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Reif (fm:1 auf 1, 3407 Wörter)

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Veröffentlicht: Nov 04 2011 Gesehen / Gelesen: 24117 / 19084 [79%] Bewertung Geschichte: 9.04 (104 Stimmen)
Zweite Reihe, Fenster. Hilfsbereit. Unauffällig. Nett. So war Martha vor zwanzig Jahren. Heute war sie in etwa so unauffällig wie ihr Lancia Thesis. In dem saß Marek jetzt mit ihr. Ausgehungert und erregt... Ein Roadmovie der besonderen

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Die Wischerblätter kratzten ein paar Mitleid erregende Tropfen von der Windschutzscheibe des schwarzen Lancia Thesis, der weiß Gott nicht gebaut wurde, um Mitleid zu erregen. In diesem Sommer hatte es nur wenig geregnet, dachte Martha. Ihr konnte das nur Recht sein, denn sie lag am liebsten mit einem Buch auf der Wiese und las. Ihrem Mann hingegen war das alles andere als Recht, denn wegen der Trockenheit musste der Rasen täglich gewässert werden, damit sich das Mähen auch lohnte. Und der Rasen musste schließlich gemäht werden, damit die Grashalme nicht in den Himmel wuchsen.

Martha und ihr Mann hatten nur noch wenige Gemeinsamkeiten. Sie versuchte sich zu erinnern, warum sie ihn vor acht Jahren geheiratet hatte, musste sich aber auf die Straße konzentrieren. "Am besten kommst du ab Sierndorf über die Prager Straße", hatte Marek gesagt. Noch bevor Martha Stockerau erreichte, begann es stärker zu regnen. Als sie in die Anton-Wildgans-Gasse einbog, schüttete es in Strömen. Sie verfluchte die Wettervorhersage und drückte zweimal auf die Hupe, denn sie hatte definitiv keine Lust, sich das neue Kleid und die wunderbar lässige Frisur nass regnen zu lassen.

Marek schaute erst auf die Uhr und dann in den Spiegel. Weder, was er da, noch was er dort sah, gefiel ihm. Sie kam zwanzig Minuten zu früh, diese Streberin. Er noch unrasiert und vom Schlaf zerknautscht. Weit und breit kein gebügeltes T-Shirt. Daran hatte er sich längst gewöhnt, schließlich war er seit Ewigkeiten geschieden. Marek blickte aus dem Fenster und deutete ihr mit den Fingern beider Hände, dass es noch ein bisschen dauern würde.

"Bad Ischl." Er wunderte sich über die Sentimentalitäten seiner ehemaligen Mitschüler und griff zum elektrischen Rasierapparat. Fünfundzwanzig Jahre war die Maturareise ins Salzkammergut jetzt her. Wenn er sich so im Spiegel betrachtete, könnten es ebenso gut fünfunddreißig sein. Noch konnte er sich nicht entscheiden, ob er sich auf das Wochenende wirklich freuen sollte. Die anderen würden von ihrer sagenhafte Karriere erzählen, von ihrem Handicap beim Golf und Fotos ihrer wohlgeratenen, mittlerweile erwachsenen Kinder präsentieren. Die Bilder ihrer Ehefrauen waren wahrscheinlich längst vergilbt und durch neue ersetzt. Und er? Was hatte er vorzuweisen?

Martha hupte wieder. Wo blieb dieser Depp nur? Natürlich hatte sie bei dem strömenden Regen sein Gestikulieren am Fenster nicht sehen können. Wahrscheinlich konnte er sich nicht von seiner Frau trennen. Weiß der Teufel, was die beiden da noch trieben. Ein Grund mehr, nicht auszusteigen. Sie suchte nach ihrer Handtasche. Auf dem Rücksitz ganz rechts. Mist. Da kam sie nicht dran ohne das Auto zu verlassen. Sie sehnte sich nach ihrem alten Daihatsu Cuore zurück, in dem hatte sie problemlos bis zur Hutablage greifen können. Damals. Ein Blick in den Rückspiegel. Schon wieder Mist. Sie brauchte den Lippenstift. Dringend.

Am Haus öffnete sich die Eingangstür. Ein dicker, schnurrbärtiger Glatzkopf mit Trachtenjäckchen kam heraus. Noch mehr Mist. Auch er traute sich nicht durch den Regen und blieb im Eingang stehen. Martha kratzte sich am Ohr. Die Jahre hatten es nicht gut gemeint mit Marek Duracek. Während sie noch die traurige Gestalt vor dem Haus beobachtete, wurde die Beifahrertür aufgerissen, und ein nasses Etwas plumpste auf ihren lederbezogenen Beifahrersitz.

"Hallo Martha." Weil er nicht wusste, wie er die Frau, die er vor fünfzehn Jahren das letzte Mal gesehen und mit der er damals nur wenige Worte gewechselt hatte, begrüßen sollte, streckte er ihr unsicher die Hand hin. Sie legte ein Päckchen Papiertaschentücher hinein. "Würdest du den Sitz bitte trocken wischen? Mein Mann ist da sehr heikel." Das konnte ja lustig werden. Vielleicht hätte er doch den Zug nehmen sollen. "Oh. Der Schlitten gehört dem Herrn Gemahl." "Nein. Er gehört mir. Er hat ihn nur bezahlt. Eines der wenigen sinnvollen Dinge, die er in den letzten Jahren gemacht hat." "Warst du eigentlich damals schon so bissig?" Seine Erinnerung an Martha war blass. Zweite Reihe, Fenster. In Mathematik bei den Besten. Bei Lehrern und Mitschülern beliebt. Hilfsbereit. Unauffällig. Nett. Heute war Martha in etwa so unauffällig wie der vom Ehegatten gesponserte Wagen. Nett war sie schon gar nicht. Und die kommenden drei Stunden würde er sich mit ihr über Integralrechnung unterhalten. Im günstigsten Fall.

Er stopfte die Taschentücher in seine Lederjacke und schüttelte wie ein

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