WIEN BEI NACHT - Kapitel 2: Der Pfefferstreuer (fm:Schlampen, 1454 Wörter) [2/8] alle Teile anzeigen | ||
Autor: zufruehabgestillter | ||
Veröffentlicht: Jan 19 2021 | Gesehen / Gelesen: 7893 / 6068 [77%] | Bewertung Teil: 8.60 (10 Stimmen) |
Der Alkohol lässt Hemmschwellen fallen. Während das Dinner seinen Lauf nimmt, kommt es zu Breitseiten ober- und unterhalb des Tischtuchs! |
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allerliebst. Allein in unserer Kennenlernphase hat sie es neben mir mit, warte, fünf Leuten getrieben. Manderln und Weiberln. Aber ihre Weltsicht ist halt beeinflusst von den vielen deutschen Daily Soaps, die sie sich immer reinzieht am Vormittag auf RTL, du musst wissen, sie hat sehr angenehme Arbeitszeiten bei mir.
Das Gespräch zerläuft jetzt in weniger kontroversielle Seitenarme. Der Alkohol zeigt jetzt doch seine Wirkung, es wird zunehmend schwierig, bei einem Thema zu bleiben. Wir mäandern zwischen Belanglosigkeiten und Geblödel. Die Sonja ist auffallend ruhig geworden, was ist los mit ihr? Ihre Wangen sind gerötet. Am Ende geht es ihr nicht gut? Jetzt hat der Roland einen neuen Wein gebracht und es geht um die Frage Korken versus Schraubverschluss. Ich fühle mich berufen, gescheit daherzureden.
"Geh bitte Schraubverschluss! Beim Rotwein! So verkauft man höchstens Badewasser! Aber schau, ich lass mich ja gern eines Besseren belehren!".
Der Schluck, den ich von dem frisch aufgeschraubten Blaufränkischen nehme, fällt etwas unkontrolliert aus. Ich habe doch schon einiges intus.
"Ganz normale Säufer seid ihr, das ist alles", sagt die Irena. "Dieses kultivierte Getue ist einfach nur peinlich".
Die Sonja neben ihr schluckt. Klammert sie sich da jetzt ans Tischtuch? Was ist denn da so unangenehm an dem Thema? Also irgendwas stimmt mit ihr nicht, richtig kurzatmig ist sie. Bei der Irena zu ihrer linken: Pokerface.
Ich schnappe mir den Schraubverschluss. Ich rieche an dem Schraubverschluss, drehe ihn, rieche wieder, da fällt er mir aus der Hand, der Schraubverschluss, kullert unter den Tisch, so was blödes. Geh lass ruhig, sagt der Roland. Ich bücke mich unter den Tisch, mein Rücken krümmt sich. Ich scanne den Fußboden. Links, rechts, vorne hinten, wo ist er denn, der dumme Schraubverschluss? Ich sehe ihn nicht. Dafür sehe ich die Schuhe der Anwesenden. Und aus den Schuhen wachsen ihre Beine. Zum Beispiel die schönen glatten Beine von der Sonja. Und dann sehe ich den Pfefferstreuer vom Roland. Mit dem aerodynamischen Design. Die Stellschraube auf der Unterseite, ja, wirklich praktisch! Aber warum sehe ich das?
Weil nämlich der Pfefferstreuer steckt in der Fut von der Sonja. Es ist was es ist, sagt der Anblick, die blassen Schenkel von der Sonja sind locker gespreizt, das Sommerkleidchen ganz in den Schoß gezogen. Dirigiert wird der Pfefferstreuer von einer sehr versierten Frauenhand, bissi rein, bissi raus. Und das Nageldesign ist unverkennbar. Still wird die Sonja also von der Irena unter dem Tisch befriedigt, haben die beiden diesen Abend überhaupt ein Wort miteinander gewechselt? Sowas gibts also auch, denke ich, und richte mich wieder auf. Ein paar Sekunden später, als es nach dem Informationsstand vom Roland, der schräg gegenüber sitzt, erforderlich gewesen wäre. Meine Brille ist beschlagen.
"Was ist", fragt der Roland, "Hast eine Vision gehabt?"
Später, als alle Gäste schon fort waren, ist die Stimmung wieder gekippt. Sobald nämlich das Thema Miroslav aufkommt, sind endgültig Wolken am Horizont im Mikroklima zwischen der Irena und dem Roland. Ich brauch es dir nicht zu erklären, der Miroslav ist ihr Ex. Der Roland lässt eh alles durchgehen diesbezüglich, mein Gott, das ist halt eine unvollendete Geschichte, man muss der Irena die Zeit geben, die sie braucht zum Verarbeiten. Aber dass sie wirklich jede freie Sekunde mit dem Miroslav am Handy kleben muss, vorm Roland und überhaupt vor allen Leuten, und auf serbisch alten Beziehungsmorast schaufelt, das geht dem Roland dann doch ein bisschen auf die Substanz. Jetzt hat der Roland, vom Alkohol enthemmt, einen säuerlichen Kommentar zu viel geschoben, einmal zu oft nachgehakt. Jedenfalls ist jetzt die Irena völlig aus den Angeln. Es wird laut. Er braucht doch nicht so paranoid zu sein, schreit sie, und warum er sie nicht versteht, und dass er ihr überhaupt die Luft wegnimmt zum Atmen, und dann:
"Bitte geh jetzt, geht alle beide, ich muss allein sein, lasst mich in Ruhe!".
Sie plustert sich vorm Roland auf, der gefühlt doppelt so groß ist wie sie, verschränkt die Arme vor ihrer Brust und strahlt unfassbare Autorität aus. Die Sonja wie vom Donner gerührt, steht hinter ihr. Schau schau, sie dürfte bei der Ausladung nicht mitgemeint sein. Interessant. Wir zwei, der Roland und ich, können uns kaum unsere Schuhe anziehen, so drängelt sie uns. Ich will konziliante Phrasen vom Stapel lassen, aber die Irena taucht uns weg mit agilen kleinen Handflächen. Gerade dass sie uns nicht die Nasen abzwackt mit der Haustür. Die sie schließt. Uns in die langen Gesichter hinein. Rumms. Wir im Freien. Die Sonja drinnen.
Hat die Irena also gerade den Roland aus seinem eigenen Haus rausgeschmissen? Aber sowas von. Mir kann es gleich sein, ich habe meine essentiellen Dinge immer am Körper. Um die Sonja mach ich mir keine Sorgen, da geschieht nichts mit ihr, was sie nicht will, da kenn ich das Sonjalein gut genug. Neugierig bin ich halt. Oh ja. Diashow in meinem Hirn. Erstes Bild Pfefferstreuer.
Jedenfalls der Roland. Der steht jetzt da, wie eine komplette Nacktschnecke. Geld, Handy, Schlüssel, alles hinter der massiven Sicherheitstür, die ihm sein Versicherungsheini aufgeschwatzt hat. "Und was machen wir jetzt?", fragt er stammelnd. Die Flanellhose die er anhat ist wirklich fürchterlich. Das braune Cordsakko ist aus der Requisitenkiste mit der Aufschrift Dorflehrer. Aber die Schuhe. Die Schuhe sind gut. Hat er sich in Mailand gekauft, ich erinnere mich. Ich betrachte ein Weilchen die Schuhe vom Roland, dann sage ich ohne aufzublicken:
"Wir gehen in den Klub".
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