Ich bin froh, dass du anders bist", war die dazu passende Antwort von Jens.

"Ach so", sagte ich. Da ist ja noch das Foto. Ich hatte bevor ich zum späteren Tatort fuhr ein Foto vom Infusionsbeutel gemacht. Falls ihr das braucht."

"Klar, immer her damit!"

Ich gab ihm mein Handy, entsperrte es, er ging aus dem Raum, vermutlich zu seinem Polizeicomputer, und kam dann kurze Zeit später wieder.

"Ist heruntergeladen", sagte er, und gab mir mein Handy wieder.

"Die Nacktfotos auch?"

"Sind welche drauf?"

"Hast du keine gesucht?"

Jens gab keine Antwort darauf, schüttelte nur den Kopf. "Muss jetzt das Protokoll abschreiben", sagte er, und deutete auf sein Büro. Ich stand auf, er auch, und wir verließen den Raum. "Kannst hier auf die Frau Hellwig warten." Er deutete auf einen Platz mit fünf Stühlen, welche im Gang vor dem Büro standen. Ich nickte und setzte mich hin. Dann telefonierte ich mit Sanne, Vanessa hatte ja Urlaub, und informierte sie, dass ich heute nicht kommen kann, ohne das weiter zu erörtern. Angelika brauchte heute noch meine Unterstützung. Ich musste noch eine ganze Weile warten, bis auch sie kam. Sie sah ziemlich mitgenommen, aber auch erleichtert aus.

"Na, wie war es?"

"Gut, aber nervlich belastend. Aber die Frau war sehr einfühlsam. Und bei dir?"

"Bei mir war alles okay. Ich bin jetzt Filmstar."

"Filmstar?"

"Ja, ein Nachbar oder Nachbarin, so genau weiß ich das gar nicht, hat die Aktion gefilmt. Das wird mir helfen, mich zu entlasten, da ich ja die Frau verletzt hatte. Verletzen musste. Und was machen wir jetzt?"

"Weiß nicht. Zu Markus?"

"Ruf da erst mal an!" Angelika zückte ihr Handy und telefonierte etwa fünf Minuten mit dem Krankenhaus. "Und?"

"Ich soll erst heute am späten Nachmittag kommen. Momentan machen die noch einige Tests mit ihm."

"Gut, was machen wir dann? Was macht denn die Wohnung?"

"Ach so, ja, die ist wieder freigegeben. Den Schlüssel bekam ich wieder."

"Na dann, nichts wie hin!" Wir gingen zum Auto und brauchten eine halbe Stunde. Angelika brauchte wohl jemanden zum Reden und erzählte mir von ihrer Befragung. Dann stiegen wir aus. Angelika sah man an, dass sie ein mulmiges Gefühl hatte. Es war wohl mehr wegen des Überfalls als wegen der Vorahnung, wie ihre Wohnung aussehen würde. Wir gingen vorne rein, durch den Flur ins Wohnzimmer. Im Wohnzimmer war die Decke verrußt und ein Stück der Wand bei der Stelle, wo vorher die Couch gestanden hatte, ein wenig an der Decke, dort wo ich die Couch herausgezogen hatte. Zum Glück nicht mehr. Und der Blutfleck war noch zu sehen. Wir öffneten die Terrassentür, da in der Wohnung immer noch Brandgeruch lag. "Wo war das mit dir?", fragte ich.

"Oben!" Angelika deutete auf eine Treppe. Wir gingen hoch. Angelika ein wenig zögerlich. Alle Türen im Haus standen offen. Sie zeigte auf das Schlafzimmer. "Hier bin ich rein, habe das Haustelefon gekommen, den Notruf gewählt, aber schon nach ein paar Sätzen ..." Angelika kam ins Stocken. Sie hatte wohl einen Flashback, fing sich dann aber wieder. "Dann hatte ich auf ein mal einen Stoff vor meiner Nase, da war Chloroform dran. Und dann war ich relativ schnell weg und wachte später wieder auf. Und dann kamen die Retter."

"Wir müssen jetzt aber erst mal die Luft retten." Ich machte das Fenster auf, auch in einem anderen Raum, welches wohl das Besucherzimmer war, noch ein weiteres Fenster auf dem oberen Flur, und auch im oberen Bad. Dann gingen wir wieder herunter und ich machte noch die Terrassentür auf. Dann zeigte ich Angelika die Stelle wo die Frau den Mann angegriffen und ich sie dann kampfunfähig gemacht hatte. "Hast du einen Lappen und einen Eimer?", fragte ich Angelika.

"Ja, im Hauswirtschaftsraum." Wir gingen wieder herunter. "Was hast du vor?"

"Ich mache den Blutfleck weg. Das kann ich dir nicht zumuten. Und du rufst einen Maler an. Das muss hier neu gestrichen werden. Suche mal im Internet nach dem Maler Meister. Den hatte ich bei mir, der ist gut."

"Hat der denn keinen richtigen Namen?"

"Den hat er. Meister. Malermeister Meister." Endlich konnte Angelika wieder lachen. Die Seele kämpft sich ins Leben zurück. Langsam zwar, aber sie kämpft. Wenn man nicht aufgibt. Und das tat sie nicht. Und Markus hoffentlich auch nicht. Ich machte mich an die Beseitigung des Blutfleckes, wir gingen für eine halbe Stunde auf die Terrasse, um Sonne zu tanken - der Maler wollte gleich kommen, um die Sache zu inspizieren, und dann kam er, schaute sich alles an, meinte, dass nur die Decke und die Couchseite neu gestrichen werden muss, maß alles aus, überschlug die voraussichtlichen Kosten, sagte eine Summe, und einen Handschlag später war die Sache unter Dach und Fach. Seine aktuelle Baustelle konnte warten und so würde er Montag schon anfangen und Mittwoch fertig sein. Bis dahin war noch einiges zu tun. Aber als ich an den Maler dachte, bekam ich einen Flashback.

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Teil35: Der Malerlehrling

Es war zur Renovierungszeit meines Hauses und nicht mit dem Maler selbst gewesen, sondern mit dessen Lehrling.

Herr Meister - vom Alter und auch vom Aussehen her war er nicht mein Fall, war an einem der Tage nicht da, dafür aber sein Lehrling, der mir sehr zusagte. Und die Anziehung war durchaus gegenseitig. Ich musste nicht viel tun, um ihn zu kriegen. Es war eigentlich von der Farbe her anders geplant, aber ich hatte dann die Idee, mein Schlafzimmer, welches an dem Tag dran war, nicht wie geplant ganz in Weiß machen zu lassen, sondern nur die Decke, und die Wände hell fliederfarben. Ich pirschte mich also an den Lehrling heran - dass er 18 war wusste ich schon, da ich ihm am Vortag zum Feierabend ein Bier angeboten hatte und er mir das bei einem kurzen Gespräch gebeichtet hatte - und fragte ihn: "Du Malte, können wir mit der Farbgebung noch was ändern? Ich wollte die Decke wie geplant weiß, die Wand aber hell fliederfarben. Geht das? Ich meine, sieht das dann auch schön aus am Übergang?"

"Wenn ich das mache, sieht es schön aus! Ich mache einen dünnen Streifen oben an der Wand weiß, und das darunter dann in ihrer Wunschfarbe. Das ist so üblich in solchen Fällen, Frau Neuhaus."

"Was brauchst du dafür noch?"

Er ging zu seiner Arbeitstasche und holte eine Farbkarte heraus. "Suchen sie sich mal die Farbe raus." Er schlug eine der Karten auf, ich zeigte auf eine. "Gut, ich mische die ihnen an, und dann geht's los."

"Super. Dann lass ich dich mal machen." Die Möbel hatte ich ja schon gestern Abend abgedeckt, und hatte mein Schlafgemach ins Besucherzimmer verlegt. Ich machte mich auch an die Arbeit, brachte den Garten in Ordnung. Als er mal eine Pause machte, sah ich, wie er mich eine ganze Weile aus dem Fenster des oberen Flurs beobachtete. Ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt, und machte absichtlich aufreizende Bewegungen beim Arbeiten. Beim Mittagessen war die Arbeit schon weit gediehen. Ich hatte wie vorher abgesprochen Pizzen bestellt, die wir in seiner und meiner Mittagspause aßen. Wir machten ein wenig Smalltalk, wobei es aber eher so war, dass ich ihn ausfragte. Dabei erfuhr ich, dass seine Freundin vor zwei Wochen mit ihm Schluss gemacht hatte. In mir reifte eine Idee. Einige Stunden später war er offenbar fertig. Er rief von oben vom Flur herunter: "Frau Neuhaus? Wollen sie mal sehen? Ich bin fertig."

Ich hatte mein Tätigkeitsfeld längst in mein Interims-Schlafzimmer verlegt. "Ich bin hier! Tür ist offen!"

"Frau Neuhaus?" Ich hörte, dass er bereits vor der Tür stand. Jetzt klopfte er. "Frau Neuhaus?"

Er steckte seinen Kopf durch die Tür. Ich wusste, was er jetzt sah. Ich lag ja auf dem Bett auf der Seite, in einem schönen romantischen, rosafarbenen Dessous und verwöhnte mich mit einem Vibrator. "Wenn du deine Hände wäschst, darfst du mitmachen."

"Frau Neuhaus, das geht doch nicht! Wenn mein ..."

"Dein Chef wird nichts erfahren. Und es verpflichtet dich zu nichts. Es ist nur für heute. Du hast dir doch eine Belohnung verdient!"

"Gut. Ja. Komme gleich."

Er verschwand und tauchte einige Minuten später wieder auf. Wieder zuerst nur sein Kopf in der Tür. "Darf ich wirklich?"

"Natürlich. Ich warte schon die ganze Zeit auf dich. "Komm!" Er kam, ich überließ ihm dann meinen Vibrator, bekam dafür sein Multitool zum Spielen, und wir verbrachten die nächsten Stunden dort zusammen. Trotz seines jungen Alters hatte er schon recht viel Erfahrung, keine Scheu, und genoss es, was wir miteinander machten, mit viel Leidenschaft. Besonders hatte er es auf meine schönen großen Brüste abgesehen. So etwas kannte er wohl bisher noch nicht. Und er konnte und wollte viel küssen. Aber wie das eben so ist, irgendwann war die Luft raus, und dann ging er nach Hause. Da in den nächsten Tagen sein Meister wieder da war, lief dann nichts mehr, das hätte ich auch nicht gewollt, aber zumindest unsere Augen machten weiter schöne Spielchen, wenn der Meister nicht hinsah. Das war mein bisher jüngster Mann gewesen, den ich je hatte.

Ich seufzte und die Erinnerung verblasste.

"Was hast du? War er so schlecht?"

"Nein, Quatsch. Sonst hätte ich ihn nicht empfohlen. Aber ich ..." Konnte ich es ihr sagen?

Angelika schmunzelte. "Du hattest was mit ihm!"

Ich lachte. "Nein. Mit seinem Lehrling."

"Eine Affäre?"

"Nee. Es war nur ein One-Night-Stand. Eher nur ein Schäferstündchen am Nachmittag."

"Ich hatte auch mal einen. Da war ich schon drei Jahre verheiratet. Auf einem Lehrgang. Ich hatte noch ganz lange Gewissensbisse. Ich hoffe, er hat mir das nie angemerkt. Eigentlich wollte ich das nie, aber in dem Moment konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Es war aber nur was Sexuelles, da war keine Liebe."

"Ich hatte da kein Problem mit, war da ja schon Witwe. So, komm, wir müssen noch was tun. Die Couch muss weg, das Wohnzimmer so weit ausgeräumt, was willst du mit den Sesseln machen? Gibt es die Couch noch zu kaufen?"

"Nee, glaube nicht, Couch und Sessel sind schon ziemlich alt. Ich besorge mir neue."

"Die Sessel sollten wir aber noch hierlassen, bis die neuen da sind. Lass uns mal die Couch da hinten hintragen, damit die aus dem Weg ist." Es gab da eine Stelle im Garten, wo eh schon Gerümpel stand, da trugen wir die hin. Sie war schwer und stank, und wir mussten sie wegen des Gewichts mehrfach zwischendurch abstellen. Die Sessel und den Tisch stellten wir auf die Terrasse und deckten sie mit Folie ab, damit der Maler es einfacher hat. Angelika hatte noch Umzugskartons im Keller, die benutzten wir, um all die Gegenstände aus dem Wohnzimmer zu verstauen. Die Schränke konnten stehen bleiben. Ich gab Angelika den Tipp, diese Wand wo die Couch stand und wo es gekokelt hatte farblich leicht abzusetzen. Dann fiel es nicht auf, dass die Wand erst später neu gestrichen wurde. Nun war alles fertig und wir machten uns auf den Weg ins Krankenhaus. Das Krankenhaus hatte zwar auch ein Parkhaus, aber das kostete doch so einiges und wie lange es dauern wird, wusste ich auch nicht. So parkte ich wieder auf dem Friedhof. Früher konnte man ja gleich nebenan in Ohlsdorf ins P&R Parkhaus, aber seit der Hamburger Senat das kostenpflichtig gemacht hatte, nutzten viele den Friedhof. Das letzte Stück fuhren wir also mit dem Bus. Angelika meldete sich am Empfang und bekam die Abteilung genannt. Ich wollte derweilen in der Cafeteria warten. Ich hatte eh schon Hunger, holte mir einen Kaffee und ein Stück Kuchen, setzte mich.

Keine Minute später stand jemand vor mir. Weißer Kittel. Schwarze, kurze Haare. Kleiner Schnurrbart. Der Arzt von gestern und von damals mit Antonio. "Darf ich?", fragte er.

"Klar", sagte ich. Er setzte sich zu mir. Er hatte auch einen Kaffee, auf seinem Teller lagen aber zwei Mandarinen und eine Banane. "Wie ich sehe, leben sie ein wenig gesünder als ich."

"Das kann ich nicht einschätzen, aber mit dem Essen stimmt es wohl", antwortete er. "Obwohl man meine Megaschichten auch nicht unbedingt gesund nennen kann. Aber ich bin ja auch nicht bei der Kuchenpolizei", setzte er noch mit einem leichten Grienen hinzu.

"Wie lange geht die Schicht denn noch?"

"Bis 22 Uhr. Verlängerung nicht ausgeschlossen."

"Hui. Und das macht ihre Frau mit?"

"Die Frau nicht, da ich nicht verheiratet bin, aber meine Freundin ist bestimmt noch wach, wenn ich nach Hause komme."

Schade, dachte ich. "Dann drücke ich ihnen mal die Daumen."

"Danke. Was ich noch fragen wollte ... musste ihr Bekannter damals denn lange leiden?"

"Wenn, dann hat er es versteckt. Fentanyl hat seine Schmerzen unterdrückt. Er ist dann aber ganz plötzlich verstorben. In seinem Auto vor meinem Haus. Sein Sterben war sicher nicht angenehm. Adern sind in seiner Lunge geplatzt und er ist dann an seinem eigenen Blut erstickt."

"Verdammt! Das Auto war ein Stück Heimat für ihn, oder?"

"Ich habe es jedenfalls gedacht, dass es so war."

"Und was war gestern?"

"Ein tätlicher Angriff. Ein Apotheker hatte Chemoinfusionsbeutel gepanscht, und als er damit konfrontiert wurde, hat er eine Verdeckungstat versucht."

"Merde! Ich hoffe nur, dass niemand deswegen gestorben ist."

"Die Polizei hat schon angedeutet, dass man das nur schwer nachweisen kann. Eher gar nicht."

"Und wieder mal ist Gerechtigkeit ein Fremdwort. Vermutlich wird er eine viel zu geringe Strafe bekommen. Selten ist man damit zufrieden. Und alle Opfer bekommen immer lebenslänglich. Was hatten sie denn damit zu tun?"

"Ich war Zeugin, dann Retterin, und Stopperin."

"Wen haben sie denn gestoppt?"

"Die Angreiferin. Sie hat das mit einem gebrochenen Bein bezahlt."

"Ach, die mit der Betonfrisur und dem gebrochenen Bein von gestern waren sie?"

"Genau die hatte ich gestoppt."

"Von den medizinischen Sachen darf ich nichts erzählen, aber sie war schon sehr speziell. Anspruchsdenken, sag ich nur."

"Kann ich mir denken. Außerdem ist sie unheilbar krank."

"Davon hat sie nichts gesagt!"

"Sie hat Gier. Und fehlende Empathie."

"Ach so, ja, könnte passen." Er seufzte. "Ich muss jetzt leider schon wieder los. War schön, sich mit ihnen zu unterhalten. Übrigens: der Kuchen steht ihnen."

"Das Kompliment ist bei mir angekommen!", rief ich ihm noch hinterher. Ja, den hätte ich gerne vernascht. Ich saß noch eine Weile und beobachtete die Leute, dann kam Angelika. Sie hatte einen Gesichtsausdruck, aus dem die Freude so richtig heraussprudelte. "Na, wie geht es ihm?", fragte ich.

"Schon wieder ganz gut. Relativ gut. Die Ärzte wollen aber noch seinen Denkmuskel beobachten. Er muss sich noch ausruhen."

"Denkmuskel? Noch nie davon gehört."

"Man nennt es auch Gehirn."

"Ach so."

"Ich soll übrigens grüßen. Und seinen Dank ausrichten. Ich habe ihm alles erzählt. Na ja, zumindest das Wichtigste. Er sagt, wir stehen jetzt tief in deiner Schuld."

"Quatsch. Ihr wart die Helden. Die Krebspatienten müssen euch danken. Jetzt haben sie wieder eine Chance."

"Das ist das Wichtigste. Was passiert denn jetzt mit der Apotheke?"

"Bestimmt wird die geschlossen."

"Und was ist dann mit Markus?"

"Glaube nicht, dass der da wieder arbeiten will. Er wird sich wohl was Neues suchen."

"Wird nicht einfach, oder?"

"Ach, das wird schon. Noch ist ja Zeit. Er ist ja erst mal krank. Bestimmt kann er auch Schmerzensgeld einklagen und so weiter. Schon eine Idee mit den Sitzmöbeln?"

"Ich gehe ins Möbelhaus und suche was aus."

"Wollen wir gleich?"

"Geht das? Ich meine, kannst du das?"

"Klar. Wir fahren mit dem Bus zum Friedhof und dann mit dem Auto in die Möbelmeile."

"Okay, dann los."

"Musst du nichts essen?"

"Das machen wir dort. Da ist doch immer so ein Wurststand."

"Na dann auf!" Wir brachen auf, und vier Stunden später - es dämmerte schon langsam - waren wir wieder bei mir. Ich hatte zu Hause angerufen und uns angekündigt, Andrea und Lena hatten gekocht. Die guten alten Bratkartoffeln und Spiegelei. Wir mampften alles auf, erzählten den beiden von unserem heutigen Tagesablauf, Angelika erzählte auch Lena von den gestrigen Ereignissen aus erster Hand, wir genehmigten uns dann noch ein Glas Wein, und gingen schlafen. Angelika beschloss am nächsten Tag zur Arbeit zu gehen, nachdem sie den Maler hineingelassen hatte. Ich fuhr sie noch dort hin, und dann selber mit der S-Bahn zum Laden. Endlich wieder ein wenig Normalität, es war ja auch viel liegen geblieben. In der Mittagspause erzählte ich meinen Mitarbeiterinnen ein wenig von meinen Erlebnissen. Sie waren alle sehr erstaunt und erschüttert darüber, was manche Menschen für Geld alles tun.

Einige Tage später kam dann Markus aus dem Krankenhaus heraus und Angelika zog vorübergehend zu ihm in die Wohnung. Die beiden luden mich zum Abendessen ein und ich sagte zu. Markus hatte zeitweise noch kleine Wortfindungsprobleme, insgesamt machte er aber einen guten und zuversichtlichen Eindruck. Einige Wochen später war ich dann auch zu Gast im Haus von Angelika. Alles sah wieder schick aus und die Sitzmöbel waren mittlerweile auch geliefert. Sie kochten etwas wohlschmeckendes exotisches mit viel Gemüse. Markus war wieder ganz der Alte. Zum Glück! Sie waren mittlerweile beim weißen Ring gewesen und hatten sich einer Therapiegruppe angeschlossen. Es war wichtig, das innerlich zu verarbeiten, und sie waren auf einem guten Weg, fand ich. Auch ich hatte damals eine ganze Weile mit den Folgen dieses Überfalls zu kämpfen, wenngleich ich ohne so eine Therapie ausgekommen war. Ich rief dann noch mal Jens Mehnert an, der mir aber sagte, dass der Prozess noch in weiter Ferne liegt.

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Teil36: Das Moormädchen und der Kurator

Natürlich machte ich es immer noch so, dass ich bei geeignetem Wetter zwei bis drei mal pro Woche eine Wanderung machte. Ja, ich weiß, das war nur Flachland, aber für den Anfang, um in Form zu kommen, war es sicher besser als nichts. Erst hatte ich mich ganz schön überwinden müssen, bis ich dann dieses schöne kleine Café entdeckt hatte, welches ziemlich genau an einem der beiden Endpunkte lag. Die hatten unglaublich viele Kuchen und Torten, über 20 verschiedene, was schon eine ziemliche Leistung war. An den Wochentagen startete ich hier beim Café und wanderte Richtung nach Hause, was den Vorteil hatte, dass man die Kalorien gleich wieder verbrennen konnte, und am Wochenende, zumindest am Sonntag, ging ich andersherum und beendete dort im Café. Genau so ein Tag war es, ein Sonntag. Und dann passierte es. Planänderung!

Auf dem Weg lag ein großer umgestürzter Baum. Die Polizei hatte die Stelle bereits mit Absperrband gesichert. Es war aber auch ohne Absperrband kein Durchkommen. Wenn man es versucht hätte, müsste man mit Unmengen an Ästen und Zweigen kämpfen. Meine Kleidung hätte das ruiniert. So wählte ich wohl oder über den Weg hinter dem Teich, den ich schon früher auf der Karte entdeckt, bisher aber nie benutzt hatte. Der war bei weitem nicht so gut ausgebaut und das wurde mein Verhängnis. Es hatte am Vortag ergiebig geregnet und das merkte man. Alles war matschig. Der Weg war voller Wurzeln. Dummerweise verfing sich mein Fuß in so einer nach oben herausragenden Wurzelschlinge und ich fiel hin. Volle Breitseite in den Matsch! Mein Fuß tat weh. Ich rappelte mich auf und rieb mir den Fuß. Und erschrak. Auf ein mal stand ein Mann vor mir. Er war so um die 50, vielleicht 55, wirkte drahtig, und schien ebenfalls ein Wanderer zu sein. Er lachte. "Oh, ein Moormädchen", sagte er.

"Das ist nicht lustig!", schleuderte ich ihm entgegen.

"Aus meiner Sicht schon! Sorry, das lag wohl daran, dass ich kürzlich 'Der Gesang der Flusskrebse' gelesen habe. Kommen sie, ich helfe ihnen!" Ich zögerte noch. Blöderweise sorgte die Erwähnung von ihm dazu, dass ich mit mir haderte, denn das von ihm erwähnte Buch wollte ich schon lange mal lesen, ich hatte es längst, aber war noch nicht dazu gekommen. Ehrlich sein, ermahnte ich mich! Ich hatte mir dafür keine Zeit genommen. "Ich tue ihnen nichts. Aber so können sie nicht mehr unter die Leute. Oder wohnen sie hier in der Nähe?" Ich schüttelte den Kopf. Er ging los und ich folgte ihm. Wir bogen auf einen abzweigenden Pfad ab und standen keine zwei Minuten später vor einem typischen Hamburger Backsteinbau mit vier Etagen. Er öffnete die Haustür, schien hineinzuhorchen. "Kommen sie, die Luft ist rein!" Eine schöne Ansage. Sie gefiel mir, hatte so etwas von einer Art Komplizenschaft! Es ging in die zweite Etage und dort ging er in eine der drei Wohnungstüren rein. Er warf einen prüfenden Blick auf mich. "Entspannen sie sich doch! Sie sehen aus wie eine Boxerin!"

"Ich kann Selbstverteidigung!"

"Das freut mich, aber die brauchen sie hier nicht. Kommen sie!" Es ging in einen Raum, der das Schlafzimmer war. War ja klar, dachte ich. Aber er ging zum Kleiderschrank, schaute mich prüfend an, öffnete eine Tür, und holte ein Kleid heraus. "Das?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. "Oder das?" Wieder Kopfschütteln. "Das?" Dieses Kleid gefiel mir. Es war dunkelgrün und hatte so ein Muster, was angenehm war und sich farblich nicht so sehr von der grünen Grundfarbe abhob.

"Ja, das ist gut!"

"Fein. Sie können sich im Bad umziehen und da das hier anprobieren. Es gehörte meiner Frau. Tür ist gleich gegenüber."

Ich ließ das Kleid liegen, ging ins Bad, zog mein Kleid aus, wusch mir dort das Gesicht und die Hände. Dann ging ich wieder ins Schlafzimmer. So wie ich war, in Unterwäsche. Natürlich nicht mit Strapsgürtel und Strümpfen, das hatte ich bei meinen Wanderungen natürlich nicht an, aber schöne Unterwäsche zog ich mir da trotzdem drunter an. Er stand immer noch dort und blickte gedankenversunken in den Kleiderschrank, bemerkte mich dann und bekam große Augen. Ich lächelte ihn an, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, in Unterwäsche einem Wildfremden gegenüberzutreten, und streifte mir das Kleid über. Wie man das als Frau so macht, drehte ich mich hin und her und schaute mir im Spiegel an, wie es wirkte. Es war perfekt sowohl von Form als auch von der Farbe. "Es sieht sehr schön aus an ihnen. Und passt."

"Stimmt", sagte ich. "Es ist toll!"

"Ich stelle mal den Waschtrockner an. Sie haben doch noch Zeit, oder?"

"Jede Menge." Er verschwand und kam nach zwei Minuten wieder, während dessen ich im Schlafzimmer blieb. Dort hingen einige Bilder aus älteren Zeiten, die mir sehr gefielen, sie zeigten Landschaften, eines das Innere eines Hauses mit einer Menschengruppe die um eine Feuerstelle kauerte. Dann kam er zurück.

"Sie sind sehr schön. Sind die echt?", fragte ich ihn.

"Das sind echt nachgemachte Originale. Und sorry, ich hab mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Dieter. Dieter Becker."

"Ich bin ein echtes nicht nachgemachtes Original und heiße Sandra. Sandra Neuhaus."

Er lachte. "Sie lieben es zu kontern. Das gefällt mir, Sandra. Ich darf doch Sandra sagen, oder?"

Ich griente. "Das müssen sie sogar. Gerne auch mit du!"

"Wo wolltest du denn eben hin Sandra? Hast du noch einen Weg? Du kannst den gerne machen und dann wieder herkommen für dein gesäubertes Kleid. Ich bleibe dann hier."

"Nein, du kommst mit mir mit ins Café. Das hier gleich vorne an der Ecke. Da wollte ich hin. Und du wolltest mich doch sowieso kennenlernen, oder?"

"Du bist unglaublich!"

"Ich nehme das mal als Lob. Na dann komm, ist ja nicht weit."

"Ich kenne das. Warst du auch schon mal dort?"

"Ich bin dort ständig!"

"Und dann hast du trotzdem diese schöne Figur?"

"Ich mache viel Sport. Normale Fitness, als Ausdauersport wandern, und Kampfsport."

"Aha. Ich Rad fahren. Walken mit und ohne Stöcke. Kraftsport dann im Fitnessstudio. Und Kanu fahren."

"Letzteres hab ich noch nie gemacht. Obwohl ich schon so lange in Hamburg lebe."

"Ich lade dich gerne ein!"

"Danke, das ich überlege mir." Das klang interessant. Wir verließen das Haus und waren schnell im Café. Die Kuchen in der Vitrine sahen so lecker aus! Am liebsten hätte ich gleich zehn Stück gegessen, aber das ging nicht. Nur eines. Ich entschied mich für eine Tortenstück mit Brombeer-Grießschaum. "Isst du auch einen Kuchen, Dieter?"

"Klar. Eigentlich zehn. Aber nehmen tue ich nur einen. Sonst würde ich aus dem Leim gehen."

"So wie ich?", startete ich einen Versuchsballon.

"Quatsch! Hab doch schon deine tolle Figur gelobt!"

Ich strahlte ihn an. "Lass uns hineingehen." Wir bestellten uns dann noch jeder einen Kaffee und ich startete die Fragerunde. "Was ist denn mit der Frau passiert, der das Kleid früher mal gehörte?"

"Magdalena. Meine Frau. Sie ist gestorben. Ein geplatztes Aneurysma."

"Oh, das tut mir leid. Ich wollte keinen Staub aufwirbeln!"

"Schon gut. Ist schon länger her. Es tut noch weh, aber ich kann es aushalten." Sein Blick fiel auf meinen Ring. "Und was ist mit deinem Mann?"

"Er heißt Uwe und ist auch tot. Unfall."

"Oh Mann! Ich bin so ein Trampeltier!"

"Schon okay. Zu der Zeit als er gestorben ist hätte ich ihn zum Mond schießen können. Mittlerweile hat sich das aber beruhigt und ich kann wieder ein wenig um ihn trauern."

"Lass mich raten: eine andere Frau?"

"Das, und noch mehr." Unsere Kalorienbomben kamen gerade und wir fingen an zu essen. "Das mit den Bildern ... war das ihr Ding oder ist das deines?"

"Ich mache das beruflich, aber lieben tun oder taten wir es beide." Er seufzte. "Nun nur noch ich. Ich war nicht dabei, als sie gestorben ist. Es ging alles so schnell!" Jetzt kamen bei ihm ein paar Tränchen, welche er sich verstohlen wegwischte.

"Er starb bei einem Autounfall. Seine Affäre saß mit drin und hat überlebt."

"Wie lange hast du gesessen dafür?" Man merkte, er wollte wieder ein wenig Fröhlichkeit in unser Gespräch bringen.

"Lebenslänglich. Wegen schlechter Führung bin ich aber nicht hinter Gittern gelandet."

In seinem Gesicht bildete sich ein Fragezeichen, dann lachte er. "Das ist jetzt aber erklärungsbedürftig!"

Jetzt lachte auch ich. "Nein, ich hab ihr nichts getan. Sie ist ja ins Koma gefallen. Da ist sie immer noch. Im Wachkoma. Aber ich war dann .... also ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, also ich habe ein ziemlich unkeusches Leben geführt, würde man in der Kirche sagen. Das meinte ich mit schlechter Führung."

"Das Leben ist zu kurz", sagte er. Und fügte hinterher: "Um es mit kirchlichen Vorschriften zu quälen."

"Klingt so, als hältst du nicht viel von denen."

"Doch, zum Teil schon. Letzten Endes lief es aber oft zu viel auf Machterlangung und Machterhalt hinaus, zumindest auf den höheren Ebenen. Aber es gibt auch nette Menschen dort. Hilfsbereite. Da muss man die richtigen finden. Wie auch sonst im wirklichen Leben."

"Auch ich dachte damals wirklich, ich wäre in einer heilen Welt. Aber es war ein Trugbild. Eine Fata Morgana. Ich habe damals nur die Wellenkämme gesehen, aber nicht die Täler und schon gar nicht die Brecher."

"Du magst also Meer?"

"Klar. Ich habe da sogar einige Ferienwohnungen. An der Ostsee. Ich bin auch selbst oft dort."

"Machst du da deine unkeuschen Sachen?" Er griente.

"Manchmal."

"Hast du Lust, dir Wellen anzuschauen?"

"So weit wollte ich heute eigentlich nicht fahren. Außerdem sind heute alle meine Ferienwohnungen belegt."

"Ich meine ja auch keine echten, sondern Wellen auf Bildern."

"So auf alten Bildern?"

"Genau solche. Ich bin Kurator. Es gibt eine Ausstellung, welche morgen eröffnet wird, aber schon fertig ist. Sie heißt Seestücke. Solche Wellen hast du noch nie gesehen!"

"Dann muss ich da ja wohl hin, oder?" Er kribbelte sowieso schon wieder verdächtig und so war mir es recht, noch ein wenig mehr Zeit mit ihm verbringen zu können.

"Dann führe mich mal in Versuchung!"

"Vorsicht! Mit solchen Wellen ist nicht zu spaßen!" Diese Wirkung kannte ich von meinen Lustwellen allerdings auch. Er winkte nach der Bedienung und bezahlte. Wir gingen zur nahen U-Bahn-Station Ohlsdorf, wo auch der Friedhof nebenan liegt, und fuhren mit der U-Bahn in die Innenstadt. Ich erzählte ihm ein wenig, was ich so mache und auch Teile meiner Geschichte, ließ auch die kürzlichen Nachforschungen nicht weg. Er riet mir, da weiter dranzubleiben. "Man weiß nur, wer man ist, wenn man seine Vergangenheit kennt", war sein Spruch. Jungfernstieg stiegen wir aus und gingen ein kleines Stück Richtung Rathaus. Er holte dann vor einem Eingang mit großer Holztür ein Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, wir gingen erst in einen Vorraum und dann in den Ausstellungsraum, wobei er jedes mal hinter sich abschloss und im Ausstellungsraum auch noch eine Alarmanlage ausstellte. "Voilà. Du bist der erste normale Einwohner Hamburgs, der diese Bilder sieht."

"Ich bin aber nicht normal!"

"Du weißt schon, wie ich das meine."

"Klar, Herr Kurator. Ich fühle mich auch geehrt!" Wir begannen dann herumzugehen und schauten uns die Bilder an. Die meisten waren von beeindruckender Größe und zeigten auch beeindruckende Wellenberge, oft auch mit Schiffen oder Menschen, die gegen diese Wellenberge oder gegen das Ertrinken kämpften. Noch mehr beeindruckte mich aber Dieter. Ich stellte mich immer hinter ihn und sog seinen Körpergeruch ein. Oder war es sein Parfüm? Alles kribbelte und ich war wie elektrisiert. Einmal, als er seinen Kopf zu mir hin drehte und mir was erklären wollte, drückte jemand die Stopptaste. Dann ging es wie in Zeitlupe weiter. Augen, die langsam Hin und Her schwangen. Zungen, die über Lippen leckten. Münder, die sich langsam öffneten. Gesichter, die sich millimeterweise näherten. Und dann zwei Köpfe, welche sich küssten. Und knutschten. Jemand drückte auf Play. Meine Hand wanderte an seine Hose.

"Hier?", fragte er. Ich nickte.

Er schüttelte den Kopf. "Es gibt hier eine Kameraüberwachung. Da lässt sich nichts löschen. Aber wenn du willst, können wir das ja zu Hause machen."

"Dann lass uns gehen!" Er schloss den Raum dann wieder ab, und wir fuhren zurück und betraten erneut seine Wohnung. Während der Fahrt hatte er mir seinen Lebensweg erzählt. Ich hatte mit meinem detaillierten Werdegang noch nicht angefangen. Er schien sich eh mehr für meinen Körper zu interessieren. Er zog mir aber nicht das Kleid aus, sondern erst meinen Körper zu sich heran. Sofort waren wir in einer wilden Knutscherei vertieft. Meine Hand fand zielsicher die richtige Stelle an seiner Hose und seine Hände fanden meinen Po. Nach und nach zogen wir uns die Kleidungsstücke aus. Selbst bei der Unterwäsche ließ er sich viel Zeit, was bei Männern eher selten vorkommt. Ich war natürlich eher nackt als er. Aber schlussendlich standen wir dann voreinander so da, wie wir geschaffen wurden.

"Jetzt darfst du bestimmen", sagte er. "Möchtest du mit oder ohne?"

Ich griente. "Wir haben doch schon nichts mehr an!"

"Ich meinte mit oder ohne Aufzeichnung?"

"Was hast du denn dafür? Also ein Handy nicht!"

"Ich habe eine Kamera ohne Internetzugang. Lust?"

"Dann mit. Ich geh schon mal vor. Schlafzimmer?"

Er nickte. Ich ging rein, legte mich in verführerischer Pose auf das Bett.

Ich dachte, das war Quatsch was er gesagt hatte, aber er kam dann tatsächlich mit einer uralten Fotokamera wieder, welche er auf ein Stativ schraubte. Ich lachte, fing an, ihn mit erotischen Posen und Bewegungen zu verführen. Eigentlich brauchte ich das nicht mehr, aber so war es einfach schöner, da ich so auch mich in Stimmung bringen konnte. Endlich kam er an mich heran, versorgte erst so ziemlich meinen ganzen Körper mit seinen heißen Küssen, dann knutschten wir, und als ich so weit war, drückte ich ihn sanft in das Bett, auf den Rücken. Er hatte vorher einige Kondome auf den Nachtschrank geschmissen. "Angeber", hatte ich gesagt, und griente dabei. Mit kundigen Händen zog ich ihm eines davon in weniger als einer halben Minute darüber und bestieg ihn. Es war meine Lieblingsstellung. Auch wenn die für mich anstrengender war als die meisten anderen Stellungen bevorzugte ich diese, da ich mich so bewegen konnte, wie ich wollte, Tempo und Eindringen kontrollieren und bestimmen konnte und außerdem hatte der Mann beide Hände frei, um meine Schätze verwöhnen zu können.

Es war merkwürdig, aber obwohl ich wusste, dass diese uralte manuelle Kamera keine Bilder dieser Art erzeugen konnte, tat mein Unterbewusstsein so als ob. Mein ganzer Körper kribbelte und nach einer halben Ewigkeit bekam ich einen fulminanten Orgasmus, der mich durchschüttelte. An die Kamera hatte ich zum Schluss überhaupt nicht mehr gedacht, als Dieter dann aus dem Bett ging und sie vom Stativ nahm. Er brachte sie mit ins Bett. "Willst du mal sehen?", fragte er. Ich nickte. Er öffnete die Kamera. Zu meinem Erstaunen lag doch ein Film drin. So ein richtiger Foto-Filmstreifen von früher.

Erstaunt fragte ich: "Hast du doch geknipst?" Statt einer Antwort zog Dieter den Streifen weiter aus der Filmspule. "Der ist ja gar nicht entwickelt!", sagte ich.

Dieter griente. "Das machen wir jetzt zusammen." Er zog immer mehr des Filmes heraus. "Hier!", sagte er. "Schau mal, was dein Mund gemacht hat."

"Oh Weia", sagte ich.

Dieter zeigte auf eine andere Stelle des Filmstreifens. "Das war mein Mund. Und hier: Dein Reitstil ist einfach einmalig!" Obwohl bei diesem unentwickelten Film alles nur einheitlich hellbraun aussah, glaubte ich jetzt tatsächlich, das Bild vor Augen zu haben. Er war einfach irre, sich so einfach nur in Gedanken beim Sex machen zusehen können. Und ich fand, dass ich dabei durchaus bella figura gemacht hatte. Ich bekam sogar wieder Lust, aber mir war klar, dass Dieter nicht mehr konnte. Jedenfalls nicht mehr heute. Wir blieben dann einfach im Bett liegen und ich kuschelte mich an ihn.

So lag ich auch immer noch, als ich am anderen Morgen aufwachte. "Guten Morgen, Prinzessin Sandra", sagte Dieter.

"Will keine Prinzessin sein! Die hat ja kein eigenes Leben! Ich schon."

"Und, wie willst du es gestalten?"

"Hmm ... mal überlegen. Dusche, dann Sex, Frühstück. Jedenfalls erst mal heute!"

"Klingt gut. Komm mit!" Dieter griente. Ich nahm mir aber noch eines der Kondome vom Nachtschrank mit, was Dieter wohlwollend zur Kenntnis nahm. Ich stellte das Wasser an, ging rein. Dieter folgte. Wieder fielen wir übereinander her. Ich ließ mich im Stehen nehmen, von Dieter an die Duschwand gedrückt. Ich spürte eine Veränderung. Ich bekam Angst. Angst vor dem Danach. Ich merkte, dass ich dabei war, mich in ihn zu verlieben. Trotzdem genoss ich es. Dieter bekam erneut einen Orgasmus. Ich nicht, aber ich hatte ja gestern schon einen gehabt. Dieter brachte mir mein gesäubertes Kleid, machte dann Frühstück, während ich meine Haare föhnte. Als ich in die Wohnküche kam, war alles schon fertig. Toastbrot, ein weiches Ei, Kaffee. Nun war ich dran. Ich erzählte ihm in Grundzügen einige Sachen aus meinem Lebenslauf. Meine schlimmsten Sexcapaden ließ ich aber weg. Vielleicht hätte ihn das schockiert, aber einiges hatte ich eh schon angedeutet. Andererseits ... hätte mir das aber auch helfen können bei dem Folgenden, dem Abschied.

"Du bist die tollste Frau, die ich seit langem kennengelernt hatte", sagte er, als wir gesättigt da saßen.

"Kann ich mir denken."

"Bestimmt haben das schon viele gesagt?"

"Da hast du recht."

"Sehen wir uns wieder?"

Ich zuckte die Schultern. "Mal sehen", sagte ich. Die da unten sagte: 'Ja, ja!' und mein Verstand sagte: 'Bloß nicht! Du hast dich doch schon längst in ihn verliebt!' Ich hörte auf auf meinen Verstand. "Ich muss jetzt leider gehen. Danke für alles!"

Er stand auf und geleitete mich noch zur Tür. "Bis irgendwann mal", sagte er. Ich küsste ihn noch einmal intensiv und er mich auch, dann ging ich aus dem Haus und fuhr von der nahen S-Bahn-Station dann zum Laden, denn heute war ja Montag. Der Arbeitsalltag hielt mich auf Trab, aber schon auf der Rückfahrt kam ich in eine melancholische Stimmung. Und als ich dann zu Hause war, kamen die Tränen. Während mein Verstand meinte, dass ich alles richtig gemacht hatte, kamen aus meinem emotionalen Teil lauter Vorwürfe. 'Immer machst du alles kaputt!', 'kannst du nicht ein mal etwas zulassen!', die Beleidigungen, welche sie mir an den Kopf warf, lasse ich lieber weg. Als Andrea kam, merkte er gleich, was mit mir los war. "Liebeskummer?", fragte er. Ich nickte. Mehr musste er nicht wissen. Wenn ich Dieter vielleicht noch einmal bei einer Wanderung ganz zwanglos begegne, dann hätte ich die Möglichkeit auszuloten, was geht. Mehrmals ging ich nach der Wanderung zu seiner Wohnung hin, traute mich aber nicht zu klingeln. Dann rang ich mich doch dazu durch, aber es machte keiner auf. 'Du hattest deine Chance', sagte ich mir. Pech gehabt! Weitere Versuche machte ich nicht. Ich musste erst mehr Zeit vergehen lassen, fühlte mich dazu noch nicht in der Lage.

Es wurde kühler und regnerischer und es dauerte, bis es wieder besser wurde, gerade passend zu meinem Event. Zu meinem Geburtstag, der ja auch der Geburtstag von Uwe war, machte ich nämlich eine richtige Party im Garten, wieder mit Kuchen, Grillen und allem Pipapo. Es war ungewöhnlich warm für diesen Oktobermontag, über 20 Grad. Natürlich kamen Andrea und Lena, Oliver und Elana, Nico und Bettina, Piere, der für seinen Sohn eine Betreuung organisiert hatte, Ellen, Julian, Angelika und Markus. Es wurde eine schöne Feier. Piere deutete eine große Überraschung an, wollte aber noch keine Details verraten. Und zwischen Julian und Ellen schienen sich zarte Bande zu bilden. Ich wäre nicht eifersüchtig, sondern würde mich für die beiden freuen.

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So, nun kommt nach der letzte Teil. Er wird ein wenig verstörend und gruselig sein, und lässt viele Fragen offen. Dafür ist er aber auch ziemlich spannend. Und er passt zu den Recherche-Handlungen von Sandra, die in dieser Fortsetzung so breiten Raum eingenommen haben.

Viel Spaß, und bitte schlagt nicht so dolle auf mich ein!

Teil37: Der Jahrestag und das unrühmliche Finale

Eine gute Woche später fuhr ich mit dem Auto los. Es war auch an diesem Tage wieder ziemlich warm für diese Jahreszeit, es war unser Kennenlern-Tag, der 15. Oktober. Ich setzte mich im Ohlsdorfer Friedhof wie üblich auf die Bank. Bilder kamen und gingen. Ein Film lief in meinem inneren Auge ab.

Die junge Frau, die ich früher war, ging in Münster in die Bibliothek der Uni. Ich suchte ein Buch über Modeentwürfe, hatte mich vorher schlau gemacht und eine Kommilitonin meinte, dass die was in der Art hätten. Ich hatte schon ein wenig in diese Welt rein gerochen, war Model für Fotos in Katalogen. Aber mehr noch als das interessierte mich das Anfertigen dieser schönen Sachen. Das wollte ich unbedingt später machen, deshalb hatte ich ein Studium über Modedesign begonnen. Ich hatte mich mit zwei von solchen Büchern dieser Art an den Lesetisch hingesetzt, da stand die andere Frau vom Tisch auf. Ich versuchte es immer so zu handhaben, damit mich die aufdringlichen Männer in Ruhe lassen, die es natürlich auch hier gab. Nun war meine Strategie aber kaputt.

Das nutzte nämlich gleich ein anderer Leser aus, und setzte sich mir gegenüber, schaute mir einmal ins Gesicht, und dann in sein Buch. Und las. Und las. Die ganze Zeit. Was war mit ihm los? Traute er sich nicht? Das war ganz und gar ungewöhnlich. Ich nahm allen Mut zusammen. "Was stimmt denn mit ihnen nicht?", fragte ich ihn.

Er blickte auf. "Wie meinen?"

"Sie machen mir keine Komplimente."

"Oh Entschuldigung. Ich dachte, das würde sie stören."

"Normalerweise tut es das auch." Ich wagte den Versuch eines schüchternen Lächelns. Er sah es aber gar nicht, sondern las weiter in seinem Buch. "Ist das Buch so spannend?" Endlich blickte er auch mal für längere Zeit auf und musterte mich.

"Ist es. Aber jetzt sehe ich, dass ich besser in ihnen lesen sollte. Auch ein interessantes Buch, so scheint mir."

Ich kicherte. "Da ist aber noch nicht so viel geschrieben. Bisher nur die Überschrift. Der Titel."

"Und wie heißt der?"

"Sandra Koosen."

Er griente. "Das ist aber ein komischer Titel. Mein Buch heißt Uwe Neuhaus."

Ich kicherte. "Auch sehr, sehr komisch." In diesem Moment wusste ich, dass wir auf der gleichen Wellenlänge waren. Er klappte sein Buch zu, schaute drauf. "Haben sie so etwas auch?" Ach das meinte er! Sein vor ihm liegendes Buch Buch hieß: 'Dunkle Kammern'.

"Wenn ja, habe ich noch keine entdeckt!"

"Soll ich sie entdecken? Ich liebe dunkle Kammern." Huch? Meinte er meine bis dato unerforschte Lusthöhle, die zu diesem Zeitpunkt für mich noch eine Lasterhöhle war?

Die Wirklichkeit riss mich aus meinen Gedanken. Wenn ich damals geahnt hätte, welche dunklen Kammern Uwe gehabt hatte, damals schon, dann wäre ich wohl sofort aufgestanden und wäre gegangen. Ein krächzender Rabe, er schien ganz in der Nähe zu sein, unterstrich meine Gedanken.

Und dann war Uwe da, zuverlässig wie immer gekommen, nur eben anders als sonst. Plötzlich schwang er sich neben mich, ungewöhnlich sportlich. "Da bist du ja, Uwe. Endlich!"

"Erst hatte ich ja gedacht meine liebe Stiefmutter hat 'nen Knall, aber jetzt denke ich, mein lieber Erzeuger hatte mal wieder 'ne Affäre, ihr habt euch getrennt, aber trefft euch noch heimlich."

Ich bekam einen Schreck. Das war eine echte Stimme, und zwar die Stimme von Andrea. Was machte der denn hier? Ich schaute zur Seite und bekam gleich noch mal einen Schreck. Da saß ein bärtiger Mensch. Jetzt erst begriff ich. Das war Mario!!! Mein Herz schlug Purzelbäume. Angst, Aufregung, Adrenalin. Die Bewertung meiner Aufmerksamkeit stieg in nur wenigen Millisekunden auf Triple-A. Das soll mir mal einer nachmachen! So eine hohe Bewertung hatte ich noch nie gehabt. Und ich hatte wohl auch noch nie so viel Schiss gehabt wie jetzt. So lange hatte ich gehofft ihn zu treffen, und nun saß er hier. Und ich hatte keine Ahnung, was ich mit ihm bereden wollte. Ich hatte ja null Vorlaufzeit darüber nachzudenken, hatte mir ja einen ganz anderen Ablauf der Sache vorgestellt. "Du bist Mario?"

"Das hat ja gedauert! Nachdenken ist nicht deine Stärke, oder?"

Ich überging den letzten Teil einfach, der ja fast schon eine Beleidigung war. "Was machst du hier?"

"Du wolltest mich doch sprechen. Und jetzt bin ich da. Und mit Uwe wollte ich zufällig auch noch sprechen. Wir haben da noch so eine Sache offen. Aber wie ich mitbekommen habe, muss ich ja hier nur warten. Ist ja euer Treffpunkt."

Das war ja interessant. Er wusste also noch gar nichts von Uwes Tod. Ich würde daher erst mal versuchen ihn hinzuhalten, um herauszubekommen, was er will. "Wenn er dich sieht, haut er sowieso gleich wieder ab!"

"Ach, glaubst du? Er hatte sich ja große Sorgen um mich gemacht."

"Wegen dem Fentanyl?"

"Ich hatte mir schon gedacht, dass er dich mit involviert hat. Hast du es für ihn versteckt? Das ist fein. Ich kann es nämlich gerade gut gebrauchen. Um nicht zu sagen, dringend!"

In mir kreisten die Gedanken. Ein schwindelerregendes Karussell. Warum glaubte er, dass das Fentanyl nach so langer Zeit noch da wäre? Soviel ich wusste, hatte er doch den Unfall gesehen. Er müsste doch eigentlich wissen, dass die Polizei das Autowrack untersuchen würde. Ich versuchte abzulenken, um weiter Zeit zu gewinnen. Wenn Besucher vorbeikämen, würde ich versuchen, zu denen zu flüchten. "Warum kommst du jetzt erst?"

"Warum wohl? Die Bullen waren mir auf den Fersen!"

"Und was willst du von mir?"

"Na was schon? Den Stoff natürlich!"

Die Sache fing an, brenzlig zu werden. "Aber du hast dir doch neuen gemacht, oder?"

"Von wegen! Erst mal war ich im Knast gelandet, weil ich ... ach, ist unwichtig. Und als ich gerade wieder Fuß fassen und neuen produzieren wollte, haben die Bullen mein Labor ausgehoben."

Ich startete einen Schuss ins Blaue. "Uwe wird es dir bestimmt nicht geben. Immerhin hast du versucht, ihn von der Straße zu drängen!"

"Quatsch! Hat er das behauptet, ja? Ich bin ihm nur hinterhergefahren. War eh noch ein anderes Auto dazwischen. Zwei sogar, wenn ich mich recht erinnere."

"Aber wenn nicht, hättest du es gemacht! Sei ehrlich! Und das, obwohl er dich nur vor dir selbst schützen wollte!"

"Ach, kommt jetzt die Heldenstory? Mein Erzeuger, der Schürzenjäger, ein Held? Der hat doch schon wieder so eine neue Schnalle am Start gehabt. Macht es dir nichts aus, dass er dich ständig betrügt?"

"Immerhin war er nicht kriminell!"

"Er war ein Zocker und ein Idiot, hat auf Gutmensch gemacht, dabei war er selbst so ein halb krimineller Managertyp! Das Zeug hätte mir Millionen einbringen können! Ich wollte ihn sogar beteiligen. Und was macht der Blödmann? Gibt mir das Geld für die Herstellungskosten und dazu ein kleines Almosen, um mich vom Verkauf des Stoffs abzuhalten. Der hat echt einen an der Waffel! Der hat ganz schön blöd geschaut, als ich das Geld genommen habe und ihm statt der Drogen Puderzucker gegeben habe."

"Aber beim zweiten mal nicht! Da hat er dich ausgetrickst, hat er mir gesagt."

"Stimmt. Dieser Mistkerl! Der hatte mich weggelockt und sich selbst das Zeug genommen. Er hat es längst vertickt, oder? Aber das wird er büßen! Wenn er es nicht macht, wirst du mich ausbezahlen müssen!"

"Werde ich nicht! Uwe hat es auch nicht mehr und ich habe nichts davon bekommen!"

"Erzähl mir hier keinen Scheiß!!!" Die Sache fing an, aus dem Ruder zu laufen, zu eskalieren. Er stand auf und baute sich drohend vor mir auf. "Du gibst mir jetzt sofort die Drogen wieder!!!!"

Ich stand ebenfalls auf. "Ich bin sehr enttäuscht von dir. Du bist nicht gekommen, um mich kennenzulernen. Du bist ein undankbarer Mensch und denkst immer nur an dich und deine kriminellen Aktivitäten."

"Die Drogen!!!!!"

"Ich habe sie nicht! Und wenn ich sie hätte, würde ich sie dir nicht geben!"

"Also hat sie Uwe! Du führst mich jetzt sofort zu Uwe!!!!!"

"Vergiss es!" Meine Hand ging zur kleinen Tasche des Kleides, die an diesem kurzen und dünnen Kleid aber nicht vorhanden war. Normalerweise habe ich dort Pfeffer ... Tierabwehrspray. Die Sache nahm jetzt eine neue Dimension an. Er griff in seine Hosentasche und zückte ein Messer. Mit einem charakteristischen 'Pling' sprang die Klinge heraus. Die Sache wurde bedrohlich. Äußerst bedrohlich. Meine Stimme wurde brüchig. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Ich musste aus dieser Lage unbedingt herauskommen. "Die Polizei hat die Drogen gefunden und beschlagnahmt!"

"ICH GLAUB DIR NICHT!!! HER DAMIT!"

Er kam bedrohlich auf mich zu. Die Worte meines Ausbilders Sven kamen mir in den Sinn: 'Gegen ein Messer gibt es keine sichere Verteidigungsmöglichkeit. Versuche, zu deeskalieren oder zu fliehen. Wenn es nicht geht, versuche zu erreichen, dass der Angreifer das Messer nicht richtig anwenden kann. Geh auf Tuchfühlung, nimm ihm damit die Bewegungsfreiheit und versuche alles, um ihn zu entwaffnen'. Wir hatten das wieder und wieder geübt. Aber trotzdem war es ein großes Risiko. Man musste entweder versuchen, ganz nah an seinen Körper zu kommen, damit man innerhalb der Arme des Gegners stand, und dann seinen Arm greifen und ihn mit einem Überraschungsangriff umdrehen kann. Oder man stellte sich in fast Stichreichweite hin, griff die Messerhand, und trat gegen seinen Körper.

Beides riskant, außerdem bei ihm nicht möglich. Er war auf der Hut, traute mir nicht, wie man an seinen funkelnden Augen sah. Er wischte mit dem Messer einen Bogen vor mir, erwischte mich nicht, da ich zurückwich, spürte aber den Lufthauch seines Messerhiebes. Den Lufthauch des Todes. Noch mehr Adrenalin flutete meinen Körper, dieses sorgte dafür, dass ich voll fokussiert war. Ich versuchte zurückzuweichen, ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Schritt für Schritt. Noch stand er da, aber dann folgte er mir. Jetzt kam der Stich! Ich machte instinktiv eine der anderen Varianten, welche wir gelernt hatten. Ich drehte meinen Körper, gleichzeitig griff ich seinen Arm und zog dann daran. Es funktionierte, die Klinge ging haarscharf an mir vorbei und er kam aus dem Gleichgewicht. Ich hob mein Bein an und ließ seinen Arm auf mein Knie krachen. Er schrie auf und das Messer fiel ihm aus der Hand. Ich wollte mich schon danach bücken, aber er war schneller und hatte es wieder in der Hand.

Ich wich zurück. Und was mache ich blöde Kuh? Ich stolperte! Mein Schuh blieb an irgendwas hängen und ich fiel auf den Rücken, zum Glück weich in niedriges Grünzeug. War es die Bepflanzung von Uwes Grab? Er war mir gefolgt, war schon dicht an mir dran und beugte sich mit seinem gestrecktem Messerarm zu mir herunter, offenbar, um mit dem Messer zuzustechen. In den Hals? Ich wendete einen weiteren Abwehrtrick an. Mein Fuß traf hart in seine Weichteile. Da er dort keinen Schutz hatte, stöhnte er auf, verlor wegen seiner nach-vorn-Bewegung und meinem blitzschnellen Ziehen an seinem Arm das Gleichgewicht, und stürzte vornüber. Die Klinge seines Messers landete neben mir auf einem Stein und gab dabei ein helles Geräusch ab. Das Messer fiel ihm aus der Hand. Ich versuchte danach zu greifen, aber er war wieder schneller, da er ja sehen konnte, wo es lag. Womit er nicht gerechnet hatte, war meine weitere Gegenwehr. Ich griff seine Messerhand, hob meinen Kopf und biss ihm mit aller Kraft in die Hand. Er schrie vor Schmerz laut auf und das Messer fiel ihm aus der Hand.

Dieses mal bekam ich es zu fassen. Ich warf es im Liegen nach hinten, ohne Sicht, irgendwohin in Richtung eines Gebüschs. Gefahr gebannt, dachte ich. Dann machte er aber etwas für mich Unerwartetes. Er würgte mich. Ich versuchte ihn abzuwehren mit allem, was ich hatte. Aber meine Beine konnte ich nicht richtig einsetzten, um mich aus der Bodenlage zu befreien, und meine Zähne auch nicht. Ich traktierte ihn mit Fäusten, konnte aber nicht richtig ausholen. Aber mein Ring traf ihn hart. Nicht der Ehering, aber der Ring an der linken Hand, dort hatte ich so einen großen Schmuckring mit verzierter Fassung, an einigen Stellen sehr scharfkantig. Dass ich den trug, war auch ein Tipp vom Selbstverteidigungskurs gewesen. 'Kleine Zusatzwaffe', hatte Sven gesagt. Hier tat er seine Wirkung. Mario schrie auf als ich ihn da traf, mehrere male, ich konnte auch sehen wie ihm das Blut aus den Wunden im Gesicht lief. Trotzdem ließ er nicht von mir ab.

Es wurde kritisch, meine Luft war abgeschnürt, meine Kehle tat weh. Ich drückte seinen Kopf weg, versuchte mit meinen Fingern in seine Augen zu stechen, aber verfehlte sie. Jetzt wirst du sterben, dachte ich. Uwe, ich komme zu dir ...! Dann passierte erneut etwas Unerwartetes. Uwe rettete mir das Leben. Auf ein mal ließ der Druck nach. Nur ein klein wenig, aber es reichte. Wie unter einer Glocke hörte ich: "Uwe? Mein Vater ist tot? Aber ich hab ihn doch ..." Ich schaffte es im Moment seiner Verwirrung, meine linke Faust mit dem Ring auf seiner Nase zu platzieren. Er jaulte auf. Mit einem weiteren Stoß konnte ich mich befreien und er fiel zur Seite. Ich schrie "Hilfe!". Aber es kam nur eine Art Krächzen aus meiner Kehle. Ich sprang hoch, wollte fliehen. Aber er schaffte es beim ersten Schritt, mich an der Fußfessel festzuhalten. Ich klatschte schmerzhaft auf den Boden, konnte mich aber mit den Händen abfedern. Und wieder war er über mir. Dieses mal sogar noch schlimmer, da ich auf dem Bauch lag und mich so nicht richtig wehren konnte. Wieder schrie ich: "Hilfe!" Nun schon wesentlich lauter. Aber es half nichts. Schon legte er seinen ganzen Arm um meinen Hals und drückte zu. Wieder bekam ich keine Luft. Das war das Ende! Plötzlich hörte ich aber eine Stimme. Eine Männerstimme.

"Hey, lassen sie die Frau in Ruhe!!! Hey, sie da!!!" Sein Griff lockerte sich. Nur ein wenig, aber es reichte, um ihn zu treffen. Ich traf ihn wohl am Hals, denn er gab ein gurgelndes Geräusch von sich. Er ließ von mir ab, richtete sich auf, schaute wohl, was ihn da erwartete. Auch ich kam jetzt wieder auf die Beine. Zwei Männer kamen auf uns zugelaufen. Der eine hochgewachsen und jung, der andere älter, etwas langsamer, aber sehr stabil. Und Mario, inzwischen offenbar ohne Waffe im Hintertreffen angesichts der anrückenden Truppe, war schon ein Stück weggelaufen, schnellen Schrittes. Immer noch liefen die Männer auf mich zu. "Sind sie okay? Hat der ihnen was getan?", rief der eine. Noch waren beide ein Stück weit von mir weg.

"Der will abhauen!", rief ich zu ihnen, und drehte mich zu Mario um. Der setzte sich jetzt in ein Auto, so ein Typ Stadtpanzer, also ein SUV, startete den Motor, und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Der erste der beiden Männer hatte mich mittlerweile erreicht.

"Ist alles gut?", fragte er.

"Der haut ab!!!", rief ich. Ich musste ihn aufhalten! Ich setzte ihm nach. Ich hatte nur ein Problem, genau genommen waren es sogar drei. Erstens: er hatte Vorsprung. Zweitens: sein Auto stand in Fahrtrichtung Ausgang, meines andersherum. Drittens: Mein Auto war gegenüber seinem wohl extrem untermotorisiert. Trotzdem, ich musste es versuchen. Der erste der beiden Männer schaute mir verwundert hinterher, der andere, der mittlerweile zu mir aufgeschlossen hatte, auch. Ich hechtete in meinen Wagen, startete, wendete umständlich. Dann fuhr ich ihm mit quietschenden Reifen und aufheulendem Motor hinterher. Ich musste ihn unbedingt erwischen! Ich war so was von wütend! Er hatte Uwe auf dem Gewissen. Ohne ihn wäre Uwe nie dorthin gefahren. Also hätte er auch keinen Unfall gehabt. Jedenfalls nicht dort. Ich hatte durchaus eine Chance. Am Ausgang des Friedhofs war eine Ampel. Dort musste man fast immer warten, da staute sich der Verkehr. Ich würde mein Auto vor seines setzen, sodass er nicht herausfahren kann, den Schlüssel abziehen, dann andere Autofahrer um Hilfe bitten, die Polizei anrufen.

Tatsächlich hatte ich, trotz hier gültiger 30er-Zone, mittlerweile bestimmt schon 80 km/h oder mehr erreicht. Leider ist das Gelände ja nicht nur Friedhof und Park, sondern ist auch bewirtschaftet. Plötzlich schob sich ein Hänger, beladen mit Ästen und geschoben von so einem Unimog, rückwärts aus einem Weg heraus und geradewegs auf die Straße, auf der ich mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr. Ausweichen ging nicht, auf der Gegenseite fuhr gerade ein anderes Auto. Ich trat voll in die Bremse. Aber es war zu spät! Der Hänger war nur noch etwa 10 Meter entfernt und kam wie in Zeitraffer immer näher. Dann gab es einen extrem lauten Knall. Ich flog nach vorne, mein Kopf noch mehr nach vorne. Der Airbag ging auf. Mein Auto schleuderte herum. Hart schlug mein Kopf irgendwo seitlich auf. Dieser zweite Knall war noch viel lauter als der erste. Und mein linkes Bein tat wahnsinnig weh.

Ich konnte mich noch erinnern, dass ich aufschrie. Dann wurde alles leise. Irgendwo stieg Dampf auf. Riesige Kopfschmerzen überfielen mich. Mir wurde übel. Bilder tauchten auf. Ich, in der Bibliothek, Uwe. Die Abiturfeier, ich im schönem sexy Kleid. Meine beste Schulfreundin Silke. Ich, wie ich im Rüschenkleid vor dem Spiegel stand, meine Puppe im Arm. Was war das? Sah ich jetzt mein Leben in Rückwärts an mir vorbeiziehen? Warum? Weil es schwindet? NEIN! NEIN!!!! Waren das ... waren das jetzt die letzten Sekunden in meinem Leben? Jemand riss die Tür meines Autos auf. "Sind sie okay? Können sie mir ihren Namen sagen?" Es klang dumpf.

"Sandra", stöhnte ich. "Neuhaus."

"Sie können jetzt nicht nach Hause", sagte jemand. Und er fuhr fort: "Fass mal mit an!" Ich spürte Arme, die nach mir griffen. Man zog mich aus dem Auto. Einige Leute wuselten um mich herum, die ich gar nicht richtig wahrnahm. Ich war wie unter einer Glocke, die alle Geräusche dämpfte. "Halten sie durch! Kommt gleich jemand!" Ich hörte den Ton eines Polizeiautos. Oder war es ein Rettungswagen? Die Leute wurden immer mehr. Sie unterhielten sich, aber ich verstand nichts mehr. Kommandos wurden gegeben. Es war wie bei einem Autorennen-Team, beim Reifenwechsel. Einer stach mich in die Hand, einer legte mir so eine Manschette um, einer drückte mir so eine Maske auf den Mund. Ein anderer hob mein Bein an, was wahnsinnig weh tat. Dann ließ er es wieder sinken. Auch das tat weh.

Mein Kopf schien ein einziger Brei zu sein. Ich war wie in Trance. Jemand schrie: "Hören sie? Hören sie?" War diese Frage an mich gerichtet? Ich versuchte zu antworten, aber ich konnte nicht. Ich war einfach zu schwach. "Bleiben sie bei mir! Schön weiteratmen!" Dann bekam ich Angst. Wahnsinnige Angst vor dem Sterben. Ein immer lauter werdender, schriller Ton schien sich immer tiefer und zunehmend lauter direkt in meinen Kopf zu wühlen. Auf einmal schien alle restliche Energie aus mir zu weichen, und es wurde schwarz. Ganz dumpf hörte ich noch Stimmen. Ich fühlte mich wie unter Wasser. Dann hörte ich Stille. Und dann kam das Nichts, nahm Besitz von mir.

Auf Messers Schneide oft steht das Leben, wird es sinken, oder sich wieder erheben?

Droht endlose Ruhe oder nur eine Qual, man kann nichts machen, hat keine Wahl.

Wird es weitergehen? Oder etwa nicht? Hier sind höhere Mächte in der Pflicht.

Hat der Bösewicht das Werk vollbracht? Oder wird es für Sandra nur eine lange Nacht?

Ist es an der Zeit für ihre himmlische Ruh? Oder geht es für sie weiter - ohne Tabu?

Fragen über Fragen, die Antwort fehlt, die Zeit wird zeigen, was uns so quält.

[Ende]

(c) 2025 Die Geschichte erscheint auch noch in einem anderen Erotikforum und wird auch unter einem Pseudonym in nur wenig veränderter Version als Buch erscheinen (mit einem anderen Titel).

Unauthorisierte Weiterverbreitung nicht gestattet. Verwendung einzelner Passagen im Rahmen von Zitaten ist zulässig.

Zusammenfassung Milfy Way (die Vorgängergeschichte)

Die Geschichte handelt von Sandra Neuhaus, einer verheirateten Frau von 40 Jahren, die zur Mittelschicht gehört und zusammen mit ihrem Mann, einem Manager, in einem von ihren Eltern geerbten Häuschen im nördlichen Hamburger Stadtteil Sasel lebt. Die Geschichte beginnt damit, dass Sandra ein paar Jahre später bei einem erotischen Anziehvorgang, den sie vor dem Spiegel des Kleiderschrankes macht, sich an die damaligen Gegebenheiten erinnert. Sandra erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive.

Sie sitzt mit Uwe, ihrem Mann, auf der Couch, sie versucht ihn zum Sex zu überreden, aber er schiebt wieder einmal berufliche Zwänge vor. Sandra erzählt dem Leser ein wenig aus ihrer Jugendzeit, in der sie bisher nicht mit jungen Männern intim geworden ist, bis sie Uwe kennengelernt hat. Sie erzählt uns, dass sie einen Laden in der Hamburger Innenstadt betreibt, in dem es vor allem Sachen aus Wolle zu kaufen gibt, aber sie macht auch Modeentwürfe, meistens Einzelstücke. Sie erfährt von Uwe noch, dass es morgen zu einer Party geht, im Haus seines neuen Chefs, den sie noch nicht kennt. Am Morgen danach versucht sie es erneut, wird aber wieder abgewiesen. Uwe vertröstet sie auf nach der Party. Am Abend geht es dann dorthin.

Sandra ist erstaunt, als sie den Chef von Uwe sieht, er heißt Piere. Er wirkt sehr jung. Ebenso wie seine etwas flippig aussehende Freundin und Lebenspartnerin Evelyn, eine kleine, zierliche Blondine. Sandra bemerkt die verhuschten Blicke zwischen Uwe und Evelyn, kann sie aber nicht deuten. Sie erfährt, dass keine weiteren Personen kommen, außer zwei weiteren Mitarbeitern, mit denen Uwe und Piere noch kurz einen Finanzplan durchsprechen müssen. Diese treffen dann ein. Piere fragt die beiden scherzhaft, ob sie jetzt ein Paar sind, die beiden wirken wie erwischt. Evelyn lotst Sandra dann in ihr Schlafzimmer. Evelyn erzählt ihr, dass sie es liebt, Dessous anzuziehen. Sandra ist ein wenig pikiert, als Evelyn ihr eröffnet, dass ihre Wahl auf Piere vor allem wegen der Größe seines Geschlechtsteiles gefallen ist.

Evelyn hat dann auch nichts Eiligeres zu tun, als Sandra ihre Dessoussammlung zu zeigen, und dann sogar einige Teile davon vorzuführen. Peinlich wird es, als dann auch Piere auftaucht und Bescheid gibt, dass es weiter gehen kann. Die beiden gehen wieder herunter. Einer der beiden Mitarbeiter ist noch da, eine Frau, Regina Schätzky. Im kurzen Gespräch wirkt sie ganz anders als es Sandra in Erinnerung ist, gelöster, Späßchen machend. Es stellt sich heraus, dass Regina sogar ihren wenig schmeichelhaften Spitznamen 'Zickchen' kennt. Nach ihrer Verabschiedung geht die Zusammenkunft weiter, bis Piere in die Küche verschwindet, zum Kochen. Dort errät Sandra aufgrund von Evelyns Frage, wie Evelyn damals Piere kennengelernt hat, und zwar in einem Laden für Dessous. Sie wird nach der Anzahl ihrer eigenen Dessous gefragt und versucht sich mit einer Lüge herauszuwinden, denn sie hat gar keine. Piere rettet sie, als er daraufhin mit den gekochten Sachen kommt.

Nach dem Essen gibt es weiteren Plausch. Piere erzählt, dass er früher einmal Koch gelernt hatte in Südtirol und sich dann weitergebildet hatte. Sandra schämt sich, erst mal wegen der Dessoussache, und auch dass sie auf ein mal Gedanken hat, die sich um Sex drehen, schafft es aber, das zu verbergen. Nach der Party fragt Sandra Uwe, ob er es sich auch wünscht, dass sie Dessous anzieht. Er bejaht es mehr oder weniger, und endlich bekommt Sandra von Uwe den sehnlichst erwarteten Sex. Anschließend fragt Sandra Uwe wegen Evelyn und ihre Wirkung auf ihn aus, aber Uwe ist nichts zu entlocken, bzw. er bezeichnet Evelyn als unreif und mädchenhaft. Sandra beruhigt sich wieder. Einige Wochen später erinnert sich Sandra an diese Dessoussache und ruft Evelyn an.

Evelyn sagt zu und Sandra besucht Evelyn, um mit ihr welche kaufen zu fahren. Sandra sieht geschockt, dass Evelyn, in einem Dessous gekleidet, in ihrem Schlafzimmer einen Sexfilm schaut, von der Art älterer Mann versus junge Frau. Genervt muss Sandra konstatieren, dass sie das kurze Ansehen dieses Films erregt hatte. Sie fahren los und einige Stunden später ist Sandra Besitzerin von zwei schönen Dessous. Sie gefällt sich darin, und zu Hause angekommen zieht sie eines von denen an. Die Erregung muss weg. Sandra greift sich eine Kerze und beginnt, sich damit selbst zu verwöhnen, was sie sonst nur selten gemacht hatte. Völlig überraschend hat sie einen Höhepunkt und versteht nicht, was mit ihr passiert war. War es der gesehene Film oder das neue Dessous?

Sie schläft im Dessous ein und bemerkt am anderen Morgen Uwe neben sich. Der ist auch sehr angetan vom neuen Schmuckstück und beide haben nochmals Sex. Am anderen Tag bekommt Sandra einen Anruf von Uwe, dass er geschäftlich nach Marseille reisen muss. Sie verabreden sich zum Skypen. Zur angegebenen Zeit wirft sich Sandra in Schale, dieses Mal im anderen Dessous, und bietet Uwe eine Vorführung mit der Kerze vom Vortag und einem simulierten Höhepunkt. Am anderen Tag erscheint Uwe zu spät zum Skype und ist verändert, völlig von der Rolle und unkonzentriert. Sandra macht sich Sorgen und verzichtet für diesen Tag auf eine neuerliche Show. Am nächsten Tag erscheint Uwe gar nicht zum Videophonat und reagiert auch nicht auf SMS. Auch am nächsten Tag: nichts. Sandra macht sich Sorgen, ruft an. Uwe ist unerreichbar. Sie erreicht niemanden und geht zur Polizei, um an Informationen zu kommen, die sie aber auf den nächsten Tag und seine Firma vertröstet.

Sandra fährt in die Firma. Piere ist nicht da, aber sie wird zu Frau Schätzky gelassen. Dort erfährt sie, dass die Firma von Uwes Verschwinden weiß. Und es stellt sich heraus, dass seine Firma Uwe nicht nach Marseille, sondern nach Kopenhagen geschickt hatte. Und sie erfährt, dass Uwe nach Marseille gereist ist, offenbar ohne Auftrag. Weitere Informationen dazu bekommt sie nicht und wird auf später vertröstet. Sandra ist am Boden zerstört, will sich damit aber nicht abspeisen lassen. Am Ausgang der Firma trifft sie auf den jungen Kollegen von Regina, der damals kurz auf der Party aufgetaucht war, erinnert sich an seinen Namen Julian. Der hatte, was sie nicht erwartete, auch ihren Namen behalten und sie lädt ihn spontan zum Abendessen ein, hofft über ihn an weitere Informationen zu kommen.

Ziemlich aufgeregt trifft sie sich dann mit ihm. Geschickt dosiert Julian Komplimente, ahnt, was Sandra will, und lenkt das Gespräch in eine andere Richtung. Sandra erfährt dann, dass Julian einen One-Night-Stand mit Regina hatte. Nach neuerlichen Komplimenten rückt Julian mit der Sprache raus, dass er etwas weiß, aber nichts sagen darf. Nach weiterem Geplänkel erwächst in Sandra ein Plan, da Julian einen Tipp gegeben hatte, dass sich seine Zunge mit mehr Alkohol lösen könnte. Sandra, selbst schon ziemlich angetrunken, geht zu seiner in der Nähe liegenden Wohnung mit. Mittlerweile entwickelt nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Geist ein Eigenleben. Mit anderen Worten, Sandra wird scharf auf diesen Julian. In der Wohnung angekommen, macht Sandra nach kurzer Zeit die ersten Schritte, dann fallen beide in höchster Lust über sich her.

Einige Zeit später kommt Sandra wieder zu Sinnen, begreift, was sie getan hatte, und zieht sich wieder an, bereit, aus Julians Wohnung zu flüchten. Aber vorher gibt Julian das Geheimnis preis: Uwe war in Marseille, um Geld von der Zweigstelle abzuzweigen, und er hatte dabei eine Helferin. Sandra kann es kaum glauben, aber es soll einen Film geben. Sandra flüchtet nun endgültig und fährt mit einem Taxi nach Hause, heulend wegen der Umstände, aber auch wegen der Sachen, die sie mit Julian gemacht hat. Aber zu Hause angekommen, gewinnt die Lust wieder Oberhand und Sandra verwöhnt sich selbst mit der Kerze. Sie versteht sich und die Welt nicht mehr. Am Morgen danach aufgewacht, sinniert Sandra erneut über alles und über ihren Betrug an Uwe. Sie schläft die Reste ihres Rausches aus und denkt dann über die Situation nach. Noch immer kann sie nicht glauben, was Julian gesagt hatte. Könnte es sein, dass die Firma nur Uwe loswerden will und etwas vorgetäuscht hat?

Sie holt dann ihr vor der Gaststätte stehendes Auto ab. Da kommt ein Anruf von Piere rein. Piere bittet sie, zu Hause bei sich nach dem Rechten zu schauen, da Evelyn nicht reagiert und er auf Reisen ist. Sandra verlangt den Film zu sehen, den Piere aber nicht zeigen will. Sie legt auf. Kurze Zeit später ruft Piere erneut an und sagt zu. Sandra schaut den Film an, der tatsächlich Uwe mit vermummter Helferin zeigt, und fährt zum Haus von Piere, für den sie einen elektronischen Zugang bekommt. Dort angelangt ist alles aufgeräumt, aber keine Evelyn da. Sie erstattet Piere Bericht und erfährt, dass auch noch von einem anderen Projekt ein Geldabfluss entdeckt wurde. Er bittet um Stillschweigen und erklärt dann auch warum. Die Firma ist in Schwierigkeiten. Ohne die abgeflossenen Gelder wäre bald Feierabend. Sandra schnüffelt noch ein wenig herum und entdeckt fehlende Kleidungsstücke. Ein leiser Verdacht beschleicht sie.

Zu Hause sieht sie sich den Film der Überwachungskamera noch mal an und stellt fest, dass es sich um Evelyn handeln muss. Uwe muss mit ihr getürmt sein und hatte offenbar gemeinsame Sache mit ihr gemacht! Ihre Welt bricht zusammen und sie fällt in ein tiefes, emotionales Loch. Sie muss mit jemandem reden. Aber mit wem? Da erinnert sie sich an Julian. Sie verabredet sich mit ihm. Dieses Mal in einem Café. Er wartet schon auf sie und bietet ihr emotionale Unterstützung, da man ihr ihre emotionale Verzweiflung deutlich ansieht. Julian ist überrascht, dass sie an den Film gelangt ist. Sie teilt ihm mit, dass sie weiß, dass es Evelyn ist. Julian bestätigt, dass er gesehen hatte, dass Uwe den Geldtransfer veranlasste, und nennt ihr Details zu der ganzen Sache. Nach ein wenig Kabbelei schafft es Julian wieder, Sandra zu sich nach Hause zu locken. Erneut hat sie Sex mit ihm. Er deutet an, dass er sich in sie verliebt hat, aber Sandra durchkreuzt seine Pläne und fährt nach Hause. Dort angekommen, fällt sie in eine erneute Krise, da ihr klar wird, dass sie Uwe nochmal mit Julian betrogen hat.

Am nächsten Tag, nach ihrem Arbeitstag im Laden, klingelt es bei ihr und Piere steht vor der Tür. Sie bittet ihn herein. Als sie Piere von ihren Erkenntnissen berichtet, bricht er fast zusammen. Auch er schaut sich den Film auf dem großen Monitor an und pflichtet Sandra bei. Die andere Person ist Evelyn! Piere sagt, dass sie Detekteien mit der Suche beauftragt haben. Da kommt ein Anruf für Sandra herein. Er kommt von der Bank, die wegen ihres Hypothekenkredits nachfragt. Die ganze Summe wurde in einem Stück an einen Bauunternehmer in Wien überwiesen, was ungewöhnlich ist. Sandra bekommt eine Ahnung, dass das alles mit Uwes Verschwinden und den Geldverlusten zusammenhängt, schafft es aber, die Bank zunächst abzuwimmeln. Sie unterrichtet Piere davon, der ihr den Rat gibt, das Konto zu sperren, und das restliche Geld, so es das noch gibt, zu retten. Piere übernachtet dort, sie schmieden Pläne, aber finden frustriert keinen Weg.

Am anderen Tag geht Sandra zur Bank, kann das Gemeinschaftskonto zwar nicht sperren, aber leer räumen und ein neues Konto eröffnen und damit das restliche Geld retten. Aber zumindest kann sie die alte Kreditkarte sperren, welche Uwe besitzt. Zu Hause zurück recherchiert sie, aber diese Baufirma scheint ein Fake zu sein. Abends fährt Sandra zum Haus von Piere. Der fragt Sandra, ob sie mit Uwe vor zwei Wochen in Mailand war, da das eine Detektei herausgefunden hat, aber Sandra war da alleine auf Sylt, meinte, dass seine Firma ihn ja nach Riga geschickt hatte, was Piere verneint. Piere kocht auf die Schnelle etwas. Während er in der Küche wirbelt, kommt ein Anruf herein. Es spricht keiner, und dann wird aufgelegt. Sandra konnte aber noch deutlich die Haltestellenansage 'Stephansplatz' hören. Sie vermutet, der Anruf kam von Evelyn. Somit wären sie also noch in Hamburg, denkt sie zuerst. Nach dem Essen übernachtet sie bei Piere und hat in der Nacht einen Traum. Sie träumt von der Haltestelle, nahe der Oper, wo sie vor kurzem mit Uwe war. Plötzlich fällt ihr ein, die ist ja momentan gesperrt wegen Baumaßnahmen. Da realisiert sie, dass dies die Haltestelle des Stephansplatzes in Wien sein muss. Sie verschweigt Piere ihre Erkenntnisse, beschließt, die weiteren Recherchen selbst durchzuführen, und fliegt nach Wien.

Dort angekommen, fährt sie als Erstes zur Adresse dieser Firma, die sich wie vermutet als Fake entpuppt. Dann observiert sie die Station Stephansplatz und hält nach Uwe Ausschau. Tage später hat sie Erfolg, es erscheint dort aber nicht Uwe, sondern Evelyn. Sandras Wut bricht sich Bahn und sie geht auf Evelyn los. Leider wird sie dann von anderen Fahrgästen am weiteren Vorgehen gehindert und Evelyn kann entkommen. Sandra wird dagegen von zwei Polizisten festgenommen, in die Wache gebracht und verhört. Das artet dann in ein Geplänkel vor allem mit der hübschen blonden Polizistin und Sandra aus. Sandra wird dann in eine Zelle gesperrt und die Polizisten recherchieren weiter, um Evelyn und Uwe aufzuspüren. Nach weiterer Kabbelei mit der Polizistin wird Sandra dann zunächst freigelassen. Sie ärgert sich wegen ihrer Unbeherrschtheit.

Am anderen Morgen bekommt sie Besuch in ihrem Hotelzimmer. Der andere, nette Polizist bringt Frühstück vorbei. Der Polizist, der merkwürdigerweise auch Julian heißt, erzählt Sandra, dass Uwe und Evelyn, die unter falschem Namen eingecheckt hatten, Hals über Kopf aus dem Hotel geflohen sind, ehe die Polizei sie sprechen konnte. Sie erzählen einander ihre Sorgen, flirten ein wenig miteinander und Sandra verführt ihn dann. Sandra erfährt, dass sie eine Wegweisungsverfügung bekommen wird, und der Polizist geht davon. Sandra checkt aus und trifft vor dem Hotel auf die blonde Polizistin, die ihr die Wegweisung übergibt. Sie schafft es, sie zum Abschied verbal anzugiften und fährt nach Hause. So hatte sie dort in Wien nicht viel erreicht, eher alles kaputt gemacht, und sich auch noch ein blaues Auge vom Kampf mit Evelyn und einen Knutschfleck von Julian eingefangen.

Zu Hause angekommen, sind Nachrichten von Piere auf Sandras AB. Sie ruft zurück und erfährt, dass Evelyns Auto in Brüssel entdeckt wurde. Sandra hält das aber für eine Finte. Ihren gescheiteren Ausflug nach Wien verschweigt sie Piere. Sie sinkt in tiefe Hoffnungslosigkeit und ahnt, dass sie ihr Hypothekengeld nie wiederbekommt. Da fällt an einem Feierabend ihr Blick auf den unmodischen Nachbarsohn. Sie weiß, dass er ein Nerd ist, und hat plötzlich eine Idee. Sie bittet ihn um Hilfe, und tatsächlich gelingt es ihm, mit Sandra Mithilfe den neuen Aufenthaltsort von Uwe festzustellen, auch sein Hotel. Kurzentschlossen beschließt Sandra, nach Zürich zu fliegen, und nimmt den Nachbarsohn Nico mit, da sie vermutet, dass sie dort seine Hilfe gebrauchen kann. Vorher schickt sie ihn noch zur Friseurin, die es schafft, ihn in einen attraktiven jungen Mann zu verwandeln.

Im Hotel erfährt sie mit einem Trick, dass Uwe auch hier falsche Anmeldedaten angegeben hat. Sie fängt mit einer Perücke getarnt an mit dem Observieren. Und am nächsten Tag sieht sie Uwe und Evelyn zusammen das Hotel verlassen. Mit einem dreisten Trick ergaunert sie deren Zimmerschlüssel und hastet zu Nico, der eine Matrize anfertigt, um einen Nachschlüssel anzufertigen. Nico macht sich auf den Weg, und Sandra betritt das Hotelzimmer von Uwe, schnüffelt herum. Auf dem Laptop kann sie die Passwortabfrage nicht überwinden. Der Kleiderschrank deutet auf einen längeren Aufenthalt hin. Auf einmal wird sie angesprochen. Ein großer, bulliger Mann, der sich als der Hoteldetektiv vorstellt. Er scheint gut informiert zu sein und als Sandra versucht sich herauszuwinden, droht er an, die Polizei zu rufen.

Zunächst nimmt er sie mit in sein kleines Büro im Keller. Sandra bekommt es mit der Angst, aber er ist friedlich. Sandra gelingt es nach und nach, ihn von der Wahrheit ihrer Geschichte zu überzeugen. Er will sich Uwe vorknöpfen, aber Sandra bittet ihn, das nicht zu machen, da sie sonst das Geld kaum wiederbekommen wird. Er lässt sich darauf ein, als Sandra sich ihm anbietet, lehnt das Angebot aber ab. Sandra bietet an, sein Hotelzimmer auf ihre Kreditkarte umzubuchen, da die Karte von Uwe ja gesperrt ist. Er ermahnt sie noch, keine weiteren Dummheiten zu machen, und lässt sie gehen. Als Nico wieder auftaucht, fragte sie ihn, ob er eine Idee hat, wie sie Uwe und Evelyn belauschen kann. Nico meint das ginge, benötigt aber sein Handy. Sie kaufen sich ein gleichartiges Gerät, und Nico präpariert es. Nico bekommt den Auftrag, die beiden zu observieren und zu verfolgen, wenn sie das Haus verlassen.

Dann geht es los, die beiden verschwinden in einer Gaststätte. Sandra folgt nach und bespricht sich mit Nico, wie sie das Handy austauschen könnten. Sie beauftragen für Geld eine junge Schweizerin, dabei zu helfen. Kurze Zeit später kommt Nico mit dem getauschten Handy wieder heraus. Uwe hat wie erwartet versucht, das für sein Handy gehaltene präparierte Handy zu entsperren, und Nico damit seinen Pin übermittelt. Nico spielt damit einen Trojaner auf das Handy von Uwe. Der hat mittlerweile gemerkt, dass mit dem Handy etwas nicht stimmt, und kommt aus der Gaststätte. Nico händigt ihm sein verwanztes Handy wieder aus und behauptet, es wäre ein versehentlicher Tausch beim Zusammenprall gewesen. Sandra hört mit dem Rücken zu ihm sitzend dem Rücktausch unter Herzklopfen zu. Freudestrahlend präsentiert Nico der staunenden Sandra, dass sie nun alles mithören können, was Uwe und Evelyn besprechen, wenn das Handy in deren Hörreichweite ist. Nico installiert die Mithör-App auch auf dem Handy von Sandra.

Während sie in den nächsten Tagen das Abhören fortsetzen, macht Sandra Spielchen mit Nico, um ihn zu reizen. Er beißt aber zunächst wegen seiner sexuellen Unerfahrenheit nicht an. Schließlich gelingt es Sandra doch, ihn zu verführen. Nach dem Akt gibt Nico ein 'fuck' von sich. Sandras Nachfragen, warum er in Englisch spricht, bringt Nico auf eine Idee. Er hatte bereits nachgeforscht und die Bank von Uwe ermittelt. Er ruft Uwe in englischer Sprache an, behauptet, er wäre Mitarbeiter der Bank, und Uwe müsste noch Daten angeben, da sonst das Geld zurückgeht. Sie geben die Informationen an und Uwe loggt sich in das Konto ein. Nico schneidet das Passwort mit und tätigt damit eine Überweisung, bringt Uwe dazu, diese auf der Handy-App zu bestätigen, was Uwe auch macht, da auf seinem Handy etwas ganz anderes angezeigt wird. Es klappt, und dabei bekommen Nico und Sandra noch zu erfahren, dass Uwe das gestohlene Geld mit einer Derivat-Wette noch vermehren wollte. Uwe und Evelyn ahnen von der Sache nichts und machen mit ihrem Liebesspiel weiter, wobei Uwe Evelyn noch seine Sicherheitsvorkehrungen verrät.

Sandra will den erfolgreichen Clou feiern, aber Nico will nicht mit. Nach dem Restaurantbesuch trifft Sandra zufällig den Hoteldetektiv. Sie will ihn belohnen und geht mit ihm mit, hat Sex mit ihm, der völlig anders als alles von ihr bekannte ist, den sie aber trotzdem genießt. Am nächsten Morgen schaut Sandra auf ihr Konto. Der Transfer hatte geklappt. Sie hat all ihr Geld wieder, und auch das gestohlene Geld von Uwes Firma. Sie fliegen zurück nach Hamburg. Sandra ruft Piere an und zitiert ihn zu sich nach Hause, da sie wichtige Informationen habe. Dort eröffnet sie ihm, dass Evelyn ihn mit Uwe betrügt. Piere ist geknickt, aber dann sagt sie Piere, dass sie alles Geld wieder bekommen hat und es der Firma wiedergeben will. In der Bank wird die Überweisung getätigt. Als Dank dafür muss Piere zusagen, dass er Nico für ein Praktikum anstellt, damit aus ihm ein Mann wird. Außerdem bittet sie Piere aus nicht ganz uneigennützigen Gründen darum, dass sie Nico als Dank dafür einen Gutschein für ein Fitnessstudio schenken. Sandra möchte Nico nämlich körperlich ertüchtigen.

Am nächsten Morgen kommt ein anonymer Anruf rein. Am Apparat ist Uwe, der das Transferieren des Geldes mittlerweile gemerkt hat, Sandra beschimpft und sie bekniet, das rückgängig zu machen. Seiner Warnung schenkt sie keine Beachtung, gibt sich vielmehr ihren Emotionen hin, legt auf, und unterbindet weitere Kontaktversuche. Einige Tage später, sie hat mittlerweile das Türschloss getauscht, falls Uwe auftauchen sollte, lädt sie Nico zu sich ein. Der Grund ist, sie hat mittlerweile die Vorzüge eines jungen Liebhabers kennengelernt und will ihn außerdem belohnen. Sie haben Sex und nebenbei bringt Sandra ihm noch einiges bei und stellt weitere Treffen in Aussicht. Sie setzt Nico vom Praktikumsplatz in Kenntnis, der sich zwar darüber freut, aber auch ein wenig besorgt ist. Sandra zerstreut seine Zweifel.

Einige Tage später bekommt Sandra eine SMS von Uwes Arbeitskollegen Julian, den sie ja bereits kennt. Sie gehen in die gleiche Gaststätte wie damals beim ersten Treffen. Sandra erfährt einige Neuigkeiten, Julian aber auch welche von ihr. Sie übersteht eine kurze emotionale Krise, als ihr durch die Erzählung noch mal alles durch den Kopf geht, fängt sich aber wieder. Nach dem Essen beschließen sie, noch auszugehen. Sie fahren auf den Kiez und dort in einen Club. Nach ausgiebigem Tanzen, Sandra hatte es lange nicht mehr gemacht, entkommt sie noch einem vermuteten K.-o.-Tropfen Versuch von anderen Männern, ehe sie dann beide im Taxi zu Julians Wohnung fahren. Sie verführt ihn und haben Sex. Beim Frühstück am nächsten Morgen gibt es noch einmal einen Nachschlag. Sandra findet ihr neues, nun angebundenes Leben schön und freut sich darauf, als sie dann nach Hause zurückkehrt.

Mit dem neuen Leben ist es einige Tage später jäh zu Ende, als auf einmal zwei Männer und eine Frau von der Kripo vor der Tür stehen. Sie bringen eine schlechte Nachricht mit: Uwe ist Opfer eines Autounfalls geworden. Auch Evelyn hat es erwischt, aber sie lebt noch, ist im Koma. Sandra kann es kaum glauben und fällt in tiefe Trauer, obwohl Uwe sie doch voll betrogen hatte. Sie wird wütend über ihr Schicksal und zersticht das Kissen von Uwe x-mal mit einem Messer. Sandra will am anderen Morgen zur Polizei gehen, aber die stehen wieder vor ihrer Tür und nehmen sie zum Kommissariat mit. Sandra ist ahnungslos. Im Verhörraum werfen die Kommissare ihr vor, von Drogen zu wissen, die Uwe beim Unfall in seinem Auto hatte. Sandra fällt aus allen Wolken, weiß ja von nichts. Sie wissen nicht alles, aber zumindest von dem Angriff in Wien und vom Aufenthalt in Zürich. Als sie immer stärker in die Mangel genommen wird, verweigert sie weitere Aussagen und ordert einen Anwalt.

Der kommt dann bald in Gestalt der attraktiven und jungen Anwältin Ellen Buck. Die Polizei erzählt dann endlich weitere Details. Bei den Drogen soll es sich um die Modedroge Fentanyl handeln, eigentlich ein superstarkes Schmerzmittel. Einen Vorwurf des Aufenthalts in Mailand kann Sandra mit Fotos eines Sylt-Aufenthalts entkräften. Die Anwältin stellt fest, dass gegen Sandra maximal einige Lappalien vorliegen und holt sie aus dem Verhör heraus, auch weil der Polizei einige Versäumnisse passiert sind. Die Anwältin fährt Sandra nach Hause, Sandra erzählt ihr die ganze Geschichte aus ihrer Sicht von den ersten Anfängen bis zum ersten Teil des Verhörs. Sandra bemerkt, dass Ellen Probleme hat, verspannt ist. Sie massiert ihren Hals und Nacken. Urplötzlich überfällt sie die Lust. Beide beginnen übereinander herzufallen. Für Sandra ist es das erste Mal mit einer Frau, Ellen praktiziert es schon länger, ist aber wie Sandra nicht nur auf Frauen fixiert. Auch Ellen erzählt ihr, dass sie junge Liebhaber bevorzugt.

Als Ellen gegangen ist, geht Sandra auf die Suche nach Dokumenten. Sie findet eine Lebensversicherungspolice, Festgeldzertifikate, das Testament und ein Aktiendepot. An letzteres kommt sie aber nicht heran und laut Polizei hatte Uwe das schon geleert. Am anderen Tag fährt Sandra zu ihrem Laden. Sie wollte nichts sagen, aber ihre engste Mitarbeiterin merkt ihr etwas an und sie erzählt vom Unfalltod ihres Mannes. Spät am Tag kommt Ellen noch mal vorbei und erzählt, was die Polizei hat, und sie überlegen sich eine Strategie. Ellen deutet an, dass eine Hausdurchsuchung folgen könnte, verlässt nach dem Gespräch das Haus. Sandra geht zu Nico herüber, sagt auch ihm, was Uwe passiert ist, und lässt ihn die Abhörsoftware von ihrem Handy entfernen.

Am anderen Tag schlägt in aller Frühe die Polizei zur Hausdurchsuchung bei ihr auf. Diese müssen warten, bis die Anwältin Ellen Buck vor Ort ist, und beginnen dann, wobei Ellen es schafft, die Polizei ziemlich auszubremsen. Es werden einige Dokumente beschlagnahmt, auch Sandras Auto, ihr Mobiltelefon, der Laptop. Ellen nimmt Sandra anschließend in ihrem Auto mit, damit Sandra zu ihrem Laden kommt. Einige Tage später ruft Ellen wieder an. Die Polizei hat noch weitere Fragen und bittet ins Kommissariat. Ellen holt sie ab und beide fahren dorthin. Dort angekommen, wird Sandra mit neuen Vorwürfen konfrontiert. Die Polizei beginnt mit der Lebensversicherung und unterstellt Sandra damit ein Tötungsmotiv. Ihre Strategie gerät ins Wanken, da die Polizei von Nico weiß. Es gelingt Sandra zunächst, das zu entkräften, aber nun bringt die Polizei das zerstochene Kissen ins Spiel. Aber Ellen schaltet blitzschnell. Sie erwähnt den Unfallbericht und die Zeugen, und übersetzt den ersten Obduktionsbericht, der nur in Italienisch vorliegt. Was dort geschrieben steht, kann Sandra nicht sehen, aber für die Polizisten ist das sehr überzeugend. Die Polizisten lassen die Vorwürfe fallen und Sandra kann gehen. Sie bekommt ihre beschlagnahmten Sachen wieder und auch die wenigen bei Uwe gefundenen Sachen.

Sandra sucht sich einen Bestatter. Sie will nur eine kleine Feier. Tagelang ist sie in Trauerdepression. Dann bekommt sie aber einen Kondolenzbesuch von Piere, der sie bekniet, eine richtige Abschiedsfeier zu machen, auch für die Leute in der Firma, bei denen die meisten von seinen kriminellen Aktivitäten nichts wissen. Sie erfährt, dass auch Piere in den Fängen der Polizei war, die aber auch bei ihm keine Verbindung zu den Drogen finden konnten. Sandra ändert die geplante Beerdigung in eine große Feier ab und schaltet auch eine Todesannonce. Die Beerdigung findet unter überraschend hoher Beteiligung statt und Sandra lässt diese mit viel Schluchzen und echter Trauer über sich ergehen, auch das anschließende, von Uwes Firma ausgerichtete Abschiedsessen. Auch Ellen war mit dabei und begleitete sie mit nach Hause.

Am anderen Morgen versucht Ellen, die Sandras Depression mitbekommen hatte, Sandra zu Aktivitäten, zu einem neuen Leben zu animieren, da das frühere Leben nun endgültig vorbei ist. Sie fahren in die Hamburger Innenstadt und kaufen sich Dessous. Anschließend geht es in die sündige Meile und beide kaufen sich einige Vibratoren. Zurück zu Sandra nach Hause haben beide Sex. Ellen versorgt Sandra noch mit Ratschlägen, und Sandra fühlt sich anschließend schon ein wenig besser.

Einige Wochen später ...

Piere meldet sich, der mittlerweile Evelyn im Krankenhaus in Italien besucht hat. Er will sich bei Sandra bedanken und lädt sie in ein Restaurant ein. Sandra hat aber andere Pläne mit ihm und bittet ihn um ein Abendessen bei ihm zu Hause. Ihr Plan ist, ihn dort zu verführen. Sie erzählt ihm einige Details aus ihrem Coup mit Nico. Seine Blicke landen wie von ihr gewünscht immer häufiger auf ihr. Nach dem Nachtisch verführt sie ihn schließlich und schläft mit ihm, stundenlang. Evelyn hatte nicht zu viel behauptet. Sein Ding ist wirklich ziemlich groß. Sie gibt ihm am Morgen danach zu verstehen, dass sie sich gelegentliche weitere Treffen mit ihm vorstellen kann, und hat nochmals Sex mit ihm. Sandra beginnt, Gefallen an ihrem neuen Leben zu finden, und beginnt sich auszuprobieren. Im Supermarkt krallt sie sich einen jungen Mann und verführt ihn anschließend, und eine Woche später in einem Bekleidungsladen einen älteren Mann. Ihr dämmert, dass sie tatsächlich nahezu jeden Mann bekommen kann, den sie will.

Zwei Wochen später, es ist Freitag und Sandra hatte ihren Laden früher als sonst verlassen, um ein längeres Wochenende zu haben. Zu Hause angekommen, bemerkt sie Merkwürdiges, denkt sich aber nichts dabei. Als sie das Wohnzimmer betritt, ist alles verwüstet, und sie wird von einem vermummten, großen und kräftigen Mann überfallen, der sie mit einer Pistole bedroht. Sie erfährt, dass er einen Datenträger sucht. Die Hintergründe dessen erzählt er nicht. Er sucht weiter und als er nichts findet und mit den Antworten von Sandra nicht zufrieden ist, kommt Sandra eine Idee. Sie behauptet, dass ein Datenträger in einer Kaffeedose im Garten vergraben ist. Der Angreifer sperrt die mit Kabelbindern gefesselte Sandra in den Hauswirtschaftsraum. Sandra versucht, sich zu befreien. Erst klappt es nicht, aber als sie es schafft, mit dem Mund einen Lötkolben in die Steckdose zu bringen, schafft sie es. Aber noch ist sie im Raum eingesperrt.

Sie schaut sich um und entdeckt den Feuerlöscher, bereitet sich vor. Als der Typ wieder auftaucht und sich beim Anmachen des Lichts die Hand verbrennt, nutzt Sandra das Überraschungsmoment und betätigt den Feuerlöscher, greift ihn danach damit an. Ein Schuss löst sich. Beim Nachsetzen schafft es Sandra zu erreichen, dass der Typ flieht, da er nun keine Waffe mehr hat, da er die verlorene Pistole im Eifer des Gefechtes nicht wiederfindet. Im Vorgarten rennt er einen Mann um, der offenbar blind ist. Sandra rennt raus und bietet ihm Hilfe an, fängt an, ihn zu verarzten. Eine Nachbarin von gegenüber lässt die Polizei rufen. Erst jetzt nimmt Sandra wahr, dass sie auch verletzt ist, an der Hüfte. Die Polizei kommt und fängt an, Sandra zu befragen. Sie starten eine Fahndung und rufen einen Rettungswagen.

Jetzt taucht der Rettungswagen auf und Sandra wird behandelt. Sie hat sich einen Streifschuss eingefangen. Während der blinde Mann behandelt wird, kommt ein Auto vorbei. Es ist die Kriminalpolizei. Den einen von denen kennt sie von der Befragung. Die Kripobeamten sprechen kurz mit Sandra und gehen ins Haus. Sandra kümmert sich noch um den Blinden und gibt ihm ihre Telefonnummer. Sandra geht zurück zu den Beamten und erzählt nun Details der Geschichte. Mittlerweile kommt inzwischen auch die Spurensicherung und nimmt das Haus in Beschlag. Die im Flur liegende Waffe wird gefunden.

Auf einmal tauchen zwei weirere Leute auf, Mann und Frau. Der Mann sagt seinen Namen und Sandra erkennt, dass er ein Studienkollege von Uwe sein muss. Sie heißen Jakob und Meike. Es war ein spontaner Besuch. Beide wussten nicht davon, dass Uwe gestorben ist. Spontan bieten beide Sandra an, mit zu ihnen zu fahren, bis die SpuSi fertig ist. Sandra nimmt an, muss vorher aber noch zur Untersuchung in die Rechtsmedizin. Sie erzählt ihnen von dem Einbruch und Überfall, und auch davon, was Uwe für Sachen gemacht hatte. Sandra fährt zu den beiden und wird gastlich aufgenommen. Es gibt Kaffee und Kuchen, und später kocht Meike auch noch Abendessen. Beide erzählen sich ihre Kennenlerngeschichte und Sandra noch mehr von ihren dramatischen Ereignissen. Als sie von ihrem damaligen Betrug mit Julian erzählt, trösten sie Sandra sogar. Dann machen sie sich bettfertig, Sandra schläft auf der Couch. Sandra ist irritiert von Meikes Frage, ob ihr Jakob gefällt. Meike muss dann zur Arbeit, Jakob macht Frühstück. Kurz fängt es an zu kribbeln, aber Sandra widersteht der Versuchung und fährt zur Polizei, um ihre Aussage zu machen.

Dort bekommt sie ein Foto des Täters vorgelegt, den sie nicht kennt, erfährt dann, dass dieser bei der Flucht vor der Polizei einen Unfall erlitten und verstorben ist. Er hatte kurz vorher noch jemanden angerufen, vielleicht seinen Auftraggeber, aber Sandra kennt die Nummer nicht. Sie bekommt noch Tipps für eine bessere Absicherung ihres Hauses und fährt nach Hause, hat dann erst mal viel zu tun mit dem Aufräumen. Einige Tage später meldet sich der blinde Mann von vor dem Haus beim Einbruch, und Sandra verabredet sich mit ihm. Er sucht das Lokal aus und Sandra ist schon nach kurzer Zeit erstaunt von seinen besonderen Fähigkeiten, die er wegen seiner Erblindung hat. Das hat sie nicht erwartet. Er erzählt von seiner beruflichen Tätigkeit, arbeitet in der Teilchenforschung. Sie führen interessante Gespräche und im Laufe davon gibt Sandra ihm zu verstehen, dann sie mit ihm schlafen möchte. Sie geht mit ihm mit und erlebt einige schöne Stunden voller Sinnlichkeit.

Einige Monate später ...

Sandra bekommt einen merkwürdigen Brief. Als Absender ist Uwe angegeben. Sie öffnet den Brief, auf dem mit großen Buchstaben steht: ICH WEISS WAS DU GETAN HAST! KOMM ZUM TREFFEN!!! Sandra ist völlig durcheinander, verängstigt, verunsichert. Als sie den Brief umdreht, ist eine Eintrittskarte für die Hamburger Elbphilharmonie aufgedruckt. Das soll also der Treffpunkt sein! Sandra ist zögerlich, berät sich telefonisch mit Ellen. Die rät ihr dorthin zu gehen, damit sie der Sache auf den Grund gehen kann. Sandra geht dorthin, aber es kommt keiner. Der Platz neben ihr bleibt leer. Sie beginnt das Musikstück zu genießen, darin einzutauchen, weil es ähnlich dramatisch wie ihre kürzliche Geschichte ist. Nach dem Konzert lernt sie den Mann zwei Plätze weiter kennen, der scheinbar Ähnliches erlebt hat, wie er ihr zu erkennen glaubt. Er lädt sie auf einen Absacker ein.

Sandra erzählt ein wenig von dem Grund, warum sie hier ist, und auch einige ihrer Erlebnisse. Der Fremde mit Namen Peter wird unvorsichtig. Als er sagt, dass er Archivar ist, kombiniert Sandra und sagt ihm auf den Kopf zu, dass er für die Polizei archiviert und er selbst den Zettel geschrieben hat. Sie will gehen, aber er hält Sandra auf. Er erzählt ihr dann, dass er ihre Akte gelesen hat und sie kennenlernen wollte, und dass er Hobbyschriftsteller ist. Sandra beginnt, sich für ihn zu interessieren. Er erzählt, dass seine Frau an einem Hirntumor gestorben ist. Sie unterhalten sich über die Hintergründe des Musikstückes und Sandra fährt mit ihm anschließend zu ihm nach Hause, was fast auf ihrem Weg liegt. Als sie sich ihm dort nähert, macht er dicht und verweigert sich. Angeblich würde er das als Betrug an seiner verstorbenen Frau empfinden. Enttäuscht fährt Sandra nach Hause.

Aber schon am nächsten Tag hat Sandra eine Idee. Auch sie schreibt jetzt einen Brief und fordert ihn darin auf, zu einem Treffpunkt zu kommen. Dieser ist eine Bushaltestelle nahe einer Modelwohnung, welche ihr Ellen vermittelt hat. Sandra verkleidet sich als Prostituierte und nimmt ihn am Treffpunkt in Empfang. Sie nennt sich in dieser Verkleidung Ludmilla. Sie gehen in diese Wohnung und endlich ist Peter bereit, Sex mit ihr zu machen, da er sie ja bezahlt. Dass Sandra ihm das Geld später wieder zurückschickt, weiß er ja noch nicht. Sie stellt weitere Treffen dieser Art in Aussicht, welche sie aber bestimmen wird. Und dabei wird sie immer die Prostituierte Ludmilla sein.

Knapp drei Jahre später ...

Sandra, längst in ihrem neuen Leben angekommen, hat nun nach überstandener Coronazeit wieder in Lust für Unternehmungen. Sie will an die Küste fahren, wo sie mehrere Ferienwohnungen besitzt, von denen sie aber eine heute für sich geblockt hat. Vor ihrem Haus trifft sie auf Bettina, die Nico kennengelernt und ihn geheiratet hatte. Nach einem kurzen Schnack fährt sie los. Zunächst aber macht sie Station bei Evelyn im Pflegeheim. Immer noch liegt Evelyn im Wachkoma. Sandra beschimpft sie und trifft anschließend im Flur auf Piere, mit dem sie sich kurz unterhält. Evelyn war, als der Unfall passierte, von Piere schwanger, und er betreut inzwischen das Kind und besucht Evelyn so oft wie möglich. Sie verabredet sich lose mit ihm, da sie immer noch gelegentlich Sex miteinander machen.

Anschließend fährt Sandra zum Friedhof. Sie hat eine Verabredung. Uwe erscheint. Sandra hat ein Gespräch mit ihm, welches sich um die vergangenen Ereignisse dreht. Sie sprechen einige der Ereignisse miteinander durch. Sandra bohrt vor allem wegen des Unfalls nach. Uwe gibt aber wie immer keine Antwort. Sandra gibt ihm Zeit zur Antwort, denkt dabei an eine junge, attraktive Witwe, auf die Sandra vor ein paar Wochen ein Auge geworfen hat, stellt sich ein Treffen mit ihr vor. Als sie Uwe erneut fragt, ist er verschwunden. Der Leser erfährt, dass es ein fiktives Gespräch mit ihm auf dem Friedhof war, wo Uwes sterbliche Überreste liegen. Sandra fährt zur Küste und sinniert dabei über die vergangenen Ereignisse und ihr neues Leben.

Manchmal nehmen sie die Ereignisse noch mit, aber nicht mehr so oft, und nicht mehr so stark. Einige Rätsel blieben und werden sich wohl nie mehr aufklären, aber Sandra schaut nur noch nach vorn. Dort am Strand entdeckt sie einen jungen Mann, ihre bevorzugte Zielgruppe. Sie kommt mit ihm in ein Gespräch und durch eine unbedachte Äußerung bringt sich der junge Mann in eine Zwickmühle. Sandra entschärft die Situation und lädt ihn in eine Gaststätte ein. Sie kommen beim Essen natürlich ins Gespräch und dabei erfährt Sandra, dass er keine Freundin hat und auch noch nie eine hatte. Sandra macht ihm relativ schnell klar, dass sie an ihm interessiert ist. Sehr direkt sagt sie, was sie sich von ihm wünscht, und nimmt ihm die Angst. Sie geht mit ihm zu ihrer Ferienwohnung. Kurz sinniert Sandra noch über ihr manchmal allzu freizügiges Leben, eher er aktiv wird und Sandra sich ihm hingibt.

Mit dieser Szene endet die Story. Ein abschließendes Gedicht macht unheilschwangere Andeutungen über kommende Ereignisse.



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