Zwei Stunden ohne Wiederkehr (fm:1 auf 1, 2072 Wörter) | ||
Autor: Solist | ||
Veröffentlicht: Feb 22 2006 | Gesehen / Gelesen: 20291 / 15126 [75%] | Bewertung Geschichte: 8.33 (78 Stimmen) |
Wenn er sich vor mir über seine Lippen leckt, weiß ich, welche Lippen er eigentlich meint: Erinnerung an unsere Musikstunden, die im Schlafzimmer endeten. Da haben wir uns gegenseitig herrlich was gegeigt. |
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Wir feierten in unserem Garten Geburtstag. Mein Mann wurde 50. Bei dieser Gelegenheit wurde mir wieder einmal bewusst, wie alt er schon war. 18 Jahre und sechs Monate älter als ich. Aber ich hatte es ja gewusst. Damals, als ich ihm in der Firma begegnet bin. Ich war 22, hatte nach dem Abi gerade meine Lehre beendet. War ein rechtes Mauerblümchen. Ohne sexuelle Vergangenheit. Vielleicht reizte ihn gerade meine Unerfahrenheit. Er arbeitete schon als Abteilungsleiter. Bei einem Betriebsausflug lernten wir uns näher kennen. Mir schmeichelte seine Aufmerksamkeit. Ich besuchte ihn. Einmal, zweimal. Dann verführte er mich. Ich weiß noch genau, dass ich mir das erste Mal eigentlich schöner vorgestellt hatte. Aber er hatte mich zur Frau gemacht. Das war das wichtigste für mich Spätstarterin. Wir blieben zusammen. Heirateten anderthalb Jahre später. Er kam oft gestresst nach Hause, wenn ich schon da war. Er hatte mehr Verantwortung als ich und daher auch mehr zu tun. Ich hätte mir mehr Sex gewünscht, aber im Grunde war ich ganz zufrieden. Wir hatten ein schönes Haus vor der Stadt, nette Nachbarn. Mit 26 wurde ich zum ersten Mal schwanger. Und bekam zwei Jahre nach dem ersten unser zweites Mädchen. Als Mutter fühlte ich mich wohl. Als Geliebte musste ich zurückstecken. Aber so ging es ja wohl vielen Frauen. Nicht, dass mein Mann impotent gewesen wäre. Aber ihm fehlte ein bisschen die Sensibilität, die man als Frau so gern hat. Wenn es mal dazu kam und er fertig war mit seinem Liebesakt, kümmerte er sich nicht mehr groß um mich. Ein Gutenachtkuss, das war es dann. Ich hätte es niemandem anvertrauen wollen; ich hätte mich geschämt, es zu berichten. Tatsache ist: Bis heute habe ich noch nie einen normalen Orgasmus gehabt. Ich muss ihn mir schon eigenhändig besorgen, was ich oft im Bett mache, wenn mein Mann schon schläft. Oder bei anderen Gelegenheiten.
Zurück zur Geburtstagsfeier. Fast alle eingeladenen Nachbarn waren gekommen. Auch der aus dem zweiten Haus links. Ein charmanter Junggeselle. Freiberufler. Ich glaube, sogar zwei Jahre älter als mein Mann. Aber ein drahtiger Typ, der regelmäßig Sport betrieb. Ein geselliger Typ auch; wenn man ihn suchte, musste man nur sehen, wo sich mehrere um einen Wortführer scharten. Gerade ging es um das Thema: Sollen Männer in der Öffentlichkeit im Sommer kurze Hosen tragen? Bodo war dafür und plädierte im Gegenzug ebenfalls vehement dafür, dass sich Frauen auch fraulich kleiden sollten. Nicht immer in Hosen herumlaufen. Kleider und Röcke wären doch viel ansehnlicher. "Vor allem für die Augen von uns Männern", wie er ergänzte und sich des Beifalls seiner Geschlechtsgenossen sicher sein konnte. Er war aber kein Krakeeler, sondern auch ein musischer Typ. Spielte ziemlich gut Klavier. Alles Eigenschaften, die mein Mann nun eben nicht hatte. Aber der sprach ihn am Ende unseres Festes an, als die weiter weg Wohnenden schon abgedüst waren. "Sag mal, hättest du nicht ab und zu Zeit, mit Biggi zu musizieren? Sie spielt so gern Geige, und sie hat mir gesagt, schöner wäre es zum Beispiel mit einem Pianisten zusammen." Na ja, so ein großer Könner sei er sicher nicht, gab er ihm zur Antwort. "Aber für Biggi wird es wohl reichen", grinste mein Mann unseren Nachbarn an. Der darauf: "Ja, wenn sie will. Ich tue ihr gern den Gefallen." Ich bekam es mit einem Ohr mit. Mein Mann kam beim Aufräumen am nächsten Morgen noch einmal darauf zurück. Ich spürte, dass ich errötete, und hoffte, dass mein Mann nichts davon mitbekam. Denn mit Bodo, so hieß besagter Nachbar, tauschte ich zuweilen schon mal einen mehr als normalen Blick aus. Wenn wir uns trafen und grüßten, drehte er sich zuweilen noch nach mir um. Und ich nach ihm. Wenn sich dann unsere Blicke trafen, war mir das ein bisschen unangenehm. Ihm offenbar nicht. Ich gebe zu, dass ich dann, wenn ich es mir im Bett machte, manchmal an ihn dachte. Er schien ein guter Liebhaber zu sein. Jedenfalls strahlten die Frauen, die ihn zuweilen besuchten, Klasse aus. Und Zufriedenheit, wie ich zu entdecken glaubte.
Wir hatten uns für Donnerstagmorgen zum ersten Musizieren verabredet. Kurz vor neun brachte ich die beiden Mädchen zum Kindergarten, dann war Zeit notfalls bis zwölf. Ich stand also mit meinem Geigenkasten vor seiner Tür. Er öffnete, gab mir die Hand, bat mich herein. Ich fühlte, dass ich aufgeregt war. Erregt schon? Weiß ich nicht mehr. Wir breiteten die Noten aus, übten; es ging leidlich. In einem Takt waren wir uns nicht einig. Ich zeigte mit dem Geigenbogen auf meine Noten darin, dabei beugte ich mich von hinten über ihn, um besser sehen zu können. Nein, ich hatte das nicht so geplant; aber mit meiner Brust berührte ich seine Schulter. Er drehte sich um, sah mich lächelnd an und sagte: "Das kannst du ruhig öfter machen, Biggi." War mir das peinlich! Nach gut einer Stunde verabschiedete ich mich. Und freute mich, dass er mir einen Kuss auf die Wange gab. Ich vermochte seinem
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