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Jungfer Mary (fm:Romantisch, 7435 Wörter)

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Veröffentlicht: May 14 2013 Gesehen / Gelesen: 21208 / 16829 [79%] Bewertung Geschichte: 9.17 (71 Stimmen)
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Jungfer Mary © rokoerber

"Und merke dir eines, mein Junge, einen wirklich guten Whisky trinkt man entweder pur oder mit Branchwater, aber niemals mit Soda oder gar mit Eis", sagte Sir Thomas, der fünfte Earl of Mansfield zu mir. Er selbst bat uns ihn so zu nennen, nicht bei seinem so langen Titel: The Right Honorable Sir Thomas, Lord Earl of Mansfield ...

"Yes, Sir Thomas", bekundete ich artig, dass ich seine Worte verstanden hatte.

Eigentlich bin ich ja mehr der gesellige Typ. Meine derzeitige Wortkargheit kam wohl vor allem daher, dass ich noch etwas verwirrt war. Alles war noch sehr neu für mich, war ich doch heute erst in Comlongon Castle angekommen. Zusammen mit Pa, meinem Vater, Historiker, spezialisiert auf Schottland - und Comlongon Castle liegt in Schottland. In der Nähe des sagenumwobenen Heiratsparadieses Gretna Green. Pa nahm mich sozusagen als Dank für mein hervorragend bestandenes Abitur mit - um mir den Kopf auszulüften, wie er sagte. Das Einzige was ihn derzeit an mir störte waren meine Studienpläne, ab dem Wintersemester war ich in Frankfurt zum Studium der Jurisprudenz eingeschrieben. Geschichte interessierte mich so überhaupt nicht, viel zu lange her.

Mein Weltbild war nun auch noch zusätzlich ein wenig durcheinander; denn Sir Thomas entsprach in meinen Augen so gar nicht einem Schotten, er trug weder einen Kilt, noch blies er ständig auf einem Dudelsack. Lediglich die robuste Tweedjacke mit den Lederflicken an den Ellbogen entsprach meiner Vorstellung eines geeigneten Kleidungsstückes. Die graue, grobe Cordhose jedoch absolut nicht. So was trägt man doch nicht! Ansonsten schien er jedoch sehr leutselig zu sein - immerhin ist er ein Graf, er dürfte sogar eine dreizackige Krone tragen. Zur Tweedjacke?

Jetzt griff er sich allerdings erst mal einen irdenen Krug und schüttete daraus reichlich in sein großes Glas, das zu gut einem Drittel mit Whisky gefüllt war. Es war offensichtlich Wasser. Er reichte den Krug an Pa weiter. Auch der füllte sein Glas auf. Danach kam der Krug zu mir. Ich sah mich verpflichtet mein Glas ebenfalls aufzufüllen.

"At your Health!", lächelte Sir Thomas und prostete uns zu.

Ich nahm einen großen Schluck. Kühl lief mir die Flüssigkeit die Kehle runter, um kurz danach eine wohlige Wärme in meinem Magen zu verbreiten. Der Geschmack kitzelte angenehm auf der Zunge. Wow, das Zeugs schmeckte doch besser als ich fürchtete, Whisky mit purem Wasser hörte sich schrecklich an. Ich nahm noch einen Schluck, bevor ich mich erneut umschaute.

Wir saßen zu dritt in der riesigen Halle, dem ehemaligen Rittersaal, ganz unten im alten Festungsbau. Rund um das Schloss wurden schon viele Kriege geführt. Im 17. Jahrhundert erlitt es aber das gleiche Schicksal wie so viele schottische Schlösser, es wurde im letzten Kampf arg beschädigt, die Murrays gaben es auf. Es zerfiel, nur der alte Festungsbau mit seinen seltsamen Aufbauten blieb erhalten. Erst um 1880 übernahm der erste Earl of Mansfield das Schloss. Er baute es aus, heute ist es ein stattliches Hotel, hauptsächlich mit schönen Suiten für junge Paare, die hier heiraten wollen. Derzeit waren Pop und ich jedoch die einzigen Gäste.

An den Wänden hingen riesige Gemälde, wohl die Ahnengalerie. Ich denke einige noch von den alten Murrays. So alt und etwas runtergekommen sahen sie halt aus. Nur eines dieser alten Porträts faszinierte mich: das Bild einer jungen, braunhaarigen Schönheit. Ein burgunderrotes Samtkleid umhüllte ihre schlanke Figur. Der doch sehr offenherzige Ausschnitt zeigte den Ansatz eines netten Busens. Ihre Lippen luden zum Küssen ein; so unerfahren war ich schon lange nicht mehr, um nicht zu wissen, welchen Spaß das macht. Am bestechendsten an ihr waren jedoch die großen, kornblumenblauen Augen. Immer wieder musste ich mir dieses Gesicht ansehen, immer wieder in diese Augen blicken. Sie sahen aus als würden sie leben. Ich brauchte einen weiteren Schluck Whisky.

Pa und Sir Thomas unterhielten sich angeregt. Beide hatten sich inzwischen ihre Pfeifen gestopft. Drei riesige Hunde, mit einem dichten zotteligen Fell, unter dem sie kaum hervorsehen konnten, hatten sich

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