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Unterm Tisch (fm:Voyeurismus, 3704 Wörter)

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Veröffentlicht: Sep 29 2020 Gesehen / Gelesen: 17957 / 16337 [91%] Bewertung Geschichte: 8.80 (51 Stimmen)
Die Welt der Erwachsenen findet nicht nur oberhalb, sondern zuweilen auch unterhalb des Tischs statt.

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Unterm Tisch

Kindheitserlebnisse prägen nicht selten ein ganzes Menschenleben. Bei mir war es ein Erlebnis, das ich als Kind, genauer gesagt als Grundschulkind beim Geburtstag meines Onkels Werner hatte.

Ich entdeckte eine mir unbekannte Erlebniswelt unter der festlich gedeckten Kaffeetafel. Als ich noch kleiner war, bin ich oft bei Gesellschaften unter dem Tisch herumgekrabbelt. Dort konnte ich die Welt der Erwachsenen sozusagen von unten bewundern. Das Schuhwerk von Onkel Heinrich war ausgetreten, das Oberleder seiner Stiefelletten schon erkennbar rissig. Tante Martha schmerzten die neuen Schuhe so sehr, dass sie sie unter dem Tisch auszog. Ihre schwieligen Füße waren alles andere als hübsch anzuschauen.

Meine Cousine Clara schien mir stets sehr adrett gekleidet. Aber ihr Schuhwerk war billigstes Material aus China. Es roch furchtbar nach Plastik.

Ganz anders die Nachbarin, Frau Ernst. Sie trug High-Heels. Das imponierte mir schon damals. Ich bewunderte die feinen Riemchen des Schuhs, konnte mir kaum vorstellen, dass sie der Trägerin ausreichend Halt geben könnten. Dabei wusste ich doch, dass Frau Ernst damit elegant herumstolzieren konnte.

Jener Geburtstag verschaffte mir nun einen vollkommen neuen Blick auf die Unterwelt des Tischs. Denn was ich an diesem Tag sah, waren nicht nur Schuhe, Hosen, Röcke, Nylonstrümpfe und dampfende Herrensocken.

Es passierte etwas da unten, eine wahre eigene Erlebniswelt. Großmutter hatte mich gebeten, die Serviette aufzuheben, die ihr aus der Hand geglitten war. So tauchte ich ab. Doch was ich dort erblickte, ließ mich für einen Moment innehalten: Onkel Heinrich, jener Onkel von damals, hatte seine grobe Pranke auf das Knie von Frau Ernst gelegt. Sie lag dort nicht nur, sondern rutschte, kaum merklich, langsam höher, so dass schon bald die Mitte des Oberschenkels erreicht war.

Frau Ernst trug offenbar keine Strumpfhose, sondern diese altmodischen Strümpfe, die früher am Hüfthalter befestigt waren, heute indes bereits von ihrer Struktur her festen Halt am Bein bieten.

Erstaunt und ein wenig innerlich erregt beobachtete ich das Geschehen. Nun legte sich die so gepflegte Hand von Frau Ernst auf die Pranke des alten Lüstlings und gebot ihm Einhalt. Er musste sie nicht herunter nehmen, durfte indes auch nicht höher hinaus.

Verstört kroch ich alsdann wieder an die Oberfläche, meiner Großmutter die Serviette entgegen wedelnd. Dieses Erlebnis hatte zur Folge, dass ich die folgende Nacht fast ganz wach blieb und dabei darüber sinnierte, was das Gesehene wohl für einen Hintergrund habe. Daraufhin beschloss ich, künftig regelmäßig in die Unterwelt zu tauchen, um das Geschehen besser verstehen zu können.

Die nächste Gelegenheit ergab sich allerdings erst gut ein Jahr später. Es war ein heißer Sommertag, und meine Eltern luden Familie und Nachbarschaft zum Grillen ein. Mehr als 20 Personen, bis auf zwei kleine Nachbarsjungen nur ältere, versammelten sich am Abend bei uns im Garten.

Die Meute wartete gespannt auf die Würstchen und Koteletts an einer lang gestreckten Tafel aus mehreren zusammen gestellten Gartentischen, die meine Mutter gemeinsam mit zwei Nachbarinnen sorgsam mit Papierdecken bedeckt und dekoriert hatte.

Als sich langsam die Schüsseln mit Salaten und natürlich auch die prall mit Fleisch gefüllten Gefäße geleert hatten, nahte bereits der Abend. Es wurde langsam dunkel. Das Bierfässchen war schon fast leer, so dass man auf härtere Sachen umsteigen musste.

Es wurde lauter, die Stimmung wurde intimer. Alle duzten sich nun. Man prostete sich zu. Dem kurzen Kopfnicken folgte nicht selten jener berühmte Freundschaftskuss. Obwohl ich damals gerade vor dem Wechsel auf das Gymnasium stand, verstand ich schon, dass es in Wirklichkeit nicht um Freundschaft, sondern vielmehr um intensiven Kontakt zum anderen Geschlecht ging. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob man

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