Waldspaziergang (fm:1 auf 1, 4901 Wörter) [1/3] alle Teile anzeigen | ||
Autor: Herweg | ||
Veröffentlicht: Dec 30 2020 | Gesehen / Gelesen: 22868 / 19401 [85%] | Bewertung Teil: 9.34 (137 Stimmen) |
Als ich vor einige Zeit mit meinem Hund im Wald unterwegs war, hatte ich eine besondere Begegnung. |
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Ich liebe es, wenn der Tag beginnt und von 'Grau' in 'Farbe' umschaltet. Es ist die Stunde nach der Morgendämmerung, in der aus der Staffelung von Grautönen die Landschaft plastisch hervortritt und Farbe annimmt. In kurze Zeit wandelt sich alles von grau in grün, gelb, blau und oft noch andere Farben.
Dann ziehen Ajax und ich los und der Tag gehört uns. Um diese Zeit stört uns niemand und wir gehen nebeneinander unserer Wege. Ajax ist jetzt fünf Jahre alt und sozusagen in ihren besten Jahren. Schon als Welpe war sie kaum zu halten, wenn ich mich morgens für unseren Spaziergang fertig machte. Sobald sie das Klappern meiner Gürtelschnalle hört, steht sie aufgeregt neben mir und fiebert dem Tag entgegen.
Meist führt uns der Weg aus dem Dorf heraus und es geht erst über die Felder und Wiesen und dann in den Wald. Die Wege sind uns im Laufe der Jahre alle vertraut geworden und wir wissen, wo am Morgen etwas zu sehen ist oder nicht. Welche Wege gerade stark benutzt werden, weil Holz abgefahren wird oder wo die Selbstwerber unterwegs sind. Und wo gerade die Rehe entlang ziehen weiß Ajax genau. Ihre Nase ist in dieser Beziehung unfehlbar.
Es ist schon einige Zeit her, als Ajax und ich gedankenverloren wieder einen der uns wohlbekannten Wege entlanggingen. Es war ein Weg, der eher am Waldrand entlangführt und durch die Bäume waren es nur ca. einhundertfünfzig Meter bis zur Straße. Aber trotzdem war der gelegentliche Verkehrslärm völlig abgeschirmt und außer dem knacken des Reisigs unter unseren Schritten und den Geräuschen des Waldes war nichts zu hören.
Plötzlich kam ganz aus der Nähe eine Stimme, die ziemlich sauer losschimpfte: "Müssen Sie mit Ihrem Köter unbedingt am frühen Morgen hier lang gehen? - Jetzt habe ich die halbe Nacht umsonst angesessen." Nach meiner ersten Überraschung - und etwas Erschrecken war auch dabei - erkannte ich, dass die Stimme wohl von dem Hochsitz kam, der nur wenige Meter entfernt von uns am Rand des Weges stand. Der Hochsitz war strategisch gut platziert an einer Wegkreuzung, so dass man drei Richtungen überblicken konnte. Aber es war eben auch eine Wegkreuzung und das bedeutet nun mal, dass die Wege vielleicht auch benutzt werden. Der Ton der Stimme war ziemlich sauer. Daher fiel mir im ersten Moment nicht auf, dass er nicht zum Klang der Stimme passte. - Der war angenehm hell, jung und eindeutig weiblich.
Da ich aus meiner Sicht völlig zu Recht auf dem Weg unterwegs war und weil ich es absolut nicht leiden kann, wenn die erste Stimme, die ich am Morgen höre mich anblafft, bellte ich aggressiv zurück: "Ich kann hier gehen wo ich will und nur weil Sie Sonntagsjäger meinen, der ganzen Wald gehört Ihnen, lasse ich mir von Ihnen nicht sagen, wo ich entlang gehe soll. Außerdem kommen Sie gefälligst aus Ihrer Kanzel runter zu mir, wenn Sie etwas von mir wollen, oder Sie lassen uns in Ruhe." Ajax erkannte meinen aggressiven Umschwung sofort und meinte, mich tatkräftig unterstützen zu müssen. Also bellte sie laut und stellte ihren Kamm auf. "Jetzt vertreibt Ihr Köter mit seinem Gekläffe auch noch das letzte Wild" kam es als Antwort von oben. Ich reagierte mit: "Typisch Fremdjäger, kommen hier her und kennen sich nicht aus, führen sich aber wie die Herren des Waldes auf."
Dann herrschte ein Moment Ruhe auf dem Hochsitz und es war nur ein sehr leises Klacken zu hören.
Gerade, als ich mich schon als moralischer Sieger fühlte und weiter gehen wollte, kam doch noch Bewegung auf und nach ein paar Sekunden öffnete sich die Tür des Hochsitzes. Eine zierliche Gestalt trat rückwärts heraus auf die Leiter und stieg herab. Mein erster Gedanke war: 'Werden jetzt schon Kinder mit auf die Jagd genommen' und gespannt wartete ich, wer da noch kommen würde, aber es kam keine weitere Person nach. Als das Kind unten an der Leiter angekommen war, dauerte es einen Moment, bis mein noch müder Kopf verarbeitet hatte, dass es sich wohl nicht um ein Kind handelte. Vor mir stand in jagdgrünem Outfit eine Frau. Sie mochte vielleicht Mitte Dreißig sein und höchstens 1,60 groß. Und selbst in ihrem dicken Jagdparka sah sie sehr zierlich aus. Ich muss recht überrascht ausgesehen haben, denn sie sagte: "Haben Sie noch nie eine Jägerin gesehen oder kann ihr chauvinistisches Hirn das nicht verarbeiten?" Es dauerte eine Augenblick, bis ich mich für eine Antwort gesammelt hatte: "Naja, man erlebt nicht alle Tage, dass man Mitten im Wald am frühen Morgen beschimpft wird und es sich dann herausstellt,
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