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Mein persönlicher "Life Changing Sex" (fm:Das Erste Mal, 39883 Wörter)

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Veröffentlicht: Mar 04 2022 Gesehen / Gelesen: 22183 / 20300 [92%] Bewertung Geschichte: 9.69 (255 Stimmen)
Ralf geht nach einer Trennung zu der scharfen Therapeutin, die ihm ein Kumpel empfohlen hat. Doch was dann geschieht, steht in keinem Psychologielehrbuch - und ist GANZ was anderes, als du jetzt vermutet, lieber Leser ;-)

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© Dingo666 Dieser Text darf nur zum Eigengebrauch kopiert und nicht ohne die schriftliche Einwilligung des Autors anderweitig veröffentlicht werden. Zuwiderhandlungen ziehen strafrechtliche Verfolgung nach sich.

Klicken Sie hier für die ersten 75 Zeilen der Geschichte

"Hi." Caro stand schon davor und lächelte mich an. Sie hielt ein Amazon-Päckchen in der Hand und sah aus wie aus dem Ei gepellt. Die dunklen Haare wehten im Wind um ihre Stirn.

"Hi, Caro." Ich erwiderte das Lächeln. Etwas gequält, denn wenn man in meinem Zustand einer hübschen Frau gegenübersteht, dann kommt man sich einfach saublöd vor. Caro wohnte gegenüber, sie hatte kürzlich das Haus ihrer Eltern geerbt und war dort eingezogen.

"Das hier hat der Paketdienst gestern bei mir abgegeben." Sie streckte mir das Päckchen hin. Wahrscheinlich die neuen Tonerkartuschen, die ich bestellt hatte.

"Danke." Ich nahm es entgegen und erhaschte einen Hauch ihres Parfums. Das roch toll, doch ich zog mich eilig zurück. Umgekehrt konnte sie dann vermutlich mich riechen, und das war keine angenehme Vorstellung. "Äh - tut mir leid, dass der Fahrer immer bei dir klingelt, wenn ich nicht da bin."

"Das macht doch nichts." Wieder dieses süße Lächeln. "Mache ich gerne."

"Super. Danke nochmals."

Wir sahen uns an.

"Geht es dir gut?", fragte sie. Natürlich wusste sie, was bei uns los war. Alle Nachbarn wussten das.

"Jaja, es geht schon." Ich bemühte ein Lächeln. "Ich komme klar, danke der Nachfrage."

"Wenn du was brauchst..." Sie ließ den Satz in der Luft stehen.

Ich schluckte. Ein Wort, und sie würde mich einladen. Zu einem Kaffee. Einem Essen vielleicht. Oder - zu mehr? Diese Haselnussaugen! Dieser Blick! Diese Wimpern! Sie sah so gut aus, mit den langen Haaren in einem warmen Braunton und der Bluse, die den schlanken Hals betonte. Darunter dralle, voluminöse Rundungen...

"Danke, Caro." Ich wich ein wenig zurück und hielt den Amazon-Karton als Schutz vor mich. "Heute bin ich, äh, ziemlich beschäftigt. Aber ich melde mich, okay?"

Sie zögerte. "Okay", sagte sie dann und nickte. Enttäuscht? Nein, das war sicher nur ein Wunschtraum von mir. Sie sah viel zu hübsch und zu jung aus für so ein Wrack wie mich. Zu lebendig.

"Also, dann bis bald." Sie lächelte und hob die Hand zum Abschied, doch der Ausdruck in ihren Augen verriet Melancholie.

"Ja, bis bald. Dir noch einen schönen Sonntag, Caro."

Ich schloss die Tür und bemerkte erst richtig, wie angespannt ich war, als ich abgrundtief aufatmete. Hm, warum eigentlich? War das wirklich nur, weil ich mich für meine abgerissene Erscheinung schämte?

Nein, wurde mir klar. Es lag an Caro. Eine bildhübsche Frau. Echt gut gebaut, üppig und kurvig und weiblich wie sonst was. Sonniges Gesicht mit vollen Lippen, oft zu einem Lachen geöffnet. Mittelgroß, also genau richtig für mich. Vom Alter her auch passend: Sie war Mitte 30 und damit ein paar Jahre jünger als ich. Aufgeweckt und klug, soweit ich sie kennengelernt hatte. Sie arbeitete als Architektin in einem größeren Büro und wollte sich später selbständig machen.

Ich und Caro? Ein verlockender Gedanke, einerseits. Sie sah viel besser aus als Lydia, meine Ex. Wenn ich mit ihr im Arm meinen männlichen Bekannten gegenübertreten würde, dann sah ich schon die geweiteten Augen und die heimliche Anerkennung im Nicken. Plus die plötzlich gesteigerte Freundlichkeit der Frauen dem neuen Paar gegenüber. Zumal ich Caros Naturell so einschätzte, dass sie im Bett richtig aufdrehen konnte.

Andererseits wusste ich genau, dass mich eine solche Verbindung ohne Ende stressen würde. Nicht nur jetzt, in meiner hübschen Depression. Auch sonst. Später. Immer. Wie konnte ein Durchschnittstyp wie ich schon auf die Dauer mithalten mit so einer schönen Frau? Bereits bei Lydia hatte ich mich ständig gefragt, was sie an mir fand. Warum sie mich nahm, ursprünglich, und warum sie so lange bei mir blieb.

Nein: Prinzessinnen und megaheißen Feger wie Caro, das war nicht meine Kragenweite. Noch nie gewesen.

Nun gut. Lydia hatte ihren Fehler letztlich eingesehen. Und korrigiert. Ja, wenn ich ehrlich zu mir war, dann musste ich gestehen, dass ich sie nur zu gut verstand. Wahrscheinlich hätte ich schon viel früher das Handtuch geworfen, an ihrer Stelle. Okay, ich war Ingenieur und verdiente nicht schlecht. Aber Geld war es nicht, was ein Paar zusammenhielt.

Mit einem resignierten Seufzer stellte ich den Karton auf den Schuhschrank. Dort würde er stehenbleiben, bis ich oben im Büro den letzten Rest der aktuellen Kartusche aufgebraucht hatte. Die Freiheit des Singles.

Gerade wollte ich wieder in die Küche, da schrillte die Klingel erneut. Sofort beschleunigte mein Puls. Hatte Caro was vergessen? Oder wollte sie...? ` "Hallo?", sprach ich in den Hörer.

"Hey Ralf, Peter hier."

"Ach so. Komm rein."

Peter? Was wollte der denn heute hier? Ah - jetzt erinnerte ich mich. Er hatte angerufen, vor zwei oder drei Tagen. Er wollte am Sonntag die ausgeliehene Motorsäge zurückbringen. Mit der hatte er das komplette Mobiliar der Wohnung fein säuberlich in zwei Hälften trennen wollen.

Peter hatte sich wenige Tage vor mir von seiner langjährigen Partnerin getrennt. Oder sie sich von ihm, das wusste ich nicht mehr genau. Auch so ein Drama. Komisch - obwohl uns dasselbe Schicksal getroffen hatte und obwohl wir uns gegenseitig hätten stützen können (oder zumindest gegenseitig bemitleiden), beschränkte sich unser Austausch auf so prosaische Dinge wie dem Verleihen von Werkzeugen und dem Schwelgen in ein paar Flüchen und ätzenden Bemerkungen über das andere Geschlecht.

Ich zögerte. Jetzt hatte ich ja Zeit und ich war sogar vergleichsweise nüchtern. Er wohl auch. War jetzt der Moment für ein Gespräch unter Männern? Für ernsthafte Worte, für markiges Schulterklopfen, für eine schonungslose Selbstbilanz?

Kacke, nein! Ich wollte nur schnellstmöglich meine Ruhe!

Missmutig ob der Störung trottete ich zur Eingangstür und öffnete sie. Da kam auch schon mein alter Kumpel, die Säge in der Hand.

"Hey Ralf. Erst mal vielen Dank für das Ding. Ich habe es gar nicht gebraucht."

Damit drückte er mir die Säge in die Hand. Ich nahm sie und starrte ihn verdutzt an. Anstatt angemessen depressiv dreinzuschauen (so wie ich zum Beispiel), strahlte er ruhige Kraft aus. Seine Miene zeigte die Offenheit eines Kindes. Und Frieden. Frieden mit sich und dem Rest der Welt. Er sah mich so geradeaus an, als würde er sich wirklich dafür interessieren, wie es mir ging. Wer ich war.

What the fuck?

"Äh - danke. Sag mal, was ist denn mit dir los?", brachte ich heraus.

"Mit mir?" Er blinzelte. "Was soll denn mit mir sein?"

"Du bist so... so..." Ich fand keine Worte.

"Ach, du meinst, weil es mir jetzt wieder gut geht." Er lachte und strahlte mich an. "Das stimmt allerdings. Ich habe die Trennung von Giselle hinter mir lassen können."

"Ehrlich? So schnell?" Ich zwang mich zu einem Lächeln. "Na dann - Glückwunsch!"

"Du bist noch nicht soweit, hm?" Er musterte mich besorgt.

Erneut wurde mir bewusst, dass ich in einer Jogginghose und einem alten T-Shirt vor ihm stand, ungeduscht und mitgenommen. Auch für einen Mann kein schöner Anblick.

"Doch, doch." Das Grinsen auf meinem Gesicht fühlte sich verquer an. "Mir geht es auch bestens."

"Aha." Er nickte, wenig überzeugt. Schon erwartete ich, dass er weiter nachhaken würde. Doch er zuckte nur die Schultern und sagte: "Da muss wohl jeder selbst durch. Aber falls du Hilfe brauchst: Schau mal im Internet nach der Praxis von Dr. Delia Mickels. Ich war letzte Woche bei ihr, und das hat... alles verändert."

"Delia Mickels", nickte ich treuherzig. "Alles klar."

Er kniff die Augen zusammen, so als ob ihm völlig klar wäre, dass ich ihn nur schnellstmöglich abspeisen und loswerden wollte. Dann nickte er und wandte sich mit einem letzten Blick um. "Pass auf dich auf, Ralf", hörte ich ihn noch. "Das hättest du schon vor sehr langer Zeit lernen sollen."

Langsam schloss ich die Tür und sperrte den trüben Novembermittag wieder aus. Sehr seltsam! Mit einem Schulterzucken legte ich die Säge neben den Amazon-Karton auf den Schuhschrank. Die würde ich später aufräumen, irgendwann. Zusammen mit den Schuhen der letzten drei Wochen, die in einem unordentlichen Haufen vor dem Schrank lagen, in den sie gehörten. Einen Schrank, der jetzt zu zwei Dritteln leer stand.

Mit einem Seufzer der Erleichterung schlurfte ich zurück in die Küche, pflanzte mich wieder auf den Barhocker und griff nach der Kaffeetasse. Noch heiß, glücklicherweise. Ich hasste lauwarmen Kaffee. Hm - ob er wohl einen Schuss Wodka vertrug?

Der Sonntag lag vor mir wie eine Wüstenlandschaft vor einem Langstreckenläufer. Schon hatte ich die Flasche aufgeschraubt und sog den feinen Alkoholhauch ein, zerrissen zwischen Sucht und Ekelgefühl. Dann schloss ich sie wieder und stellte sie beiseite.

"Dr. Delia Mickels", murmelte ich vor mich hin. Der Ausdruck in den Augen meines Freundes ging mir nicht aus dem Kopf. Jemand, der gerade vor den Trümmern einer langen Beziehung stand, sollte nicht so dreinschauen. Durfte es nicht! Nicht mit diesem tiefen, inneren Frieden.

Ein Griff nach dem Smartphone. Die Website hatte ich innerhalb von 30 Sekunden gefunden. "Psychologische Beratung Dr. Mickels". Es gab nur eine Titelseite, und die sagte nicht viel, außer dass Frau Dr. Mickels die Praxis vor zwei Wochen aufgemacht hatte und Termine nur nach einer telefonischen Erstberatung vergeben wurden.

Ich runzelte die Stirn. Das entsprach nicht dem, was ich von Ärzten sonst so kannte. Wollten die nicht immer erst mal einen persönlichen Termin, weil sie das besser abrechnen konnten?

Als ich nach unten scrollte, kam ein Foto der Therapeutin zum Vorschein. Ich riss die Augen auf. So jung noch, und so eine Schönheit? Dr. Mickels schien kaum älter als 30 - oder das war ein älteres Foto? Einen Lebenslauf oder einen anderen Hinweis auf ihren Hintergrund fand ich nicht. Hm - bei einer neu eingerichteten Website verwendete man doch aktuelle Bilder, oder?

Fasziniert versenkte ich mich in das Foto. Lange, kupferrote Haare, die in Wellen über die Schultern fielen. Eine echte Rothaarige, das zeigten die vielen Sommersprossen auf ihrer Stirn, im Gesicht und am Dekolleté, soweit es gezeigt wurde. Dazu herrliche, graublau strahlende Augen, die mich direkt anzublicken schienen. Ich musste schlucken.

Klare Gesichtszüge, hohe Wangenknochen, volle Lippen in Rosa. Ungeschminkt, so wie es aussah, und daher umso verlockender. Von der Figur war nichts zu erkennen, doch ich hielt es für schlechterdings undenkbar, dass sie anders als perfekt proportioniert aussah. Eine junge, bildhübsche, aufregende Frau, nach der sich garantiert jeder Mann umdrehte, wenn sie vorüberging.

Hm...

Wie unter Zwang drückte ich auf die angegebene Telefonnummer. Heute war Sonntag, sie würde nicht im Büro sein. Doch mit etwas Glück konnte ich ihre Stimme auf dem Ansagetext der Mailbox hören. Ich musste einfach wissen, wie sie klang!

Drei Signaltöne. Dann ein Knacken.

"Praxis Dr. Delia Mickels?", hörte ich eine helle Stimme. Klar, aber mit einem leisen, rauchigen Unterton. Einem Hauch von Rost. Von unnennbaren, kratzigen Versprechungen. Heißeres Flüstern am Ohr, während sie sich unter mir wand, schwitzend, und...

"Äh - hier spricht Ralf Steganowski", riss ich mich zusammen und ignorierte das schockierende Pulsieren in meiner Hose. "Bitte entschuldigen sie, dass ich am Wochenende anrufe, aber ein Freund hat so von ihnen geschwärmt. Das heißt: natürlich von ihrer Therapie."

Ein Lachen, leise und angenehm. Ein Samttuch, das am Ohr entlangstrich.

"Das freut mich", hörte ich ihre Stimme. "Wer hat ihnen denn den Hinweis gegeben?"

"Peter Link".

"Peter? Ah, ja. Mein Patient Nummer sieben." Wieder das Lachen. Ich spürte den Drang, mitzulachen. Mit ihr. Über etwas, das nur wir beide wussten. Etwas Verbindendes. Unser Geheimnis. Wir würden dann verstummen, uns wieder tief in die Augen sehen und...

Mit Mühe zwang ich mich zurück ins Hier und Jetzt. Was war denn nur los mit mir? Hatte mich die Trennung noch stärker aus der Bahn geworfen, als mir klar war? Meine Haut prickelte am ganzen Leib, so als sei sie sandgestrahlt worden, und mein Schwanz tat sein Möglichstes, um die Jogginghose zu einem Mount Everest hochzustemmen. Das fühlte sich fast so an wie in meiner Jugend. Nicht wie bei einem mittelalten Mann, der in einer Depression steckte.

"Es, äh, überrascht mich, dass sie sonntags im Büro sind, Frau Dr. Mickels", stotterte ich. "Ich hoffe, mein Anruf stört sie nicht."

"Keineswegs. Ich freue mich über neue Klienten."

Das klang aufrichtig und offen. Nun gut - natürlich brauchte sie Kunden, wenn sie die Praxis gerade erst eröffnet hatte. Nicht übel, dann kümmerte sie sich sicher besonders intensiv um jeden Einzelnen. Dass ich zu ihr musste, das stand ohnehin schon fest. Und sei es nur, um sie einmal in natura zu sehen. Zu hören. Zu riechen. Wie es wohl wäre, meine Nase an ihre Haut zu drücken und die Luft tief einzuatmen...

"Das ist, äh, schön. Auf der Website ist eine telefonische Erstberatung erwähnt. Vielleicht können wir dazu morgen telefonieren?"

"Warum nicht jetzt gleich?"

"Am Sonntag? Ich dachte, sie wären nur zufällig am Schreibtisch."

"Der Wochentag spielt für mich keine Rolle." Wieder ihr Lachen, das meine Knie aufweichte. Glücklicherweise saß ich schon. "Wenn sie möchten, können wir das sofort machen."

"Nun... ja, warum nicht." Ich straffte mich und setzte mich aufrechter, als ob ich sie dadurch beeindrucken könnte. "Von meiner Seite aus gerne."

"Gut. Dann erzählen sie doch einfach, Herr Steganowski. Worum geht es?"

"Ich denke, es ist eine ähnliche Situation wie bei Peter", begann ich zögernd. "Meine Frau hat mich sitzen lassen. Nach dreizehn Jahren Ehe und sechzehn Jahren Beziehung. Einfach so. Das ist jetzt drei Wochen her."

"Ich verstehe."

Mehr sagte sie nicht. Doch ich spürte, wie sich meine Stimmung hob, wie mein Atem freier ging. Sie verstand mich wirklich! Oder - sie war sehr gut darin, diesen Eindruck bei ihren Klienten zu erwecken.

"Wir... haben keine Kinder", fuhr ich fort. "Vielleicht ist das für Lydia ein Motiv gewesen. Sie ist 39, ich bin 44. Ich dachte, sie hätte sich damit abgefunden, dass es bei uns nicht funktioniert."

"Und was denken sie wirklich?", fragte sie nach, ernsthaft jetzt. "Wenn sie ehrlich sind?"

"Es lag nicht am Kinderwunsch", kam es sofort heraus. "Sie war sich gar nicht so sicher, dass sie überhaupt welche wollte."

"Woran lag es dann?"

"An mir, wahrscheinlich." Ich seufzte und rieb mir über die verschwollenen Augen. "Sie war unzufrieden. Ich habe es gespürt, schon länger. Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte."

"Haben sie ihre Frau geliebt, Herr Steganowski?"

"Ja! Absolut!" Ich schluckte hart. "Ich war so hin und weg, als sie ja sagte, damals. Ich war der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. So ein tolles Mädchen, und sie wollte mich! Ich konnte es kaum fassen. Ich habe sie auf Händen getragen. Ihr jeden Wunsch erfüllt! Bis heute. Aber... trotzdem wurde es irgendwie immer dünner."

"Aha."

Ich stockte. "Aha?", fragte ich nach.

"Die telefonische Erstberatung können wir damit abschließen", sagte sie sanft. "Ich denke, ich kann ihnen helfen und übernehme die Behandlung. Am Dienstag um 16.00 Uhr hätte ich Zeit für ein persönliches Treffen. Wäre das für sie möglich?"

"Äh..." Dienstag? Noch zwei Tage? Wie sollte ich diese Ewigkeit nur... "Ja. Dienstag ist gut. Bei ihnen in der Praxis, ja?"

"Richtig. Waldstraße elf."

"Soll... ich etwas Bestimmtes mitbringen?", fiel mir ein. Ich war noch nie bei einer Psychologin gewesen.

"Nein. Ihre Erinnerungen reichen völlig."

Ein weiteres Mal lachte sie leise. Wenn sie das bei unserem Treffen auch tat, dann würde ich zu einer Pfütze auf dem Boden dahinschmelzen.

"Gut. Dann bis Dienstag. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Sonntag, Herr Steganowski."

Ich ließ das Handy sinken und starrte durch das Fenster. Woher kam das Grinsen auf meinen Lippen? Und warum hatte ich plötzlich das Gefühl, draußen schiene die Sonne, obwohl durch das Fenster nur tiefhängende Wolken zu sehen waren?

***

Punkt 15:59 Uhr am Dienstag stand ich in der Waldstraße, vor dem Tor unter dem verblichenen Emailschild mit der "11" drauf. Links und rechts davon zog sich eine außer Kontrolle gewucherte Hecke, vom Grundstück dahinter war nichts zu sehen.

Mit einem tiefen Durchatmen drückte ich auf die obere der beiden altertümlichen Klingeln. Beide waren unbeschriftet, doch oben haftete ein Aufkleber mit dem handgeschriebenen Wort "Praxis". Vorsichtshalber strich ich mir ein weiteres Mal zur Kontrolle über die Wangen. Ja, ich war frisch rasiert. Und nüchtern. Seit zwei Tagen schon! Ich hatte sogar auf den Wagen verzichtet und war die halbe Stunde hierher zu Fuß gegangen.

Ein Schnarren. Ich drückte gegen das Tor und es schwang auf. Dahinter zog sich ein geschotterter Weg durch einen Rasen, der dringend gemäht werden musste. Die Bäume, früher wohl streng geometrisch geschnitten, hatten übermütige Äste in alle Richtungen ausgestreckt. Das parkähnliche Grundstück stand überall am Rande der Verwilderung. Wunderschön!

Der Weg führte auf eine zweistöckige Villa im Jugendstil zu. Herrschaftlich, aber alt. Sämtliche der grau gestrichenen Fensterläden waren zugeklappt. Das sah so aus, als ob sich der Bau im Tiefschlaf befände. Eine Aura von Stille und Vergänglichkeit lag über dem ganzen Anwesen. Sogar die spärlichen Sonnenstrahlen, zu denen sich der Novemberhimmel hinreißen ließ, vertieften diesen Eindruck nur.

"Hier drüben", hörte ich eine bekannte Stelle. Rechts war ein einstöckiger Anbau an das Haus geflanscht. Große Fenster, Flachdach. Ein Büro, unzweifelhaft. Daneben stand eine schlanke Gestalt mit einer Kupferflamme als Haar und winkte mir. Ich bog ab und ging auf sie zu. Mein Blick zuckte von links nach rechts, vom Haus zu den Bäumen, um ihr nur nicht zu früh in die Augen schauen zu müssen.

Ich hielt. Und sah sie an. Sie war noch schöner als auf dem Foto auf der Website. Nicht nur schöner. Größer, irgendwie. Nicht äußerlich, aber sie schien die komplette Umgebung zu dominieren. Mein Mund wurde trocken.

"Guten Tag, Frau Dr. Mickels", brachte ich heraus und streckte ihr die Hand hin.

"Herr Steganowski." Sie nickte mit einem angedeuteten Lächeln und schüttelte meine Hand. Ihre Finger fühlten sich dünn an, doch voll vibrierender Energie. "Kommen sie herein."

Das Innere des Anbaus bestand aus einem einzigen Raum, vielleicht fünf Meter im Quadrat. Er war ausgestattet wie ein Antiquariatsbüro, mit wuchtigen Möbeln in Schwarz und dunkelbraun, wohl aus dem 19. Jahrhundert. Eine Seite wurde von einer Bücherwand bis zur Decke eingenommen, voll von Werken im Ledereinband und Titeln in altertümlichen Schriftarten auf dem Rücken.

Das alles nahm ich nur am Rande wahr. Meine Aufmerksamkeit wurde zu 99 Prozent von der Frau vereinnahmt, die die Tür schloss und in aller Ruhe um den Schreibtisch herumging. Obwohl sie sich völlig normal bewegte, vermittelte sie den Eindruck, als sei sie bis zum Platzen mit Leben und Kraft aufgeladen. Und als könnte sie diese Energie jederzeit einsetzen. Für einen Furienschrei der Wut, der einen stocktaub zurückließ. Oder einen Freudentanz auf dem Schreibtisch, hemmungslos lachend. Oder einer Hingabe, so absolut, dass sich die Grenzen der Realität darunter verbogen...

Sie trug eine Jeans und eine helle Bluse, beides ganz und gar nicht aufreizend. Doch ihre schlanke, wundervoll proportionierte Gestalt, die Wölbung ihrer Kurven und das zarte Leuchten ihrer Haut gaben mir das Gefühl, keiner menschlichen Wesen gegenüberzustehen, sondern einer Elfe. Den Seufzer tiefster Sehnsucht, der mir auf der Zunge lag, konnte ich gerade noch unterdrücken.

"Bitte sehr." Sie wies auf den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch. Die simple Geste enthielt so viel Anmut, dass ich an eine Schauspielerin auf dem Höhepunkt ihrer Fähigkeiten denken musste.

´Reiß dich zusammen, du Armleuchter!´, ermahnte ich mich selbst und setzte mich steif. ´Und starre sie nicht an wie ein Kalb mit zwei Köpfen!´

"Ein schönes Büro", versuchte ich mich in einführenden Smalltalk. "Und ein wundervolles Grundstück. Wohnen sie auch hier?"

Sie zögerte einen halben Lidschlag. "Nein. Ich kann diesen Anbau nutzen, aber nur vorübergehend. Leider muss ich schon bald wieder ausziehen."

"Sie finden sicher andere Räumlichkeiten für ihre Praxis", lächelte ich gewinnend. "Jetzt nach der Krise gibt es viel Leerstand in der Stadt."

"Bestimmt", nickte sie unverbindlich. "Beginnen wir." Sie sah mich an, mit diesen großen Augen in der Farbe der Nordsee bei Sturm. Wieder spürte ich die verborgene Kraft, die dahinter saß. Ja, diese Frau konnte die Macht eines Orkans entfesseln und das Land verwüsten, wenn es sein musste.

"Äh - sie haben mir ihre Konditionen noch nicht mitgeteilt", kämpfte ich um meine Fassung, indem ich mich auf die schnöde Frage des Geldes konzentrierte.

"Die Therapie ist kostenlos."

"Was? Kostenlos?" Ich starrte sie an. "Rechnen sie über die Kasse ab?"

"Nein." Der Hauch eines Lächelns. "Meine Praxis ist noch jung, und ich bin auf das Geld nicht angewiesen. Ich habe mich dazu entschlossen, die ersten zwölf Klienten gratis zu beraten. Sie wären die Nummer zwölf."

"Na, da habe ich aber Glück." Ich lachte unsicher. Ihr Lächeln vertiefte sich eine Spur. Gut - das war ihre Marketingstrategie, um bekannt zu werden. Sie wirkte, ganz offensichtlich. Zufriedene Kunden wie Peter empfahlen sie weiter. Das würde ich sicher auch tun, wenn die Therapie funktionierte.

"Sie sind hier, weil ihre Frau sie verlassen hat", sagte sie in einem angenehm neutralen Tonfall. So als ob sie aus einem Buch vorlesen würde. "Sie haben die Vorzeichen gespürt, sie aber verdrängt und gehofft, alles werde weitergehen wie immer. Genauer gesagt: Alles würde wieder werden wie früher. Sie beide waren jung und hoffnungsvoll und verliebt, und konnten nicht genug kriegen voneinander. Doch das verlor sich immer mehr. Sie wussten nicht, was sie gegen diese Erosion tun sollten."

"Das ist... absolut korrekt", schluckte ich und starrte sie an. "Läuft so eine Sitzung nicht andersrum? Sollte nicht ich ihnen etwas aus meinem Leben erzählen?"

Sie legte den Kopf leicht zurück und lachte. Der schönste Laut, den ich in meinem ganzen Leben gehört hatte. Hell und klar und mit der Andeutung eines geheimen Versprechens darin. Meine Hände krampften sich um die Seitenlehnen des altertümlichen Sitzmöbels.

"Ich möchte nicht unbescheiden sein, Herr Steganowski." Ihre Augen glitzerten vor Amüsement. "Ich bin spezialisiert auf Fälle wie ihrer. Die Muster der Geschichten ähneln sich stark, auch wenn es durchaus individuelle Unterschiede gibt."

"Dann wissen sie schon, wo mein Problem liegt?" Vage Unruhe erfüllte mich. Ich empfand es als erniedrigend, zu einer leicht durchschaubaren Gruppe von Versagern zu gehören.

"Ungefähr." Sie beugte sich vor und sah mir voller Konzentration in die Augen. "Aber das ist nicht das Wesentliche. Viel wichtiger ist, dass sie selbst erkennen, wo ihr Problem liegt."

"Deshalb bin ich ja hier, oder?" Ich konnte kaum atmen, wenn sie mich so ansah.

"Sind sie das?" Sie neigte den Kopf, eine Geste voll feenhafter Anmut. "Wollen sie das wirklich wissen? Viele Menschen scheuen davor zurück."

Ich riss mich von ihren Augen los und starrte auf meine Knie. Wollte ich es wissen? Sehr lange war ich ohne dieses Wissen ausgekommen, und auch nicht schlecht gefahren. Als Ingenieur hatte ich mich um Fragen der Technik gekümmert, nicht um die der Psyche. Doch Lydias Weggang hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Den wollte ich zurück. Ich brauchte ihn!

Ich blickte hoch, in ihr Gesicht. "Ich will es wissen", erklärte ich und gestattete mir, ein ganz klein wenig verloren zu gehen in diesen Augen von der Tiefe des Weltraums.

"Gut." Sie nickte gemessen und beugte sich vor. Der Ausschnitt ihrer Bluse verschob sich ein wenig. Es war nichts zu sehen, außer ihrem schlanken Hals und den Ansätzen der Schlüsselbeine, zarte Konturen unter der blassen Haut. Doch der Anblick schien mir erotischer als sämtliche Internet-Pornos zusammengenommen.

"Wie haben sie ihre Frau kennengelernt. Erzählen sie", sagte sie und schob den Block zur Seite, der vor ihr lag. So als wollte sie damit ausdrücken: Ja, es wäre professionell, ein Protokoll zu schreiben. Doch es ist wichtiger, dass ich mich ganz auf dich konzentriere, Ralf...

"Äh - das war im Frühjahr 2004", raffte ich meine Gedanken zusammen. "Lydia war in einen Autounfall verwickelt. Nicht so schlimm, alles nur Blechschaden. Ich war einer der ersten Helfer, der angehalten hatte. Der andere Fahrer, der Unfallverursacher, hatte ihr die Vorfahrt genommen. Aber als ich kam, da standen sie sich gegenüber und haben sich angeschrien, über die zerknitterten Motorhauben hinweg."

Ich musste grinsen bei dieser Erinnerung. Ja, meine Lydia hatte damals ein herrliches Bild geboten. Zitternd vor Wut und sprühend vor Leben hatte sie einem Hünen Paroli geboten, der anderthalb Köpfe größer war als sie und dreimal so schwer.

"Eine Ausnahmesituation also", nickte Delia.

"Ziemlich." Ich rieb mir das Kinn. "Ich habe die Polizei angerufen. Die kam gleich darauf und hat die Sache übernommen und den Streit beendet. Lydia wollte sich bei mir nur bedanken. Doch dann hat sie angefangen zu zittern und zu weinen, als der Stress durchschlug. Daraus ist dann irgendwie... ich weiß auch nicht..."

"Danke. Ich kann es mir lebhaft vorstellen." Meine Therapeutin blinzelte verständnisinnig. "Eine Jungfrau in Nöten und ihr tapferer Recke."

"Na ja. Das mit der Jungfrau...?" Ich deutete ein schräges Grinsen an. "Lydia war damals 24, ich 29. Aber es stimmt schon. Unter normalen Umständen hätte ich mich wohl nicht getraut, sie anzusprechen."

"Weil sie so hübsch war?" Delia legte den Kopf schräg. Ihre Augen verengten sich um eine Spur.

"Äh - nein." Ich räusperte mich und schlug den Blick nieder. "Ich meine, Lydia sah schon gut aus. Nicht hässlich, jedenfalls. Aber sie war keine Schönheit oder so. Einfach eine junge Frau. Der kritische Faktor war wohl eher ich. Meine Schüchternheit."

"Sie kommen mir aber nicht übermäßig schüchtern vor, Herr Steganowski", wandte sie ein.

"Nur, wenn Frauen im Spiel sind." Ich lächelte sie bemüht an und spürte Wärme auf meinen Wangen. Sie war auch eine Frau, und das wussten wir beide genau.

"Ich verstehe." Sie maß mich mit einem langen Blick. Seltsamerweise fühlte sich das nicht so unbehaglich an wie sonst, wenn man sich durchschaut vorkommt.

"Erzählen sie mir von ihrer Mutter", verlangte sie dann.

"Jaja, ich weiß schon." Ich stieß ein humorloses Lachen aus. "Lydia und meine Mutter Valerie sind sich ziemlich ähnlich. Sowohl äußerlich als auch von ihrer Art her. Dominant, könnte man sagen. Zuhause hatte auch meine Mutter das Sagen. Mein Vater hat immer getan, was sie wollte. Fast immer, zumindest."

"Würden sie sagen, sie und Lydia haben ihre Ehe ähnlich geführt wie ihre Eltern?"

"Schon, irgendwie." Ich fühlte mich als Versager. Nichts dazugelernt, oder was? "Äh - Sowas ist doch aber nicht ungewöhnlich, oder?"

"Absolut. Wir alle sind das Produkt unserer Umgebung."

An diesem Punkt sah Delia zum ersten Mal an mir vorbei. In eine unbestimmte Ferne. Ein feiner Sprung in der Oberfläche der wunderschönen, starken, selbstbestimmten Frau, die sie gab. Für einen Sekundenbruchteil.

"Wie haben sich ihre Eltern kennengerlernt?" Schon war sie zurück und wieder auf ihre Aufgabe konzentriert.

"Am 11. Juli 1968, in Pforzheim", antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. "Am Vortag war ein heftiger Tornado durch die Stadt gezogen und hatte viele Häuser abgedeckt. Auch das von Valeries Familie war weg. Mein Vater war gerade in der Ausbildung zum Statiker und kam, um zu helfen. Da hat sie - OH?!"

"Merken sie was?" Sie blinzelte mit einem feinen Lächeln.

"Eine Jungfrau in Nöten", schluckte ich.

"Exakt. Sehr interessant, anscheinend ein stabiles Muster. Die Männer ihrer Familie schaffen es nur in Krisen- oder Ausnahmesituationen, eine Frau kennenzulernen und eine Partnerin zu finden."

"So habe ich das noch nie betrachtet." Meine Achtung vor Delias professionellen Fähigkeiten stieg.

"Geht das noch weiter zurück? Wissen Sie, wie ihre Großeltern väterlicherseits zusammengekommen sind?"

"N-nein. Das war... in der Nachkriegszeit. ´47 oder ´48 oder so. Aber darüber weiß ich nichts. Meine Großeltern leben nicht mehr."

"Fragen sie ihren Vater", riet sie mir. "Vielleicht gibt es eine identifizierbare Ursache. Eine Ausgangssituation, oder ein bestimmtes Trauma. Das wäre nützlich, denn wenn man das kennt, ist es viel einfacher, das zu bearbeiten."

"Ein Trauma meines Großvaters soll über mein Leben bestimmen?" Ich schüttelte den Kopf. "Das kann ich mir nicht vorstellen."

"Was machen sie beruflich, Herr Steganowski." Die wunderschönen Augen ruhten auf mir wie ein Gewicht.

"Ich bin Bauingenieur. Spezialisiert auf Brücken und ähnliches."

"Wenn sie eine große Brücke planen, dann steht die doch auf Pfeilern, oder?"

"Üblicherweise ja."

"Und die Pfeiler stehen auf Fundamenten?"

"Natürlich."

"Gut. Dann stellen sie sich ihr Leben als die Brücke vor. Das ihrer Eltern sind die Pfeiler. Und das der Großeltern das Fundament."

Sie lehnte sich zurück. Ich schaffe es nicht, meine Augen davon abzuhalten, kurz auf ihren Busen zu rutschen. Ein wirklich hübscher Busen! Verdammt! Was ihr das wohl wieder über mein verkorkstes Innenleben verriet?

"Äh, ja, ich verstehe, was sie meinen", stotterte ich. "Aber was kann ich da jetzt noch tun? Eine Brücke, die auf maroden Pfeilern oder Fundamenten steht, würde man abreißen."

"Glücklicherweise sind Menschen etwas flexibler als Brücken." Sie deutete ein melancholisches Lächeln an. "Man kann Verstärkungseisen einziehen, um im Bild zu bleiben. Oder sich zusätzliche Pfeiler anbauen. Oder von mir aus auch einen Heißluftballon über die Brücke hängen, um sie zu entlasten. Es gibt viele Möglichkeiten. Wichtig ist nur, dass man daran arbeitet."

War das der Punkt, wo sie mir eine lange, aufwendige Therapie verkaufen würde? Aber nein - die Behandlung war kostenlos, hatte sie gesagt.

"Gut. Und wie arbeite ich daran?"

Sie nickte, als hätte sie nur auf diese Frage gewartet, und zog etwas aus einer Schreibtischschublade. Eine wischförmige Bewegung vor mir, und ein Halbkreis Kärtchen lag über den Tisch ausgebreitet. Jedes davon war mit einigen Worten in kleiner Schrift versehen.

"Schauen sie sich diese Botschaften an", sagte Delia leise. "Nehmen sie sich Zeit. Finden sie ihre Karte. Die richtige."

Ich beugte mich vor und las einige der Karten. ´Ich darf spielen, solange ich will´, stand auf einer. Oder ´Ich bin richtig, so wie ich bin´. Oder ´Ich werde es schaffen, wenn ich es will´. Hm - wirklich seltsam, dieses psychologische Zeug. Das wirkte eher wie ein Kinderspiel auf mich.

"Woran erkenne ich denn die richtige Karte?", fragte ich und las stumm ´Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche.´

"Das merken sie schon." Ich hörte das Lächeln aus ihrer Stimme. "Sie wird sie ansprechen. Anspringen, geradezu."

´Ich kann ausdrücken, was ich brauche´, las ich. Die Karte blieb liegen und sprang mich keineswegs an. Leise Zweifel beschlichen mich. Das sollte eine Therapie sein?

´Ich bin schön und gefalle mir selbst.´ Hm.

´Was ich fühle, ist richtig.´ Ah ja.

´Ich darf auch einmal schwach sein.´ Gähn.

´Ich bin es wert.´

BING!

Auf einmal saß ich aufrecht da und keuchte. "Ich bin es wert", murmelte ich automatisch. Die Worte vibrierten auf meiner Zunge, als würden sie sich jede Sekunde ultrahoch erhitzen und durch mich hindurchbrennen.

"Sie haben ihren Satz gefunden." Schon griff sie nach meiner Karte und zog sie aus der Reihe heraus. Ich musste an mich halten, um ihr das Ding nicht aus der Hand zu reißen. Na sowas! Unruhig sah ich zu, wie sie selbst den Satz las, mir einen Blick zuwarf, und ansatzweise nickte.

"Und jetzt?", zwang ich mich, ruhig zu bleiben. "Was mache ich mit diesem Satz?"

"Nehmen sie ihn mit. Bitte." Sie streckte mir die Karte mit einem strahlenden Lächeln entgegen. Ich griff danach und zuckte zusammen, als sich unsere Finger kurz berührten.

"Lesen sie ihn immer wieder. Mehrmals pro Tag. Vor allem abends, bevor sie Schlafengehen. Ihr Unterbewusstsein wird sich dann besonders gut damit beschäftigen können", fügte sie an.

"Und dann?" Ich drehte die Karte in meinen Fingern. Die Rückseite war unbeschriftet. Nur ein blasses Symbol verzierte das Papier. Eine liegende Acht. Das Zeichen für Unendlichkeit.

"Warten sie einfach ab, was geschieht. Vertrauen sie ihrem Unterbewusstsein. Vertrauen sie mir."

Ich blickte hoch. Jede Spur von Lächeln war aus ihrer Miene gewichen. Sie sah mich so direkt und unverwandt an, als wollte sie mich mit ihrem Blick aufsaugen. Für eine Sekunde waberte Panik durch mein Nervensystem. Mich aufsaugen? So etwas traute ich dieser Frau absolut zu...

"In Ordnung!" Ich kam auf die Füße und lächelte gezwungen. "Vielen Dank, Frau Dr. Mickels, sie haben mir schon jetzt sehr geholfen. Ich spüre schon, wie ich wieder klar werde. Äh, ruhig, meine ich. Ganz ruhig."

Sie sagte nichts dazu, sondern nickte nur und blieb sitzen. "Viel Erfolg, Herr Steganowski", meinte sie leise.

"Ich... ich melde mich dann..." Einen Schritt rückwärts. Noch einen. "Einen schönen Tag noch, Frau Dr. Mickels."

Dann war ich draußen und atmete abgrundtief durch, als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte. Mit einem Ruck setzte ich mich in Bewegung und stiefelte den Weg zurück zum Tor. Es war noch angelehnt. Ich zog es hinter mir zu, nach einem letzten Blick auf das verwunschene Villengrundstück.

"Puh!" Ich lachte unbehaglich. Was zur Hölle war das gerade gewesen? Und warum war ich geflohen, beinahe von Panik erfüllt?

Etwas drückte in meiner linken Hand. Die Karte.

"Ich bin es wert", murmelte ich vor mich hin. Nichts geschah. Kein Aufkeuchen. Kein Energiestoß. Keine Posaunen von Jericho. Nur ein Stück Papier mit vier Worten.

Schon wollte ich das Ding einfach wegwerfen und sämtliche Erinnerungen an die rothaarige Therapeutin unter der Rubrik "Seltsame Erfahrungen, wahrscheinlich ungefährlich und irrelevant" ablegen. Da rauschte ein Windstoß heran und blies das Laub über die Straße. Ich umklammerte die Karte. Der Gedanke, dass auch sie so weggeweht werden könnte, fühlte sich unerträglich an.

Mit einem Seufzer stopfte ich das Ding in meine Jackentasche, zog die Schultern hoch, und stapfte in Richtung meines Hauses. Diese ganze Therapiegeschichte war doch ein einziger Hokuspokus! Das kam mir vor, als müsste ich eine Brücke konstruieren und würde dafür einen Bogen aufs Papier malen und unter beschwörenden Handbewegungen raunen: "Du bist standhaft! Du trägst 100 Tonnen! Du widerstehst der Witterung!"

So ein Mumpitz. Aber was blieb mir übrig?

***

Am Dienstagabend las ich zum ersten Mal seit langem wieder ein Buch. Zwischendurch blickte ich immer wieder auf die Karte, die auf dem Couchtisch lag und rezitierte "Ich bin es wert". Ich nahm sie mit zum Zähneputzen und legte sie auf den Nachttisch. "Ich bin es wert." Der Satz war das letzte, was ich sah, bevor das Licht erlosch.

Nichts geschah. Weder in der Nacht noch am nächsten Morgen noch im Laufe des Mittwochs. Ich ging ins Büro und arbeitete. Hektik, Termindruck, Stress. Wie meistens in dem Ingenieurbüro, in dem ich angestellt war. Die Karte steckte zwar in der Hosentasche, doch ich dachte nur einmal an sie und zog sie kurz heraus. Nach kurzem Zögern rief ich Amazon auf, suchte nach "Psychologie - Familie - Beziehung - Partnerschaft - Schüchternheit" und klickte auf die ersten drei Bücher, die mir angeboten wurden, und die mehr als vier Sterne hatten. Ein wenig Weiterbildung konnte nichts schaden.

Dann walzte wieder der Alltag darüber. Abends lag die Karte neben dem Herd, als ich mir ein Fertiggericht kochte und sie mit zwei Soßenspritzern versah. Später zog ich mir eine Netflix-Serie rein und dachte kaum noch daran, obwohl ich sie wieder ihren Platz auf dem Couchtisch geparkt hatte, gleich neben mir. Die Hoffnung hatte ich beinahe abgeschrieben. Wenn Therapie so einfach wäre, dann würden nicht so viele Verrückte da draußen herumlaufen, oder?

Gegen elf wurde ich schlagartig müde und schloss die Augen, bei laufendem Fernseher. Nur eben kurz ausruhen. Ins Bett würde ich später gehen. Irgendwann. Ich gähnte und dämmerte weg. So angenehm...

Ich spürte noch, wie etwas ins Rutschen kam. Etwas von der Größe eines Kontinents.

Dann -

***

Eine weibliche Stimme zog mich aus dem Tiefschlaf.

Ich gähnte und räkelte mich. Und hielt inne. Wow - ich fühlte mich total ausgeruht. Richtig gut. Nein - saugut! Hing das etwa mit dieser seltsamen Therapie zusammen?

"Hey! Willst du noch lange pennen? Wir müssen bald los."

"Hm?"

Ich blinzelte gegen die verklebten Lider an. Etwas war falsch mit meiner Stimme. Warum hatte ich mich so seltsam angehört? Ich räusperte mich, doch das machte es nicht besser. Überhaupt fühlte sich meine Kehle anders an. Nicht nur die Kehle! Sondern auch...

Perplex sah ich mich um. Wo war ich? Wie war ich hierhergekommen? Ich lag in einem kleinen Räumchen auf einem Sofa, eine Wolldecke über mich gebreitet. Ein Gästezimmer, fraglos. An einer Seite zog sich eine weiße Schrankwand entlang, neben dem Fenster stand eine Nähmaschine. Es war Nachmittag, sagte mir meine Intuition auf der Grundlage des Lichteinfalls durch das Fenster. Das sah aus wie die Sommersonne.

Im November?!

"Du bist ja eine Schlafmütze. Ich dachte, das sollte nur ein kurzer Mittags-Nap sein", lachte eine junge, weibliche Stimme. Ich sah hoch. Vor dem Sofa stand Amy Schneidkorn und grinste auf mich herunter, die Hände in die Hüften gestemmt.

Amy Schneidkorn?

Ich riss die Augen auf. Was machte der Schwarm meiner Schulzeit hier? Und warum sah sie so aus wie damals, in der Oberstufe, als wir siebzehn oder achtzehn waren? Wieso...

"Ah!", nickte ich. Na klar - ein Traum.

Ich grinste zurück und genoss meine Erinnerung. Amy trug eine Designerjeans mit kunstvollen Rissen und Löchern, und dazu einen Strickpulli, der einen hübschen Streifen Bauch freiließ. Ja, so war sie öfters in die Schule gekommen. Hey, so detailliert träumte ich sonst nie! Ich sah sogar ihre überbetonte Wimperntusche wieder, und den Lippenstift, den sie immer ein wenig über die eigentlichen Lippen hinauszog, weil ihr der Mund zu klein vorkam. Erstaunlich, dass das noch in meinem Kopf steckte.

"Jetzt komm schon!" Amy gestikulierte und wandte sich um. "Du wolltest doch noch duschen."

"Duschen?", fragte ich nach. Und erstarrte. Warum sprach ich in der hellen Stimme eines Mädchens? Mit tauben Fingern schob ich die Decke nach unten. Starrte auf einen dünnen Körper.

Einen mit Brüsten.

Ich musste lachen, hörte aber gleich wieder auf, als ich mich selbst hörte. In einem Traum konnte alles passieren. Man konnte sich auch in ein Mädchen verwandeln, warum nicht?

Nur - das hier fühlte sich nicht an wie ein Traum.

Es wirkte absolut real.

Panisch kämpfte ich mich auf die Füße und schwankte kurz. So leicht! So schmal! Meine hektischen Atemzüge kamen mir flach vor, obwohl ich so viel Luft einsaugte wie nur möglich. Ich legte meine Finger auf den Busen und drückte. Spürte das zarte Fleisch unter dem Stoff des Shirts, das ich anhatte. An den Fingern, aber auch von innen. An den Brüsten, die eingedellt wurden und diese Wahrnehmung brav dem Gehirn übermittelten. IN den Brüsten!

"Scheiße!", hauchte ich ehrfürchtig und sah an mir herunter. Zu dem weißen Shirt hatte ich nur einen Slip an. Blassgrau. Verdattert schüttelte ich den Kopf. Und spürte, wie ein unbekanntes Gewimmel um meine Wangen tanzte. Die Haare! Lange Haare, anscheinend. Mit zitternden Fingern griff ich eine der Strähnen und zog sie vor die Augen.

Leuchtend kupferfarben.

"Delia?", schluckte ich und meinte zu ersticken. Stolpernd setzte ich mich in Bewegung und stieß auf eine offene Tür. Dahinter ein Badezimmer. Amy stand vor dem Spiegel und zupfte an ihren Haaren herum.

"Da bist du ja", meinte sie nach einem Blick zu mir. "Beeil dich."

Ich achtete nicht auf sie, sondern drängte mich daneben. Aus dem Spiegel starrte mir ein unglaublich hübsches, rothaariges Mädchen entgegen. Riesengroße, strahlende, blaugraue Augen. Rosa Lippen. Süße, kleine Sommersprossen überall.

"Scheiße!", würgte ich erneut und hielt mir schnell eine Hand vor den Mund, als ein Brechreiz mich überkam.

"Hey, was ist los?" Amy runzelte die Stirn. "Ein neuer Mitesser? Jetzt mach schon - solange du duschst, kann ich nicht rein, sonst geht meine Frisur in der feuchten Luft zum Teufel. Also gleich das Fenster auf, klar?"

"Klar", flüsterte ich und krallte mich so fest an den Rand des Waschbeckens, dass meine Arme zitterten. Meine dünnen Arme!

Amy verschwand. Ich schloss die Tür hinter ihr und wandte mich um. Zog mich aus, der Atem blockiert von einem Tonnengewicht auf der Brust. Im Spiegel sah ich ein gertenschlankes, nacktes Mädchen mit heller Haut und Sommersprossen überall, auch auf den Armen und am Busen. Ein aberwitzig kleiner, flacher Bauch. Darunter ein gestutzter Schamhaarbusch. Auch kupferfarben, aber matter als die Haupthaare. Noch genauer hinzusehen, das brachte ich gerade nicht fertig.

"Ich bin ein Mädchen", sagte ich dem Spiegelbild, in einer angenehm hellen, fließenden Stimmlage. Meine Reflexion nickte.

"Delia, hat sie gesagt", fiel mir ein. "Himmel und Hölle - ich bin Dr. Delia Mickels! Als Mädchen?"

Das Fluchen hörte sich fürchterlich falsch an aus meinem neuen Mund. Alles hörte sich falsch an. Doch ich zwang mich weiter zum Selbstgespräch. Das war immer noch besser, als nur zu denken. Dort lauerte der Wahnsinn, spürte ich.

"Also gut", schnaufte ich und sah an mir herunter. "Es muss eine logische Erklärung geben. Ein Traum ist es nicht, oder?"

Ich nahm Haut und Fleisch vom Oberarm zwischen zwei Finger und drückte feste zu.

"Au!"

Das tat weh. Mehr weh, als ich es erwartet hatte. Dennoch musste ich den Versuch unbedingt mit einer dieser unfassbaren, knapp apfelgroßen Brüste versuchen. Die Nippel wirkten wie rosa Stiftchen, die Aureolen ringsum fielen dagegen erstaunlich klein aus, eigentlich nur ein faltiger Ring um die Basis der Brustwarze. Das sah süß aus.

Ich kniff in die Seite des rechten Äpfelchens und zuckte zusammen. "Hahaha", lachte ich hohl. "Kein Traum. Wusste ich es doch."

Meine Sachen! Nackt riss ich die Tür auf, rannte zurück in das Gästezimmer und sah mich wild um. Da, eine Reisetasche. Eine Jeans, darüber geknäult. Und eine Handtasche. Ich schnappte sie und wühlte im Inneren, bis ich auf einen vertrauten Umriss stieß und eine Geldbörse herauszog. Mit einem Sausen in den Ohren klappte ich sie auf.

Eine EC-Karte. Ein Schülerausweis. Ein Personalausweis. Scheckkartengröße, aber im alten Format. Alle ausgestellt auf "Delia van Effen", geboren am 04.05.1975 und wohnhaft in Darmstadt.

Der vierte Mai 1975 war mein eigenes Geburtsdatum! Das von Ralf Steganowski.

"van Effen?," murmelte ich verwirrt und suchte weiter. Dann wurde mir klar, dass Delia van Effen später geheiratet haben könnte. Einen Mann mit dem Nachnamen Mickels.

"Das führt uns zu der Frage: Wann und wo ist denn heute?", flüsterte ich und musste kichern. "Kleine Zeitreise gefällig?"

Ich schloss die Augen und dachte angestrengt nach. Sogar das fühlte sich anders an. Kein Wunder, mit einem anderen Gehirnmodell im Kopf.

Einen Personalausweis bekam man erst ab 18, richtig? Das hieß, ich befand mich mindestens im Jahr 1993. Dem Jahr, in dem ich - also mein richtiges Ich - in die dreizehnte Klasse ging, auf der Zielgeraden fürs Abi. Richtig! Amy hatte exakt so ausgesehen, damals. Und das wiederum hieß, wir befanden uns in...

"Fränklingen?", kicherte ich. "Echt jetzt? Wo ich gelebt habe? Oder jetzt lebe, genauer gesagt? Das heißt - ich könnte mir selbst begegnen? Wie in diesem Film, ´Zurück in die Zukunft´?"

"Bist du schon fertig mit Duschen?", hörte ich den Ruf von Amy.

"Äh - nein. Moment noch", schrie ich zurück, warf alles auf das Sofa und tappte auf nackten Sohlen zurück ins Bad. Offensichtlich war ich im Leben und im Körper eines fremden Mädchens gelandet. Bis ich Genaueres wusste, würde ich erst mal mitspielen und nicht auffallen.

Ich sprang unter die Dusche, zog den transparenten Vorhang zu und drehte das Wasser auf. Als die Temperatur stimmte, wollte ich mich schon direkt unter die Brause stellen. Da fiel mir ein, dass ich Null Ahnung hatte, wie man sich als Frau die Haare wusch, geschweige denn danach in Form brachte. Ich hatte nur immer staunend die Dutzende von Flaschen und Tuben gesehen, die Lydia zu diesem Zweck benötigte. Glücklicherweise hing eine Duschhaube an einem Haken. Ich stopfte alle Strähnen darunter und seifte mich vorsichtig ein.

Dadurch nahm ich auch das erste Mal richtig Kontakt mit meinem neuen Körper auf. Die Arme fühlten sich unnatürlich dünn an, ebenso die Rippen und die Taille. Mit den Brüsten hatte ich weniger Schwierigkeiten. Die waren eben da. Ich schäumte sie mit Seife ein und spürte dem Kreisen nach. Dann zwickte ich versuchsweise in die Nippel. Ein deutlicher Impuls, und sie verhärteten sich. Doch das erzeugte keinen erotischen Reiz. In den Achselhöhlen fand ich weiche Haarkissen. Nett - ich stand schon immer auf Natur.

Mit einem Schlucken widmete ich mich dem Unterkörper. Zuerst der Po. Die Backen fühlten sich viel weicher und zarter an, aber ansonsten nicht so unterschiedlich. Auch, als ich die hintere Spalte einseifte und hineintastete, kam mir das vertraut vor. Gleiche Ausrüstung, nur dass der Anus delikater rüberkam. Von innen und von außen. Hm.

Ich schloss die Augen und schob die Hand vorne zwischen die Beine. Nasses Gekräusel am Handgelenk. Die Schamhaare. Eher Flusen, kaum gekringelt. Ganz anders als meine, als Mann. Als Ralf! Verdammt - wer war ich denn nun? Wenn man da nicht schizophren werden konnte, wann dann?

Meine Fingerspitzen stießen auf weiche Falten. Atemlos erforschte ich die Venusspalte und fand gleich die Klitoris. Doch auch hier empfand ich die Berührung nicht als erregend oder sexuell getönt. Einfach ein Stück meines Körpers, der sich empfindlicher anfühlte. Natürlich ging mir der Gedanke im Kopf herum, dass ich mich jetzt kurz mal selbst befriedigen könnte. Doch das kam mir so weit weg vor wie der Mond. Also rieb ich nur in der Vertiefung herum, bis ich mir dort sauber vorkam.

"Na also!", kicherte ich vor mich hin und spülte den restlichen Schaum ab, ein übermütiges Summen auf den Lippen. "Ist doch gar nicht so schwer, eine Frau zu sein."

Das Wasser aus, ein Handtuch, abtrocknen überall. Die Duschhaube vorsichtig absetzen und die Haare ausschütteln. Ah, richtig! Ich öffnete das Fenster und spähte neugierig hinaus. Es ging in einen Garten, gegenüber zog sich die Wand der Garage entlang. Offenbar das Grundstück von Amys Eltern im Villenviertel, etwas außerhalb. Dort war ich nie gewesen. Meine Anbetung für sie hatte stets aus sicherer Entfernung stattgefunden. Die Luft, die von draußen hereinströmte, fühlte sich warm an und trug den Duft des Frühsommers mit sich.

Wieder sah ich in den Spiegel und bewunderte die makellose Schönheit des Mädchens. Also von mir. Oder -

"So funktioniert das nicht", erklärte ich meinem Spiegelbild. "Ich komme völlig durcheinander. Am besten bin ich jetzt Delia van Effen, und der andere, der ist Ralf Steganowski. Mein, äh, Vetter. Oder Onkel. Mein Doc Brown."

Delia also. Ich nickte und hängte das Handtuch auf. Mein Kopf wirbelte vor Gedanken und Bildern. Offenbar präparierten wir uns für etwas Besonderes. Ausgehen? Eine Fete? Als Delia war ich eine Freundin von Amy, so viel war mir klar. Eine, die sie nicht oft besuchte, denn der andere, also Ralf, hatte mich nie gesehen. Daran hätte er sich hundertprozentig erinnern können.

"Hätte er das?" Ich sah in den Spiegel. Doch, das hätte er. Wieder war ich fasziniert, wie schön ich aussah. So jung und frisch. Problemlos Titelseitentauglich. Oder war das nur eine Art von verzerrter Selbstwahrnehmung? Vielleicht üblich für Frauen? Hm, nein - soweit ich wusste, arbeitete die Verzerrung eher in die andere Richtung. Achteten Frauen nicht immer speziell auf die Dinge, die ihnen nicht gefielen? Doch ich konnte suchen, solange ich wollte - ich fand nichts an mir, was ich nicht toll fand.

"Ich bin un - fass - bar schön!", grinste ich vor mich hin. Dann fiel mein Blick auf mehrere tausend Tiegelchen, Töpfchen und Fläschchen, die auf dem Board unter dem Spiegel standen. Oh nein! Das Schminken wartete auf mich. Davon hatte ich allenfalls eine vage Ahnung.

Die Tür ging auf. "So, das reicht jetzt aber wirklich!", beschwerte sich Amy. "Mach mal Platz, sonst werde ich nie fertig!"

Ich wich beiseite und riss die Augen auf. Amy trug nur einen knappen Slip, sonst nichts. Ihre großen Brüste schaukelten sanft, als sie sich ein Gläschen schnappte und eine Creme auf die Wangen rieb. Sie hingen ein wenig tiefer, als ich sie in Erinnerung hatte. Wahrscheinlich, weil ich Amy immer nur mit BH oder im Bikini gesehen hatte.

Verstohlen blickte ich auf die eigene Ausstattung. Kleiner, aber hübscher. Eindeutig!

"Was ist los?" Sie warf mir einen Seitenblick zu. "Willst du dich nicht schminken?"

Uh oh!

"Äh, ich habe mir gerade in der Dusche voll die Hand angeschlagen", improvisierte ich und schlenkerte die rechte Hand. "Die Finger fühlen sich ganz taub an. Ich glaube, ich kann gerade gar nichts richtig halten."

"Dann lass mich mal und warte ein paar Minuten, bis das Gefühl wieder da ist." Amy widmete sich jetzt den Augenbrauen und verschwendete offenbar keinen Gedanken auf ihre Freundin. Ja, jetzt wo ich es so vor Augen hatte, da fiel es mir wieder ein. Die gute Amelia Silke Schneidkorn konnte ein eiskaltes Aas sein. In der elften hatte sie einmal ihrer besten Freundin Dorothea den Macker ausgespannt. Dorothea, die lange nicht so gut aussah wie sie, und die dann wochenlang blass und verzweifelt herumhing und immer dünner wurde.

Ich biss die Zähne zusammen. So würde das nichts werden.

"Kannst du mir nicht helfen?", fragte ich sie direkt. "Sonst male ich mir Striche auf das Gesicht, und wir kommen ewig nicht los."

"Hm." Amy fixierte mich und presste die Lippen aufeinander. Darauf hatte sie offenbar wenig Lust. "Ich weiß ja nicht, wie du es haben willst", wich sie aus.

"Ich überlasse das deiner Kunstfertigkeit", lächelte ich sie gewinnend an. "Mach mit mir, was du willst, okay?"

"Was ich will?" Meine Freundin blinzelte verblüfft.

"Ja. Dein Style. Vielleicht lerne ich was von dir. Ganz fresh und so."

Amy musste grinsen, dann lachte sie auf. Ha - ich hatte sie. Tatsächlich wurde es eine sehr nette, kleine Session, mich von ihr aufpimpen zu lassen. Wir kicherten und prusteten und probierten dies und jenes aus. Ich tat so, als hätte ich Ahnung, folgte aber eigentlich nur dem, was ich bei Amy an Meinung wahrnahm. Dabei bewunderte ich heimlich ihren fast nackten Leib. Insbesondere diese herrlichen Titten, die vor mir hin und her schwangen, während sie mein Gesicht bearbeitete.

Wie oft hatte Ralf nachts gewichst, mit diesen Titten vor Augen? Doch meine Aufmerksamkeit wurde von den blonden Flusen abgelenkt, die ich in Amys Achselhöhlen erspähte. Wann hatte das eigentlich angefangen mit der Ganzkörperrasur? 1993 war der Trend offenbar noch nicht bis in die Provinz vorgedrungen.

"So!" Sie trat einen Schritt zurück und musterte mich prüfend. "Perfekt! Die Jungs werden zu Boden sinken. Und die Lehrer kriegen einen Herzanfall. Die Lehrerinnen auch, vor Neid."

"Wow!", hauchte ich mit aufgerissenen Augen, als ich in den Spiegel sah. Das hübsche Mädchen hatte sich in eine blendende Schönheit verwandelt. Wie scharf meine dunkel getuschten Wimpern aussahen, wenn ich damit klimperte! Amy hatte kein Schwarz verwendet, sondern ein weiches Braun, das die Kupferfarbe wunderbar natürlich betonte. Und die Lippen! Am liebsten hätte ich die selbst geküsst, so voll und frisch und weich sahen sie aus...

"Nicht übel, was?" Amy betrachtete das Ergebnis ihrer Bemühungen stolz. "Ich sollte mein Werk signieren."

"Gerne!", lachte ich übermütig und hielt ihr einen schwarzen Mascarastift hin, den wir nicht gebraucht hatten.

"Wirklich?" Meine Freundin grinste frech. "Hm, wohin denn? Auf die Stirn?"

"Nein. Hier." Ich deutete auf meine linke Brust. Sprudelnder Übermut erfüllte mich, mit einem leicht hysterischen Beigeschmack.

"Da? Na gut?"

Sie beugte sich vor und malte "AMY ´93" auf meine Titte, die Zungenspitze vor Konzentration zwischen die Lippen geklemmt. Ich sah zu und genoss heimlich den Kitzel der Spitze, die in die zarte Haut dort drückte. Meine Nippel wurden hart und schwollen an, doch sie reagierte nicht darauf. Wahrscheinlich war das normal, wenn man weiblichen Geschlechts war. Verstohlen linste ich auf ihre Glocken. Täuschte ich mich, oder standen ihre Brustwarzen auch steifer ab als zuvor?

"Sehr schön." Amy legte den Stift beiseite. "Aber jetzt muss ich mich echt beeilen. Hoffentlich passt mir das Kleine Schwarze noch, sonst habe ich ein Problem!"

Das Kleine Schwarze! Mein Unterkiefer sackte herab. Amy sah es nicht, glücklicherweise, weil sie in Windeseile die eigene Kriegsbemalung auf Vordermann brachte.

Ich wusste jetzt, welcher Tag heute war! Der 26. Juni 1993! Ein Samstag. Der Samstag, an dem am Lessing-Gymnasium von Fränklingen das traditionelle Sommerfest stattfand. Einer der Höhepunkte im Leben eines Schülers in einem Provinzkaff mit weniger als zehntausend Einwohnern. In wenigen Tagen begannen in Baden-Württemberg die Sommerferien, und es würde Zeugnisse geben. Die Lehrer versuchten gar nicht erst, noch so etwas wie regulären Unterricht zu simulieren, sondern zeigten Filme oder veranstalteten Spiele oder Ähnliches.

An diesem Tag hatte Amy ein sündhaft kurzes, schwarzes Kleid getragen. Und vielleicht deshalb hatte an diesem Tag meine Verzückung für Amy ihren Höhepunkt erreicht. Ralfs Verzückung, korrigierte ich schnell meine Gedanken. Er hatte wie üblich mit den Freunden herumgehangen, Bier getrunken, geflachst und gelacht. Doch sein Blick war alle paar Sekunden hinübergegangen zu dem großen, blonden Mädchen, das mit den anderen tratschte und lachte.

Wie schön sie ihm damals schien! Einfach perfekt! Wie direkt vom Himmel herabgestiegen. Ein Engel aus einer anderen Welt und genauso unerreichbar für ihn. Dennoch spürte ich die schwelgerische Bittersüße, mit der er sich noch Jahre später an diesen Tag erinnerte. Ihm wurde bei dem Fest nämlich endgültig klar, dass er niemals auf sie zugehen würde. Sie niemals fragen würde, ob sie Lust hätte, etwas mit ihm zu unternehmen. Oder... ihn zu küssen. Er hatte das bisher nicht gewagt, und jetzt, im letzten Jahr bis zum Abi, standen die Chancen dafür nicht besser.

Nun rotierte mein Mädchengehirn auf höchsten Touren.

Wir gingen zum Schulfest.

Ralf würde dort sein.

Amy auch.

Und ich.

Das konnte kein Zufall sein. War es meine Bestimmung, die beiden zu verkuppeln? Dafür zu sorgen, dass der linkische Ralf doch irgendwie zu seiner heimlichen Liebe fand? So wie Marty McFly seine Eltern zusammenbringen musste, um zurück in die Zukunft zu gelangen?

Aber selbst, wenn das gelang - was würde dann mit mir sein? Mit Delia van Effen, die später Psychologie studieren und eine Praxis eröffnen würde?

"Willst du dich nicht endlich anziehen?", fragte da Amy, ohne mich anzusehen. Mir wurde klar, dass ich dastand und glotzte wie ein Goldfisch.

"Äh, klar. Bin gleich so weit."

Ich floh in mein Zimmer und warf die Tür hinter mir zu. Anziehen? Was denn? Ein Kramen in der Reisetasche förderte Unterwäsche in verschiedenen Farben, ein frisches T-Shirt, eine dünne Stoffhose und ein Haarband zutage. Nichts, was für ein Fest taugen würde. Verwirrt sah ich mich um und erblicke ein Kleid in einem abgetönten Blau, das auf einem Bügel an der Wand hing. Die Farbe meiner Augen.

Ah! Verzaubert strich ich über den Stoff. Auf den zweiten Blick saß eine Art metallischer Schimmer in dem Gewebe, der einen geheimnisvollen Touch hinzufügte. Ich quietschte unterdrückt. Dieses Ding? Zu meinen Haaren? Das ergab ein Signal, so subtil wie ein Flutlichtscheinwerfer direkt in die Augen!

Nach und nach fand ich mich zurecht. Zum Kleid passten nur der blaue Slip und der BH in derselben Farbe, aber mit transparenten Plastikträgern. Und einem ebenso durchsichtigen Band hinten. Umso besser, denn der ließ sich vorne zuknöpfen, zwischen den Körbchen. Damit kam ich klar. Hinten hatte ich ja - als Ralf - schon beim Aufmachen immer Probleme gehabt.

Aufgeregt schlüpfte ich in den Slip und genoss die hauchzarte Berührung. Ganz anders als die drögen Unterhosen, die Ralf kannte. Dann der BH. Sorgsam staute ich meine Formen hinein und justierte ihn, bis es mir richtig vorkam. Auch nicht übel. So fühlten sich die Brüste viel fester und geschützter an als nackt. Das mochte ich.

Mit angehaltenem Atem nahm ich das Kleid vom Bügel und studierte den Schnitt. Einen Reißverschluss oder Knöpfe fand ich nirgends. Der Rücken fehlte praktisch - war das zum Hineinsteigen gedacht? Nein, das konnte nicht sein. Meine Hüften stellten den breitesten Punkt dar, obwohl sie eher grazil wirkten. Also musste das Kleid von oben her darüber fallen, oder?

Ich hob das Teil über den Kopf und ließ es über mich rutschen. Das funktionierte! Ein wenig zurechtzupfen, und ich hatte ein Cocktailkleid an. Schlicht gehalten, aber sehr elegant. Schulterfrei und vorne mit einem eher züchtigen Ausschnitt. Hinten sah man dagegen die komplette Wirbelsäule, bis runter zum Kreuzbein.

"Ein Spiegel! Ich brauche einen Spiegel!", hörte ich mich hervorstoßen und musste über mich selbst lachen. Ralfs Lachen, über Frauen und ihren Drang zum Spiegel. Nun verstand ich das sehr viel besser. Na klar braucht man eine Kontrollmöglichkeit, wo war denn da das Problem?

Zuerst noch die Schuhe. Auch davon lagen mehrere Paar in der Reisetasche herum. Wahrscheinlich waren die schmalen, schwarzen Pumps mit den hohen Stielabsätzen zu dem Kleid gedacht, aber mit den Dingern würde ich mir innerhalb von Sekunden beide Beine brechen. Ich wählte pastellbraune Sandaletten mit Riemchen, paillettenbesetzt. Die wiesen einen mittelhohen und beruhigend breit ausgeführten Absatz auf. Damit sollte ich laufen können.

So ausgerüstet öffnete ich die Tür und ging zum Bad. Nein - ich schritt! Sanft wiegend, wie auf unsichtbaren Tretlagern gebettet. Aha! So funktionierte das also mit den Schuhen, der Absatzhöhe und dieser faszinierenden Art der Fortbewegung, die die Frauen so draufhatten. Hatte man das in den Genen? Anscheinend schon, wenn ich es ohne größeres Training schaffte. Zumindest, solange keine Eile geboten war.

Amy kam aus der Tür, aufgebrezelt bis zum Anschlag. Ihre Augen weiteten sich, als sie mich sah.

"Delia! Das sieht fantastisch aus!", stieß sie hervor. "Du wirst der Star des Schulfestes sein - der mysteriöse Rotschopf! Allen unbekannt, und daher umso faszinierender."

Ich lachte laut auf bei diesem Bild und kam mir von meiner eigenen Stimme so berauscht vor wie von Champagner. Ja, so fühlte ich mich. Wie ein Star. Ach was, eine Göttin! Mindere Sterbliche mochten die Münder aufreißen und erblassen. Ich würde vorüberschweben und huldvoll lächeln.

Da bemerkte ich Amys Blick. Er transportierte nicht nur Anerkennung, sondern auch eine gehörige Portion Neid. Oder Missgunst? Meine Antennen schlugen Alarm. Ralfs Antennen, genauer gesagt.

"Komm mal mit", sagte ich ihr, nahm sie an den Schultern und drängte sie zurück ins Bad und vor den Spiegel. So sahen wir uns beide. Zwei junge, sprühende Schönheiten, eine hübscher als die andere. Amy mit ihren honigblonden Locken und den üppigen Formen, der feuchte Cheerleader-Traum jeden Mannes. Und ich, die feenhafte Rothaarige. Etwas kleiner und schmaler gebaut, mit zurückhaltenden Kurven, aber wie von innen heraus leuchtend mit der hellen Haut und dem schmelzenden Teint.

"Ich fühle mich nur so gut, weil ich es toll finde, dass du mich eingeladen hast", flüsterte ich und drückte sie an mich. "Danke, Amy! Das werde ich dir nie vergessen. Du siehst krass scharf aus. Wir beide rocken jetzt das Fest, ja?"

"Darauf kannst du einen lassen!" Amy lachte hell auf und schien versöhnt. "Glaub mir, an den heutigen Tag werden viele noch sehr, sehr lange denken!"

"Das glaube ich allerdings auch." Ich grinste, eingedenk meiner Erinnerungen als Ralf. Wir umarmten uns spontan. Vorsichtig allerdings, um unsere kunstvoll gefertigten Outfits nicht zu beschädigen. Für eine Sekunde rieben unsere Brüste übereinander und schmiegten sich zusammen. Ein traumhafter Moment. Blitzartig wurde mir klar, dass ich jetzt ja auch Sex mit einer Frau haben könnte, wenn ich wollte.

Der Gedanke ließ sofort Wärme in mir hochsteigen.

Draußen hupte es.

"Das ist mein Bruder", sagte Amy und ließ mich zögernd los. "Hast du alles? Handtasche? Lippenstift? Geld? Tampons?"

"Bin gleich so weit." Ich stürzte zurück ins Zimmer.

"Beeil dich!", rief sie mir nach. Ah, da. Eine schmale Handtasche in genau derselben Farbe wie das Kleid. Ohne Riemen, ich musste das Teil also in der Hand behalten. Auch nicht übel - so hatte ich immer etwas, an dem ich herumfummeln konnte, falls ich nervös werden sollte.

Ich warf alles hinein, was mir nützlich erschien, und bekam kaum den Druckknopf zu. Dabei besaß ich nicht einmal ein Handy! 1993 waren die wahrscheinlich noch nicht einmal erfunden. Ralf hatte zu der Zeit keines gehabt, und auch keiner seiner Schulkameraden. Schade eigentlich - ich fühlte mich gerade so richtig nach ein paar hundert Selfies. Schön von oben und mit Kussmund.

Ein kleiner Flacon fiel mir in die Hand, zu groß für das Täschchen. ´Rive Gauche´ von YSL. Ich zog die Kappe ab und schnupperte. Nicht übel! Rasch sprühte ich mir ein wenig davon auf die Handgelenke und um den Hals und eilte nach vorne. Vom Rest des Hauses bekam ich nicht viel mit, weil Amy schon im Eingang stand und ungeduldig winkte.

In der Einfahrt stand ein BMW, ein altes Modell. Das hieß: für 1993 wohl brandneu. Am Steuer ein junger Mann im Jackett, der seinen Ellenbogen betont lässig aus dem offenen Fenster hängen ließ und uns supercool entgegensah. Zufrieden bemerkte ich, wie er uns anstarrte und seine Augen sich weiteten. Das ließ seine Filmstar-Überlegenheit ein wenig bröckeln.

Wir schlüpften unter Gekicher und dem Schaben von Stoff auf die Rückbank, im Rückspiegel aufmerksam verfolgt von unserem Fahrer. Hoffentlich musste ich ihn nicht mit Namen ansprechen - Ralf hatte keine Ahnung, wie der Bruder von Amy hieß.

"Ihr seid spät dran", meinte er, leicht angesäuert, und startete den Motor. "Wir versäumen noch die Eröffnungsrede des Schulleiters."

"Ein herber Verlust", lachte Amy und wagte kaum, sich in dem engen Outfit bequem hinzusetzen. "Er wird es verschmerzen."

Ihr Bruder schnaubte nur abschätzig. Er schien nicht amüsiert. Wie lange hatte er hier im Auto auf uns gewartet? Hoffentlich verwickelte er mich jetzt nicht in ein Frage- und Antwort-Spiel, das könnte nämlich peinlich werden. Eine Ablenkung? Hm. Mal überlegen. Ich war doch auch mal in dem Alter gewesen, als Ralf. Was würde er jetzt denn am liebsten hören?

Ich beugte mich vor, legte eine Hand auf seine Schulter und sagte: "Du holst das doch sicher auf dem Weg wieder rein, oder? Wie viel PS hat denn dieses Auto?"

"Ein 323i hat 192 PS", erklärte er mir, mit neutraler Stimme, aber fast platzend vor Stolz. Ich gab ein beeindrucktes Geräusch von mir und lehnte mich zurück. Sobald wir aus der Einfahrt waren, ließ er den Motor aufröhren und wir schossen davon, in Sekundenschnelle weit jenseits der zulässigen Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften.

Ich unterdrückte ein Grinsen und kurbelte das Fenster einen Spalt auf. 1993 gehörten elektrische Fensterheber noch nicht zur Standardausstattung. Die warme Luft des Juninachmittages ließ meine Haare wirbeln. Ich schloss die Augen und genoss die Wärme der Sonnenstrahlen auf dem Gesicht.

Doch, das hatte was! Als Mädchen musste man einfach nur hübsch aussehen. Alles andere wurde rings um einen herum organisiert, schien mir. Nur ein Klischee? Eine Beobachtung? Ein Vorurteil von Ralf? Ich würde es bestimmt herausfinden, an diesem Tag.

Was wusste ich noch über das Sommerfest 1993? Nicht viel - Ralf hatte sich abends ziemlich die Kante gegeben, die Erinnerungen waren daher verschwommen. Der übliche Ablauf: Ein paar Reden, Ehrungen, Preisverleihungen. Dann spielte die Schulband auf, als Unterhaltung zum Grillbuffet. Lange Reihen von Bierbänken und -tischen, voll mit Schülern, Eltern, Großeltern, Lehrer und Gästen. Das Lessing-Gymnasium hatte zu der Zeit knapp tausend Schüler, entsprechend umfangreich fiel die Festivität aus. Der große Park neben der Schule war jedes Mal getupft mit feierlich ausstaffierten Leuten.

Nach einer Pause und einem von den Müttern organisierten Dessertbuffet, das den BMI der Stadt merklich in die Höhe trieb, rockte die Schulband dann richtig los, sobald die Dämmerung einsetzte. Also gegen halb zehn. Die Truppe war gar nicht übel, zumindest in Ralfs - möglicherweise nostalgisch verklärter - Erinnerung. 1993 hatte Steve Müller noch die Leitung, der wurde später Berufsmusiker. Und hatte da nicht Lea von Gruibing gesungen? Diese dünne Hexe mit der Wahnsinnsstimme? Oder war das früher gewesen?

Um Mitternacht musste die Band aufhören, der Nachbarn wegen. Dann blieben die Älteren draußen sitzen, bei Bier, Wein und Stärkerem, während innen verschiedene Klassenzimmer zu Dancefloors umfunktioniert wurden. Die Schule brachte jedes Jahr ein, zwei neue, hoffnungsvolle DJ-Aspiranten hervor, und diese Nacht stellte den inoffiziellen Wettbewerb um die Auflege-Krone von Fränklingen dar.

Ich grinste sinnend. Dass ich nochmal auf das Schulfest ging! Als Mädchen! Als umwerfende Schönheit - wow! Dieselbe Mischung aus Vorfreude, Aufregung, Kicherdrang und bangem Zweifel erfüllte mich, die ich so gut in Erinnerung hatte. Wie herrlich, so jung zu sein! Keine Verpflichtungen zu haben, außer dem festen Vorsatz, diese Nacht bis zur Neige aufzusaugen!

Wir bogen auf eine Umgehungsstraße ein, und der BMW brüllte los. Amys Bruder holte alles raus und beschleunigte so stark, dass wir in die Polster gedrückt wurden. Jetzt wusste ich, wo wir waren. Zwei Ausfahrten noch.

Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit der Mission zu. Wie bekam ich Ralf und Amy zusammen? Dumm, dass mit diesem Gehirn keine Inhalte mitgeliefert wurden. Ich hatte keine Ahnung von ihrem Beziehungsstatus. Ja, ich wusste nicht mal genau, in welchem Verhältnis wir standen. Vielleicht entfernt verwandt? Oder befreundet?

Ich beugte mich zu ihr, vertraulich nahe. "Hast du eigentlich... besondere Ziele für diesen Abend?", flüsterte ich ihr zu.

"Ziele?" Sie blinzelte. "Ach, du meinst, jemand bestimmtes?"

"Genau." Ich setzte ein Verschwörergrinsen auf.

"Ach, weiß nicht so recht." Sie lächelte vor sich hin und schürzte die knallroten Lippen. "Niemand aus der Schule. Aber die Leute aus den früheren Abi-Jahrgängen kommen auch manchmal wieder. Vor zwei Jahren gab es jemand. Roman hieß er. Heute studiert er in England, soweit ich weiß."

Nicht gut!

"Echt?", gab ich mich überrascht. "Niemand aus der Schule? Bei so vielen Leuten? Was ist denn mit den Jungs in deiner Klasse?"

"Ach, die." Sie winkte ab. "Nee, vergiss es. Höchstens den Florentin, den fand ich mal ganz süß. Aber der ist seit der siebten Klasse mit seiner Mia zusammen. Die beiden sind wahrscheinlich schon genetisch miteinander verschmolzen."

Herabgezogene Mundwinkel zeigten deutlich, was sie von dieser Paarbildung hielt. Interessant! Also bekamen auch Granaten wie Amy nicht jeden, den sie wollten? Ein neuer Gesichtspunkt für Ralf. Es fühlte sich so an, als würde er im Hintergrund aufmerksam lauschen.

"Du stellst mich aber schon ein paar Leuten vor, oder?" Ich schützte Unsicherheit vor, mit einem vertrauensvollen Augenaufschlag.

"Na klar." Sie gab mir einen Stoß an die Schulter. "Die werden sich darum balgen, dich kennenlernen zu dürfen, wart´s nur ab!"

"Vor allem die Jungs aus deiner Klasse", überlegte ich laut weiter. "Ich mag es, wenn jemand gleich alt ist wie ich."

"Wirklich?" Ein Schnauben, sie sah nach vorne durch die Windschutzscheibe. "Da bist du aber in der Minderheit. Alle meine Freundinnen stehen darauf, wenn ihr Macker zwei oder drei Jahre älter ist. Ich auch. Von mir aus auch fünf oder sechs Jahre!" Sie zwinkerte mir zu.

Mist! Das hörte sich gar nicht gut an.

"Was findest du denn an Gleichaltrigen?", wollte sie wissen. "Die sind doch völlig langweilig."

"Möglich." Ich machte ein geheimnisvolles Gesicht. "Aber sie haben andere... Vorzüge."

"Ja?" Jetzt hatte ich ihre Aufmerksamkeit. "Welche denn?"

"Man kann sie so ziehen, wie man es braucht", flüsterte ich ihr zu und setzte ein schmutziges Kichern hinzu.

"Was?" Sie starrte mich verständnislos an. Oh Mann, eine schwere Geburt!

"Überleg doch mal", entwickelte ich eifrig weiter und dämpfte meine Stimme, damit ihr Bruder vorne nicht zu viel mitbekam. "Viele haben keine oder kaum Erfahrung mit Mädchen. Das heißt, sie sind total entzückt, wenn es endlich mal funkt und völlig aus dem Häuschen. Sie küssen einem die Füße, und das meine ich wörtlich. Der kleinste Wink, nur ein Wort, und sie überschlagen sich, um einem zu gefallen."

"Hey Delia!" Sie sah mich mit großen Augen an. "Das... hätte ich nicht von dir gedacht."

"Was denn?", tat ich unschuldig.

"Dass du auf solche Dominanzspielchen stehst." Ein dunkles Grinsen breitete sich auf ihrer Miene aus. "Aber ich verstehe, was du meinst. Gar nicht uninteressant, dieser Gedanke."

Yessss!

"Ich habe das auch von einer älteren Freundin so gehört", flunkerte ich drauflos. "Und zwei Mal selbst ausprobiert. Das waren die tollsten Nächte meines Lebens, kann ich dir sagen."

"Du hast mit ihnen geschlafen?"

Sie glotzte mich an, mit offenem Mund. Aha? Die Sexbombe Amy war anscheinend nicht so offen, wie meine Fantasie sich das immer ausgemalt hatte, auf der Grundlage ihres lässigen Verhaltens in der Schule. Doch in ihren Augen funkelte es, bemerkte ich. Jetzt musste ich diesen Kurs auch durchhalten.

"Nur mit einem." Ich schob mich an sie und hauchte ihr ins Ohr: "Den anderen habe ich lecken lassen. Stundenlang. Das war der Wahnsinn! Ich bin viermal gekommen, glaube ich. Am Schluss war ich kaum noch bei Bewusstsein..."

Amy schluckte vernehmlich. Ich rückte ein wenig zurück und blinzelte ihr verständnisinnig zu. Sie nickte langsam und sah wieder nach vorne, die Unterlippe zwischen die Zähne geklemmt. Sehr schön! Der Gedanke wäre gepflanzt, er würde keimen und wuchern. Ganz wie in diesem Film, bei dem sich die Horizonte hochbogen, mit Leonardo di Caprio. Wie hieß der noch gleich? Ah ja, ´Inception´.

Ich überließ Amy ihrem Nachsinnen und versank selbst in ein paar vagen Fantasien, während wir jetzt langsam durch ein Wohngebiet rollten. Was würde morgen passieren? Und übermorgen? Würde ich weiterleben, in diesem fulminanten Körper? Ha - ich konnte das Internet erfinden, wenn ich wollte. Oder Google gründen, oder Amazon. Oder Youporn, hihi. Oder ich wurde Filmschauspielerin, begehrt von Millionen. Vielleicht konnte ich ja auch singen?

Leider wurden diese blumigen Träume abgeschnitten, als unser Fahrer scharf bremste und über den Vordermann fluchte. Eine lange Autoschlange zog sich vor uns über die Straße.

"Am besten steigt ihr hier aus", rief er über die Schulter. "Ich suche einen Parkplatz, das kann dauern."

"Okay! Komm, Delia!" Schon hatte Amy die Tür aufgerissen und sich vorsichtig aus dem Sitz geschält.

"Danke. Fürs Fahren." Ich beugte mich vor und hauchte unserem Chauffeur einen angedeuteten Kuss an die Wange. Er sog scharf die Luft ein. Ich unterdrückte ein Lächeln und stieg ebenfalls aus. Sehr nett, diese Macht über das männliche Geschlecht!

Da lag sie, Ralfs alte Schule. Ein langgestreckter Bau, drei Stockwerke hoch, mit klassizistischen Säulen vor dem Eingangsbereich. Ursprünglich ein Verwaltungsbau des Kaiserreichs, später zum Gymnasium umgebaut. Davor quirlte es farbenprächtig. Hunderte von Menschen in ihrem besten Outfit strömten durcheinander, trafen jemanden, redeten, lachten. Aufgeregte Erwartung lag über der Szene und ich atmete automatisch tiefer.

"Da drüben sind Annegret und Soraya!" Amy zog mich nach rechts, wo sie ein paar Freundinnen erspäht hatte. Wir gesellten uns dazu, und die Runde machte Platz für uns. Ein halbes Dutzend Augen musterte mich. Wachsam. Ich wurde als neue Wettbewerberin eingeschätzt.

"Das ist Delia, sie ist eine Großcousine von mir." Amy zuckte die Schultern. "Irgendwie jedenfalls. Man bräuchte einen Familienstammbaum auf DIN-A Null, um das genauer zu erklären."

"Hi Leute", lächelte ich in die Runde und erntete Nicken und Gemurmel als Antwort.

"Ich habe ihr von unserem Schulfest vorgeschwärmt, kürzlich bei einer Familienfeier", lieferte Amy auch mir wichtige Infos.

"Ja, und das wollte ich unbedingt selbst mal erleben", fiel ich atemlos ein. "Ich liebe Feste!"

"Und Gleichaltrige", ergänzte Amy süffisant. Ein Seitenhieb! Doch ich lachte gerade heraus und stieß Amy an, als sei das der beste Witz des Jahres. Nach einer halben Sekunde fiel sie ein. So boten wir das Schauspiel von zwei Freundinnen, die sich köstlich über einen Insider-Gag amüsierten. Die anderen Mädchen grinsten unsicher und taten so, als würden sie alles genau verstehen.

Danach hielt ich mich zurück und lauschte nur mit einem Ohr dem Getratsche, wer denn schon da sei, und wer was anhatte. Ab und zu streiften kritische weibliche Blicke über meine Figur. Ich ignorierte das und widerstand dem Impuls, den Bauch einzuziehen. Da gab es beim besten Willen nichts einzuziehen.

Amy konnte wirklich fies sein. Wollte ich Ralf das tatsächlich zumuten? Falls er sich blöd anstellte - und die Wahrscheinlichkeit dafür war hoch - dann würde sie ihn problemlos zusammenfalten, bis er unter einer Tür durchpasste.

Noch mehr Leute stießen dazu. Der Kreis schwoll an und zerfiel in kleinere Gruppen. Ich lächelte und nickte und gab mich zurückhaltend. Ein paar Gesichter erkannte ich sofort wieder, ein paar weitere nach etwas Nachgrübeln. Das war Georg, dessen Vater Polizist war. Nadine, sie spielte Geige im Orchester und ihre Eltern besaßen eine Gärtnerei. Antonia, italienischstämmig und so aufgekratzt, dass sie kaum stillstehen konnte. Sie quasselte wie ein Wasserfall auf jeden ein, der ihr in die Quere kam.

Meine Blicke schweiften über das Gelände. Eine Gruppe von Lehrern, Bierflaschen in der Hand. Darunter der alte Röttelmann, Mathe und Physik, die persönliche Nemesis von Ralf. In der mündlichen Abi-Prüfung hat der ihn richtig fertiggemacht. Ich biss die Zähne zusammen. Ich könnte ja einen kleinen Skandal inszenieren. Ihn in eine dunkle Ecke manövrieren und dann schreiend davonstürmen, mit zerrissenem Kleid. Ha, er würde rausfliegen, der Arsch! Noch bevor die fragliche Abi-Prüfung nächstes Jahr überhaupt stattfinden konnte.

Ich schüttelte den Kopf, verwundert über mich selbst. Solche Intrigen waren doch sonst nicht mein Ding? Nicht das Ding von Ralf, der mochte sowas gar nicht. Gehörte auch das zum Geschlechtertausch? Hm! Ob es wohl...

Da zuckte ich zusammen. Meine Augen hatten Ralf erspäht. Er stand drüben an der Parkmauer, zusammen mit ein paar anderen Jungs.

Ich schluckte hart. Das sollte ich sein? Mein früheres Ich? Der achtzehnjährige Ralf Steganowski des Jahres 1993?

Fuck!

Klar war ich das. Groß und hager, vor allem bestehend aus Knien und Ellenbogen und Haaren bis über die Augen. Eine Hand in die Hosentasche der Jeans gesteckt, eine Bierflasche in der anderen. Supercool. Und superlächerlich, von außen betrachtet. Ich krümmte mich vor Fremdscham über mich selbst. Nur die Tatsache, dass sämtliche seiner Freunde genauso rüberkamen, hielt mein Entsetzen in Grenzen.

Ich warf einen Seitenblick auf Amy. Sie gab gerade einen Redeschwall über eine nicht anwesende Freundin von sich und gestikulierte übertrieben dabei. Dabei sah sie ebenfalls jung aus, ja. Aber auf eine andere Weise als diese linkischen Giraffen da drüben. Sie und Ralf, das würde aussehen wie eine Frau neben einem Minderjährigen.

Fuck!

Fuckfuckfuck!

Langsam sickerte die Erkenntnis durch: Das würde niemals funktionieren. Falls sie Ralf nur ansprach, so geschminkt und gestylt und wohlduftend, wie sie war, dann würde der die Farbe eines Sonnenuntergangs annehmen und einfach nach hinten umfallen, stocksteif. Es brauchte schon ein Wunder, um die beiden zusammenzubringen. Wo zum Geier war mein DeLorean?

"Du hast schon ein Opfer gefunden?" Amy hatte meine Blickrichtung registriert und grinste mich an. "Komm. Ich zeige dir mal die heutige Auslage." Sie nahm mich am Arm und wir trippelten über den Rasen, direkt auf die Gruppe mit Ralf zu. Mein Herz boxte heftig von innen gegen die Rippen, mir war auf einmal brütend heiß. Ich erhaschte eine Ahnung davon, wie Frauen in besonders aufregenden Situationen auf einmal ohnmächtig werden konnten.

"Hey Leute!" Amy brach in die Runde ein wie eine Abrissbirne in eine Gebäudefront und strahlte alle mit voller Leuchtkraft an. "Tolle Party heute, was? Das ist Delia, meine Großcousine. Sie besucht mich heute, extra für das Schulfest."

"Hallo, alle miteinander", lächelte ich lieblich in die Runde und erntete ein Gemurmel als Antwort. Überwiegend verlegen, mit ein, zwei begeisterten Einsprengseln. Die Jungs starrten uns an, als seien wir zwei Bomben mit tickendem Zünder. Ich sah, wie Moritz Pleytgens Adamsapfel sich hob und senkte, als er seinen Blick über meinen Körper streichen ließ. Die Haut prickelte plötzlich überall, wo der Stoff des engen Kleids auflag, so viel schlecht verborgene Gier glitzerte in seinen Augen.

"Habt ihr schon gesehen? Der Rektor hat diesmal sogar seine Frau mitgebracht", plapperte Amy drauflos. Sie riss die Führung des Kreises an sich, ganz die Dame von Welt, die aus dem Handgelenk die Party am Laufen hielt. Dafür war ich ihr dankbar. So konnte ich mich auf ein paar zustimmende Geräusche beschränken und meine Emotionen unter Kontrolle bekommen.

Ralf! Er lehnte an der Mauer, einen halben Schritt hinter den anderen, halb verborgen hinter seinem besten Freund Markus Spadlinger. Seine Miene zeigte eine Mischung aus Faszination, Schrecken und Überforderung. Der Blick hing an Amy, wanderte allerdings immer wieder zu mir. Als sich unsere Augen für eine Zehntelsekunde trafen, da fuhr er zusammen, nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche, und tat so, als würden ihn die Baumkronen des Parks brennend interessieren.

Ich spürte Groll in mir aufsteigen. Da war ich hier, um meinem jüngeren Ich zu helfen, und was tat dieses? Alles, um meinen Job noch schwerer zu machen! Da hatte ich doch gute Lust, diese unfertige Ralf-Version links liegen zu lassen, mich in den Abend zu stürzen und mich nach Leibeskräften selbst zu amüsieren!

Sehr interessant! Dieses Gefühl kam also bei den Mädchen hoch, wenn sie ihn so sahen. Kein Wunder, dass es nie geklappt hatte. Der Ärger schmolz, wurde ersetzt durch erstes, rudimentäres Verstehen. Aber was sollte ich jetzt daraus machen? Wie konnte ich Ralf´93 ansprechen? Wie ihn mit Amy zusammenschalten? Wahrscheinlich musste ich ein Loch graben und beide hineinwerfen, damit sie sich überhaupt mal miteinander unterhielten.

Langsam jetzt. Strategisch denken! Der Kontakt zu Amy stand. Wenn ich ihr einen Vorschlag machte, würde sie ihn zumindest nicht gleich vom Tisch wischen. Das hieß, Ralf stellte die problematische Seite der Gleichung dar. Ich musste ihn irgendwie an mich binden und so weit vorbereiten, dass die beiden...

"...Science Fiction..."

Das Stichwort, von einem der Jungs in einer Antwort an Amy nebenbei verwendet, drang durch die Polsterschicht des Geplauders an mein Ohr und elektrisierte mich. Ralf stand in dem Alter total auf Science Fiction. Das hieß, ich wusste genauso viel darüber, wie er. Damit musste ich doch was anstellen können?

Schnell konzentrierte ich mich auf die Konversation. Es ging wohl um ´Jurassic Park´, und zwar den ersten Teil. Der sollte im September in Deutschland anlaufen, und alle konnten das kaum erwarten.

"Den will ich unbedingt auch sehen!", mischte ich mich ein und klatschte in die Hände. "Ich liebe gute Science Fiction-Filme!"

"Wirklich?", blinzelte Amy mich an. "Hätte ich dir gar nicht zugetraut."

"Doch!", nickte ich treuherzig in die Runde. "Ich bin totaler ´Star Wars´-Fan. Oder ´Blade Runner´. Oder ´Total Recall´. Alles super Filme!"

"Dann musst du dich mit Ralf hier unterhalten. Er ist der SF-Spezialist hier", lachte Markus und schob seinen Freund nach vorne. Ralf lächelte so verzweifelt, dass seine Miene beinahe wie ein Resultat von Folterqual wirkte.

Bingo!

"Hi, Ralf." Ich strahlte ihn an und schlenderte zu ihm hin. "Wie geht´s?"

"Äh, ja, gut..." Er fuhr sich durch die Haare und wagte kaum, mich anzusehen. "Du - du magst SciFi?"

"Und wie. Ich finde es fantastisch, wenn man die Grenzen der Realität überwinden und in ganz andere Welten eintauchen kann."

"Das - geht mir genauso." Er lächelte scheu. "Da möchte man manchmal gar nicht mehr zurückkommen."

"Stimmt." Ich blinzelte ihn an und schob mich noch näher heran. Markus stand daneben und hörte aufmerksam zu, doch er mochte weder SciFi noch Fantasy. Also würde er sich kaum einmischen. Sein Blick klebte auf meinem Busen, registrierte ich aus den Augenwinkeln.

"Das heißt - oft sind es ja Dystopien", fügte ich gelehrig an. "Ich bin schon froh, dass es noch keinen ´Judgement Day´ gegeben hat, wie beim Terminator."

"Oh ja. Aber die Filme sind toll", strahlte er.

"Gehören zu meinen absoluten Favourites." Noch einen halben Schritt näher. "Oder so was wie ´Stargate´, die sind nicht so düster."

"Stargate?" Er runzelte die Stirn. "Dieser Emmerich-Film? Der soll doch erst nächstes Jahr rauskommen?"

Ups! Die kleinen Problemchen der Zeitreisen.

"Ja", lachte ich ihn an. "Aber der wird knallbunt. Ich habe kürzlich was darüber gelesen." Gerade noch rechtzeitig unterdrückte ich den Zusatz "Im Internet". 1993 gab es das Internet vermutlich schon, aber während der Schulzeit hatte ich es nie benutzt, sondern erst später im Studium.

"Verstehe."

"Oder die ´Star Wars´-Filme. Die schaue ich immer wieder gerne an", wich ich auf ungefährlichere Gebiete aus. Die ersten drei Teile kannte ich aus meiner Kindheit, die mussten schon draußen sein. Alle anderen noch nicht. Glaubte ich, zumindest.

Es funktionierte! Wir zwei plauderten angeregt, während die Übrigen sich nach und nach anderweitig orientierten. Die Konversation beschränkte sich im Wesentlichen darauf, dass abwechselnd Ralf und ich einen Film nannten und kurz umrissen, was uns besonders gut daran gefallen hatte. Nachdem sich das weitgehend überschnitt, führte das rasch zu einem Gefühl der Gemeinsamkeit, der Seelenverwandtschaft. Nicht unbedingt verwunderlich für mich. Aber er wusste ja nicht, dass sich in dieser hübschen Rothaarigen sein älteres Ich verbarg.

Ralf taute richtig auf. Er erzählte immer eifriger von den Filmen, dann auch Büchern. Ich nickte und strahlte und hieb in die gleiche Kerbe, dann er wieder. Ein wenig anstrengend, aber mit der Zeit entspannte ich mich. Mein Plan funktionierte!

Zwischendurch zuckte er immer wieder zusammen und blinzelte unsicher. Dann kam ihm vermutlich zu Bewusstsein, dass er mit einem Mädchen unterhielt. Einer Schönheit, die er sonst nie anzusprechen gewagt hätte. Doch ich tat so, als würde ich es nicht bemerken, und ging zum nächsten Titel über. Machte Spaß!

Über ´Herr der Ringe´ gerieten wir sogar in einen richtigen Disput. Er vertrat steif und fest die Meinung, das Opus von Tolkien könnte nie angemessen verfilmt werden. Ich entwickelte die kühne These, dass vielleicht in zehn Jahren oder so die Technik so weit wäre, Mittelerde angemessen in Szene zu setzen. Er widersprach. Ich überlegte, dass man die Horden der Orks doch sicher mit genügend Rechenpower ganz gut digital simulieren könnte.

Das machte noch mehr Spaß. Neben meiner Macht als Frau empfand ich auch die Macht des Wissens über zukünftige Ereignisse. Ein süßes Geheimnis, das ein Wohlgefühl der Überlegenheit in meiner Brust erzeugte.

Dennoch - auch dies fühlte sich anders an, als ich es erwartet hätte. Der erwachsene Ralf wäre wahrscheinlich völlig ausgerastet ob der Möglichkeiten, die sich einem gut informierten Zeitreisenden im Jahr 1993 boten. Für mich als Mädchen stellte das nur einen netten Randaspekt dar. Viel wichtiger kam mir die Beziehung zu diesem jungen Mann mit den Haarsträhnen über einem Auge vor.

Gerade wollten wir uns über den Klassiker ´Die Flusswelt der Zeit´ von Philip José Farmer und eine mögliche Verfilmung unterhalten, da drang schmissige Musik an unser Ohr. Wir sahen uns um, so unvermittelt aus unserer Blase gerissen. Außer uns waren nur noch zwei andere Schüler zu sehen, und die strebten nun auch zur Schule hinüber, wo die Band losgelegt hatte. Nur ein Intro für die Reden, aber die Klänge versetzten den Nachmittag in eine besondere Schwingung.

Ralf und ich sahen uns an und strahlten um die Wette. Dann blinzelte er und schlug die Augen nieder.

"Äh - sollen wir auch mal rüberschauen?", schlug er vor. "Oder willst du was trinken?"

"Ja, eine Cola wäre nicht schlecht." Mein Hals fühlte sich wirklich trocken an vom vielen Reden. Doch ich zögerte. Auf die Reden der Altvorderen hatte ich keinen Bock. Das hier war wichtiger!

"Weißt du was?", überlegte ich schnell und legte ihm eine Hand auf den Arm. "Hol uns doch was zu trinken, und wir suchen uns drüben im Park ein schönes Plätzchen. Es ist so toll, endlich mal jemand zu treffen, der Science Fiction so mag wie ich. Ich würde mich gerne noch ein bisschen mit dir unterhalten, Ralf."

"Ich - ich auch!" Er lief rosig an. "Da drüben steht eine Bank, hinter den Büschen, da ist es ganz nett. Warte da auf mich, ich bin gleich zurück, ja?"

"Gerne."

Er trabte los und ich schlenderte in die andere Richtung, hochzufrieden mit mir. Das lief ja wie am Schnürchen. In einer Stunde oder so würde er mir praktisch hörig sein und hinter mir hertrotten wie an einer Leine. Dann fand ich sicher eine Möglichkeit, ihn Amy unterzuschieben. Wow - er würde mir die Füße küssen vor Dankbarkeit. Ich würde mir die Füße küssen. Äh, irgendwie so halt. Nein - besser ich blieb dabei, dass ich Ich war, also Delia. Der Junge, das war Ralf. Der andere. Jede Abweichung von dieser Einteilung verknäulte in Sekundenschnelle meine Gehirnwindungen.

Mit einem gelösten Seufzer ließ ich mich auf das Bänkchen fallen, streckte die Beine aus und legte den Kopf nach hinten, hielt das Gesicht in die warmen Sonnenstrahlen. Die Handtasche lag in meinem Schoß, als beruhigendes Leichtgewicht. Das kam mir vor wie ein Kätzchen, das es sich da bequem gemacht hatte.

Sogar das Sitzen auf den Holzplanken fühlte sich als Mädchen anders an. Härter am Rücken, einerseits. Vielleicht, weil ich da weder viele Muskeln noch Speck hatte. Andererseits kam es mir ganz angenehm vor, wie sich die Kante unterhalb der Schulterblätter in meine Haut presste. Noch nicht schmerzhaft, aber... körperlich intensiv! Ich grinste mit geschlossenen Augen in die Sonne.

"Hey. Dir scheint es ja gutzugehen."

Ich blinzelte. Vor mir stand ein junger Mann. Unbekannt, also kein Schüler von der Lessing. Ein wenig älter, schien mir. Anfang 20. Ein Student? Er lächelte breit.

"Hi." Automatisch erwiderte ich das Lächeln. Er hatte ein rundliches Gesicht und lustige Augen. Groß und schlank, Jeans und ein wild gemustertes Hemd. Cowboy-Stiefel von Camel. Gab´s die damals auch schon?

"Gehst du hier zur Schule?", fragte er freundlich.

"Nee." Ich lachte. "Bin nur zu Besuch."

"Ich auch." Ein verständnisinniges Blinzeln. "Ganz schönes Kaff, dieses Fränklingen, was?"

Ich lachte und nickte, doch ich verspürte auch einen leisen Stich. Klar stammte ich aus einem Kaff. Aber wenn jemand von außerhalb darüber lästerte, dann fühlte sich das blöd an.

"Auch keine Lust auf die Direktorenrede, was?" Er pflanzte sich neben mich auf die Bank. "Ich war letztes Jahr schon hier, bei meinem Cousin. Wahrscheinlich erzählt der Schulleiter jedes Mal genau dasselbe."

"Wahrscheinlich."

"Ich bin übrigens Marco." Er streckte mir eine Hand hin.

"Delia." Ich nahm sie. Er drückte nur sanft, doch ich spürte die Kraft in seinen Fingern. Ah, so kam das also rüber.

"Delia. Ein schöner Name. Ungewöhnlich. Das gefällt mir."

Ich lachte und musterte ihn interessiert. Was für ein Unterschied zu Ralf! Keine Spur von mühsam überspielter Unsicherheit, von Verwirrung oder Überforderung. Er hatte so locker und selbstverständlich Kontakt mit mir aufgenommen, dass ich genauso locker darauf einsteigen konnte. Spannend, diesen Effekt mal aus der weiblichen Perspektive zu erleben.

"Ist das ein besonderer Stoff?" Er rückte ein wenig näher und strich mit zwei Fingerspitzen über den linken Ärmelansatz meines Kleids. "Sieht toll aus, dieses Funkeln in der Sonne."

"Ach nee. Nur Glitzerstoff halt." Keine Ahnung, was für ein Textilzeug ich da gerade anhatte.

"Sehr schön, jedenfalls."

Seine Finger glitten weiter. Jetzt über die bloße Haut meines Oberarms. Das erzeugte sofort ein leises Flirren in mir. Mein Atem stockte.

Ich sah ihn an, fragend. Er sah mich an. In seinen Augen saß jetzt ein verstecktes Funkeln. Wie beim Händedruck - Marco war stark. Mental stark, das empfand ich körperlich. Überzeugend. Souverän. Ein Teil von mir hätten nichts dagegen gehabt, noch mehr von dieser Stärke zu spüren.

"Du bist sehr hübsch, Delia", hauchte er, die Finger immer noch auf meinem Arm.

"Danke." Ich schluckte und rief mich zur Ordnung. Was tat er da? Was tat ich da? "Äh - mein... Freund kommt gleich zurück."

"Dein Freund?" Er zog eine Augenbraue hoch. Amüsiert, so als hätte ich nur einen Scherz gemacht. "Richtiger Freund?"

"Äh... nein", entfuhr mir automatisch. "Aber..."

"Wenn er nicht dein richtiger Freund ist, dann spielt es keine Rolle, oder?"

Seine Finger schlossen sich um meinen Arm. Das Glitzern in seinen Augen transportierte jetzt eindeutig Gier. Nur wenig, gar nicht mal unangenehm. Er wollte mich, und er würde versuchen, mich zu bekommen. Das enthielt eine eigene Verlockung...

"Vielen Dank", erklärte ich mit fester Stimme. Meine Mission ging vor. "Kein Bedarf."

"Wirklich?" Er beugte sich näher zu mir. "Du machst den Eindruck, als hättest du Bedarf an etwas Gesellschaft."

"Meinst du nicht, das weiß ich selbst am besten?", fragte ich zurück und runzelte die Stirn.

"Vielleicht weiß ich es tatsächlich besser als du, was du brauchst."

Damit beugte er sich vor und küsste mich auf den Mund. Ich war so perplex, dass ich überhaupt nicht reagierte. Die Lippen fühlten sich - fest an. Bestimmt. Gut...

"Siehst du?" Er ging ein wenig zurück und lächelte im Bewusstsein seiner so erwiesenen Überlegenheit.

"Danke sehr." Ich musste lachen. "Trotzdem: Kein Bedarf."

"Ich denke schon."

Wieder wollte er mich küssen, aber jetzt stemmte ich eine Hand gegen seine Brust. "Kein Bedarf", wiederholte ich, jetzt ohne Lächeln.

"Nun hab dich nicht so." Er rückte dicht neben mich, so dass sich unsere Schenkel berührten. "Ich will doch nur..."

"Hey!" Ich drängte ihn weg. "Hast du Tomaten auf den Ohren? Ich will nicht von dir geküsst werden. Ist das deutlich genug?"

"Ja, das sagen sie alle." Er grinste dünn. "Aber hinterher sind sie dann doch ganz froh, wenn man sich nicht abweisen lässt. Das kennst du doch auch, hm?"

Schon wollte ich protestieren. Doch er hatte recht. Wie häufig hatte ich das bei anderen Männern beobachtet? Die sich nichts aus einer Zurückweisung machten, sondern unbeeindruckt weiter baggerten. Während Ralf jedes Wort, jeder kritische Blick aus der Bahn warf und er den Schwanz einzog.

"Delia?"

Ralf war um den Busch gebogen und stand vor uns, zwei Flaschen Coke in der Hand, von denen das Kondenswasser tropfte. Er glotzte und blinzelte.

"Ralf!" Ich sprang auf, schüttelte Marcos Griff ab und hängte mich an Ralf, legte die Hand um ihn. In der anderen zerquetschte ich die Handtasche. "Ah, endlich. Danke für die Cola!"

"Ah - gerne." Er drückte mir eine Flasche in die Hand, zusätzlich zu der Clutch-Tasche. Sein Blick irrte zu Marco.

"Das ist dein Freund?" Der fläzte entspannt auf der Bank und ließ seinen Blick an Ralf hinunter und hinauf gleiten. Er schnaubte nicht, aber sein Gesichtsausdruck ließ wenig Zweifel daran, was er von seinem Rivalen hielt.

"Ganz genau." Ich schmiegte mich enger an Ralf. "Also tschüss dann. Komm, lass uns woanders hingehen."

Ralf leistete keinen Widerstand, als ich ihn nach rechts drängte. Hinter uns ertönte ein leises Lachen.

"Wer war denn das?", fragte Ralf verwirrt.

"Er heißt Marco", brummte ich und nahm einen Schluck aus der Flasche. "Ein Arsch. Hat versucht, mich anzumachen."

"Oh... äh, aha?"

Er sagte nichts mehr. Wortlos schlenderten wir den Weg entlang. In mir brodelte es. Warum zum Teufel konnte Ralf nicht ein wenig wie Marco sein? Warum so ein Weichei? Das würde ihm alles so viel einfacher machen. Mir ebenso. Fuck!

Doch dann wurde mir klar, wie es jetzt wahrscheinlich weitergelaufen wäre, wenn Ralf nicht aufgetaucht wäre. Wenn ich wirklich ein junges, kaum erwachsenes Mädchen wäre. Nicht mit Sicherheit, aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hätte er mich gekapert. Richtig in Besitz genommen, für den Rest des Tages. Witzig und souverän, immer einen coolen Spruch auf den Lippen. Ich hätte gelacht und mich becircen lassen. Wir hätten vielleicht getanzt und was getrunken, und uns ganz gut amüsiert.

Vielleicht wären wir irgendwann wieder hier auf der Bank gelandet, im Dunkeln. Ein wenig Knutschen, auch ganz nett. Dann seine Hand, zwischen meinen Schenkeln. Und zu diesem Zeitpunkt hätte er sich nicht mehr so einfach abweisen lassen. Er hätte mich geknackt. Einfach so. Nur, weil er es konnte, und weil er Sex wollte. Klar wollte er Sex! Wahrscheinlich hätte er mich danach sogar auf der Bank zurückgelassen, halbnackt und schluchzend.

Ich sah Ralf von der Seite an. Der würde so etwas nie tun. Selbst, wenn er es konnte. Da war ich mir absolut sicher, denn in seinem späteren Leben würde es so eine Situation geben. Damals, mit Inge, nach der großen Studentenfete. Ich hatte sie heimgebracht, völlig angeschickert. Zugegeben, ich hatte gezögert, als ich sie in ihrem Zimmer auf das Bett gehievt hatte und sie nur noch unkontrolliert kicherte. Doch ich hatte ihr nur einen Gutenachtkuss gegeben und mich verdrückt.

Bisher hatte ich das als weiteren Beweis meiner Hasenfüßigkeit gesehen. Jetzt, nach der Erfahrung mit Marco, erweiterte sich diese Perspektive. Ich hatte mich damals einfach anständig verhalten. Nicht mehr und nicht weniger.

"Danke, Ralf!" Ich drückte mich enger an ihn und spürte Wärme in meiner Brust. "Du hast mich gerettet."

"Äh - ich habe doch gar nichts gemacht."

"Spielt keine Rolle." Meine Wange lag an seiner Schulter. Das fühlte sich richtig an so. "Ich bin froh, dass du gekommen bist. Und dass wir jetzt unsere Ruhe haben."

"Ja.... hrm!"

"Schau mal, ich zittere sogar." Ich streckte die Hand aus, die tatsächlich ein wenig vibrierte. "Der Typ war vielleicht creepy!"

"Was?"

"Creepy. Oh - unheimlich, halt." Ich sollte auch auf Slang-Ausdrücke aufpassen, die noch keine waren.

"Ich - hrm! Ich passe auf dich auf." Damit legte er mir zögernd einen Arm um die Schultern. Das fühlte sich gut an. Auch wenn seine Anspannung, seine Furcht beinahe mit Händen zu greifen war. Wenn doch nur Amy spüren könnte, wie aufopferungsvoll Ralf sich um mich kümmerte. Wie er sich um sie kümmern würde, sobald sie es zuließ.

Vielleicht war es Zeit, die Sache mal in Angriff zu nehmen. Eigentlich hatte ich keine Lust, denn das fühlte sich gerade so nett an, in seinem Arm. Doch ich war ja nicht zum Vergnügen hier. Ich verfolgte ein Ziel. Also los!

"Sag mal, magst du eigentlich Amy?", begann ich, subtil wie eine Weltklasse-Agentin.

"Amy?" Er kam halb aus dem Tritt. "Äh - klar mag ich sie. Sie ist... nett. Wir gehen in dieselbe Klasse."

"Ich glaube, sie mag dich auch", vertraute ich ihm an. Mit halblauter Verschwörerstimme.

"W-was?" Ich hörte sein Schlucken. "Woher... warum denkst du das?"

"Ach, nur so." Ich blinzelte ihn an. "Weibliche Intuition."

"Hm." Er sah geradeaus. "Dann verbirgt sie das ziemlich gut."

"Ja. Darin sind wir Mädchen spitze."

"Vorhin hat sie mich jedenfalls nicht so angesehen, als würde sie mich mögen", meinte er, versteckte Bitternis in der Stimme. "Ganz anders als du."

Da musste ich ihm insgeheim recht geben. Ich hatte Amys Gesichtsausdruck registriert. Sie war alles andere als beeindruckt von dem linkischen Mitschüler mit dem enzyklopädischen Wissen um obskure SciFi-Filme. Verdammt! Ralf ´93 brauchte doch ein Erfolgserlebnis. Wie konnte ich es nur anstellen, dass...

"OH?!"

Die Erkenntnis durchschlug mich wie ein Blitz. Für einen Sekundenbruchteil war alles wie in blendende Helligkeit getaucht.

Ich sah!

Dabei stolperte ich glatt über meine eigenen Füße. Hätte Ralf mich nicht im Arm gehabt, wäre ich jetzt glatt hingeschlagen. So hielt ich mich mühsam aufrecht, an ihn geklammert.

"Was ist, Delia?"

"Äh... nichts. Gar nichts."

In meinem Körper wallte eine unglaubliche Hitze auf und brannte sich in alle Glieder. Ich schnappte nach Luft und wagte nicht, ihn anzusehen. Wie hatte ich nur so blind sein können?

Es ging überhaupt nicht um Amy. Das würde ohnehin nicht klappen.

Es ging um mich.

Um mich und Ralf.

Wir beide.

Als Paar.

Als Liebespaar!

Ja - ich war hier, um mit Ralf Sex zu haben. Mit mir selbst also, gewissermaßen. Ich sah den Weg vor mir, so klar, so leuchtend. Irrtum ausgeschlossen. Die Dominosteine der Erkenntnis fielen donnernd, einer nach dem anderen, so wie biblische Steintafeln von der Größe Grönlands.

Ich war hier, um Ralf zu helfen. Meinem jüngeren Selbst. Wumm.

Was war sein Problem? Mangelndes Selbstvertrauen, speziell gegenüber Frauen. Wumm

Wie konnte ich ihm das vermitteln? Indem ich ihm zeigte, dass ein superhübsches Mädchen ihn erwählte. Wumm.

Mit ihm schlief. Wumm.

Sein Erstes Mal. Meines übrigens auch, als Mädchen.

Wumm. Wumm. Wumm.

"Oh oh oh..." Ich musste einfach kichern. Es ging nicht anders.

"Was hast du denn Delia? Ist dir nicht gut?" Ralf drückte mich vorsichtig.

"Alles gut. Das heißt... mir ist ein wenig schwindlig", improvisierte ich schnell. "Ich weiß nicht, ob ich schon zurückwill, zum Trubel auf dem Fest. Gibt es hier in der Nähe eine Möglichkeit, wo ich mich für ein paar Minuten hinlegen könnte?"

Ich wartete gespannt. Würde er es wagen, den Vorschlag zu machen?

"Also... ich wohne gleich da hinten. Zwei Straßen weiter", meinte er zögernd. "Wenn du willst, dann..."

"Das klingt super!" Jetzt strahlte ich ihn an. "Das wäre toll. Danke!"

"Gerne."

So lehnte ich den Kopf wieder an seine Schulter und ließ mich von ihm führen. Den Weg zu meinem Elternhaus hätte ich natürlich auch alleine gefunden, aber das gefiel mir. Außerdem brauchte ich meine ganze Konzentration, um das elektrische Kribbeln im Griff zu halten, das mich durchtobte. Wow - würde ich wirklich gleich mit meinem jüngeren Ich schlafen? Als Mädchen? Wie krass abgefahren war das denn?

Immer langsam!, mahnte ich mich. Ralf durfte nicht verschreckt werden. Ein falsches Wort, und er würde flüchten. Und auch für mich selbst brauchte ich wohl ein wenig Zeit. Oh Gott - ich würde spüren, wie es war, wenn man als Frau genommen wurde! Wenn ein harter, männlicher Penis - und zwar einen, den ich sehr gut kannte - in mich eindrang und mich an Stellen berührte, die ich mir kaum vorstellen konnte. Der Gedanke alleine reichte aus, um ein stacheliges Kitzeln in meinem Bauch auszulösen.

"Das... ist schon ein wenig seltsam", meinte Ralf da abwesend, während wir die Straße entlangschlenderten und ab und zu aus den Colaflaschen tranken. "Ich meine, wir haben uns gerade erst kennengelernt. Aber so fühlt es sich nicht an. Mir kommt es so vor, als würden wir uns schon ewig kennen."

"Geht mir auch so." Ich schmiegte mich in seinen Arm und unterdrückte ein Kichern. "Gut, hm? Ich mag das."

"Ja... ich auch." Er verstummte, sinnend. Vielleicht sollte ich ihn ein wenig ablenken. Nicht, dass er noch auf falsche Gedanken kam. Das hieß, auf richtige.

"Hast du eine Freundin, Ralf?", tat ich harmlos.

"Hrm. Nein." Sein Blick ging geradeaus.

"Gut."

"Gut?" Er blinzelte mich an.

"Naja... weil es alles verkomplizieren würde, wenn du eine Freundin hättest", gab ich mit einem harmlosen Lächeln zurück. "Oder denkst du, wir könnten dann so herumlaufen, wie wir es jetzt tun? Du hättest doch dann sicher das Gefühl, das nicht zu dürfen, oder etwa nicht?"

"Stimmt wahrscheinlich." Er lachte unbehaglich. "Ehrlich gesagt: Eine richtige Freundin hatte ich noch nie. Deshalb kenne ich mich nicht so gut aus, wie das ist."

"Ich weiß", seufzte ich. "Geht mir ähnlich."

"Dir?" Sein Blick enthielt eine Megatonne an Ungläubigkeit.

"Wieso schaust du mich so an?"

"Na - du bist so etwa das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe", stammelte er, erfüllt von aufrechter Verwirrung.

"Ach, du meinst, nur weil man gut aussieht, läuft alles erste Sahne, wenn es um Beziehungen geht?", fragte ich zurück.

"Nein...", druckste er herum. Natürlich hatte er das gemeint.

"Ich bin ein ganz normales Mädchen, Ralf", balancierte ich auf dem schmalen Grat zwischen Lüge und Wahrheit, der wohl meine Rolle ausmachte - meine aktuelle Existenz, gewissermaßen. "Mit ganz normalen Gefühlen und Wünschen und Ängsten. Und ganz normalen Problemen. Jetzt gerade zum Beispiel bin ich verwirrt und aufgeregt und habe keine Ahnung, was ich da eigentlich tue, und ob das alles richtig ist oder nicht."

"Hm. Kommt mir sehr bekannt vor." Er grinste vorsichtig.

"Du musst hinter die äußere Hülle sehen", fuhr ich eindringlich fort und strich über meine Vorderseite. "Das hier ist doch alles nur eine Art Verkleidung, wenn man es genau betrachtet."

"Eine wunderschöne Verkleidung", entfuhr ihm, gefolgt von einem panischen Seitenblick.

"Danke", nahm ich es als Kompliment. "Aber ich, ich bin das nicht. Nicht nur, jedenfalls. Ich bin da drin. Dahinter. Genau wie du."

"Nur ist meine Verkleidung nicht ganz so gelungen", seufzte er und sah an sich herunter.

"Bist du etwa alt und dick und hässlich?"

"Nein... das natürlich nicht..."

"Na also." Ich stieß ihm meinen Ellenbogen in die Rippen und lachte. "Man spielt mit den Karten, die man bekommen hat. Spaß beim Spiel kann man haben, egal ob die Karten alles super sind oder nicht, oder?"

"Stimmt schon..." Er nickte langsam und hatte vermutlich gerade seine Skat-Erfahrungen im Kopf, so wie ich. "So habe ich das noch nie betrachtet."

"Du siehst gut aus, Ralf." Ich sah ihn eindringlich in die Augen. "Du hast alles, was du brauchst. Nur siehst du es vielleicht noch nicht."

Er nickte wieder und starrte vor sich auf den Boden. Mir fiel dazu nichts mehr ein. Nur das Scharren unserer Schuhsohlen auf dem Asphalt unterbrach das unbehagliche Schweigen, das sich zwischen uns einnistete. Oh je - wahrscheinlich taugte ich nicht viel als Therapeut in eigener Sache.

Wir bogen um eine Ecke, und da lag mein Elternhaus vor uns. Unseres. Gerade noch rechtzeitig unterdrückte ich einen zufriedenen Laut. Offiziell konnte ich ja nicht wissen, wo er wohnte. Verstohlen musterte ich das anderthalbstöckige Einfamilienheim, dessen Fassade in einem frischen Gelb erstrahlte. Meine Eltern zogen in eine Wohnung um und verkauften es, nachdem wir Kinder ausgezogen waren. Der Anblick weckte einen Schwall an Erinnerungen. Sowohl nostalgisch-süße, als auch weniger angenehme.

"Hier wohne ich." Ralf blieb stehen und wies auf das Haus, nicht ohne Stolz. "Meine Eltern sind vermutlich noch bei Freunden. Sie wollten erst später zum Schulfest dazustoßen. Wir haben also unsere Ruhe."

"Nett", kommentierte ich und versuchte erst gar nicht, das Knäuel aus Emotionen und Bildern zu sortieren, der in meiner Brust um die eigene Achse wirbelte.

"Komm rein." Er schloss auf und führte mich hinein. "Willst du noch was trinken?"

"Nein, danke." Ich gab ihm die leere Colaflasche und sah mich mit großen Augen um. Jedes Detail schien mich anzuspringen. Der alte Schuhschrank im Eingang, von Opa in seiner Jugend selbst gebaut. Das Stillleben an der Wand, ein Werk meines älteren Bruders aus der Mittelstufe. Der Radiorekorder mit dem doppelten Kassettenlaufwerk, aus der Zeit vor der CD. Mein Vater schwor auf seine Sammlung und das überlegene Rauschen, das nur steinalte Kassetten so richtig gut von sich gaben.

Wir streiften die Schuhe am Eingang ab und tappten barfuß über den warmen Holzboden.

"Mein Zimmer ist, äh, oben."

"Okay." Ich machte eine auffordernde Geste. Er setzte sich in Bewegung, die Treppe hoch. Ich folgte ihm dichtauf. Oben unter dem Dach lag nur mein Zimmer, nach hinten raus, und vorne das Büro meiner Mutter.

"Ist vielleicht nicht besonders aufgeräumt", warnte er mich vor und öffnete die Tür. Mit einem tiefen Atemzug betrat ich das Zimmer. Die besondere Atmosphäre verzauberte mich im Handumdrehen, wie sie es immer getan hatte. Sogar der Geruch trug dazu bei. Trockenes Holz, ein wenig Staub, und darunter ein Hauch Körperausdünstung. Ah, wie ich es immer geliebt hatte, das zu riechen und die Tür hinter mir zuzumachen.

Mit großen Augen sah ich mich um. Hier war kein Spitzboden eingezogen, das Zimmer ging zeltartig bis zum Giebel hoch. Ein kleines Fenster in den Garten, darunter das alte Doppelbett meiner Eltern. Ursprünglich war das mal ihr Schlafzimmer gewesen, und beim Umzug nach unten hatten sie sich ein neues Bett geleistet. Der Schreibtisch stand rechts unter der Schräge, überflutet von Büchern, College-Blöcken und Stiften, die Ralf gestern nach der Schule dort hingeworfen du seitdem nicht mehr angefasst hatte.

"Nichts Besonderes." Er zuckte die Schultern. Ich bemerkte, dass er ängstlich auf eine Reaktion von mir wartete.

"Nichts Besonderes?" Ich breitete die Arme aus. "Das ist doch super hier! Ein Wahnsinns-Zimmer. Meins ist viel kleiner."

Er lächelte geschmeichelt. Dann blinzelte er und kratzte sich am Kopf. "Äh - hier kannst du dich ein wenig hinlegen, wenn du willst. Ich... ich warte dann unten, okay?"

So ein Riesenhornochse! Ich verdrehte innerlich die Augen und zwang mich zur Ruhe. Da hatte er endlich mal ein Mädchen in seinem Zimmer, und was machte er? Wollte sich aus der Affäre stehlen.

"Kannst du nicht bei mir bleiben?" Ich nahm seine Hand und lächelte ihn arglos an. "Ehrlich gesagt hatte ich mich darauf schon gefreut."

"Hrm!" Er nickte steif und tat ganz neutral. "Klar. Gerne. Wie du möchtest."

"Oh, und noch eine Bitte: Wenn ich mich mit diesem Kleid hinlege, ist es total zerknittert und ruiniert. Später wollen wir ja zurück zum Fest, da brauche ich das noch. Kannst du mir vielleicht ein T-Shirt von dir leihen?"

"Natürlich. Moment..."

Er stürzte an den Kleiderschrank, riss die Tür auf und wühlte in einem Stapel. Erneut presste ich die Lippen zusammen. Genau das war mein Problem, damals und wahrscheinlich heute noch genauso. Ich liebte es, etwas für andere Leute zu tun. Ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Sie zu umsorgen, zu unterstützen, ihnen zu helfen. Doch jetzt, auf der empfangenden Seite, da fühlte sich das ganz anders an, als ich immer angenommen hatte. Klar war da Dankbarkeit. Aber auch eine eigentümliche Zurückhaltung, fast Verlegenheit. Mir war es gar nicht so recht, wie er sich für mich überschlug. Interessant!

"Hier." Er streckte mir ein Shirt hin. Das Blau entsprach fast genau dem meines Kleids.

"Super. Danke", sagte ich ernst und nahm es entgegen. "Ich ziehe mich um, im Bad."

"Das ist gleich die Tür rechts, neben der Treppe."

"Äh - ja, das dachte ich mir schon." Hoffentlich überspielte mein strahlendes Lächeln das Zusammenzucken. Ich musste besser aufpassen, sonst verriet ich mich noch.

Das Bad kam mir kleiner vor, als ich es in Erinnerung hatte. Vorsichtig raffte ich das Kleid hoch und über den Kopf, und hing es über die Glasscheibe der Dusche. Dann streifte ich den Slip bis zu den Knöcheln runter und benutzte das Klo. Das Pinkeln selbst fühlte sich gar nicht so anders an, doch ich saß ganz verkrampft auf der Schüssel. Schließlich hatte ich noch keine Erfahrung mit dem Winkel und so.

Schnell mit Klopapier abwischen und spülen. Doch das erschien mir nicht ausreichend. Ich machte Ralfs Waschlappen nass und wusch mich untenrum gründlich. Dabei musste ich ständig ein Kichern unterdrücken. Ob das andere Mädchen wohl bei einem Rendezvous auch so machten?

Mein Blick fiel in den Spiegel. Der tiefblaue BH hob sich von der Haut ab wie eine Leuchtreklame. Ohne nachzudenken, knöpfte ich ihn auf und warf ihn über das Kleid. So streifte ich das Shirt über und betrachtete kritisch mein Spiegelbild. Das Ding war viel zu groß und hing an mir wie ein Zelt, bis zu den Schenkeln runter. Die Brüste zeichneten dennoch hübsche Kurven unter den Stoff, betont von den sichtbaren Spitzen. Nicht übel! Ganz brav und harmlos. Und dennoch unzweifelhaft feminin verlockend.

Mit einem entschlossenen Atemzug öffnete ich die Tür und ging zurück in Ralfs Zimmer. Er drehte sich um und seine Augen weiteten sich, als er mich so sah.

"Danke für das Shirt." Ich kletterte auf das Bett und streckte mich aus, gähnte demonstrativ. "Kommst du auch?"

Ein undeutbarer Laut. Er stand mit hängenden Armen da, sein Blick zuckte von meinen nackten Beinen zu seiner Jeans und zurück. Er hatte sich nicht ausgezogen.

"Willst du dir nicht was Bequemeres anziehen?", fragte ich.

"Ja... schon..."

Hastiges Aufknöpfen und Zerren. Er zog Jeans und Hemd aus und holte sich mit rosigen Wangen auch ein Shirt aus dem Schrank. Ein schwarzes. Witzig - ich trug auch heute noch gerne schwarze T-Shirts, aber mir war gar nicht mehr in Erinnerung gewesen, dass ich das schon als Jugendlicher so gehalten hatte.

So kroch er hinter mich, natürlich mit Sicherheitsabstand. Aber damit hatte ich schon gerechnet. Ohne Umschweife schob ich mich nach hinten, dicht an ihn. Ich nahm seine Hand und legte sie auf meinen Bauch. Er keuchte einmal leise und wagte nicht, sich zu rühren, doch er spreizte die Finger und drückte mir sanft auf die Bauchdecke. Ich gab ein zustimmendes Geräusch von mir.

So lagen wir eine Weile, reglos. Sein Brustkorb lag locker an meinen Schulterblättern und sein Atem strich über meine Haare. Unten hielt er Abstand. Ob er wohl schon einen Steifen bekam? Immerhin begann ein erklecklicher Anteil seiner erotischen Fantasien so: im Bett mit einem Mädchen, in unschuldiger Löffelchen-Stellung.

"Das ist schön so", murmelte ich und strich über seine Hand. "Danke, Ralf, dass du mich hierher mitgenommen hast."

"Gern geschehen." Ein Räuspern, er holte tief Luft. "Für mich ist es auch schön."

"Gut..."

Meine Gedanken jagten. Was konnte ich noch sagen? Noch tun? Wie lange wollte er sich noch so ritterlich und zurückhaltend geben und die unterschwellige Spannung ignorieren, die zwischen uns britzelte?

So lange wie nötig. Oder so lange wie möglich. Notfalls endlos, gab ich mir selbst die Antwort. Das war ja das Problem: Ralf würde niemals von sich aus die Initiative ergreifen. Dazu hatte er viel zu große Angst, einen Fehler zu machen. Mein Job war es wohl, ihm diese Angst zu nehmen. Aber wie?

"Ich bin es wert", ging mir durch den Kopf. Der Text auf meiner Karte. Richtig! Nun verstand ich es ein wenig besser. Ralf ging davon aus, dass er es nicht wert war, ein hübsches Mädchen im Bett zu haben. Später würde er davon ausgehen, dass er Lydia eigentlich nicht verdiente. Dass er froh und dankbar sein musste, wenn sich überhaupt eine Frau für ihn interessierte.

Noch ohne Plan, aber einem festen Vorsatz wälzte ich mich auf den Rücken und dadurch näher an ihn. Er stemmte den Kopf auf einen Ellenbogen und sah mich an. Hübsche, braune Augen, ging mir durch den Kopf. Und die Lippen wirkten fest und gleichmäßig. Hm - Ralf sah wirklich gar nicht so übel aus. Warum hatte ich das selbst nie bemerkt? Und wie konnte ich ihm so etwas klarmachen?

Gar nicht, wurde mir bewusst. Nicht über Worte.

Sehr vorsichtig streckte ich eine Hand aus und fuhr mit den Fingerspitzen hauchzart über seine Wange. Das löste ein Erschauern bei ihm aus, seine Pupillen weiteten sich überrascht. Ich sagte nichts, sondern streichelte ihn nur sanft. Über die Schläfe. Am Ohr vorbei, über den Kieferknochen. Tiefer, am Hals. Nur unsere Atemzüge waren zu vernehmen, ansonsten lag eine tiefe Stille über dem Haus. Seine Finger krümmten sich unwillkürlich auf meinem Bauch.

Wir sahen uns in die Augen. Meine Lippen öffneten sich, ganz von selbst. Er beugte sich vor. Nur einige Millimeter. Dann stoppte er und schluckte, hin und her gerissen von seiner Sehnsucht und seiner Angst. Sollte ich nachhelfen? Nein - das musste er alleine hinkriegen, sonst zählte es nicht, spürte ich.

Er ging noch ein wenig nach vorne. Meine Lippen prickelten schon, so sehr warteten sie auf den Kuss. Doch wieder verhielt er. Sein Blick flackerte, wir atmeten beide tiefer. Die erotische Erwartung, die zwischen uns vibrierte, war beinahe mit Händen zu greifen. Wunderschön, einerseits, denn das ließ Hitzewellen über meine Haut kriechen, und gleichzeitig zitterte ich. Andererseits musste ich an mich halten, um weiter ganz passiv und abwartend zu bleiben.

"Delia...", hauchte er und seine Hand verschob sich auf die Taille. Er zog mich sanft an sich. Ja!!!

Er beugte den Kopf, noch weiter. Nun lag nur noch eine Handbreit zwischen unseren Augen, unseren Nasenspitzen. Ich ließ ein schwaches Lächeln in den Mundwinkeln zu und umfasste seinen Nacken. Streichelte die Rückenwirbel unter den verspannten Muskeln dort.

"Delia..."

Die letzten Zentimeter, in Zeitlupe. Unsere Lippen berührten sich, endlich! Scheu streifte sein Mund über meinen. Ich roch seinen Atem, jung und frisch. Verlor mich in diesen tiefbraunen Augen, so unendlich sanft.

"Mhhh..."

Ein Kuss. Ein richtiger. Seine Lippen wurden fest. Ich machte meine weicher, ging mit, reagierte. Etwas rastete ein, ein uralter Automatismus, tief verankert in unserem menschlichen Fleisch. Er zog mich an sich, ich ihn ebenso, bis wir eng umschlungen dalagen, die Vorderseiten aneinandergeschmiegt, Brust an Brust, Bauch an Bauch. Ohne weiteres Zutun schob sich sein Knie zwischen meine und umgekehrt, bis die Schenkel eng ineinander verschränkt waren.

Seine Arme schoben sich unter mich, umfassten mich. Ich klammerte mich an seinen Rücken und spürte mit heimlichem Entzücken die straffen Sehnen und die Rippen unter der Haut. Der Kuss verwandelte sich in eine Knutscherei, ein Spiel der Münder, ein Suchen, Finden, Ringen, immer hektischer. Mit einem Mal presste sich sein Schenkel an meinen Unterleib und ich stemmte mich dagegen, wohlig erschauernd. Ja, hier waren Worte unnötig. Urinstinkte sprachen zu uns, unmissverständlich.

Wie gut es sich anfühlte, so ganz umfangen in seinen Armen. Begehrt, und gleichzeitig gehalten und beschützt. Ich stöhnte unwillkürlich und öffnete die Lippen. Seine Zunge, zögernd, fragend. Ich züngelte dagegen und verstärkte den Druck meiner Finger in seinem Nacken. Quälend vorsichtig drang er vor und leckte über meine Unterlippe, über die Zähne. Mit einem hilflosen Ton sperrte ich die Kiefer auf, soweit es das Gelenk nur zuließ.

Ahh!

Immer noch starrten wir uns an, mit umwölktem Blick jetzt. Unsere Leiber bewegten sich, rieben aneinander. Seine Zunge füllte meinen Mund, wunderbar dick und heiß und nass, und spielte mit meiner. Wir pressten die empfindsamen Oberseiten aneinander, so breit und so tief es ging. Das Züngeln bis tief in den Rachen löste einen Hauch von Würgereflex in meiner Kehle aus, köstlich verrucht und grenzwertig. Am liebsten hätte ich ihn noch tiefer eingesaugt, hätte die Zunge im Hals gespürt, in der Speiseröhre...

Wir lösten uns, keuchend und mit wildem Blick. Er streichelte mir über das Gesicht, seine Finger zitterten. Als er die Muskeln im linken Schenkel anspannte, da spürte ich das so direkt über die Muschi spielen, als hätte ich gar nichts mehr an. Automatisch drückte ich meinerseits gegen diese verlockend harte Stange in seiner Unterhose...

Ralf blinzelte und zuckte leicht zusammen. Oh nein! Zuviel des Guten. Wahrscheinlich war es unvermeidlich, dass seine Ängste ihn immer wieder einholten. Ich wartete ab, verbarg aber nichts von der Erregung, die mich erfüllte.

"Delia...", begann er flüsternd und schluckte.

"Ja?" Weich.

"Warum ich?", brach es heraus. Sein Blick offenbarte so viel Verletzlichkeit, so viel Sehnsucht, doch er musste das jetzt wohl wissen.

"Warum nicht?", lag mir auf der Zunge. Doch das stimmte nicht.

"Weil... es vielleicht kein Zufall ist, dass wir uns getroffen haben", murmelte ich. "Vielleicht... haben Mächte, die wir nicht verstehen, das so eingerichtet?"

"Du meinst - Gott?", fragte er nach.

Ach ja, richtig! In dem Alter hatte ich eine Phase, in der ich mich mit solchen Fragen beschäftigte. In zwei oder drei Jahren würde ich Gott achselzuckend abhaken und ohne ihn weitermachen. So richtig gläubig war ich ohnehin nie gewesen. Nur die übliche Prägung über Kindergarten, Schule, Dorfkirche.

"Nein." Ich schenkte ihm ein warmes Lächeln und strich mit den Fingerspitzen über seine Lippen. "Ich meine sowas wie Liebe auf den ersten Blick. Für mich war es so, als ich dich vorhin gesehen habe. Keine Ahnung, warum. Aber - ich habe gleich gewusst, dass du... etwas Besonderes bist. Für mich."

Er ließ sich das durch den Kopf gehen. Ich hielt dem Blick stand. Schließlich hatte ich die Wahrheit gesagt. Irgendwie, jedenfalls.

"Liebe", murmelte er mit einem bitteren Unterton. "Davon verstehe ich nicht allzu viel."

"Das fühlt sich aber nicht so an." Ich küsste ihn kurz und räkelte mich in seinem Griff. Am liebsten hätte ich einfach weitergemacht mit der Knutscherei. Doch ich spürte, dass er immer noch zögerte. Na klar! Ralf musste es immer ganz genau wissen. Bei ihm lief es stets über den Kopf. Blöd!

Andererseits - vielleicht öffnete dies neue Chancen. Ich machte das hier ja nicht aus Spaß an der Freude. Nicht nur, jedenfalls. Ich wollte, dass er ein paar Dinge verstand. Früher, als er es sonst tun würde, ohne meine Hilfe.

"Ich wollte mit dir hierher", räumte ich ein. "Also - nicht direkt hierher ins Bett. Aber mit dir alleine sein. Dich besser kennenlernen. Weil ich mich für dich interessiere."

"Aber - warum?" Er schüttelte verwundert den Kopf. "Du könntest doch jeden haben, oder?"

"Nein." Amys Erfahrung mit Florentin ging mir durch den Kopf. "Jeden sicher nicht."

"Du weißt schon, wie ich es meine. Praktisch jeden." Seine Stimme enthielt jetzt eine Bestimmtheit, die ich nicht erwartet hatte. Die sich aber nicht schlecht anfühlte.

"Vielleicht. Aber selbst wenn: Ich will eben nicht jeden. Sondern dich. Das spürte ich einfach. Und zwar hier."

Damit nahm ich seine Hand und legte sie mir auf das Brustbein, in die Mitte zwischen die beiden Hügelchen. Ein Daumen drückte gegen die Innenseite der linken Brust. Mein Herz pochte rasch unter seinem warmen Griff. Ich hatte nicht gelogen. Alle anderen waren mir wirklich gleichgültig. Mir ging es nur um Ralf.

"Du denkst, du hast nichts, was interessant für mich wäre, hm?", fragte ich weich und zielte damit direkt ins Zentrum der Scheibe. "Dass ich wunderschön und toll und umschwärmt bin, und du nur ein Durchschnittsloser, völlig unattraktiv und ohne besondere Merkmale."

"Also... ja! Irgendwie schon." Er lachte fahrig, sein Blick wich mir aus. "Ist doch auch so, oder nicht?"

Ich schloss die Augen und atmete tief durch vor Frustration. Wie konnte ich es ihm nur beibringen? Ging das überhaupt? Am besten, ich knüpfte an das an, was er verstand. Was er fühlte. Verzweifelt wühlte ich in meinen Jugenderinnerungen. Wie war das noch genau gewesen, damals. Als ich nach dem Fest Amy endgültig abgeschrieben hatte, weil...

Ah!

Meine Hand ging auf seine Brust, drückte zärtlich. Ich schlug die Lider auf und suchte seinen Blick.

"Tief da drinnen, da spürst du doch, dass du jemand lieben könntest", flüsterte ich eindringlich. "Und zwar total. Wenn nur jemand sehen würde, wer sich wirklich hinter der Maske versteckt. Wie viel es dir bedeuten würde, eine Partnerin zu haben. Eine Freundin. Ein Mädchen, mit dem man alles teilen kann. Über alles reden. Mit der es keine Grenzen mehr gibt, keine Vorbehalte, keine Geheimnisse. Zwei Seelen, die sich berühren."

Er starrte mich an, mit weit aufgerissenen Augen. Seine Brust zitterte vor unterdrückter Anspannung.

"Woher... weißt du das?", hauchte er.

"Weil das bei mir auch so ist." Ich tippte auf seine Hand, die immer noch zwischen meinen Brüsten ruhte. "Wie bei jedem anderen Menschen auch. Das ist normal, Ralf. Ich bin normal. Du auch. Wir spüren alle dasselbe. Aber wenn man es versteckt und denkt, das wäre nur eine Zumutung für andere, dann ist es so, als ob die Gefühle da drinnen verfaulen würden."

Interessant. Woher wusste ich denn das plötzlich? War das jetzt der erwachsene Ralf? Aber dem war das doch auch höchstens vage bewusst gewesen. Nicht so gestochen scharf, wie ich es jetzt erkannte. Das Leben als Frau veränderte mich anscheinend. Das führte jedenfalls zu neuen Einsichten. Spannend!

"Ich..." Tränen traten in seine Augenwinkel. "Du hast recht, Delia. Das ist genau das, was ich mache."

"Weil du Angst hast, richtig?", fügte ich an. "Angst vor einem Fehler, der alles ruiniert."

"Stimmt." Ein Blinzeln. "Geht dir das nicht so?"

"Doch. Irgendwie schon. Aber davon darf man sich nicht unterkriegen lassen. Das ist der Mut, den man für die Liebe braucht. Der Mut eines Helden, der dem Imperium gegenübertritt."

"Mut..." Er nickte langsam. Mit dem Bild konnte er etwas anfangen.

"Ich glaube, dass du diesen Mut hast", bestärkte ich ihn, dieser Konversation nun fast ein wenig überdrüssig.

"Aber - ich könnte doch wirklich einen Fehler machen, oder?" Er rang sichtlich mit dem Konzept. "Was dann?"

"Welchen Fehler könntest du denn machen?", gab ich die Frage zurück.

"Na ja..." Seine Augen glitten über mich. "Ich könnte... rücksichtslos sein. Dich überfordern. Oder verletzen?"

"Ich glaube nicht, dass du das könntest", sagte ich sanft. "Wie denn, zum Beispiel?"

"So vielleicht?"

Er schob seine Hand auf meine rechte Brust, umfasste sie und drückte unverblümt zu. Dann verhielt er und blickte mich atemlos an. Wartete auf meine Reaktion. Auf das Fallbeil. Den göttlichen Richtspruch.

"Du würdest mich gerne so anfassen, aber du denkst, das wäre eine Überforderung für mich", flüsterte ich und sprach diese Gedanken genau in dem Moment aus, in dem sie mir durch den Kopf gingen. Welche waren das jetzt eigentlich? Die von einem erwachsenen Ralf? Von einem Mädchen? Von der Psychologin Dr. Delia Mickels?

"Ja..." Das brachte er kaum heraus. "Vielleicht liege ich ja falsch. Aber wenn du jetzt total wütend auf mich wirst..."

"Das überfordert mich nicht." Ich legte meine Hand auf seine. Drückte sie sanft. "Es verletzt mich auch nicht. Tatsächlich mag ich es so. Ich... hatte mir schon gewünscht, dass du das tust."

"Ehrlich?" Er schüttelte den Kopf. Das konnte er kaum fassen. "Aber - was, wenn es anders wäre? Wenn du es nicht wolltest?"

"Dann würde ich dir das jetzt sagen. Und du würdest sofort aufhören, oder?"

"Na klar!" Nachdrückliches Nicken.

"Siehst du? Dann besteht auch kein Grund, um wütend auf dich zu werden. Jeder spürt sofort, dass du zu den Zurückhaltenden und Anständigen gehörst. Wenn du etwas lernen musst, dann ist es, dich zu trauen. Das zu tun, was du möchtest. Auch, wenn du unsicher bist."

Ralf schürzte die Lippen. Hatte ich mich verständlich ausgedrückt?

"Du meinst - so?"

Damit tauchte er unter den Saum meines Shirts und schob die Hand auf der nackten Haut nach oben. Langsam, während er mich nicht aus den Augen ließ. Über den Bauch. Die Rippen. Er nahm meine Brust in die Finger und drückte verlangend.

Ich riss die Augen auf und keuchte. Die unerwartete Berührung hatte meine Titte in ein hyperempfindliches Ding verwandelt, in dem es prickelte, als ob Ameisen darin herumwuselten. Als er jetzt mit einem Finger an der Brustwarze entlangstrich, da musste ich mich einfach aufbäumen und stöhnen, so süß und schwer schoss es mir in den Leib.

"Genau so", schnaufte ich. "Mach das nochmal... Ahhh!"

Ich verging förmlich. Er streichelte die hart geschwollene Knospe so zurückhaltend und lockend, dass ich es kaum aushielt. Warum griff er nicht richtig zu? Warum nahm er nicht die Lippen? Die Zähne? Saugte die Titte in seinem Mund, hart?

Mir wurde bewusst, dass ich brünstig stöhnte und meinen Schoß rhythmisch gegen seinen harten Schenkel presste. Jetzt konnte ich nichts mehr erklären, das Therapiegespräch war zu Ende. Meine Gedanken faserten auf, zerflossen an den Rändern, vermischten sich mit den Impulsen, den Gefühlen, diesen himmlischen Sinneseindrücken.

Mit beiden Händen umkrallte ich seinen Nacken und zwang ihn zu einem Kuss. Einer langen, heißen, nassen, speicheltriefenden Monstermutation von einem Kuss. Die Zungen tanzten nicht mehr, sie kämpfen. Rangen. Verdrängten. Wie herrlich, so erobert zu werden, so in Besitz genommen. Wenn es beim Sex so ähnlich sein würde, dann würde ich mich wahrscheinlich auflösen und verdampfen vor Wonne.

Ralf drückte mir seine Erektion im selben Takt gegen das Bein, in dem ich mich räkelte. Heiß und hart und groß. Siebzehn Zentimeter, wie ich exakt wusste. Nicht riesig, aber über dem Durchschnitt. Das hatte ich nachgemessen, hier in diesem Zimmer. Mit dem langen Plastiklineal für den Zeichenunterricht. Ich hatte sogar einen Kratzer eingeritzt, bei der Ziffer 17. Ja, mit meiner Schwanzgröße hatte ich nie ein Problem gehabt. Wenigstens ein Trauma, das mir erspart geblieben war.

Zwei Finger nahmen die Brustwarze zwischen sich und rollten gegeneinander. Ich bockte und keuchte. Diese Stimulation fühlte sich beinahe zu stark an, schon fast an der Schmerzgrenze. Doch sie sandte auch eine derartige Hitzewallung durch meinen Körper, dass ich spürte, wie mir unter den Armen der Schweiß ausbrach.

"Oh Gott", wimmerte ich. "Andere Seite auch..."

Mehr als bereitwillig wechselte Ralf auf die linke Brust und ich verdrehte mich in seiner Umarmung, um ihm entgegenzukommen. Neue Berührungen, neue Lustreize, neue Zungenküsse. War das nur die Situation? Der unvertraute weibliche Körper? Oder spürten Frauen das immer so? So - umfassend? Das Zentrum pochte warm, nicht unähnlich dem, wie ich es als Mann kannte. Doch der Rest war viel stärker involviert. Das delikate Prickeln, das durch die Beckengelenke in die Beine rann. Das Flirren im Bauch. Die verzweifelte Fülle in den Lungen, bis hoch in die Schultern. Das Brennen der Wangen...

Ralf unterbrach den Kuss und ging mit dem Kopf hoch, Speichel auf den zerbissenen Lippen. Seine Hand wechselte zurück auf die rechte Brust. Er nahm sie mit einer Selbstverständlichkeit, die ich noch vor fünf Minuten nicht gespürt hatte.

"Ich... ich glaube, ich weiß jetzt, was du meinst", murmelte er.

"Gut." Ich warf ihm einen glühenden Blick zu, unter halb gesenkten Wimpern hervor.

Er wollte noch etwas sagen. Doch er ließ es. Seine Augen verengten sich. Er hatte etwas vor, das sah ich doch.

Die Hand löste sich von meiner Titte und strich hinab. Langsam, aber jetzt mit einer neu gewonnenen Beharrlichkeit. Er würde immer noch stoppen, wenn ich es verlangte. Aber nun hatte er ein Ziel.

Bauch. Nabel. Unterbauch. Die braunen Augen glommen in einem tiefliegenden Feuer.

Ich stöhnte und öffnete die Beine. Ralf nahm seinen Schenkel ein wenig zur Seite. Fingerspitzen tauchten unter den Saum meines Höschens. Erforschten die Wölbung des Venushügels und kämmten dort durch das weiche Haar. Dann tasteten sie tiefer. Trafen auf weiche Falten. Auf schlüpfrige Feuchtigkeit. Auf Hitze.

"Mhhhh!"

Ich umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und starrte ihn mit aufgerissenem Mund an, während er meinen Intimbereich erforschte. Unsere Blicke hatten sich verhakt und ich hielt nichts von der abgründigen Erregung zurück, die mich durchströmte. Ein kehliges Stöhnen, als er über das Häubchen rieb. Ein Schlucken, als die Fingerkuppen die Form der Schamlippen nachzeichneten. Ein Ächzen, als er den Mittelfinger der Länge nach in die Spalte schmiegte.

Ralfs Miene changierte immer wieder hin und her, zwischen Begierde, Sicherheit und ängstlichem Nachprüfen, ob das wirklich noch alles okay für mich war. Darüber zumindest gab es keinen Zweifel. Die vorsichtigen Berührungen peitschten mich auf wie Sturmböen das Meer. Ich genoss es aus vollem Herzen, wie mein Puls immer härter tackte und wie sich die Bauchmuskeln hart anspannten, wenn ich mich seinem Griff entgegenstemmte.

Ein oder zwei Mal schien es, als wollte er etwas sagen. Glücklicherweise verzichtete er darauf. Ich war viel zu beschäftigt mit Spüren und Schwelgen, um jetzt noch eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Die Liebkosungen weckten einen tiefliegenden Hunger in meinem Unterleib, ein Sehnen, ein Spannen.

Ein fragendes Blinzeln von ihm. Eine Fingerspitze, die sacht in meinem Eingang kreiste.

"Mach es!", schluckte ich und kippte das Becken noch weiter vor. "Los..."

Gleich darauf erstarrte ich mit einem Wimmern. Ralf bohrte den Mittelfinger in Zeitlupe in mich, tiefer und tiefer. Dieses Gefühl! Ich kam mir so offen vor, so einladend. Ich saugte ihn geradezu in mich, so schien es mir. Mein Sichtfeld begann an den Rändern zu flimmern, so atemlos starrte ich ihm dabei in die Augen.

Dann war er ganz drin. Der Rest der Hand drängte an meinen Leib, als er noch ein paar Millimeter tiefer wollte. Der Finger innen krümmte sich, streichelte.

"Whhhaaahhh..."

Ich musste die Augen schließen, so süchtig presste ich mich gegen den Eindringling. Farben und Gerüche, Formen und Geräusche, alles verschwamm ineinander. Real war nur noch das, was sich in meinem Körper abspielte.

Meine Hände rissen das Shirt hoch, bis unter den Hals. Auch Ralfs Kopf zog ich ohne bewusste Entscheidung an mich. Tatsächlich bemerkte ich es erst richtig, als er meine rechte Brust küsste, erst oben, dann genau auf die Knospe. Ich stieß einen verlangenden Laut aus und verstärkte den Druck. Sanft schabende Zahnreihen auf der empfindlichen Haut. Dann saugte er am Nippel. Erst sanft, bald mit Nachdruck. Und auf der anderen Seite.

Ab da konnte ich nur noch jammern und keuchen und mich winden, gefangen in dem Lichtbogen zwischen seinem Mund und dem Finger, der da unten in mir kreiste und dabei leise Schmatzgeräusche erzeugte.

"Ja...", hörte ich mich hauchen und krallte mich mit den Fingernägeln an seine Schultern. "Ja..."

Wir pulsierten gemeinsam, vor und zurück, hin und her, der Rhythmus kam aus dem Inneren, fand sich von selbst. Unsere Körper wussten, was sie zu tun hatten. Glücklicherweise, denn ich hatte nur eine vage Ahnung davon, als Frau. Immer höher schlugen die Funken, das Japsen, die grellen Farbspritzer auf der Innenseite meiner Lider. Immer härter krampfte ich mich um dieses fordernde, wühlende Ding, legte den Kopf in den Nacken, ein Winseln auf den Lippen...

Ralfs Daumen fand die Klitoris, das glühende Zentrum meiner Lust. Drückte dagegen, rieb. Gleichzeitig ein zarter Biss in den hart geschwollenen Nippel.

Mein ganzes Selbst zog sich zusammen, mit einem endlosen Atemzug. Ich erschrak vor der Intensität, der Endgültigkeit dieses Gefühls, doch ich konnte nichts dagegen tun. Wollte es auch nicht. Ließ los. Ließ mich hineinfallen und davon wirbeln.

Zittern. Liegen. Spasmen. Hilflose, sinnlose Laute, wahrscheinlich von mir. Die Explosion erfolgte in Zeitlupe, fast wie in einem Film. ´Matrix´ oder so. Die Kamera kreiste um das Mädchen und fing genau ein, wie eine Wellenfront aus lupenreiner Lust vom Zentrum in alle Richtungen lief. Durch den Körper, durch alle Glieder, bis in die Fingerspitzen, in die zitternden, verkrampften Zehen, die Haarwurzeln im Kopf. Musste eine Infrarotaufnahme sein, bei diesem glühenden Dunkelorange, das nach Champignons roch und über die Hörnerven schmirgelte wie eine viel zu straff angespannte Violinsaite.

So unsagbar süß! So faszinierend anders! Ein Flächenbrand, im Vergleich zu den scharfen Explosionen, die ich als Mann kannte.

Aaaahhh! Ich war eine ultrahocherhitzte Bitch, ein Weibchen, eine Göttin! Das war der Tribut, der mir zustand, mein naturgegebenes Recht, mein Geschenk. Genau wie das gepresste Aufstöhnen von Ralf, das manische Rucken seines Beckens, die plötzliche Wärme am Bein. Er opferte mir, brachte mir seinen Dank dar. Die Gabe des wahren Gläubigen, der Beweis seiner Aufrichtigkeit, seiner Loyalität...

Langsam entwirrten sich meine Sinne wieder. Ich lag keuchend auf dem Rücken, am ganzen Körper schweißbedeckt, Ralf halb über mir. Seine Wange ruhte zwischen meinen Brüsten, sein heißer Atem blies im Sekundentakt über meine Haut. Fahrig streichelte ich ihm durch die Haare und blinzelte. Die Decke aus dunkel lasierten Holzpaneelen über mir, so altvertraut und gleichzeitig so neu. Alles war altvertraut, und alles war neu. War das immer so? Würde es immer so sein?

Ralf seufzte und bewegte sich. Auch der Finger, der noch in mir steckte. Ich zuckte zusammen. Sofort hielt er den Atem an und zog sich aus mir zurück, sehr achtsam. Das war richtig so. Jetzt in diesem wohligen Nachglühen kam mir meine Scheide ein wenig überreizt vor, jetzt wollte ich da keine weitere Berührung. Einfach noch liegen und die abflauende Dünung spüren, dieses wohlige Schwelgen in burgunderroten Schlieren.

Ich bemerkte, dass Ralf die Hand vor sein Gesicht gelegt hatte und heimlich daran schnupperte. Ein Lächeln zog sich über meine Lippen. Richtig - das hatte mich immer total angetörnt, die Intimdüfte danach. Und richtig - sehr lange dachte ich, das wäre irgendwie verwerflich. Noch ein wenig Unterricht?

Mit einem gewissen Übermut in den Adern kicherte ich und raunte: "Lass mich mal."

"Hm?"

Ich nahm seine Hand und zog sie mir vor die Nase. Sog tief die Luft ein. Hey - das roch wirklich genial! War das mein Aroma? Aus den Tiefen meiner Muschi ans Licht geholt?

Ralf hob den Kopf und sah mir zu, Ungläubigkeit in den Augen.

"Lecker", murmelte ich und roch nochmal. "Ich mag das. Du auch?"

"Äh... ja."

Ich schob ihm seinen Finger unter die Nase und er schnupperte, während wir uns ansahen. In seinen Augenwinkeln erschienen kleine Fältchen. Dann führte er die Kuppe des Mittelfingers zwischen seine Lippen und schmatzte genießerisch.

"Ich auch!"

Er hielt mir den Finger hin und ich nahm ihn in den Mund und lutschte darauf herum, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Er sah mir fasziniert zu, ein Glitzern in den Augen. Diese Lektion hatte er verstanden, schien mir.

"Uhh, war das gut", seufzte ich zufrieden und kuschelte mich an ihn. "Danke, Ralf."

"Bitte sehr. Danke auch", brummte er und nahm mich enger in den Arm. Ich erschauerte leise. Plötzlich fühlte sich die Sommerluft kühl an auf der erhitzten Haut.

"Kalt?", fragte Ralf sofort und zog schon die dünne Sommerdecke über uns. Da stutzte er und blinzelte auf meine linke Brust, die gerade so wunderbar weich vor sich hin glomm.

"Was - ist denn das?"

"Hm?"

Ich starrte an mir herab. Auf die verschmierten Reste von Mascarastift auf meiner Haut. Nur das "A" von "Amy´93" war noch zu erkennen.

"A steht für alles gut", gluckste ich, zog das Shirt darüber und ihn an mich. Das gemeinsame Wegdösen nach dem Sex hatte ich schon immer total genossen.

***

Jemand hob die Decke, unter die ich mich zusammengekuschelt hatte, und schob sich von hinten an mich. Davon wurde ich wach. Ich gähnte herzhaft und drehte mich auf den Rücken.

"Hi." Ralf lächelte mich an.

"Hi." Wir küssten uns.

"Hast du geduscht?", fragte ich und schnupperte an seinem Hals.

"Ja." Er lachte, ein wenig gepresst. "Ich war, hm, ein wenig verschmuddelt."

Ich kicherte. Klar, er hatte eine volle Ladung in seine Unterhose gespritzt. Wenn er auch nur halb so überhitzt gewesen war wie ich, dann musste das gefühlt ein halber Liter gewesen sein.

"Soll ich auch duschen?"

"Wegen mir nicht", beeilte er sich, zu sagen, und musste grinsen.

"Aber - ich bin verschwitzt, oder?" Ich roch an meiner Achsel. Ja, Schweiß. Aber auch noch etwas anderes. Ganz fein.

Er senkte den Kopf und sog die Luft ein, neben meiner Brust. Ich musste erneut kichern. Seine Nase stippte an meinen Arm. Ich verstummte. Und überwand meine Hemmungen. Zögernd hob ich den Arm und präsentierte ihm die Achselhöhle, mitsamt dem kupferfarbenen Haarbüschelchen darin.

Ralf steckte seine Nase hinein wie ein Hund und sog die Luft ein, so genießerisch, dass mir schon wieder ganz anders zumute wurde. Wie der Blitz hatte ich die Lücke geschlossen, ein Reflex der Schamhaftigkeit.

"Du duftest supergut", flüsterte er mit einem verborgenen Glimmen in den Augen. "Ich könnte den ganzen Tag an dir riechen. Überall..."

Ich schluckte. Überall? Das hieß doch...

Ein warmer Schwall schwappte über mich hinweg. Ich nahm sein Gesicht zwischen die Hände und zog ihn dicht an mich.

"Wenn ich ungeduscht zum Fest gehe, und jemand tanzt eng mit mir, dann riecht er meinen Duft", flüsterte ich ihm zu. "Den Schweiß. Und... wahrscheinlich auch meine Muschi, nach der Nummer vorhin."

Er nahm mich fest in den Arm und küsste mich, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. "Dann darfst du auf keinen Fall duschen, Delia", raunte er. "Das wäre zu schade. Das ist so lecker."

Wir grinsten uns an. Und küssten uns wieder. Seine Hand wanderte schon wieder an meiner Seite hinab. Ich schwankte. Jetzt einfach weitermachen? Hm, warum nicht? Ich war noch ganz gelöst und in meinem Körper flirrte es noch so angenehm. In fünf Minuten würde ich wieder so heiß sein, dass ich nur noch eines wollte. Doch das wäre - nicht das Richtige, spürte ich. Es ging nicht nur um den Sex.

"Lass uns zurückgehen zur Schule, ja?", bat ich ihn mit einem lieben Augenaufschlag.

"Oh." Seine Hand erstarrte um meine Taille. "Äh - ja. Klar... gerne."

Sofort löste er sich von mir, er hatte eine betont neutrale Miene aufgesetzt. Na klar - er interpretierte das natürlich als Zurückweisung.

"Ralf. Hör zu." Ich zog ihn wieder an mich. "Es ist wunderschön mit dir, und ich möchte mehr davon. Ich will mit dir schlafen. Heute Nacht. Hier. Aber ich... bin wegen des Festes hier und möchte das auch nicht versäumen. Ist es okay für dich, wenn wir jetzt hingehen, und später zurückkommen?"

Seine Augen hatten sich geweitet. Er schluckte und nickte krampfhaft. "Natürlich. Das ist perfekt. Das können wir gerne so machen."

"Super!", strahlte ich und brachte meine Lippen an sein Ohr: "Ich bin nämlich schon total neugierig, wie sich das anfühlt. Ist mein erstes Mal. Das will ich mit dir erleben."

"Äh - meines auch."

Das war nichts Neues für mich, doch ich gab einen erstaunten Laut von mir. So, als hätte ich erwartet, dass ein toller Typ wie er längst seine Erfahrungen gesammelt hätte.

Mir fiel ein, dass ich nicht wusste, ob mein Leihkörper noch jungfräulich war oder nicht. Doch das spielte keine große Rolle. Ein kleiner Schmerz beim Eindringen, das würde ich aushalten.

"Gut. Dann gehen wir jetzt zurück. Ich dusche nicht, ich gehe nur aufs Klo. Aber beschwere dich später nicht, wenn ich stinke wie ein Iltis."

"Ich liebe Iltisduft." Er biss mir sanft in die Unterlippe und deutete ein Kitzeln an. Ich kicherte und schob mich dann aus seiner Umarmung und aus dem Bett. Wenn ich wartete, bis er das tat, würden wir überhaupt nicht loskommen.

Zehn Minuten später hatte ich das Kleid wieder an und meine Haarpracht notdürftig in Form gebracht. Vom Lippenstift war nichts mehr übriggewesen, aber den bekam ich vor dem Spiegel einigermaßen repariert. Die Schmierer von den Wimpern konnte ich wegtupfen. Ganz schön aufwendig, diese Schönheit. Ich würde mich nie wieder darüber lustig machen, wie viel Zeit die Damen dafür investierten.

Hand in Hand spazierten wir zurück, Richtung Schule. Die Handtasche hatte ich zurückgelassen. So ein Ding störte, wenn man es nicht umhängen konnte.

Wir redeten gar nicht viel, sondern lächelten uns nur immer wieder an. Das reichte, um den Weg in einem Glorienschein zu erleben, umflort von Schmetterlingen und Engelchen. War es dieser jugendliche Körper mit seinen Hormonausschüttungen? Oder nur meine Erinnerungen an früher? Jedenfalls fand ich es herrlich, mich so jung und so verliebt zu fühlen.

Die Uhr zeige kurz nach halb neun, als wir am Park ankamen. Ein lauer Sonntagabend, über uns wölbte sich ein tiefblauer Himmel. Die Sonne stand schon tief, hinter den Bäumen, und tauchte alles in dieses unverwechselbar milde Licht, das den Zauber des Sommers ausmachte. Überall standen Grüppchen von gutgekleideten Leuten, lachend und plaudernd, mit Flaschen und Gläsern in der Hand. Ah, das Schulfest!

"Soll... ich dich loslassen, wenn wir reingehen?", fragte er ernst.

"Loslassen? Wieso denn?" Ich schmiegte mich in seine Umarmung.

"Ich weiß nicht... Vielleicht ist dir das zu eng? So vor allen Leuten..."

Ich unterdrückte einen Stoßseufzer. Klar - er dachte, er als der minder glamouröse Teil unseres Zweiers würde mich runterziehen. Mich aufhalten. Mich von dem grandiosen Spaß abhalten, den ich ohne ihn haben könnte. Oh je, wie konnte ich ihm diesen Zahn nur ziehen? Offenbar war mein therapeutisches Wirken noch nicht abgeschlossen.

"Mir sind die Leute egal", versuchte ich es. "Ich bin mit dir hier. Und später werden wir miteinander schlafen. Glaubst du echt, ich würde da Abstand von dir brauchen?"

"Oh..."

Er nickte. Aber ob er das wirklich verstand? Na egal - falls nicht, würde ich ihm das schon noch klarmachen.

"Jetzt habe ich aber Hunger", lächelte ich ihn an, ganz lieb. "Erst mal ans Buffet? Ich stehe total auf diese Quiche Lorraine-Schnittchen, die Frau Wallmendinger immer bringt."

"Ich auch", strahlte er und stutzte dann. "Warst du schon mal hier? Oder woher kennst du die Schnittchen?"

"Oh - äh, nein." Ich lachte perlend, mein Gehirn rotierte. "Ich meinte, ich stehe auf Quiche, und Amy hat mir von den berühmten Wallmendinger-Schnittchen von Fränklingen erzählt."

"Ah." Er grinste. "Dann mal auf in den Mampf. Hoffentlich ist noch was davon da."

Das Buffet sah schon ziemlich abgegrast aus, aber wir fanden tatsächlich noch zwei von den Dreiecken, verdeckt unter einem Teller. Ha - das hatte jemand für später reservieren wollen, aber diesen Trick kannte ich auch. Wir deckten uns mit verschiedenen Fressalien ein und suchten uns ein Plätzchen an einem der Biertische vor dem Seitenflügel der Schule. Dort saßen wir uns gegenüber, spachtelten die Schnittchen und taten so, als unterhielten wir uns blendend und achteten auf nichts anderes außer uns.

In Wirklichkeit war Ralf total verkrampft. Seine Augen irrten immer wieder umher, doch wenn er jemand sah, den er kannte, tat er sofort so, als hätte er ihn nicht bemerkt. Ich hatte mich ein wenig besser im Griff, aber auch mir kam es so vor, als würden uns sämtliche Leute in Sichtweite anstarren. Die Blicke juckten förmlich zwischen den Schulterblättern. Kein Wunder, ich präsentierte der Welt meinen Rücken komplett nackt.

"Hallo, Sportsfreund!"

Ich blinzelte hoch, bei dieser bekannten Stimme. Und riss die Augen auf. Meine Eltern standen neben uns. Robert Steganowski und seine Frau Valerie, geborene Ackermann.

Ralfs Eltern, natürlich, an diesem Sonntag 1993. Wie jung mein Vater aussah, als er mich anlächelte. Und meine Mutter neben ihm. Sie betrachtete mich mit einem säuerlichen Ausdruck um die Lippen. Wow! So sah sie tatsächlich fast aus wie eine Schwester von meiner Ex Lydia, etwa 26 Jahre später.

"Oh, hallo." Ralf wischt sich hektisch die Finger an einer Serviette ab. "Seid ihr schon lange hier?"

"Gerade erst gekommen." Sein Blick ging immer wieder zu mir. Hä? Täuschte ich mich, oder glotzte mein Vater - Ralfs Vater - mir schamlos auf die Titten?

"Äh - das ist Delia", stotterte Ralf sich durch die Vorstellung. "Meine Eltern, Robert und Valerie."

"Hallo", sagte ich artig und reichte ihm die Hand. Er nahm sie und hielt sie eine halbe Sekunde länger als notwendig. Sein Lächeln vertiefte sich. What?

"Hallo Delia." Auch seine Mutter gab mir die Hand. Sie lächelte ebenfalls, aber mit einem Röntgenblick dazu. "Du bist nicht aus Fränklingen, oder?"

"Nein", lachte ich, um meine Unsicherheit zu übertünchen. Was stand gleich nochmal auf meinen Ausweis? Ah! "Ich komme aus Darmstadt", fügte ich an. "Amy hat mich eingeladen. Wir sind verwandt."

"Ah." Ihr Blick ging zwischen ihrem Sohn und mir hin und her. "Ihr habt euch also heute erst kennengelernt?"

"J-ja." Ralf grinste verzweifelt.

"Aber es ist, als würden wir uns schon ewig kennen." Ich produzierte ein verliebtes Lächeln und nahm seine Hand. "Ich bin so froh, dass wir uns getroffen haben."

"Na, dann sind wir ja schon sehr gespannt", lachte sein Vater. "Wir holen uns auch was zu Essen und setzen uns zu euch, okay?"

"Tut mir leid, aber wir sind gerade fertig und gehen jetzt rüber, zu den anderen." Ralf gestikulierte vage in Richtung Park und wollte aufstehen. Klar - er hatte bestimmt keine Lust, jetzt viel Zeit mit seinen Alten zu verplempern. "Wir sehen uns ja sicher später noch."

"Oh. Ja, kein Problem." Robert blinzelte seinen Sprössling überrascht an. "Schade, denn Opa Heiner kommt auch gleich. Er würde sich sicher freuen, wenn ihr ein paar Minuten Zeit hättet."

Opa Heiner? Ich riss die Augen auf. Stimmte ja - ich hatte ganz vergessen, dass er auf dem Schulfest dabei gewesen war. Das hatte doch etwas zu bedeuten! Moment mal - was hatte Delia als Therapeutin zu mir gesagt? Die Sache mit dem Kennenlernen? Also wenn diese Zeitreisen zu etwas gut waren, dann doch wohl für tiefere Recherchen in der Vergangenheit, oder? Opa Heiner war schon 2005 gestorben, aber hier konnte ich noch mit ihm sprechen.

"Lass uns noch ein paar Minuten bleiben, ja?", strahlte ich Ralf an. "Ich würde gerne deine Familie kennenlernen."

"Äh... na gut." Ralf rückte zur Seite, um Platz zu machen. Er sah gequält drein. Ich verspürte eine seltsame Gefühlsmischung: einerseits Triumph, weil es so einfach war, meinen Willen durchzusetzen. Andererseits aber auch Ernüchterung, fast Ekel. Warum tat er nur was, obwohl er es überhaupt nicht wollte?

Das kam mir doch nur allzu bekannt vor...

"Sehr gut." Robert strahlte, stellte sich hinter seinen Sohn und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Er sah aus wie... Fuck - mein Vater war 1947 geboren, jetzt im Jahr 1993 also 46 Jahre alt. Ziemlich genauso alt wie ich im November 2019, am Ausgangspunkt meines kleinen Abenteuers. Die Ähnlichkeit mit dem Ralf Version 2019 war nicht zu übersehen!

"Ah, da ist Opa. Heiner, hier rüber!" Robert winkte jovial.

Ich drehte mich um, ein neutrales Lächeln auf den Lippen. Wie nett, Opa Heiner nochmal wiederzusehen. Er musste jetzt 73 Jahre alt sein, da war er noch ziemlich rüstig gewesen. Ich hatte nie einen tiefen Kontakt mit ihm gehabt, aber...

Da kam er, mit seinem Stock und seiner Trachtenjacke, den verbliebenen Haarkranz schon schlohweiß. Sah gar nicht schlecht aus zu der ledergegerbten Haut, tief gebräunt von seinen endlosen Gartenarbeiten.

Er sah mich und riss die Augen auf. "Delia?", hauchte er entgeistert.

What?

"Äh - ja?", lächelte ich mühsam.

"Aber..." Er konnte mich nur anstieren. Ich wechselte einen Blick mit Ralf. Und mit Robert. Beide schauten genauso ratlos drein wie ich.

"Opa, das ist Delia. Meine Freundin", sagte Ralf und wirkte unangenehm berührt. "Mein Opa Heiner."

"Hallo, Opa Heiner." Ich brachte ein Nicken zustande.

Der Opa atmete tief durch und schüttelte den Kopf. Er lächelte, aber das kam rüber wie eine Grimasse "Bitte entschuldigt mich", meinte er. "Ihr müsst denken, jetzt ist der Alte endgültig senil geworden. Aber - ich kannte einmal ein Mädchen, das dir sehr ähnlich sah. Sie hatte auch deinen Namen. Sie hieß Delia Rötel, geborene van Effen."

"Ich bin Delia Mickels", hörte ich mich sagen. Was zur Hölle lief hier?

"Ja..." Er musterte mich und lachte hohl. "Das war 1946. Vor fast fünfzig Jahren. Da müsstest du jetzt über 70 sein, wie ich auch. Bitte verzeih mir, ich war nur so von den Socken. Die Ähnlichkeit ist wirklich unglaublich."

"Setz dich, Papa." Robert drückte ihn neben Ralf auf die Bank. "Sollen wir dir was vom Buffet holen?"

"Und am besten hörst du so lange auf, die junge Dame so anzustarren", fügte Valerie spitz hinzu. "Oder über deine früheren Liebschaften zu reden. Das ist ja peinlich."

"Ach nein! Das interessiert mich jetzt aber schon." Ich lächelte den alten Mann an und beugte mich vor. Die Augen von drei Steganowski-Generationen rutschten ab, in mein Dekolleté hinein. Um ein Haar hätte ich losgeprustet bei diesem Anblick.

"Na schön." Valerie richtete sich kerzengerade auf. "Robert, komm! Wir schauen mal, was es noch zu Essen gibt. Solange können die beiden sich ja mit Opa Heiner unterhalten, wenn sie das unbedingt wollen."

Der nickte und folgte ihr zögernd. Opa Heiner dagegen konnte den Blick nicht von mir wenden.

"Erzählen sie mir doch von ihrer Delia", bat ich ihn mit einem strahlenden Lächeln.

Er nickte eifrig, aber dann huschte ein Schatten über sein Gesicht. "Das war 1946, wie gesagt. Ich war gerade aus der englischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden und arbeitete am Wiederaufbau der ersten Gebäude mit. Ich lernte Delia auf einer Weihnachtsfeier kennen. Weihnachten 1946 - mein Gott, ist das lange her."

"Da warst du 26, richtig?", hatte Ralf mitgerechnet.

"Stimmt." Ein melancholisches Lächeln. "Sie war ein Jahr älter als ich. Und unfassbar schön! Ihre Haare waren vielleicht einen Ton dunkler als deine, Delia, aber sie hatte genau dieselbe Augenfarbe. Genau das Graublau, mit dem die Engländer ihre Bomber anstrichen."

"Opa war im Krieg bei der Luftwaffe", warf Ralf verlegen ein. "Jagdflieger. Er wurde 1940 über London abgeschossen."

Ich nickte ungeduldig. Als Kind hatte ich Opa Heiner immer bearbeitet, dass er von seinen Heldentaten erzählte. Aber das wollte er nie. Inzwischen verstand ich das.

"War diese Delia deine Freundin?", wollte Ralf wissen. "Das war, bevor du Oma Kunigunde kanntest, oder?"

"Zweimal ja." Er zwinkerte ihm zu. Und mir. "Sie war mit einem reichen Bauunternehmer verheiratet, aber unglücklich mit ihm. Anfangs habe ich sie nur von ferne bestaunt. Ihr müsst euch vorstellen: Zu der Zeit schlichen die meisten Leute in Lumpen zwischen ausgebrannten Ruinen herum. Sie aber hatte Geld und konnte sich schick anziehen und ausgehen. Sie wirkte auf mich wie von einem anderen Stern. Sie war stark, innerlich. Unglaublich stark."

Ralf schluckte und sah mich an. Das kam ihm offenbar bekannt vor.

"Ich verstand am Anfang nicht, warum sie sich mit mir abgab." Opa Heiner schüttelte den Kopf. "Es waren nur ein paar Wochen, aber die zählen zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens. Ich war so verliebt!"

"Und dann?" Meine Finger klammerten sich heimlich um die Sitzbank. Ich musste wissen, was das mit mir zu tun hatte. Das hatte es doch, oder?

"Dann... geschah ein Unglück." Ein Schatten legte sich auf seine Miene. "Ihr Mann, uh, hat sich erschossen. Mit seiner eigenen Schrotflinte."

"Wegen - dir?" Ralf war bleich geworden.

Er lachte bitter und wedelte mit der Hand. "Ich - ich weiß es nicht genau. Sie wollte danach nie wieder ein Wort mit mir wechseln. Hat mich wegschicken lassen, vom Personal ihrer Villa, und von ihrer Familie."

Die Villa! Ich vermutete, dass ich wusste, von welchem Haus er redete.

"Das heißt, sie war umgekehrt nicht ganz so verliebt?", bohrte ich nach. Da steckte doch noch was dahinter!

"Vielleicht. Wahrscheinlich sogar." Heiner starrte auf den orangefarbenen Lack des Biertisches direkt vor ihm, ohne ihn zu sehen. "Sie konnte so strahlend und so gewinnend sein, dass man alles für sie tat. Aber sie hatte auch eine andere Seite. Eine dunkle. Ich habe es gespürt, wollte es aber nicht wahrhaben. Möglicherweise hat sie mich nur benutzt. Um ihren Mann..."

Er verstummte.

Ich dache nach, kombinierte wie rasend. War das der entscheidende Punkt? Das Ereignis, das meine Familie auf drei Generationen prägte? Ich musste es wissen!

"Darf ich ihnen noch eine Frage stellen, Opa Heiner?", fragte ich leise. Er nickte, ohne hochzusehen. Ralf hörte mit großen Augen zu und hatte das Atmen eingestellt.

"Als sie dann ihre spätere Frau kennenlernten", formulierte ich. "Denken sie, ihre Erfahrung mit dieser Delia hat sie - beeinflusst?"

Er schwieg. Länger. Ich wartete gespannt. Seine Frau, meine Oma Kunigunde, hatte ich nie kennengelernt. Sie war 1973 bei einem Unfall im Haus gestorben, zwei Jahre vor meiner Geburt.

"Das habe ich mich später auch gefragt", murmelte er still. "Ich war... so verzweifelt, dass ich vielleicht jemand zum Festhalten brauchte. Irgendjemand. Und Kundigunde..." Er zuckte die Schultern. "Sie war halt da. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wie man so schön sagt."

"Das hört sich ja nicht nach der großen Liebe an", lachte Ralf. Ein unpassender Laut.

"Da hast du recht." Heiner warf ihm einen Seitenblick zu. "Das war es nicht."

"Hier, Opa!"

Valerie war zurück und knallte ihrem Schwiegervater einen vollgehäuften Pappteller hin. Robert stellte schweigend eine Bierflasche daneben.

"Oh, danke." Heiner blinzelte und tauchte aus der Versenkung auf. "Ah, Buletten und Kartoffelsalat! Sehr schön!" Er rieb sich die Hände und griff nach dem Plastikbesteck. Die Geschichtsstunde war zu Ende.

"Dann... machen wir euch mal Platz zum Essen", meinte Ralf schnell und erhob sich, seinen leeren Teller in der Hand. "Wir gehen mal zu den anderen rüber."

"Aber trinkt nicht so viel, bitte." Valerie nahm meinen Platz ein, sobald ich ihn freigemacht hatte. Das Gedränge ringsum wurde dichter.

"Jaja, keine Sorge. Kommst du, Delia?"

"Hat mich gefreut, sie kennenzulernen", zwitscherte ich mit meinem schönsten Lächeln und nickte Opa Heiner zu. Der lächelte warm zurück und nickte. Fast bereute ich es, dieses Gespräch geführt zu haben. Das ließ mich mit mehr Fragezeichen zurück als zuvor. Hatte seine Delia etwas mit mir zu tun? Mit der Therapeutin? Diese Ähnlichkeit, das konnte doch kein Zufall sein, oder? So häufig war die Kombination von tiefem Kupfer und blauen Augen nicht.

Ach, das würde ich schon noch herausbekommen. Oder eben nicht. Jetzt waren erst einmal andere Dinge wichtig. Ich schob alles ungeklärten Fragen in die Ablage und drückte mich durch die Sitzreihe nach vorne, zu Ralf. Wir schlenderten los. Ich hörte, wie der Vater hart schluckte und die Mutter die Luft einsog, als sie meinen Rückenausschnitt sahen. Meine Wangen prickelten, aber ich ließ meinen Hintern beim Gehen extra sanft hin und her wiegen.

"Danke", raunte ich, als wir die Teller bei der Geschirrrückgabe abstellten.

"Hm?"

"Deine Eltern sind sicher supernett und dein Opa erst recht. Aber - morgen fahre ich wieder nach Hause, und ich verbringe den Abend lieber mit dir."

"Geht mir genauso." Er warf einen undeutbaren Blick in Richtung seiner Familie. Dann nahm er mich in die Arme und zog mich an sich. Nanu? So in aller Öffentlichkeit? Ich schenkte ihm einen Schlafzimmerblick unter gesenkten Wimpern hervor. Würde er es tun?

Ja! Er umschlang mich, die Hände oben und unten auf meinem bloßen Rückgrat, und küsste mich fest. Ich drückte mich an ihn und erwiderte den Kuss mit aller Leidenschaft. So knutschten wir atemlos und achteten auch nicht auf das Gejohle von rechts, wo ein paar Idioten aus der Mittelstufe herumlungerten.

Endlich ließ er ab und legte seine Stirn an meine. Wir sahen uns tief in die Augen und grinsten uns verständnisinnig an.

"Das haben deine Eltern jetzt gesehen, oder?", murmelte ich.

"Ja." Er blinzelte. "Tut mir leid - blöd für dich?"

"Ach was!" Ich küsste ihn gleich nochmals. "Ich finde es witzig."

"Witzig!" Er schnaubte. "Ihnen wäre es am liebsten, ich würde als Single sterben."

"Das ist nur wegen..." Gerade noch rechtzeitig unterbrach ich mich. Das durfte ich ja noch gar nicht wissen.

"Hm?"

"Mütter mögen es doch nie, ihre Söhne in den Krallen anderer Frauen zu sehen", wich ich aus.

"Es ist nicht nur das." Er seufzte. "Gunther, mein älterer Bruder, hat seine Freundin geschwängert. Da waren die beiden gerade siebzehn. Das hat sie natürlich... nicht gerade erfreut."

"Oh. Das wusste ich nicht", log ich und sah angemessen betroffen drein. Tatsächlich wusste ich sehr wohl, was damals los war. Vor zwei Jahren, der aktuellen Zeitrechnung nach. Das Brüllen meines Vaters. Die Tränen und bohrenden Fragen meiner Mutter. Rosalie verlor das Kind dann im sechsten Monat, und seitdem wurde nie mehr darüber gesprochen. Doch Gunther zog aus, am Tag seiner Volljährigkeit. Das hat er ihnen nie verziehen.

"Du, sag mal..." Ralf suchte nach Worten. "Äh - nimmst du eigentlich die Pille?"

Nahm ich die? Nahm Delia die? Keine Ahnung. In ihren Sachen hatte ich nichts gefunden, aber vielleicht hatte ich auch nur nicht gründlich genug geschaut.

"Ja, tue ich", lächelte ich ihn an. "Keine Angst. Es kann nichts passieren."

"Gut." Seine Erleichterung war mit Händen zu greifen.

Wir küssten uns wieder. Ich verscheuchte die Vorstellung aus meinem Kopf, dass ich mich morgen immer noch hier befand. In Delias Körper, dann jedoch schwanger. Daran konnte ich nicht recht glauben. Und falls doch - nun, was wäre das Leben ohne ein gewisses Risiko? Oder waren das schon wieder die Hormone? Wegen der Finger, die über meine Rückseite tasteten, wegen seiner Zungenspitze in meinem Mundwinkel und wegen dieses harten Knaufs an meinem Unterbauch?

"Ich hoffe, du bist Opa Heiner nicht böse wegen vorhin." Ralf sah mich verlegen an. "Sonst ist er nicht so... so..."

"Mach dir keine Gedanken." Ich wischte ihm die Haare aus der Stirn. "Ich finde ihn süß."

Ein Schlagzeug setzte irgendwo ein, dazu ein sphärischer Synthesizerlauf. Die Tonfolge kam mir vage bekannt vor. Gemurmel und erwartungsvolle Laute ringsum. Etliche Leute standen auf und schlenderten in Richtung des Innenhofes.

"Die Schulband?" Ich strahlte. "Davon hat mir Amy erzählt. Die soll gut sein."

"Ist sie. Komme mit."

Er nahm mich in den Arm. Das ging jetzt schon selbstverständlich. Wir folgten dem Strom und hörten dabei die Ansage des Rektors als unverständliches Gebrabbel. Als wir um die Ecke bogen und der Sound klar an unsere Ohren drang, rief er gerade ins Mikro: "... viel Vergnügen mit den ´Lessing Lemmings´ und ihrem Star, Lea von Gruibing!"

Vielstimmiger Jubel. Die Bläser der Band, die schon auf das Ende der Ansage gelauert hatten, rissen ihre Instrumente hoch und knallten drei einwandfreie Auftakt-Stabs in die Intro. Dann rollte ein schleppender Reggae los und Lea trat auf die Bühne, dünn wie eine Fischgräte, gehüllt in ein schwarzes Schlauchkleid bis zu den Knöcheln. Darüber ein Silbergürtel, die Schnalle ein silbernes Friedenssymbol mit den Ausmaßen eines kleinen Tellers.

Neue Freudenschreie. Lea strahlte und winkte, schnappte sich das Mikro und röhrte los. Eine unfassbar soultriefende Version von "All that she wants" von "Ace of Base". Ah, richtig - das musste gerade in den Charts sein. Der Ruhm der ´Lemmings´ beruhte nicht nur auf ihren musikalischen Fähigkeiten, sondern auch auf dem Riecher von Bandleader Steve. Er coverte ausschließlich brandaktuelle Songs. Binnen Sekunden groovte der ganze Innenhof mit, dicht gepackte Schüler und Ältere.

"Hey!", schrie ich Ralf begeistert zu. "Ich wusste gar nicht mehr, wie gut die... äh, Amy sagte schon, die seinen gut, aber das wusste ich nicht mehr."

"Stimmt", strahlte er, so stolz als sei er persönlich dafür verantwortlich. "Die ´Lessing Lemmings´, die heizen richtig ein."

Und zu meinem grenzenlosen Erstaunen fing er an, im Takt mitzuhüpfen. What the fuck? Das hatte ich damals doch nie gemacht. Ich stand immer am Rand, genoss die Musik, und schnippte maximal ein wenig mit den Fingern.

Mit einem Auflachen schloss ich mich an, erfüllt von einem wohligen Gefühl der Befriedigung. Das war doch sicher schon ein Ergebnis meiner Bemühungen um seine Reife, oder? Er grinste und bewegte sich noch heftiger. Ich ebenso. Ruckzuck hatten wir uns gegenseitig in eine übertriebene, armschwingende, quietschvergnügte Fankarikatur hineingesteigert und johlten "All that she wants" mit wie die Blöden.

Das zog sogar die Umstehenden mit. Unsere Ecke verwandelte sich in einen Hexenkessel, dessen Lautstärke beim Refrain sogar mit der elektronisch verstärkten Reibeisenstimme von Lea mithalten konnte. Sie bemerkte es, grinste zufrieden und streckte das Mikro in unsere Richtung. Wir grölten derart aus Leibeskräften, dass wir morgen sicher keiner ein klares Wort herausbringen würde.

Ein Traum! Die nächsten anderthalb Stunden flogen dahin, während die ´Lemmings´ ihrem dankbaren Publikum einen Kracher nach dem anderen um die Ohren hauten. Peter am Schlagzeug verhaute sich ab und zu, und vom elektrischen Klavier drangen manchmal reichlich schräge Harmonien herüber, aber das interessierte niemand. Höchstens Herrn Müller-Winkelmann, den Musiklehrer der Unterstufe, der neben der Bühne stand und mit den Fingern schnippte und so tat, als würde er die Musiker kontrollieren.

Alle anderen feierten richtig ab, Ralf und ich mittendrin. Irgendwann hatten wir uns bis dicht vor die Bühne vorgeschoben und warfen unsere Arme in Richtung der Band wie Gläubige bei einem bizarren Ritual. Der Soundschwall aus den Lautsprechern föhnte die Haare nach hinten.

Wann hatte ich zum letzten Mal so viel Spaß gehabt? Lag das am Alter? Daran, dass ich ein Mädchen war? Die Musik schien mir viel leichter, viel direkter in den Bauch und in die Glieder zu fahren, als ich das als Mann kannte. So einfach, sich auf diesem Klangteppich mittreiben zu lassen, wie auf einem breiten Strom.

Ab und zu nahm Ralf mich in den Arm und küsste mich, oder ich schmiegte mich an ihn, oder wir nahmen uns an den Händen und hüpften gemeinsam herum. Wir waren beide total verschwitzt, denn die Menge ringsum produzierte genügend Wärme für ein Heizkraftwerk. Wir natürlich auch. Der Rest meines Parfums reichte gerade so, um meinen Körpergeruch in einem aushaltbaren Maß zu halten. Und wirklich: Als die Band den Song mit einem Schlussakkord beendete und wir schwer atmend stehenblieben, da erhaschte ich einen Hauch meines eigenen Intimduftes, der von unter meinem Kleid aufstieg. Mhm, lecker! Ich lachte so laut, dass es mir in der Kehle wehtat.

"Was ist?", grinste Ralf, dem der Schweiß über die Stirn rann. Die Band fummelte noch mit den Noten rum, daher herrschte gerade relative Stille.

Ich zog ihn in eine Umarmung, küsste ihn schnell, und zog seinen Kopf herab, an meinen Hals. So konnte ich ihm ins Ohr flüstern: "Riech mal!", und seine Nase in Richtung meines Dekolletés bugsieren. Er sog die Luft ein, die zwischen unseren erhitzten Körpern aufstieg und stieß einen genießerischen Laut aus.

Wir sahen uns in die Augen. Seine leuchteten in einem inneren Feuer. Die Musik sang noch in meinen Adern, wir schnauften und drückten uns gegeneinander.

"So, Leute. Zehn Minuten bis Mitternacht. Das ist der letzte Song für heute", rief Steve ins Mikro und erntete übermütige Buh-Rufe und Pfiffe. "Jaja, bedankt euch bei den Nachbarn. Insbesondere beim Ehepaar Bullinger, das ich von hier aus am Fenster sehen kann, den Telefonhörer schon in der Hand, falls wir eine Sekunde länger als zwölf spielen. Aber zehn Minuten reichen uns, um euer Scheiß-Haus wegzusprengen. Los, Männer!"

Ein völlig übersteuerter Gitarrenriff, und sie stimmte eine derart hemmungslose Version von "T.N.T" an, dass Angus Young die Gitarre aus der Hand gefallen wäre. Rings um uns flippten die Leute aus und brüllten sich die Seele aus dem Leib.

Wir blieben stehen, die Blicke ineinander gesenkt. Ah, dieses Gefühl, wie mein Busen sich mit jedem hastigen Atemzug hob, wie die Muskeln in meinen Beinen zuckten, wie es in meinem Bauch pulsierte.

Es war soweit. Das spürten wir beide.

Ich drängte mich an Ralf. Presste meinen Schoß gegen ihn. Fest! Schrie ihm ins Ohr: "Ich will, dass du mich so fickst, wie die gerade spielen."

Vielleicht nicht ganz das, was ein achtzehnjähriges, noch unschuldiges Mädchen seinem neuen Freund, den es gerade mal ein paar Stunden kannte, wirklich sagen würde. Doch es passte nahtlos in den aufgeheizten Wahnsinn, der um uns und in uns vibrierte. Das mollige Mädchen in dem roten Kleid neben mir hatte es wohl mitbekommen. Ihr klappte der Unterkiefer herab und sie stierte mich an wie eine Erscheinung. Ich lachte auf, leicht hysterisch.

Ralf knurrte und zog mich an sich, eine Hand hinten voll unter das Kleid geschoben und um eine Hinterbacke gekrallt. Ein Kuss, oder eher ein Biss. Er schluckte hart und brachte seine Lippen an mein Ohr. "Aber erst... uh, erst will ich dich lecken!", hörte ich ihn gepresst raunen. Seine Erektion bohrte sich in meinen Bauch, steinhart.

Jawoll!! Er sagte, was er wollte. Was er sich wünschte. In meiner Erinnerung hatte ich das erst sehr viel später gelernt. Einigermaßen, zumindest. Und nicht nur das, die Tatsache, dass er ausdrückte, was er sich ersehnte, peitschte ihn regelrecht hoch. Er walkte meinen Po so gierig, als wollte er mich gleich hier und jetzt flachlegen.

Hm, noch mehr davon? Kleine Zugabe vielleicht? Hielt er das aus?

"Du willst deine Zunge in mein Löchlein schieben?", lachte ich und spielte mit der Zungenspitze in sein Ohr. "Ungeduscht, wie ich bin?"

Das Mädchen im roten Kleid japste schrill auf. Hatte die sich etwa absichtlich so nahe an uns gedrängt, dass sie mithören konnte?

"Und wie!", keuchte er. Seine Hand hinten im Kleid glitt tiefer. Zwischen meine Beine. Mehrere Finger drückten von unten gegen meine Scham. "Ich will alles von dir schmecken..."

Rings um sich drängten sich die Leute dicht an dicht, doch ein oder zwei mussten sein Manöver mitverfolgen können, wenn sie nach unten schauten, anstatt zur Bühne. Wir mussten verschwinden, an einen sehr viel privateren Ort, und zwar schleunigst.

"Dann komm!"

Die Hand löste sich und nach einem letzten, schmachtenden Zungenkuss drängten wir uns nebeneinander durch die entfesselte Meute in Richtung Ausgang. Das rote Kleid glotzte uns hinterher wie ein Auto. Ich kicherte in mich hinein. Welche Gerüchte da morgen wohl an der Schule die Runde machen würden?

Gar nicht übel - am Ende würde Ralf noch den diesjährigen ´Lessing-Abschlepp-Preis´ gewinnen, den der Abiturientenjahrgang traditionsgemäß vergab. Streng vertraulich, natürlich. Das hieß, jeder in Fränklingen wusste davon. Ein furchtbar sexistischer, chauvinistischer, rückständiger und überhaupt ganz schrecklicher Brauch, der ein paar Jahre später von einer neuen Schulleiterin abgeschafft werden würde. Zum ewigen Bedauern sämtlicher Schüler.

Wir rannten zwischen den Biertischgarnituren hindurch, an denen lautstark gezecht und getratscht wurde, und stoppten kichernd und schnaufend, als wir den Park erreicht hatten. Sofort nahm Ralf mich wieder in die Arme und betatschte meine Kehrseite. In der Nähe stand eine Laterne, doch wir drückten uns in den Schatten eines Busches.

"Das war der Wahnsinn", flüsterte er mir gedrängt zu. "Das schönste Schulfest, das ich je erlebt habe. Wegen dir."

"Für mich auch", gab ich wahrheitsgemäß zurück und giggelte. "Aber noch ist es ja nicht vorbei."

"Puh!" Er blinzelte und guckte plötzlich ganz ernst. "Delia..."

"Hm?"

"Willst du das wirklich?"

"Was denn?"

"Mit mir ins Bett." Ein Durchatmen. Er schüttelte den Kopf. "Wir kennen uns erst seit heute. Ich dachte immer, wenn man was Ernsteres will, dann lässt man sich Zeit und lernt sich langsam kennen."

Ich legte meine Stirn an seine Brust, um nachzudenken. Er hatte ja recht. Eigentlich. Unter normalen Umständen würde sich ihm ein Mädchen nie so an den Hals werfen, wie ich das gerade durchzog. Aber wie konnte ich ihm klarmachen, dass dies keine normalen Umstände waren? Er sprach von etwas "Ernsterem". Natürlich ging er davon aus, dass wir uns wiedersehen würden.

Ich dagegen war mir keineswegs sicher, ob Delia van Effen morgen noch existieren würde. Die echte Delia, die ich als Therapeutin kennenlernte, war einfach zu jung, damit sie im Jahr 1993 schon 18 Jahre alt sein konnte. Beziehungsweise zu alt - falls die Delia von Opa Heiner etwas damit zu tun hatte.

"Hör zu", sah ich zu ihm auf. "Meine Eltern... sind deinen ziemlich ähnlich. Sie haben auch immer gebremst und gewarnt und gemahnt. Ich habe mich daran gehalten. Aber kürzlich, da... ist etwas geschehen. Ich habe gelernt, dass ich auf mich hören muss. Dass mir keiner sagen kann, was für mich richtig ist und was nicht."

"Was ist denn geschehen?" Er blickte mir in die Augen und strich dabei sanft über den Rücken. Das fühlte sich gut an.

"Ich... das erzähle ich dir ein andermal, ja? Wichtig ist nur: Wenn ich jetzt, in diesem Moment, auf das hier höre," - ich legte eine Hand auf meine Brust - "dann spüre ich genau, dass es richtig ist. Heute. Mit dir. Ich weiß es einfach."

Er nickte, wirkte aber nicht überzeugt. Mist! Würde mein Plan in sich zusammenfallen. Oder, schlimmer noch: Hatte er vielleicht sogar recht? War das nur ein Hirngespinst, dem ich da nachjagte? Stürzte ich sein Leben ins Chaos, und das von Delia auch, wer immer sie war?

"Bei dir hört sich das so einfach an", raunte er. "So klar."

"Versuch´s doch auch mal", schlug ich vor, nahm seine Hand, und legte sie ihm auf sein Brustbein. "Mach die Augen zu und spüre nur, was da drin ist. Deine Wahrheit. Ich mache dasselbe."

"Gut!"

Er schloss die Lider und holte tief Luft. Ich ebenso. War das jetzt wieder das Werk der Therapeutin? Solche Sätze würde doch der erwachsene Ralf nie in den Mund nehmen.

Mit Mühe sammelte ich mich und folgte meinen eigenen Anweisungen. Ich lauschte nach innen. Das harte Klopfen des Pulses. Das Nachvibrieren der Musik, der Aufregung, der Lebenslust. Die Atemluft, der meine Lungen füllte und wieder entwich.

Ich war ich. Delia. Ein Mädchen. Jung und lebendig. Ich fühlte mich...

Frei!

Ja, das war es. Die Freiheit. Ungebunden, nur mir selbst verpflichtet. Ein Gast in diesem Körper und in dieser Zeit. Wahrscheinlich mit einer begrenzten Aufenthaltserlaubnis.

Jetzt abbrechen? Vielleicht zurück zum Schulfest, weiter tanzen, auf den improvisierten Dancefloors in den Klassenzimmern, unter Periodentafeln und englischer Grammatik?

Nein! Das konnte es unmöglich sein.

Mit diesem zaudernden, aufrechten, besorgen, ehrlichen, zurückhaltenden, jungen Mann ins Bett gehen? Mich ihm hingeben? Dafür sorgen, dass er ein unvergessliches Erstes Mal erlebte? Mut fasste? Den Frauen gegenüber, und auch sonst?

Hmmm - da stimmte etwas nicht ganz. Aber was?

Wollte ich ihn nicht? Doch - bei der Vorstellung, die Beine breitzumachen und ihn auf mir zu spüren, da rann sofort Hitze in meinen Schoß und ich presste automatisch die Schenkel gegeneinander. Mh, es würde sich so atemberaubend anfühlen, wenn er in mich eindrang und...

Ah! Ich stieß einen befriedigten Laut aus und öffnete die Augen. Ralf sah mich an, mit diesem leuchtenden Blick.

Es ging nicht darum, für ihn etwas zu produzieren, war mir gerade klargeworden. Für ihn war das Erste Mal in jedem Fall eine überwältigende Erfahrung. Doch er würde auch in jedem Fall unglaublich fürsorglich und zärtlich und achtsam sein mit mir. Weil das sein Charakter war. Sein Kern. Meiner.

Er würde der perfekte Liebhaber sein für ein junges Mädchen. Für mich. Viel vernünftiger war es, wenn ich mich um mich selbst kümmerte. Um meine Freude, meine Lust. Wenn ich es genoss, aus tiefsten Herzen. Das würde es auch ihm einfacher machen. Uns beiden.

"Ich will dich", sagte ich leise. "Du bist der Richtige für mich. Für diese Nacht. Ich habe keine Ahnung, was morgen ist, oder übermorgen. Aber für heute weiß ich es. Das bist du."

"Ich will dich auch." Er räusperte sich und blinzelte gegen die Feuchtigkeit an, die ich auch in die Augenwinkel drängen spürte. "Du bist so schön, dass ich es kaum glauben kann, Delia. Gerade vorhin habe ich nur deshalb gefragt, ob du wirklich willst, weil ich selbst Angst hatte. Angst vor allem, was schiefgehen könnte. Oder was ich falsch machen könnte. Aber heute Mittag hast du gesagt, man braucht Mut für die Liebe. Das stimmt! Und mit dir spüre ich diesen Mut."

Seine Worte trafen auf etwas in mir. Durchbrachen es. Zu meinem eigenen Erstaunen brach ich in Tränen aus. Ich klammerte mich an ihn und schluchzte. Oh je - ob das einer rauschenden Liebesnacht zuträglich war? Aber ich konnte es weder verhindern noch stoppen.

"Schhhh." Er drückte mich an sich und wiegte uns sacht hin und her. Ich spürte keine Unsicherheit bei ihm. Erstaunlich, denn weinende Frauen hatten mich früher immer total nervös gemacht. Lydia hatte das ziemlich schnell rausgekriegt, und manchmal bewusst eingesetzt.

"Tut mir leid", schniefte ich und wischte mir die Augen. "Ich weiß gar nicht, warum ich hier so rumflenne."

"Ist vielleicht alles ein bisschen viel für einen Abend."

"Schon möglich." Er wusste ja nicht, wie recht er hatte. An einem Abend als Mädchen aufwachen, dem eigenen jüngeren Ich begegnen und mit ihm ins Bett gehen? Das konnte einen schon aushebeln, hm?

Der Gedanke ließ mich kichern, mit einem manischen Unterton. Dann prusten. Dann musste ich laut herauslachen. Er sah mich erstaunt an, grinste aber mit.

"Achte einfach nicht auf diese Gefühlswallungen, ja?", schlug ich vor und schniefte. "Das ist halt so, als Mädchen."

"Und es ist wunderschön." Er küsste mein Gesicht, direkt am Augenwinkel.

Das brachte mich schon wieder zum Lachen. "Anscheinend stehst du nicht nur auf meinen Schweiß, sondern auch auf Salzwasser?", flachste ich mit einem Augenaufschlag.

"Stimmt." Er leckte mir auch auf der anderen Seite die Tränen ab und schmatzte, als kostete er einen exklusiven Wein. "An dir ist einfach alles lecker."

"Alles?"

Wir sahen uns in die Augen. Und dann küssten wir uns so wild und hungrig, als wollten wir uns auf der Stelle gegenseitig auffressen. Seine Hand schloss sich um meine linke Brust und löste ein dunkles Prickeln aus. Ich ging auf die Zehenspitzen, damit dieses harte, suchende Ding sich zwischen meine Schenkel schmiegen und über die juckende Stelle da unten reiben konnte...

Widerstrebend rissen wir unsere Münder auseinander, keuchend, mit wildem Blick. "Wenn wir jetzt nicht sofort zu dir gehen, dann musst du mich gleich auf einer Parkbank vögeln", murmelte ich und leckte mich über die zerbissene Unterlippe.

"Auch nett." Ralf blinzelte verschwörerisch. "Aber das machen wir ein andermal, ja?"

Er umfasste meine Schulter und wir rannten lachend durch den nächtlichen Park und die angrenzenden Straßen. Ich genoss es, wie der Asphalt mit jedem Schritt durch die Beine sacht in den Bauch stieß, wie die laue Sommerluft über die Haut strich und wie sich seine Finger um die Seite meines Brustkorbs krümmten und nach meinen Rippen fühlten, manchmal auch nach dem Ansatz der hüpfenden Brust unter dem Saum des BHs.

Wir erreichten das Haus. Alles dunkel, Gott sei Dank. Zwei Minuten später waren wir oben und er schloss die Tür hinter sich. Ich holte Luft und kämpfte gegen die plötzliche Enge in meinen Lungen an, als ich mich zu ihm umdrehte.

Jetzt!

***

"Hilfst du mir?"

Ich lächelte einladend und streckte die Arme über den Kopf. Ralf nickte und trat vor mich hin. Unbeholfen nestelte er an dem Kleid herum, bis er es richtig zu fassen bekam und nach oben zog. Die zufälligen, suchenden Berührungen seiner Finger sandten Gänsehautschauer über mich. Der blaue Stoff glitt über mich und streichelte sanft meine Haut. Er legte das Kleid sorgfältig über den Schreibtischstuhl und wagte kaum, mich anzusehen.

"Hier weiter." Ich deutete auf den Verschluss zwischen den BH-Schalen. Sein warmer Atem strich mir über die Wange, als er daran fummelte. Die Knöchel drückten dabei sehr nett in die Brustansätze. Ich spürte jeden Pulsschlag in den Nippel pochen, so hart hatten die sich schon aufgepumpt. Die Aureolen wurden fast davon aufgesaugt, bildeten einen Teil der erregten Kegel.

Der BH fiel auseinander und ich schüttelte ihn nach hinten über die Schultern.

"Du bist einfach so schön, Delia", murmelte er und strich mit beiden Händen ganz leicht über beide Brüste. Ich erschauerte scharf, ein zuckersüßes Prickeln rann durch meinen Leib bei dieser Berührung.

"Den Rest auch, bitte", blinzelte ich vielsagend. Mit einem Schlucken kniete er sich vor mich hin und streifte mir das Höschen an den Beinen herab. Sein Gesicht hing vor meinem Bauch, er linste mir zwischen die Beine. Sein Blick schien mich zu wärmen da unten, doch er erhob sich gleich wieder. Wahrscheinlich, damit es für mich nicht unangenehm wurde, so angeglotzt zu werden.

"Jetzt bist du dran." Ich knöpfte ihm das Hemd aus, streifte es ab, und strich kurz über den Brustkorb, den mageren Bauch. Die Jeans folgte. Ich erinnerte mich sogar ganz gut an diesen Gürtel mit der seltsamen Schnalle und bekam sie ruckzuck auf. Mit einem Lächeln zu ihm hoch kniete ich mich hin, befreite ihn von der Hose, und zog die Unterhose nach unten.

Sein Schwanz schnalzte so hart heraus, als der Gummi darüber glitt und ihn freigab, dass er mit einem Klatschen am Bauch anprallte. Fasziniert streckte ich eine Hand aus und fuhr mit zwei Fingern an der samtenen Haut am Schaft entlang. Richtig - in dem Alter ragte das Ding noch supersteil nach oben.

Die halb entblößte Spitze schimmerte im schwachen Licht der einzigen Nachttischlampe, dicht überzogen mit transparenter Flüssigkeit. Für eine Sekunde überlegte ich, einen kleinen Blowjob zu versuchen. Doch ich erinnerte mich an meine erste derartige Erfahrung, in meinem Leben mit 20. Das hatte mich furchtbar gestresst, weil ich es kaum aushielt, so ein Geschenk anzunehmen, ohne gleichzeitig auch aktiv zu sein und etwas zurückzugeben.

Nein, besser andersrum. Ich stand auf und drückte mich an ihn, so dass seine Rute zwischen uns hochragte. Sachte Umarmungen, das Reiben von Haut auf Haut, forschende, suchende Blicke. Ich fröstelte am ganzen Körper, obwohl mir warm war, fast heiß.

"Wow. Ich kann es noch kaum fassen", flüsterte er und streichelte die Ansätze meiner Pobacken.

"Geht mir auch so." Ich schubberte mich an ihm und rieb die warme Stange zwischen uns mit dem Bauch hin und her. Er brummte genüsslich, doch ich spürte auch ein Zaudern in seinen Händen. Er wusste nicht genau, was er mit diesem nackten Mädchen in den Armen als nächstes anstellen sollte.

"Meine Beine sind ganz schwer vom Herumhüpfen und Rennen, ich kann kaum noch stehen.", lächelte ich zu ihm hoch. "Weißt du was? Ich lege mich hin, und du streichelst mich ein wenig, okay?"

"Okay." Er nickte eifrig, dankbar für die Führung, und gab mich frei.

Mit einem Kichern sprang ich auf das Bett, schob die Decke zur Seite, und breitete mich darauf aus. Dabei kam ich mir vor wie eine ägyptische Pharaonenprinzessin, die auf einen Lustsklaven wartete. Ich grinste, räkelte mich genüsslich und genoss es, wie er mir dabei zusah.

"Wenn du willst, kannst du ja auch an mir schnuppern", flüsterte ich. "Oder küssen. Oder..."

Er brachte nichts heraus, doch sein Gesicht glühte. Zögernd kroch er neben mich und sah auf mich herunter. Ich schenkte ihm ein bestärkendes Lächeln. Dann schloss ich die Augen und streckte mich lang aus, die Arme über dem Kopf. Atmete aus. Ließ alle Spannung aus meinen Gliedern entweichen.

Sein schnelles Atmen neben mir. Mein Körper wartete auf eine Berührung. Sehnte sich danach. Die Haut fühlte sich immer empfindsamer an, immer dünner. Als sich eine warme, leicht schwitzige Handfläche auf meinen Bauch legte, stieß ich einen kurzen Laut aus. Gefolgt von einem Keuchen, als eine Nase meinen Hals berührte und daran schnupperte.

Für ein paar Sekunden verhedderte ich mich mit den Realitätsebenen. Lydias Geruch war auch das gewesen, was mich an ihr anfangs besonders fasziniert hatte. Äußerlich erregte meine Ex-Frau kein besonderes Aufsehen. Doch als wir uns kennenlernten, da konnte ich nicht genug kriegen von ihrem Duft. Ich schnupperte so süchtig an ihr herum, dass sie immer lachte und mich "Tessy" nannte. So hieß der Jagdhund ihres Vaters, der auch immer seine Schnauze zwischen ihre Beine schob, wenn sie zu Besuch kam.

Auf den jungen Ralf übte Delia wohl eine ganz ähnliche Wirkung aus. Erst ganz schüchtern, dann immer forscher erkundete er diesen unbekannten Kontinent des weiblichen Körpers. Seine Finger glitten über meine Haut, in den Nabel, in den Furchen zwischen den Rippen entlang. Über die Brüste, so zurückhaltend und gerade deshalb superaufregend. Dabei roch er an mir, hier und da, küsste mich, auf die Kehle, auf das Brustbein, leckte an der Innenseite eines Armes entlang, knabberte am Handgelenk. Ich seufzte und schnaufte und wand mich träge hin und her, glücklich passiv, empfangend.

"Mhhh, schön...", murmelte ich träumerisch. Doch der Ermunterung bedurfte es kaum mehr. Er fasste Zutrauen, zu mir und der Ernsthaftigkeit meiner Hingabe. Und zu sich selbst und seiner Fähigkeit, das Richtige zu tun. Er spürte mich, las meine Reaktionen, ging darauf ein und fachte sie weiter an oder verteilte die Reize großflächig. Erst saugte er überraschend an einem Nippel, und als ich aufkeuchte und mich wölbte, da leckte er mir mit breiten Zungenstrichen über beide Titten und weiter, schließlich vom Bauch in einem Zug bis hoch zum Kinn. Uh, das kitzelte herrlich!

Die Zeit verschwamm, ebenso meine Wahrnehmung. Fasste mich diese Hand jetzt um den Knöchel, oder um die Kniekehle? War das ich, die da die Beine auseinandernahm, oder waren das seine Griffe? Sein heißer Atem am Unterbauch, oder nur ein Phantom meiner jetzt überempfindlichen Haut dort?

"UHH?!"

Der süße Schock der ersten Berührung. Etwas glitt über meine Perle, feucht und warm, und der elektrische Funke ließ mich hochzucken. Er leckte mich gleich richtig? Interessant, ich hatte angenommen, er würde mich erst streicheln. Nein, er tat beides gleichzeitig. Mit Zunge und Lippen tastete er über meine erhitzte Scham, und dazu spürte ich Fingerspitzen, die über die inneren Lippen strichen, sie zur Seite zogen, und dazwischen spielten.

Ich lächelte mit geschlossenen Augen, hörte meinen raschen Atemzügen zu, und stellte mir vor, wie es jetzt für ihn wohl war. Meine junge Muschi musste duften und schmecken wie eine tropische Blüte, betäubend in ihrer Intensität. Er liebte es, denn er leckte immer zutraulicher, drängte die Zunge ein wenig in den Eingang, nahm die Lippen zwischen die Zähne. Ich drückte ihm alles entgegen und erschauerte köstlich unter den Sensationen, die das auslöste.

Die Matratze verbog sich unter einem Gewichtswechsel, er kroch zwischen meine Beine. Ich zog die Knie halb hoch, spreizte die Schenkel, so weit es ging und musste schlucken bei dem Gedanken, wie ich freimütig vor ihm lag. Eine angespannte Zunge fuhr der Länge nach von unten am Damm durch meine Spalte, über die Perle und das Häubchen, bis auf das Vlies der Schamhaare. Ich stöhnte leise und kam mir vor wie eine offene Schale für ihn.

Was für eine traumhafte Oralnummer! War das wirklich so einfach? Er hatte ja keine Ahnung, was er da tat, oder jedenfalls keine Erfahrung. Dennoch machte er fast alles richtig, intuitiv. Er leckte und streichelte mich gekonnt und abwechslungsreich, ja erfinderisch.

Das lockende Knabbern an der Innenseite des Schenkels bis fast zur Kniekehle und das gleichzeitige Einhaken eines Fingers in die unterste Falte des Eingangs, das sanfte Ziehen und Dehnen nach unten, das trieb mich beinahe in den Wahnsinn, ich wand mich und stöhnte immer ungehemmter. Oder als er mir die Zungenspitze genau in die Kuhle zwischen Scham und Schenkelansatz drückte, so tief es ging - gefühlt bis fast in die Beckengelenke hinein, ahh!

Nicht alles war perfekt. Das Einklemmen von Schamhaaren zwischen die Zähne und das Zupfen fand ich nicht so schön, ebenso wenig wie das Drücken und Kreisen des Zeigefingers in meinem Nabel. Doch es genügte, darauf nicht zu reagieren und die Lustgeräusche ein kleines bisschen weniger laut auszustoßen, schon merkte er das und ließ es.

Hatte ich mir da immer viel zu viele Gedanken gemacht? Saftiges Mösenlecken gehörte seit jeher zu meinen Lieblingsbeschäftigungen im Bett, doch sowohl bei Lydia wie auch bei der überschaubaren Anzahl ihrer Vorgängerinnen versuchte ich das nur, wenn ich ganz, ganz, ganz sicher war, dass sie es auch wollten. Und wenn, dann lauerte ich immer ängstlich nach Anzeichen eines Fehlers, einer Ungeschicklichkeit von mir.

Wie Ralf jetzt auch, wurde mir klar. Das war Teil dieser Achtsamkeit, dieses ständigen Suchens nach den richtigen Berührungen für meine Lust. Also eine gute Sache, weil balanciert durch den Mut, Fehler in Kauf zu nehmen. An der Stelle verhielt er sich anders als ich seinerzeit. Vielleicht wegen meiner Schule? Falls ja, dann machte er und machte ich gerade etwas richtig.

Ein gutes Gefühl! Bestärkt durch die neue Einsicht, dass meine frühere Unsicherheit nicht nur negativ zu sehen war. Sie hatte auch gute Aspekte, und wirklich hatte sich keine meiner Partnerinnen je beschwert. Im Gegenteil, sie liebten meine Oralverwöhnungen, sofern sie in Stimmung dafür waren, weil sie...

"Gahh?"

Die mäandernden Gedanken stoben auseinander, überlagert von einem neuen Eindruck. Er zog mir jetzt mit den Fingern beider Hände die Schamlippen auseinander, soweit es ging, und ließ seine Zunge im glitschtignassen Löchlein kreisen. Sein halbes Gesicht presste sich dabei gegen meinen Schoß, ich spürte Nase, Zähne, Bartstoppel. Der Reiz verdoppelte sich, potenzierte sich.

Wimmern schaukelte ich mit dem Becken vor und zurück, gegen diesen exquisiten Druck, wollte mehr, noch mehr. Das Zucken der Zunge in mir weckte einen tiefsitzenden Hunger. Ich warf den Kopf von links nach rechts und klammerte mich oben an den Streben des Kopfteils fest. So fixiert konnte ich den Unterleib noch besser bewegen, noch stärker an ihm reiben.

Gleich darauf war die Zunge weg und er biss sich um die Perle fest. Saugte, fest.

Mit einem Aufschrei stieß ich meine Scham so heftig nach oben, dass sich seine Zähne für eine Sekunde tief in den Schamhügel gruben. Schmerzhaft, normalerweise, doch jetzt peitschte mich der Impuls nur zusätzlich hoch. Meine Güte, um wie viel heißer konnte das überhaupt noch werden?

"Willst du, dass ich weitermache?", raunte es da in mein Ohr. "Soll ich dich bis zum Höhepunkt lecken?" Er stützte sich über mir ab, sein Gesicht hing vor meinem. Ich roch meine Säfte in seinem warmen Atem.

In seinen Mund kommen? Auch eine nette Vorstellung. Doch in dieser Nacht ging es um etwas anderes.

Ich schlang die Arme um ihn und zog ihn auf mich. Unsere Augen fanden sich, die Münder, beide verschlangen einander. Seine Zunge schmeckte so intensiv nach meiner Muschi, dass ich für eine Sekunde nicht wusste, ob das das Köstlichste war, was ich je geschmeckt hatte, oder ob es mich abstieß. Dann mischte sich unser Speichel, rann mir in die Kehle, ich schluckte und gierte nach mehr davon.

Keuchend ließen wir voneinander ab und sahen uns an. Ich las Konzentration in seiner Miene, aber auch ungläubiges Erstaunen. Seine braunen Augen schimmerten wie Edelsteine.

"Ich bin sowas von bereit", flüsterte ich und schluckte, weil mir plötzlich ein Bleigewicht im Magen zu liegen schien. "Ich will dich haben."

"Ich dich auch." Er blinzelte und Unsicherheit flackerte über sein Gesicht.

Der Augenblick!

"Komm. Am besten gemeinsam, ja?" Ich lächelte unter gesenkten Wimpern zu ihm hoch und nahm seine Hand. Zusammen fassten wir nach seinem zum Bersten verhärteten Schwanz und brachten ihn an meinen Leib. Als die Spitze mich das erste Mal berührte, schien ein Funke überzuspringen und wir zuckten beide leise. Ein unsicheres Grinsen, das wir tauschten, eine kleine Bewegung unserer verschränkten Finger. Die Eichel rutschte an die richtige Stelle, direkt am Eingang. Ahh!

Ralf sah mich und blinzelte. "Ich... habe mal gelesen, dass man beim ersten Mal schnell eindringen soll", raunte er. "Dann ist es nicht so schmerzhaft."

Das entsprach auch meinem Wissensstand, über 20 Jahre später. Doch der Gedanke gefiel mir nicht. Zumal ich ja nicht wusste, ob mein Jungfernhäutchen überhaupt noch intakt war oder schon längst zerrissen, bei einem früheren Akt von Delia oder einer anderen Gelegenheit.

"Kannst du es ganz langsam machen? Ich will es genau spüren, wie du in mich kommst. Jedes Detail davon." Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Schließlich werde ich nur einmal entjungfert, und da will ich möglichst viel davon mitkriegen. Denn daran werde ich mich ewig erinnern."

Seine Augen weiteten sich, als er verstand. Es ging nicht nur um die technische Bewältigung des Augenblicks. Ein besonderer Moment. Auch für ihn.

"Aber - ich habe Angst, dass ich dir wehtue."

"Das musst du nicht." Ich streichelte seine Wange mit der freien Hand. "Und wenn es ein wenig schmerzt, dann ist es nur umso intensiver für mich."

"Okay." Ein Nicken, ein Kuss. Dann sahen wir uns in die Augen und er schob seine Hüfte nach vorne, in Zeitlupe. Der Schaft glitt zwischen unseren Fingern, nur ein paar Millimeter. Etwas Dickes, Warmes drängte sich in mich und schob die Schamlippen auseinander. Ich hielt die Luft an bei diesem unglaublichen Gefühl und schluckte hart.

Sofort stoppt er. "Gut so?"

"Und wie." Ich drückte mit den Fingerspitzen in die Schwellkörper. "Weiter bitte. Langsam."

Der Knauf drang minimal tiefer. Das fühlte sich zu dick an, so als würde er niemals reinpassen. Dann stieß er auf Widerstand, obwohl die Eichel noch gar nicht ganz drin war, wie mir mein prüfender Finger verriet.

"Hier?", hauchte er.

"Denke schon. Noch ein bisschen, ja?"

Der Druck verstärkte sich. Unser Atem beschleunigte. Widerstrebend gab da etwas nach, und dann rutschte der dicke Knubbel mit einem Ruck durch die Engstelle am Eingang.

Ich schrie auf, unwillkürlich. Ein kurzer, scharfer Schmerz hatte mich durchzuckt. Uh, das war doch etwas heftiger, als ich erwartet hatte.

"Tut mir leid." Stärkere Pein spiegelte sich in seinen Augen.

"Alles gut." Ich bemühte ein Lächeln und entspannte mich wieder. "Puh, fühlst du dich groß an."

"Zu groß?"

"Nein. Aber ich muss mich erst dran gewöhnen."

"Okay."

Er hielt ganz still. Ich streichelte seinen steinharten Penis mit den Fingerspitzen und spürte den Konturen der Schwellkörper nach, heimlich entzückt. Das Brennen, das nach dem Riss des Hymens zurückgeblieben war, schwächte sich langsam ab.

Diesmal sagte ich nichts, sondern nahm nur den Schwanz etwas fester zwischen die Fingerspitzen und deutete eine Zugbewegung an. Er reagierte sofort. Das dicke Rohr glitt tiefer. Ein unglaubliches Gefühl, wie mich das nach allen Seiten dehnte und weitete. Der Schmerz schwoll wieder an, aber dumpfer jetzt. Das hielt ich aus. Es war umso einfacher, je mehr ich mich auf die anderen Empfindungen konzentrierte, die dieses Rohr in mir auslöste.

"Mhh!", stöhnte ich und stemmte mich dagegen. Noch tiefer. Der Platz zwischen unseren Bäuchen wurde knapp und wir zogen die Arme heraus. Er stützte sich links und rechts ab und ich fasste ihn um die Taille. So konnte ich das weitere Eindringen gut steuern.

"Wow, fühlt sich das gut an", hauchte er, sich Zentimeter für Zentimeter in mich bohrend. Ich schluckte und nickte nur. Für eine Antwort hatte ich gerade nicht genug Luft, obwohl ich fast hechelte. Ich wurde erobert. Genommen. Durchdrungen. So liebevoll, so zärtlich. So fühlte sich das also an, wenn man nicht genug kriegen konnte von dieser Sensation. Wenn man nur eines wollte: Mehr davon! Tiefer! Dicker! Bis man völlig ausgefüllt war. Ganz besetzt.

Gefickt!

"Ah?"

Diese schwelgerische Verdrängung endete, als er ganz drin war und sich die Schwanzspitze in die hinterste Höhlung meines Kanals schmiegte. So tief und süß und intim, dass mir die schon wieder Tränen in die Augenwinkel stiegen. Es war fast, als würde er direkt mein Herz berühren. Das pochte hart und ungleichmäßig und schmerzte beinahe vor Intensität.

"Ist das gut für dich?"

"Gut?" Ich stieß ein heiseres Geräusch aus, zu einem Lachen reichte es gerade nicht. "Du hast ja keine Ahnung."

Damit umfasste ich seine Mitte fester und zog. Er ging mit und drang noch tiefer. Das harte, dicke, wundervolle Ding bohrte sich in meine Eingeweide und löste dort ein köstliches Ziehen aus. War das der Gebärmuttermund?

"Oh Gott, ja!", konnte ich nur japsen. "Nochmal!"

Er zog sich um eine Winzigkeit zurück und drängte vor. Ich schloss die Augen und ergab mich ganz diesem fantastischen Gefühl. Meine Beine schlangen sich von selbst um seine Hüften, die Fersen drückten gegen den Ansatz seines straffen Hinterns. Ein Rhythmus entstand, automatisch. Der alte Tanz, so bekannt und gleichzeitig so neu, so frisch, so unfassbar lockend, erregend.

Bisher hatte er sich oben gehalten, über mich gespannt wie eine Brücke. Jetzt ließ er mich langsam sein Gewicht spüren und schmiegte sich der Länge nach an mich, auf mich. Das erhöhte nur den delikaten Reiz, die warme Lust, die mich von meinem Zentrum her durchströmte. Ich drückte seinen Kopf an die Seite meines Halses und klammerte mich an ihn.

Wie gut, seine Stärke zu spüren. Die kontrollierte Kraft hinter den Stößen, die so sanft kamen, so vorsichtig. Dieses Vordringen bis ganz tief, mitten in mich hinein, in mein Innerstes, meinen Kern. Dieses Soggefühl in meinem Unterleib, dass ich ihn genau dort haben wollte, genau so, oder am besten noch mehr davon, noch tiefer.

Ralf stöhnte gepresst, umklammerte meine Schultern von unten her und stieß fester zu. Jetzt spürte ich eine andere Dringlichkeit in seinen Bewegungen. Nicht mehr diesen gesteuerten, gleichmäßigen Schub, sondern ein Fordern, ein Wollen. Bei jedem Einfahren spannte sich sein Körper an wie ein Bogen und er stieß die Luft aus seinen Lungen, an meinem Ohr vorbei. Seine Lustlaute klangen wie Gesang für mich.

Er fickte mich richtig. Und ich liebte es. Noch mehr davon? Ein leiser Schauer der Beklommenheit rann mir durch den Bauch. Wohin würde das noch führen, wenn sich das jetzt schon so voll anfühlte, so ganzheitlich, so allumfassend?

Egal! Ich brauchte es einfach.

"Das ist so gut", hauchte ich ihm ins Ohr und klemmte kurz das Ohrläppchen zwischen meine Zähne, biss ihn spielerisch. "Kannst du mich noch mehr umarmen? Das mag ich."

"So?" Er drängte beide Arme unter mich, einen quer unter den Schulterblättern, einen nach unten. Seine Hand umfasste meine Pobacke und griff zu, walkte und drückte. Neue, berückende Reize.

"Ja, genau so." Ich erschauerte und schlang die Arme fest um ihn, bis ich mir vorkam wie ein Tierjunges, das sich am Bauch seiner Mutter festhielt. "So liege ich wie in einer Schale, das ist genial. Für dich auch gut?"

"Mhm." Er stieß wieder zu und spielte dabei ein wenig in meine aufgespreizte Analspalte hinein. "Ich habe das Gefühl, ich spüre dich überall. Von innen und von außen. Die ganze Delia."

"Alles deins. Ahh... das ist toll, wenn du mich so nimmst..."

Er brummte begeistert und beschleunigte, rammte härter in mich. Das musste doch jetzt zu viel sein, oder? Zu heftig für meine Mädchenmuschi, zu tief für diesen schmalen Körper, für mein unerfahrenes Inneres? Doch es fühlte sich nicht so an. Im Gegenteil - unsere Geschlechter hatten sich wunderbar gefunden, sich angepasst. Ich spürte, wie nass ich war, wie viel Flüssigkeit da produziert wurde und nachfloss, und ich hörte es. Leise, saftige Geräusche bei jedem Stoß.

Plötzlich eine Änderung. Er wurde schneller, spannte sich härter, doch gleichzeitig merkte ich, wie sein Atem stockte und aus dem Rhythmus fiel. Wie er sich versteifte.

"Delia!", schnaufte er, die Stimme vibrierend vor Verzweiflung. "Ich... ich weiß nicht, wie lange ich mich noch zurückhalten kann..."

"Dann halte dich nicht zurück! Fick mich! Fick mich richtig durch! Das ist wahnsinnig schön für mich." Wie herrlich sich unsere Bäuche aneinander rieben!

"Aber - dann komme ich bald, und du nicht, oder?"

"Fuckegal!" Ich wimmerte fast. "Mach schon! Ich will es spüren, wie du explodierst. Mach schneller! Fester!"

Er knirschte mit den Zähnen und ließ alle Zurückhaltung fahren. Seine Hände krallten sich in mein Fleisch wie Stahlklauen, er pumpte und ächzte und spannte, dass mir die Luft wegblieb. Ich war noch nicht ganz auf diesem Level, doch das empfand ich nicht als wichtig. Diese Erfahrung, dieser Sex als Frau, das war doch ohnehin so...

Ralf röhrte auf und zerquetschte mich beinahe. Ein, zwei letzte Rammstöße, brutal in ihrer Hemmungslosigkeit, ihrer Gier. Dann eruptierte er mit einem seltsam hohen Quietschen und spasmische Krämpfe verkrümmten ihn. Ein neues Gefühl in mir, heiß, schlüpfrig, die Reibung plötzlich so leicht, fast auf Null reduziert. Immer wieder fuhr der Kolben in mich, getrieben vom animalischen Rucken seines automatisch pumpenden Unterleibs.

Seine blanke Ekstase überschwemmte mich. Ein siedend heißer Brecher, der in mir emporfuhr. Mich mitriss. In einen unbekannten Raum, in die furchteinflößende Leere dahinter, darunter.

Eine Atombombe ging hoch. Ein Mädchen schrie irgendwo. Laut und gellend und ausdauernd.

Ich starb. An diesem Orgasmus. Das war kein flüchtiger Eindruck, kein Wortspiel. Die Lust walzte mich platt, zerquetschte jede einzelne Zelle, raste als derart gleißende Energiewand in mir hoch, dass ich glaubte, meine Augäpfel würden verdampfen, als die Hitze in meinen Kopf erreichte und sämtliche Haare in Flammen aufgingen.

Echte, namenlose Furcht floss in das Inferno. Das war zu stark, zu viel. Das konnte ich nicht aushalten. Niemand konnte das!

Gesprengt.

Weggeschleudert.

Treibend.

"Du bist es wert..."

Das Dunkel verschlang mich.

***

Meine Lider schwammen hoch. Die Welt tanzte, bunte Flächen. Dann klärte sich mein Blick.

"Alles in Ordnung?"

Ralf, auf mir. Sorge in seinen Augen.

"Ja", brachte ich heraus, nur als Hauch. Der Traum, der kein Traum war, dauerte also an. Ich fühlte mich... es war nicht zu benennen.

Scheinbar endlos schwebte ich so dahin, erfüllt von einem andächtigen Staunen. Das war - anders jetzt, als ich es kannte. Wie anders? Ich fand weder die Worte noch auch nur die Gedanken dafür.

Das Gewicht auf mir verschob sich, und ich zuckte zusammen.

"Ich gehe besser raus."

"Mhm."

Er zog seinen jetzt weichen, aber immer noch ziemlich langen Schlauch aus mir. Das produzierte ein unanständiges Schlürfgeräusch. Ich seufzte auf vor Erleichterung, doch gleichzeitig hinterließ das eine schwingende Leere in meinem Zentrum. Schade eigentlich.

Dann lagen wir nebeneinander und sahen uns an. Schweigend. Es gab gerade nichts zu sagen. Ab und zu strich er mir über das Gesicht, oder wir tauschten ein staunendes Lächeln. Mein Kopf war leer wie ein vom Sturm blankgeputzter Himmel.

Der Hals fühlte sich rau an vom Schreien und Grölen auf dem Fest. Und vielleicht vom vielen Keuchen gerade. Ich tastete mit der Zunge nach den verquollenen Lippen. Den Bissspuren darauf.

"Schlimm?"

Ich deutete ein Kopfschütteln an. "Hab nur einen ganz trockenen Mund."

"Ich hole dir was zu trinken." Schon schob er sich nach rechts und wollte aufstehen.

"Warte!", fuhr ich hoch, fast panisch.

"Was?"

Ich sah mich um und sortierte mich notdürftig. Warum reagierte ich so heftig?

"Ich... will nicht alleine sein", murmelte ich und krabbelte ebenfalls los. "Nicht jetzt."

"Dann gehen wir beide runter in die Küche." Ralf stand auf und half mir hoch. Ich taumelte und wäre ohne seine Stütze fast hingefallen. "Äh - sollen wir was anziehen?"

Ein Kontrollblick an mir hinunter. Verschwitzt und verklebt. Mein ganzer Unterleib und die Schenkel fühlten sich eigentümlich feucht an.

"Wenn ich was anziehe, ist es sofort reif für die Wäsche." Ich schaffte ein schwaches Grinsen. "Ich muss unter die Dusche. Aber lass uns schnell vorher so runtergehen und was trinken. Oder sind mei... äh, deine Eltern schon zurück?"

Er lauschte kurz. "Nein. Alles ruhig. Der Fernseher läuft nicht."

"Gut."

"Äh - duschen? Vielleicht... zusammen?"

Wir sahen uns an. Und mussten grinsen. Er nahm mich in den Arm. Eine kleine Dusch-Session als Abschluss? Warum nicht?

"Lass mich kurz aufs Klo, ja?"

Er nickte und ich huschte mit zusammengeklemmten Schenkeln ins Bad. Als ich losließ und sich meine Blase entleerte, da schauerte ich immer wieder im Nachklang der Lust. Ich musste kichern. Rannten deshalb die Mädels nach dem Sex immer auf die Toilette? Als Nachspiel? Aber ich musste ja wirklich. Anscheinend normal als Frau.

Erneut nahm ich nach dem Händewaschen einen Waschlappen und säuberte mich notdürftig von den verschiedenen Flüssigkeiten, die da heraus troffen. Eine Dusche war überfällig, aber zuerst verlangte meine ausgetrocknete Kehle nach Linderung.

So stolperten wir die Treppe hinunter, splitternackt und albern kichernd, sein Arm um meine Schultern. Die Bewegungen lösten neues Sickern aus, das mir langsam die Schenkel hinab rann. Der Geruch von Sex und Körperflüssigkeiten umhüllte uns wie eine transportable Wolke. Hmmm!

Unten schob er mich nach rechts. Ein Lichtschein fiel durch den Spalt der Küchentür.

"Haben wir vorher das Licht angemacht?", fragte Ralf sich verwundert und öffnete die Tür.

Wir erstarrten mit einem Aufkeuchen.

Opa Heiner saß am Küchentisch, eine halbleere Bierflasche vor sich. Seine Augen wurden riesengroß, als er unser so sah.

"Äh - hallo Opa", quetschte Ralf heraus. "Wir... wir wussten gar nicht, dass du hier bist."

"Ich habe deinen Eltern gesagt, mir wird es zu viel mit der Feierei und den Leuten. Dass ich nicht mehr selbst heimfahren will und schon mal das Gästebett aufsuche." Sein Blick heftete sich an mich. "Aber eigentlich wollte ich nur Delia nochmal kurz sehen. Und sie vielleicht etwas fragen. Wobei - meine Frage hat sich eigentlich schon fast erledigt."

Ich verspürte den Impuls, mich zu bedecken. Meine Hände vor die Scham zu halten, und vor die Brüste. Doch ich nahm bezwang das und nahm das Kinn hoch. Dabei half, dass ich in seinen Augen nicht die schlecht verborgene Gier auf junges Fleisch wahrnahm, die ich von uns Männern gut kannte. Zwar Aufmerksamkeit und durchaus maskulines Interesse, aber auf eine zurückhaltende und respektvolle Art. Er wusste, dass wir es gerade getrieben hatten, wahrscheinlich hatte er die Hälfte davon mitgehört. Na und?

"Was wollten sie mich denn fragen, Opa Heiner." Ich blieb bei der vertrauten Anrede und tat ganz locker. So, als ob mich jeden Tag alte Männer nackt anstarren würden.

"Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht mit meiner Delia Rötel verwandt sein könntest. Die Ähnlichkeit ist einfach zu groß für einen Zufall." Er deutete auf meinen Busen. "Diese süßen Nippel zum Beispiel. Das sind exakt dieselben, die ich in Erinnerung habe. Praktisch keine Warzenhöfe, aber große Spitzen. Das hat mich wild gemacht, seinerzeit."

"Doch. Sowas kommt schon öfter vor, denke ich", meinte Ralf, unbeleckt von tieferem Wissen über den weiblichen Körper, aber dennoch bemüht, mir beizustehen. Sein Blick ging immer wieder zwischen seinem Großvater und mir hin und her.

"Das Gesicht - auch." Opa kniff die Augen zusammen. "Aber du bist noch jünger. Wie alt - 17? 18?" Er wartete mein Nicken ab. "Na ja, meine Delia war 27. Daher kann ich das nicht hundertprozentig sagen. Zumal es ja schon eine ganze Weile her ist."

"Wissen sie denn nicht, was aus ihrer Delia geworden ist, nachdem sie... ihr Verhältnis beendet habt?", fragte ich zurück. Mich interessierte nämlich auch brennend, was aus mir wurde. Aus diesem Körper.

"Nein." Er seufzte und starrte auf die Tischplatte. "Ich bin erst mal weggezogen, nach Hamburg. Möglichst weit weg. Danach habe ich ihre Spur verloren und auch nie versucht, sie wiederzufinden. Ich habe gehört, sie hat nochmal geheiratet. Oder zweimal?"

"Hast du sie nicht mal zwischendurch gegoogelt?", fragte ich gedankenlos.

"Was?" Nicht nur er sah mich fragend an. Ralf genauso. Oh je! 1993!

"Ich meinte, was in der Zeitung gelesen oder sowas?", korrigierte ich mich schnell.

"Das waren die Nachkriegsjahre, Mädchen. Da standen andere Dinge in der Zeitung. Falls man überhaupt eine bekam."

"Ah. Richtig."

"Jedenfalls wollte ich dich fragen, ob Delia Rötel, geborene van Effen, möglicherweise deine Großmutter sein könnte. Oder vielleicht auch Urgroßmutter." Er sah mich gespannt an.

"Ich weiß es nicht", antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich wollte ihn nicht anlügen. Nicht bei dieser Sache. Sie schien ihm superwichtig. Die Wahrheit konnte ich ihm aber auch nicht sagen. Schon deshalb, weil ich sie nicht kannte. Aber vielleicht eine Andeutung? Irgendwie hing ich ja mit dieser Delia Rötel zusammen. Auf meinem Personalausweis stand eindeutig ´Delia van Effen´. Der Geburtsname von Opas Geliebter.

"Es könnte aber schon sein", fuhr ich zögernd fort. "Mit einem Familienzweig haben wir keinen Kontakt mehr. Irgend so ein Drama, lange her. Darüber weiß ich aber nichts Näheres."

Er sah mich an, so prüfend, als wollte er mich per Röntgenstrahl noch nackter machen, als ich ohnehin schon war. Ich hielt dem Blick stand.

"Gut", nickte er. "Vielleicht bist du also mit ihr verwandt. Vielleicht nicht. Ich freue mich, dass Ralf eine so nette und so hübsche Freundin wie dich gefunden hat. Bisher hat er sich da ja zurückgehalten."

"Ich habe halt nur auf die Richtige gewartet." Ralf grinste und zog mich an sich.

"Dann kann ich dir nur wünschen, dass deine Delia so leidenschaftlich und so stark ist wie meine es war." Er lächelte traurig. "Und dass sie dich nicht nur benutzt, sondern dass es ihr Ernst ist mit euch."

Ralf sah mich an, mit hochgezogenen Augenbrauen. Er grinste, doch darunter schwang durchaus mehr als nur eine witzige Bemerkung.

"Mir ist es sehr ernst mit dir", erklärte ich leise und absolut wahrheitsgetreu. Hoffentlich glaubte er das morgen auch noch, wenn ich vielleicht gar nicht mehr da sein würde.

Ralfs Grinsen verschwand. Er nickte feierlich und küsste mich.

"Scheint so." Opa Heiner nahm die Bierflasche und prostete uns mit einem verständnisinnigen Blinzeln zu. "Und die Leidenschaft stimmt auch, der Geräuschkulisse nach zu urteilen."

"Oh, ´tschuldigung." Ich hielt mir eine Hand vor den Mund und kicherte. Hoffentlich kam das angemessen damenhaft rüber.

"Kein Problem." Er lachte auf. "Tatsächlich hat das meine Erinnerungen an damals sehr beflügelt. Sogar die Schreie kamen mir bekannt vor, aber das ist sicher nur eine nostalgische Verklärung. Jedenfalls werde ich jetzt noch einen schönen, langen Nachtspaziergang unternehmen und an meine unvergleichliche Delia denken, die ich jetzt optisch und akustisch wieder so präsent habe wie seit Jahrzehnten nicht. Dafür möchte ich mich bei dir bedanken."

"Gern geschehen." Ich deutete einen Knicks an und musste auch lachen.

"Und wenn ich jetzt gleich spazieren bin und deine Eltern noch nicht zurück, dann solltet ihr diese Zeit nutzen", schlug er vor, ein breites Grinsen im Gesicht. "So wie ich meine liebe Schwiegertochter Valerie kenne, toleriert sie nämlich gewisse Geräusche in ihrem Haus nicht so leicht wie ich."

"Keine Ahnung, was sie meinen", gab ich zurück und sah Ralf an. "Aber das mit dem ´die Zeit nutzen´, das klingt sehr gut."

"Sehe ich auch so." Ralf nickte seinem Großvater zu. "Danke, Opa."

"Ab mit euch." Er gab uns einen Wink mit dem Kinn und trank seine Bierflasche aus. Wir schnappten uns eine Flasche Mineralwasser, winkten ihm und sausten die Treppe hoch, knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeit.

Oben schloss Ralf die Tür und wir sahen uns an, schwer atmend. Grinsten. Hielten uns die Hände über den Mund. Das reichte nicht. Ralf hüpfte herum, von einem Fuß auf den anderen, und ich hatte das Gefühl, hinter dem Damm meiner Finger über den Lippen staute sich das Gelächter springflutartig hoch.

Als letzte Rettung krochen wir ins Bett, unter die Decke, klammerten uns aneinander und schafften es irgendwie, die Heiterkeit in umweltverträglichen Dosen auszustoßen. Ralf hatte die Zähne fest in das Federbett geschlagen und röhrte dumpf, ich musste einfach hart in seinen Oberarm beißen, um nicht loszujohlen wie eine Verrückte.

"Oh Mann!", gluckste er schließlich und schüttelte sich. "Oh Mann!"

Schwirrende Glücksgefühle erfüllte mich und ich schmiegte meine Wange an seine knochige Brust. Ich verstand immer noch höchstens bruchstückhaft, was hier vor sich ging. Doch das spielte keine Rolle. Es war das Richtige. Für mich, für Ralf, und wohl auch für Opa Heiner.

"Hmm!" Er schnupperte. "Gute Idee mit der Decke. Das hält die Düfte hübsch zusammen."

Ich musste lachen. Die Wärme und unsere Körperausdünstungen hatten den winzigen Luftraum unter unserem Zelt in eine schwüle Sauna verwandelt. Gewisse Ähnlichkeiten mit dem Raubtierhaus im Zoo waren nicht mehr zu leugnen.

Wir schlugen die Decke zurück und atmeten auf. Von unten drangen Geräusche hoch. Diesmal lauschten wir. Schritte. Die Haustür.

"Er sind weg. Wir sind alleine." Ralf sah mich an, als könnte er das alles nicht glauben. Seine Augen leuchteten förmlich.

"Perfekt. Gib mal den Sprudel her. Und wie war das mit der gemeinsamen Dusche?"

Eine halbe Stunde lagen wir wieder im Bett, jetzt aber frisch und sauber. Natürlich war das Duschen in einer intensiven Knutscherei unter der warmen Brause ausgeartet, natürlich wusch Ralf mich von Kopf bis Fuß und umgekehrt ich ihn. Und natürlich verwandte er besondere Sorgfalt und viel Zeit auf die Reinigung meiner nun nicht mehr jungfräulichen Spalte. Sein Schwanz richtete sich dabei steil auf.

Das war mir nur recht, denn so konnte ich sein Organ danach umso besser einseifen und mit festen Wringbewegungen säubern. Ralf grinste, lehnte sich gegen die nassen Fliesen und genoss meine Bemühungen. Ob er sich wohl fragte, woher ich so genau wusste, wie das ging und was er besonders mochte?

"Bist du müde?", fragte er mich leise und zeichnete die Form meines Schlüsselbeins mit einem Finger nach.

"Nein", sagte ich und riss den Mund zu einem gewaltigen Gähnen auf.

"Aha."

Ich kicherte. War es der Sex, der mich so ausgelaugt hatte? Oder die Konfrontation mit der Geschichte von Opa Heiner? Möglicherweise auch der Körpertausch. Nicht zu vergessen die kleine Zeitreise. Fuck, in den letzten neun oder zehn Stunden hatte ich genug erlebt, um ein Jahr durchzuschlafen!

"Dann... schlafen wir jetzt besser, hm?", schlug er vor. "Morgen ist ja auch noch ein Tag. Der erste Ferientag, juchu!"

"Morgen. Ja..."

Ich streichelte über seine Rippen. War morgen noch ein Tag? Möglicherweise nicht. Nicht für mich. Nicht für uns. Ich hoffte nur, Ralf würde rasch darüber hinwegkommen, dass seine neue Freundin genauso plötzlich verschwunden war, wie sie auftauchte.

Wie würde diese Realitätslinie das lösen?, fragte ich mich am Rande. Er würde Amy fragen. Die hatte doch gar keine Groß-Großcousine namens Delia. Oder etwa doch? Ach, egal. Das Universum konnte das alleine ausknobeln. Nicht mein Problem, beschloss ich.

Meine Hand ging nach unten, ich umfasste seinen halbschlaffen Penis und drückte sanft.

"Doch noch nicht müde?", neckte er mich.

"Doch." Ich hob den Kopf und blinzelte frech. "Aber ich muss jetzt leider nochmal Sex mit dir haben."

"Das trifft sich gut." Er zog mich an sich. "Geht mir nämlich genauso. Ich kann es nämlich immer noch kaum glauben."

"Was? Dass du eine Freundin abgekriegt hast?"

"Ja. Auch. Dass ich dich habe." Er ließ seinen Blick an meinem Körper hinabwandern. "Du bist so schön. Überall. Innen und außen."

"Du bist es wert", hauchte ich und sah ihm tief in die Augen. Seine Pupillen weiteten sich. Das würde er gut abspeichern, spürte ich. Und diesmal hatte ich nicht das Gefühl, dass Dr. Delia Mickels durch mich gesprochen hatte. Das war ich selbst gewesen. Vielleicht war ich doch nicht völlig unbegabt als Therapeut in eigener Sache.

Eine neue Idee ploppte hoch. Ich überlegte nicht, sondern bettete mich tiefer und legte das Kinn auf seinen Schenkel. Meine Finger schoben die Haut an seinem Penis zurück und ich betrachtete die rosige Eichel, die zum Vorschein kam. Hm, zumindest die würde sich in den nächsten 26 Jahren nicht sehr verändern.

Ralf keuchte. Dann atmete er durch und entspannte sich gezielt. Sein Schwanz pumpte sich mit Blut voll und richtete sich auf, dafür genügten wenige Sekunden.

"Jetzt riechst du nach Seife und Shampoo", kicherte ich und schnupperte an ihm. Dann nahm ich sein Ding in den Mund. Meines also.

Interessant! So also fühlte sich das an. An anderen Männern war ich nie interessiert gewesen, höchstens vielleicht als vage Neugier. Doch hier und jetzt, als Mädchen, da mochte ich das Gefühl des prallen, warmen Rohres auf der Zunge. Ich leckte und lutschte darauf herum und lauschte auf Ralfs Atemzügen dazu. Unter der Seife schmeckte ich den Nachhall unserer Lust von vorhin.

Natürlich wusste ich genau, worauf er stand. Also knabberte ich an der Unterseite entlang und züngelte dann über seine Hoden, da war er superempfindlich. Er stöhnte und wand sich hin und her, mit gespreizten Schenkeln. Als ich ihn direkter auf den Sack küsste und meine Zunge hineindrängte, da japste er hilflos. Das gefiel mir.

Danach widmete ich mich wieder der Eichel und ließ meine Lippen langsam und verengt darüber gleiten, mehrfach. Dann tiefer und die Zähne rings um den Eichelkranz einhaken, spielerisch ziehen.

"Oh Delia...", keuchte er und sah mir mit geweiteten Augen zu. Ich zwinkerte zu ihm hoch und ging auf die Knie, um mich halb zu drehen, bis ich ihm meinen Hintern entgegen reckte, die Schenkel lasziv geöffnet. Darauf stand er total. Seine Augen leuchteten sofort auf und er stemmte sich auf einen Ellenbogen, um mich am Po zu küssen.

Mh, das fühlte sich nett an. Jetzt über ihn knien, in eine richtige 69-Position? Nein, besser nicht. So konnte er freier an meinem Hinterteil herumfummeln und mich befingern, an mir schnuppern, und mir dann die Zunge über den Damm lecken. Das Prickeln verstärkte sich und ich zog ein Bein näher an den Leib, um ihm besseren Zugang zu gewähren. Dann saugte ich fest an seinem Rohr und züngelte dabei über die Spitze. Ralf erschauerte und ich schmeckte neue, schlüpfrige Flüssigkeit, die aus dem Schlitzchen drang.

Gar nicht mal schlecht! Dazu passte es, dass er mich jetzt direkt auf die Muschi küsste und die Zungenspitze in den Eingang trieb. Unser gemeinsames Schmatzen hallte in der Stille des Zimmers, untermalt von schnellem Atem. Die gegenseitige orale Verwöhnung ließ das Glimmen der vorangegangenen Lust unentrinnbar erneut hochflammen.

Mhm, köstlich! Er knabberte und leckte mich überall zwischen den Beinen, ich konnte kaum unterscheiden, wo er gerade war. Dazu streichelte er mich fahrig, auch überall. Am Rücken, am Bauch, an den hängenden Brüsten. Als er versuchsweise an den Nippeln nach unten zupfte, da musste ich aufstöhnen. Er hing jetzt richtig an mir, lutschte mir hingebungsvoll durch den offenen Schlitz. Ich stieß mir seinen Prügel so tief in die Kehle, wie ich es schaffte und genoss die Enge und den Würgereflex, der sich einstellte.

Das törnte ihn total an. Ein automatisches Zucken setzte sich in seinem Becken fest, er stieß mir das Glied immer härter in den Mund. Darüber hatte er keine Kontrolle mehr, das spürte ich. Doch ich umklammerte den Schaft mit beiden Händen und intensivierte so die Reibung, ohne ihn tiefer nehmen zu müssen.

"Delia, ich weiß nicht, wie lange... uh..."

Mit einem nassen Schmatzlaut machte ich mich los und sah ihn an. Meine Augen fühlten sich an, als würden sie einen Flammenstrahl aussenden.

"Ich will es", schnaufte ich. "Ich will wissen, wie es ist, wenn du in meinen Mund kommst. Wie das schmeckt. Leg dich hin und genieße es, ja?"

Er zauderte. Klar, das passte nicht zu seinem Programm, dass er die Dame verwöhnen musste. Andererseits lockte ihn die Vorstellung sichtlich. Endlich nickte er, ließ sich zurücksinken, und schloss die Augen. Seine Finger beließ er an meiner Unterseite und befühlte mich dort weiter.

Tat ich das jetzt für ihn? Für den jungen Ralf? Oder weil ich es selbst wollte? Das fragte ich mich, während ich den strammen Riemen sanft weiter bearbeitete. Gar nicht mit dem Ziel einer möglichst schnellen Explosion. Ich lutschte und kaute einfach und genoss den Geschmack und die paradoxe Verbindung von Härte und Samtweichheit zwischen meinen Lippen.

Ralf hatte sich im Liegen entspannt und überließ sich ganz meiner Verwöhnung. Ich hatte eine Hand auf seinem Unterbauch, die andere um den Schaft, und konnte so genau mitverfolgen, wie seine Erregung stieg. Dazu drückte er mir jetzt zwei Finger in die Scheidenröhre und massierte mich innen. Das passte wunderbar zusammen. Ich ließ meine Hüften kreisen und genoss den Kontakt. An einer Stelle brannte es ein klein wenig, doch auch das schwächte sich bald ab.

Ich sah wieder hoch zu ihm. Er hatte die Augen geöffnet und verfolgte meine Zärtlichkeiten mit offenem Mund. Weil er mehr stöhnte, als atmete, und weil das so unfassbar für ihn war: Ein bildhübsches Mädchen, das nichts lieber wollte, als ihm den Schwanz zu lutschten. Mit einem Zwinkern beschleunigte ich meinen Takt.

"Uh... ich komme gleich...", knirschte er, wohl als letzte Warnung gedacht.

Ich deutete ein Nicken an und klammerte mich an ihm fest. Saugte mit aller Macht.

"Rrraaaahhhh..."

Er warf sich herum und stieß einen langgezogenen, kehligen Laut aus. Dann spritzte es dick und heiß in meinen Mund, mehrfach. Ich blinzelte und blieb dran, sog, schluckte, trank. Das Sperma quoll über meine Zunge, flüssiges Heu mit der Andeutung von Schärfe darunter. Das Aroma überflutete alle meine Sinne und ich spürte, wie es beim Schlucken in die Kehle rann.

Superlecker? Widerwärtig? Ich konnte es gar nicht sagen. Doch es heizte mich an wie verrückt. Mein Unterleib stieß nach hinten, gegen die Finger, wollten sie tiefer spüren, mehr davon, während ich die letzten, schwächeren Schübe einschlürfte wie eine Delikatesse.

Ich war so heiß! Heiß auf einen richtigen Fick!

Doch Ralf stieß jetzt ein erlöstes Stöhnen aus und sackte auf den Rücken. Verdammt! Was war denn mit mir? Für eine Sekunde spürte ich grollende Wut in mir hochsteigen. Nein! Das würde doch jetzt alles ruinieren. Doch ich brauchte einfach...

"Bleib so", keuchte ich und schwang mich über ihn.

"Hä?"

Bevor er es sich versah, hatte ich mich breitbeinig über seinen Schoß gekniet und seinen immer noch harten, zuckenden, überfließenden Schwanz an mein Loch gebracht, das vor Sehnsucht nach Füllung jammerte. Mit einem Ruck pfählte ich mich und das Ding fuhr von unten in meinen Leib.

"GAHH?"

Ich riss die Augen auf. So dick hatte ich es gar nicht in Erinnerung, von vorhin. Doch jetzt fühlte sich das an wie ein Knüppel, der mich teilte, mich durchbohrte. Hart an der Schmerzgrenze, doch in meinem aufgeheizten Zustand peitschte mich das nur zusätzlich hoch.

Ralf knurrte, packte mich um die Taille, und rammte im abflauenden Orgasmus noch drei, vier Mal hart in mich. Ich erschauerte unter der Wucht des Anpralls und bog mich nach hinten, mein Unterleib ratschte vor und zurück, vor und zurück, die Titten hüpften und wippten dazu. Ja, noch ein wenig! Noch ein wenig...!

Es reichte nicht. Ralf seufzte und sein Körper verlor an Spannung. Erneut fühlte ich Mangel und blanke Aggression auf ihn. Er hatte abgespritzt, aber so einfach konnte ich jetzt nicht aufhören. Warum machte er jetzt nicht...?

Aha? Da erinnerte ich mich, dass es auch in meiner Erinnerung Situationen gegeben hatte, in denen die Frauen im Bett plötzlich ganz kratzbürstig geworden waren. Wohl kein Wunder, wenn massenhaft Hormone und Brandbeschleuniger durch die Adern schoss.

Mit Mühe bezähmte ich meine Emotionen und rappelte mich auf. Schweiß stand auf seiner geröteten Stirn und er sah mich vorsichtig an. Natürlich hatte er exakt dieselben Gedanken wie ich gerade. Er hatte es nicht geschafft, mich zum Orgasmus zu bringen. Er war eine Flasche von einem Liebhaber. Und das, wo sich das Mädchen doch gerade so lieb um ihn gekümmert hatte. Ein Versager, einfach. Das würde haften bleiben und der traumhaften Nacht unwiederbringlich eine Scharte verpassen.

Nein! Da gab es nur eines.

Ich legte mich nach vorne und streckte die Beine aus, bis ich auf ihm balancierte, seine nachlassende Härte in mir mit den Schenkeln festgeklemmt. Ein atemloser Kuss, ich ließ ihn seinen Saft schmecken.

"Tut mir leid, Delia", flüsterte er da auch schon. "Ich war zu schnell."

"Ich glaube nicht." Damit schenkte ich ihm ein Raubtierlächeln. "Ist doch gut so, denn jetzt kannst du umso länger durchhalten, oder?"

"Äh - was?"

Mit einem Kichern brachte ich meinen Mund an sein Ohr und flüsterte ihm heiser zu: "Das törnt mich voll an, wenn du so erregt bist. Da werde ich dann mitgerissen, ob ich will oder nicht. Vorhin auch schon, das hast du ja gemerkt."

"Ja..."

Ich nahm einen tiefen Atemzug und hauchte: "Du hast einen Wunsch frei, Ralf. Vielleicht etwas, das du dir schon immer heimlich gewünscht hast. Deine größte erotische Fantasie möglicherweise? Die würde ich gerne kennenlernen..."

"Einen - Wunsch?"

Er drehte den Kopf und sah mich mit schreckgeweiteten Augen an.

"Mach mit mir, was du am liebsten willst", schnurrte ich und schubberte mich auf ihm, so dass er spüren musste, wie sich meine Brüste an seinen Rippen verformten. "Ich bin da für dich. Für mich ist alles okay."

"Uh - alles?"

"Ja." Kuss. "Alles."

"Hmmm."

Er schluckte und blinzelte. Ich hielt den Atem an. Dann sah ich, wie es in seinen Augen zu glitzern begann. Yeah!

"Alles?", fragte er leise, mit einem angedeuteten Lächeln.

"Alles!" Ich strich ihm über die Wange und genoss die glatte Haut. Er hatte sich erst direkt vor der Fete rasiert. "Egal was."

"Puh!" Er lachte fahrig. Natürlich hatte ich eine Idee davon, was ihm jetzt durch den Kopf ging. Die Dinge, die mich so richtig in Fahrt brachten, hatten sich in den letzten Jahrzehnten wenig geändert. Doch würde er es auch ausdrücken können?

Er zog mich dicht an sich und flüsterte mir ins Ohr: "Dann will ich dich jetzt von hinten. Im Knien. Das... törnt mich total an."

"Hmmm. Doggy-style also." Ich räkelte mich genussvoll auf ihm. "Hört sich gut an. Warum magst du das denn so?"

"Ach, ich weiß eigentlich gar nicht so recht." Er musste albern kichern und ich spürte, wie die Härte in seinen Penis zurückkehrte. "Ich habe es ja noch nie ausprobiert. Aber ich stelle es mir superheiß vor. So richtig animalisch eben..."

Das war nur die halbe Wahrheit, wie ich wusste. Ich schnaufte begeistert und leckte ihm am Hals. "Dann... hast du auch meinen Popo direkt vor dir", schnurrte ich in laszivem Tonfall. "Magst du das auch?"

"Ja! Und wie!"

Wunderbar. Sein Rohr stand schon wieder wie eine Eins und drängte sich tief in mich. Das war die richtige Spur. Ich gestattete mir einen Anflug von Stolz auf meine Technik. Jetzt konnte ich es auch noch ein wenig genießen und auswalzen, oder?

"Macht dich das an, wenn du meinen Anus siehst?", flüsterte ich ihm zu, selbst atemlos. "Willst du mich da berühren? Streicheln?"

"Wenn - wenn ich darf?"

Das war jetzt steinerne Härte in meinem Bauch. Ich ließ die Knie wieder rechts und links seiner Hüften auf die Matratze hinab und schob mich ein paar Zentimeter auf und ab, weil sich das so herrlich anfühlte.

"Du darfst." Meine Stimme war nur ein Hauch, direkt an seinem Ohr. "Bei der Vorstellung, dass du mir die Bäckchen auseinanderziehst und alles von mir siehst, da wird mir ganz anders. Und wenn du mein hinteres Löchlein ganz vorsichtig streichelst... ahh..."

Ralf stieß einen harten Laut aus. Plötzlich packte er mich und ich wurde herumgewirbelt. In der nächsten Sekunde lag er auf mir und hatte mich an beiden Handgelenken gepackt, über den Kopf gestreckt. Er starrte mich an, keuchend. Und stieß zu. Fest.

Ich japste auf und starrte zu ihm hoch. Was war das? Woher kam dieses eherne Glitzern in seinen Augen? Diese Stärke in seinem Griff um meine Arme?

Er stieß nochmals zu. Und wieder. Noch härter. Beobachtete mich.

"Ja..." Ich schloss die Augen halb und lächelte schwach. "Gib´s mir richtig. Da stehe ich drauf. Besorg´s mir."

Ganz langsam nickte er. Gerade hatte er etwas über Frauen gelernt, schien mir. Etwas, für das ich sehr, sehr lange gebraucht hatte. Zu lange. Bis heute, wenn man es genau nahm. Wir lernten es gleichzeitig, sozusagen.

Mit einem Knurren rappelte er sich hoch, packte mich und zwang mich herum, auf die Knie. Ich schmiegte mich auf das zerknitterte Laken, Schenkel weit gespreizt, den Hintern steil hochgereckt. Und verhielt, zitternd vor Erwartung.

Erst hörte ich nur seine gepressten Atemzüge. Er betrachtete mich. Meine weit offene Muschi, gerade noch von ihm gefickt. Meine Afterspalte, in der Position dargeboten wie ein Orangenschnitz. Dann spürte ich zwei Hände. Er streichelte meinen Po, liebevoll, aber auch mit spürbarer Gier.

Ich seufzte und schloss die Augen, spürte die Wimpern über das Laken kratzen. Erst verhohlen, dann immer direkter zog er mein Fleisch auseinander und walkte die Hinterbacken durch. Die Berührungen pflanzten sich bis ins Zentrum fort und ich genoss es, wie der Schließmuskel sanft gedehnt wurde. Dann heißer Atem an meiner Haut, und -

"AHH?"

Er tat es! Das hatte ich gar nicht erwartet. Nicht beim ersten Versuch. Suchende Lippen, eine Zungenspitze. Die sich vorsichtig, aber getrieben von spürbarer Gier in meinen Hintereingang schmiegte.

Mit einem brünstigen Stöhnen signalisierte ich meine Bereitschaft, mein Einverständnis. Ralf leckte und küsste mich überall, ringsum, dann kehrte er zurück zur Rosette und bohrte stärker. Richtig stark! Das erzeugte eine ganz eigene Art von Prickeln dort, tief und erdig und alles durchdringend...

Mit einem undefinierbaren Laut kam er hoch und kniete sich hinter mich. Im nächsten Moment drang er wieder ein, mit einem bolzenharten Schwanz, ohne meinen Po loszulassen. Ich keuchte, als er ganz drin war. In dieser Position spürte ich ihn noch tiefer, noch direkter. Mitten in mir, wunderbar dick.

Er stieß mich, langsam und regelmäßig, jedes Mal ein Vollenden, ein Komplettieren, ein Ausfüllen, wunderbar. Das tat er für mich, das spürte ich. Er hätte auch schneller machen können, doch er nahm sich die Zeit und gewöhnte mich an die neue Position, an die Reibung, den Anprall.

Ich ließ los und gab mich einfach hin, machte nichts mehr selbst. So passiv, so entspannt, so gut. Wir beschleunigten gleichsinnig, jetzt wieder auf diese unnachahmliche Weise verbunden. Ich spürte ihn, jede Einzelheit, wie er mich immer fester um die Hüften packte, härter zustieß, lauter schnaufte. Das Klatschen von Fleisch, Schenkel an Schenkel, Bauch an Hintern.

"Jaaa...", stöhnte ich glücklich in das Laken und kam mir vor wie ein Schnitzel unter dem Hammer beim Weichklopfen. Tiefrote Wollust füllte mich, bis sie aus jeder Pore troff, so satt und süß und schmelzend. Stoß auf Stoß pumpte Ralf weitere Glut dazu. Schon fühlte ich, wie sich in mir etwas zusammenzog. Nicht mehr lange, bis...

Da bohrte sich ohne Vorwarnung ein Finger in meinen Hintereingang. Wurmartig, mit einer korkenzieherartigen Bewegung. Der unverhoffte Reiz durchfuhr mich mit dolchartiger Intensität und wirkte wie ein Molotowcocktail, der in ein Pulvermagazin geworfen wird.

Die nächsten Minuten bestanden aus verschwommenen Eindrücken, aus einzelnen Wahrnehmungsfetzen. Meine Schreie, oder eher ein Flehen. Die Art, wie sich mein Leib so hart und konvulsivisch zusammenkrampfte, dass es mich förmlich von den Knien riss. Diese unglaublich lustvollen Boxhiebe in meinen Bauch, von denen ich nicht genug kriegen konnte. Dazu der Finger da hinten, der sich mit jedem Pulsen des Muskelrings tiefer in mich bohrte.

Dann Ralfs gepresstes Aufkeuchen. Seine Finger, die sich tief in meine Seiten gruben.

Er kam.

Ich kam.

Wir kamen.

Das Universum kam zum Stillstand...

Irgendwann später, als wir engumschlungen nebeneinanderlagen und verschnauften, hörte ich in der Ferne einen Hahn krähen. Die ersten Vorzeichen der Dämmerung malten den Fensterausschnitt als Quadrat in Indigo.

Er sah mich an. Forschend.

"Was ist?", lächelte ich.

"Ich glaube, ich liebe dich", sage er ernst. "So richtig, meine ich."

Ich schluckte. Der L-Satz. Den hatte ich eigentlich erst Jahre später herausgebracht. Und auch da mit dem vagen Gefühl, über etwas zu reden, das ich höchstens vage erahnte. Und keinesfalls richtig verstand.

"Ich liebe dich auch", hörte ich mich sagen. Nanu? Aber es stimmte ja.

Das tiefe Leuchten in seinen Augen. Sie sahen so hell aus wie Bernsteine. Ich spürte in mich hinein. Belog ich ihn jetzt? War das eine Manipulation? Ganz ähnlich wie die von Opa Heiners Delia? Wie weit ging meine Mission eigentlich?

"Ich liebe mich ebenfalls", ergänzte ich und legte die Hand auf meine eigene Brust. Das stimmte auf jeden Fall. Ah, wie ich diesen Gastaufenthalt in einem jungen, weiblichen Körper genoss! Ja, ich liebte das. Mich selbst also, wenn auch auf eine möglicherweise verquere Weise.

Ralf nickte zögernd und rang erkennbar mit dem Konzept der Selbstliebe. Ich verstand es jetzt ein wenig besser. Darum ging es doch letztlich bei der ganzen Geschichte, oder?

"Liebst du dich auch?", fragte ich weich und drückte ihm meine Hand auf die Brustmitte? "Als Ralf?"

"Ich... glaube schon", flüsterte er nach ein paar Sekunden. "Ja. Da ist was."

"Gut."

Genug der Therapie. Ich fühlte mich zerschlagen und todmüde, aber gleichzeitig so erfüllt und wohlig erschöpft wie nie zuvor. Der Bogen dieser Nacht neigte sich dem Ende entgegen. Was würde morgen sein? Doch ich war zu platt, um mir darüber Gedanken zu machen.

"Tust du mir noch einen Gefallen", murmelte ich und schob mich auf ihn.

"Was denn?" Er umarmte mich und streichelte meinen Po.

"Ich glaube, ich bin in einer Minute weg. Kannst du nochmal reinkommen? Ich würde gerne so einschlafen..."

"Aber gerne."

Wir justierten uns, mit Kichern und Schnaufen. Erneut schufen wir uns die tiefste Verbindung, zu der zwei Menschen überhaupt fähig sind. Zufrieden bettete ich meine Wange an seinen Hals und genoss es, wie er sanft in mich drängte. Stabil genug, aber nicht mehr ganz hart. Sehr schmiegsam und wunderschön.

Das letzte, was ich dachte, war: "Marty McFly! Du weißt nicht, was du alles verpasst hast. Vielleicht hättest du das mit deiner Mutter da im deLorean auf dem Parkplatz doch anders regeln sollen..."

***

Als ich die Augen aufschlug, war ich sofort voll da. Ich lag auf dem Sofa und wusste, wer ich war. Ralf, männlich, 44 Jahre alt, gerade getrennt. Das überraschte mich kein bisschen. Der Fernseher war tot, in der Nacht von der Abschaltautomatik ausgeknipst. Draußen das trübe Licht einer Morgendämmerung im November 2019.

Ich taumelte hoch, meine Hände fuhren über meine Vorderseite. Keine Spur mehr von dem tollen, straffen Mädchenbusen. Ein breiter, flacher Brustkorb, darunter der Bauchansatz. Nur klein, viel weniger als viele Männer in meinem Alter aufwiesen. Doch nach Delias unirdisch schmalem Körper kam ich mir so massig vor wie ein Walross.

"Scheiße", murmelte ich und zuckte zusammen beim ungewohnten Klang der Männerstimme. Ich trug noch die Klamotten vom Vortag. Offenbar hatte ich die ganze Nacht auf dem Sofa verbracht, völlig von diesem absonderlichen Traum absorbiert. Und hatte dabei einen Erguss gehabt. Das da in meiner Unterhose fühlte sich an wie ein klebriger Sumpf.

Nur - das war kein Traum, richtig? Das war... etwas ganz anderes. Aber was? Ich kniff die Augen zusammen und konzentrierte mich auf die Erinnerung. Aber seltsam - es war kaum auseinanderzuhalten, welche der Bilder und Gefühle von Delia stammten und welche von dem jungen Ralf. Ich hatte im Alter von achtzehn Jahren eine berückend schöne, rothaarige Geliebte gehabt. Meine Unschuld mit ihr verloren. So eine bestrickend süße, nostalgische Erinnerung...

"Ist mir das jetzt wirklich passiert?", flüsterte ich vor mich hin. "War ich zurück im Jahr 1993? Oder hat sich nur in meinem Kopf etwas verändert? War das eine Art Gedächtniskorrektur?"

Darauf gab es keine Antwort. Ich schaltete auf Autopilot und ging duschen und mich anziehen. Heute war Donnerstag, ich musste ins Büro. Hose, Hemd.

Die Zeit nutzte ich, um mir möglichst viele Details von der Nacht als Delia in Erinnerung zu rufen. Ich wusste noch alles! Wie sich Ralf angefühlt hatte. Wie ich mich gefühlt hatte. Der Geruch meiner Muschi. Sein Blick. Seine Finger auf meiner Haut. Sein Schwanz in mir. Mein Schwanz in ihr.

Der Geschmack von Kaffee in meinem Mund riss mich aus der Trance. Ich blinzelte und sah mich um. Hatte ich tatsächlich die Maschine angeworfen und mir das Tagesstartgetränk zubereitet, völlig ohne es zu bemerken? Und wer hatte das Hemd ausgewählt, das ich anhatte?

Ein tiefes Durchatmen. Ins Büro? Heute? Unmöglich! Ich nahm das Handy vom Board und drei Minuten später hatte ich mir den Rest der Woche freigenommen. Im Moment lag nichts Dringendes an und mein Überstundenkonto quoll ohnehin über.

Stattdessen schnappte ich mir den Mantel, setzte mich ins Auto und raste zur Waldstraße. Als ich vor der übergroßen Hecke hielt, zeigte die Uhr kurz nach neun Uhr. Ich atmete durch und stieg aus.

Das Tor stand halb offen. Der handgekritzelte Aufkleber "Praxis" war verschwunden.

"Hallo?", rief ich hinein. Keine Antwort. Zögernd setzte ich mich in Bewegung und ging den Weg entlang, auf das Haus zu. Es sah exakt so aus wie vor drei Tagen, als ich hier meine erste und einzige Therapiesitzung mit Frau Dr. Delia Mickels hatte. Heute war jedoch niemand da. Das Panoramafenster des Anbaus war dicht, von innen mit dicken Vorhängen zugezogen.

Da öffnete sich die Eingangstür der Villa, und Delia trat heraus. Die Haare leuchteten auf im Tageslicht, obwohl die Sonne nur blass durch den Hochnebel schimmerte.

"Delia?", stieß ich hervor und trat näher.

"Was?"

Sie drehte sich um. Nein, das war gar nicht Delia. Eine andere Frau. Auch rothaarig und hübsch, auch schlank und grazil. Doch sie musste mindestens 60 Jahre alt sein, vielleicht auch mehr. Sie trug ein schwarzes Kleid und eine schwarze Jacke darüber. Ihre schmale, mädchenhafte Figur hatte mich wohl getäuscht. Sie hatte andere Gesichtszüge, ausgeprägtere Wangenknochen. Doch ich sah in dieselben sturmblauen Augen, die ich von Delia kannte. Ihre Mutter?

"Bitte entschuldigen sie", stammelte ich. "Äh - ich bin ein Kunde von Delia und dachte..."

"Ein Kunde von Delia?" Sie legte den Kopf schräg und runzelte die Stirn. "Von früher?"

"Von früher?"

Wir starrten uns an. Ich lachte, eigentümlich berührt, und streckte ihr meine Hand hin. "Ralf Steganowski", stellte ich mich vor.

"Romy Lugersen". Ihr Händedruck fühlte sich ähnlich an wie der von Delia. Erfüllt von einer hintergründigen Energie.

"Sind - sind sie mit Delia verwandt?", fragte ich nach.

"Natürlich." Ein trauriges Lächeln. "Sie war meine Mutter."

"Ihre - Mutter?" Meine Augen fühlten sich so groß an wie Wagenräder. "Aber..."

"Sie ist in der Nacht gestorben", seufzte Romy. Ihr Blick irrte ab, Schmerz schimmerte darin, aber auch versteckte Befreiung.

"Ich..." Meine Stimme verstummte. In meinem Hirn brauste es, als hätte sich ein Hornissenschwarm darin eingenistet. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte.

"Mein herzliches Beileid, Frau Lugersen", besann ich mich auf die Form. "Es tut mir sehr leid, das zu hören."

"Danke. Nun ja - sie hat ihr Ziel erreicht." Romy mühte sich um ein Lächeln. "Sie ist tatsächlich 100 Jahre alt geworden, vor zwei Wochen. Das wollte sie immer. Sie hat es erzwungen."

"Das heißt - sie wurde 1919 geboren? Und 1946 war sie 27 Jahre alt?"

"Stimmt."

"Verstehe", murmelte ich, obwohl ich nichts verstand. Letzte Nacht gestorben war also diejenige Delia, die mein Großvater als Geliebte kennenlernte. Wer war dann die Therapeutin gewesen? Und wer ich?

"Woher, sagten sie, kennen sie meine Mutter?", hakte sie nach. "Was meinten sie mit Kunde?"

"Das... ist schwer zu erklären", wich ich aus. "Aber sagen sie: Hat Delia... noch etwas gesagt? Bevor sie...?"

"Ich war nicht im Krankenhaus, als sie ging", schüttelte Romy den Kopf. "Ich habe es erst heute früh gehört und bin jetzt hier, weil meine Schwester meinte, wir sollten gleich nach dem Haus sehen."

"Oh. Hm."

"Jetzt tun sie doch nicht so geheimnisvoll!" Sie stemmte die Arme in die Hüften und blitze mich an. "Meine Mutter ist seit Jahren im Pflegeheim, und davor hat sie nichts verkauft. Wieso Kunde? Woher kennen sie sie?"

Ich schluckte. Diese abstruse Geschichte konnte ich doch keiner Menschenseele jemals erzählen, oder? Wahrscheinlich war es das Beste, ich verdünnisierte mich sofort, mit einer lahmen Ausrede.

Andererseits - ich las ehrliche Neugier in diesen Augen, die mir so vertraut vorkamen.

"Also gut", nickte ich kurzentschlossen. "Aber bitte versprechen sie mir, nicht zu lachen."

"Warum sollte ich lachen?" Wieder dieses Schräglegen des Kopfes. Eine süße Geste, auch wie Delia.

"Ich war vor drei Tagen hier. Und habe ihre Mutter getroffen. Allerdings war sie da höchstens 30, eine wunderschöne junge Frau. Wir haben uns unterhalten."

"30?" Romys Augen weiteten sich. "Das... ist unmöglich!"

"Ich weiß." Ich rieb mir über die Stirn. "Dennoch sage ich die Wahrheit, das ist nämlich..."

"Die Zwölf!", keuchte Romy da und wich einen Schritt zurück. Sie sah plötzlich totenblass aus.

"Äh - ja." Ich fand ein Lächeln. "Soweit ich weiß, bin ich Kunde Nummer zwölf, das hat sie gesagt."

"Das ist..."

Wir starrten uns an.

Dann atmete sie durch, trat einen Schritt vor und nahm meine Hände in ihre. "Bitte, Herr Steganowski. Sie müssen mir alles erzählen. Es ist wichtig."

"Sagen sie mir dann auch, was es mit den Zwölf auf sich hat?", fragte ich zurück.

Sie zögerte, dann nickte sie nachdrücklich. "Ja. Ein Austausch, okay?"

"Okay." Meine Gedanken rasten. Ich musste wissen, was hinter dieser Geschichte steckte. Am besten servierte ich ihr erst mal eine Kurzform, damit sie dann ihren Teil eröffnete.

"Ich war vor drei Tagen hier, weil ich die Trennung von meiner Frau verkraften musste", begann ich langsam. "Delia war mir von einem Freund als Therapeutin empfohlen worden. Wir telefonierten und sie lud mich hierher ein. In ihre Praxis." Ich wies auf den Büroanbau.

"Da war seit Jahren niemand mehr drin", murmelte Romy, deren Blick meinem Finger gefolgt war. "Und meine Mutter hat ganz bestimmt niemals als Therapeutin gearbeitet. Aber berichten sie bitte weiter!"

"Ich traf Delia. Eine Frau Dr. Delia Mickels", fuhr ich fort, leicht schwindlig im Kopf.

"Das war ihr letzter Name." Romy schüttelte ungläubig den Kopf. "Der Name ihres letzten Ehemannes."

"Sie gab mir eine Karte mit einem Spruch darauf", fuhr ich fort. "Erst verstand ich es nicht. Aber heute Nacht hatte ich einen - extrem seltsamen Traum. Ich... ich weiß nicht, ob ich ihnen den schon erzählen kann. Er hat mich zutiefst berührt, auf eine Art und Weise, die ich selbst noch nicht verstehe."

"Hat ihnen der Traum geholfen?", wollte sie wissen. Ihre Finger drückten meine Hände ein wenig stärker. "Hat es sie... geheilt?"

Hatte es das?

"Du bist es wert", hatte auf der Karte gestanden. Ich hatte in Form eines jungen Mädchens dafür gesorgt, dass der junge Ralf genau dieses Gefühl entwickeln konnte. Er war es wert, mit einer aufregenden Schönheit ins Bett zu gehen und Sex zu haben. Sein Leben wäre völlig anders verlaufen, mit dieser Gewissheit im Kreuz.

Das hieß - mein Leben würde ab sofort anders verlaufen? Oder war es das schon? Befand ich mich in einer anderen Realitätslinie? Zum Teufel, wie viele Zeitreise-Geschichten hatte ich schon gelesen und über das Großvater-Paradoxon nachgegrübelt? Wenn man selbst drinsteckte, halfen einem diese theoretischen Überlegungen wenig.

"Ich glaube schon", sagte ich und erwiderte den Druck. "Ja - vielleicht war das eine Art Heilung. Oder Therapie. Es hat mich verändert. Ich spüre es, auch wenn ich die Konsequenzen noch nicht verstehe."

"Oh Gott!" Tränen stiegen ihr in die Augen.

"Was ist denn?"

Sie lachte fahrig und schüttelte den Kopf. Ihre Augen irrten umher. Dann blickte sie mich fest an und nickte.

"Meine Mutter... war ein schwieriger Mensch", flüsterte sie. "Ja, sie war eine Schönheit, in ihrer Jugend. Und was für eine! Wenn sie die Fotos aus den Kriegs- und Nachkriegsjahren sehen würden. Alle Leute grau und niedergeschlagen und ausgezehrt. Aber sie leuchtete richtig von innen heraus."

"Ich glaube, ich kann mir das sehr gut vorstellen", brachte ich heraus und kämpfte gegen das Gackern an, das mir in der Kehle saß. Vorstellen? Ich war das selbst gewesen! Ich hatte die Blicke der Männer auf der eigenen Haut gespürt!

"Sie war immer stolz darauf, dass sie sämtliche Männer um den kleinen Finger wickeln und sie nach Gutdünken tanzen lassen konnte." Romy schnaubte. "Das habe ich selbst erlebt. Sie war die uneingeschränkte Matriarchin der Familie. Keiner wagte, etwas gegen ihren Willen zu tun."

"Wirklich? Sie schien mir... ganz nett", wagte ich einzuwenden.

"Ganz nett?" Sie beäugte mich ungläubig. "So etwas hat wohl niemand mehr über meine Mutter gesagt, seit sie drei Jahre alt gewesen war."

"Aha."

"Sie hatte fünf Ehemänner und außerdem sieben Liebhaber", fuhr sie nüchtern fort. "Sie hat alle zwölf gnadenlos gegeneinander ausgespielt und ihre Macht genossen. Ihr erster Mann, Horst Rötel, hat sie mit einem Gewehr aufgesucht, nachdem sie ihn aus seinem eigenen Haus geworfen hatte - das war übrigens diese hübsche Villa hier. Das muss um 1946 herum gewesen sein. Niemand weiß genau, was passiert ist, doch am Ende hat er sich selbst den Kopf weggeschossen."

"Oh!" Ich konnte sie nur anglotzen. Fuck! Die Schrotflinte! Opa Heiner!

"Die komplette Familie duckte sich unter ihr." Ein Schauer rann ihr bei der Erinnerung durch den Leib, ich spürte ihre Finger erzittern. "Als der fünfte Ehemann starb, Dr. Josef Mickels, da war sie schon über 80 und hat danach alleine hier gewohnt, in der Villa. Bis vor vier Jahren, als sie ins Pflegeheim musste. Anfangs hat sie dort genauso gewütet und alle Pfleger unter ihre Kandare gebracht. Wir rechneten ständig damit, dass das Heim sie rauswirft, oder dass ihr jemand nachts ein Kissen aufs Gesicht drückt."

"Wow. Klingt ja echt krass."

"Krass?" Sie stieß ein Schnauben aus. "Einmal habe ich sie gefragt, warum sie das alles tut. Vor vielen Jahren, als sie ihren vierten Ehemann verstieß und ihre Anwälte ihm danach alles nahmen, was er hatte. Sie erklärte mir, ihre Urgroßoma sei noch eine russische Adlige gewesen und hätte Leibeigene besessen. Von ihr hätte sie schon als Kind gelernt, jeden als Leibeigenen zu behandeln, der sich so verhielt. Insbesondere jeden Mann."

"Verstehe."

Sie warf mir einen zweifelnden Blick zu, fuhr jedoch fort. "Vor zwei Wochen ist sie wie gesagt 100 Jahre alt geworden. Wir haben eine Feier für sie organisiert, im Heim. Wie sie es sich wünschte. Nein - wie sie es verlangte. Am Vorabend war ich bei ihr, um die letzten Dinge zu besprechen. Sie hat wie immer gesprüht vor Energie und alle herumgescheucht, obwohl sie im Rollstuhl saß und sich kaum noch bewegen konnte. Sie hat gesagt: ´Jetzt habe ich sogar den Herrgott selbst bezwungen. Er hat nicht gewagt, mich vor dem 100. Geburtstag sterben zu lassen´. Und gelacht. Mir ist es eiskalt über den Rücken gelaufen."

"Puh."

"Aber dann, in der Nacht vor ihrem Geburtstag, da muss etwas geschehen sein." Romy beachtete mich nicht, sie sprach zu sich selbst. "Wir wissen nicht, was. Auf der Feier selbst war sie ... anders. Ganz still. In sich gekehrt. Sie hat nicht viel gesagt, aber sie hat wohl erkannt, was sie in ihrem Leben alles angerichtet hat. Vor allem im Leben ihrer zwölf Männer. Sie bereute es sogar, schien uns. Aber sie war voller Verzweiflung, weil es zu spät für sie war, diese Schuld abzutragen."

"Aber wie kann das sein? So plötzlich?", wunderte ich mich.

Romy sah mich an. "Das möchte ich lieber gar nicht erst wissen", sagte sie still. "Und sie wahrscheinlich auch nicht."

"Sie meinen...?"

"Jedenfalls erlitt sie in der folgenden Nacht einen Schlaganfall." Romy redete jetzt gedrängt, beinahe hastig. "Sie war kaum noch bei sich. Aber sie murmelte immer etwas davon, dass sie zwölf Männern helfen musste, bevor sie starb. Als Ausgleich, irgendwie. Uns kam es vor wie Wahn, aber..."

"Das war kein Wahn." Ich verspürte absolute Gewissheit. "Sie hat einen Weg gefunden, zumindest ein paar Dinge wiedergutzumachen. Keine Ahnung, wie sie das angestellt hat, aber ich weiß es."

Sie sah mich an, mit riesigen Augen. Dann schluchzte sie auf. Im nächsten Moment hing sie an mir. Sie zitterte am ganzen Körper.

Ich legte meine Arme um sie und drückte sie sanft an mich. Es gab nichts mehr zu sagen. Alles stimmte, in diesem Moment. Ich fühlte mich absolut im Reinen mit mir und dem Rest der Welt. So einen tiefen Frieden hatte ich seit meiner Kindheit nicht mehr empfunden.

"Sie... sie müssen mir alles erzählen", flüsterte Romy und sah zu mir hoch.

"Ja. Das werde ich. Aber nicht jetzt. Ich brauche jetzt selbst erst ein wenig Zeit, das alles zu verdauen."

"Gut. Wir haben auch viel zu tun. Die Beerdigung und so." Sie löste sich von mir, mit einem verlegenen Lächeln, und wischt sich die Augenwinkel aus. "Sagen wir - heute in einer Woche? Nächsten Donnerstag? Hier, um dieselbe Uhrzeit?"

"Gerne." Ich lächelte sie an. Es war einfach, sie anzulächeln. Und zu mögen. Fast schade, dass sie nicht 20 Jahre jünger war. In dem Fall hätte ich durchaus...

"Uh?"

Ich blinzelte. Ihr Pupillen hatten sich geweitet. Sie wich ein wenig zurück.

"Äh - ich muss jetzt gehen", sagte ich hastig. "Bis nächste Woche also, Romy."

"Bis nächste Woche, Ralf."

Ihr Blick brannte in meinem Rücken, als ich den Weg zum Tor entlang stapfte. Ich schüttelte den Kopf und drückte den Öffner für mein Auto. Was war das denn gerade gewesen? Hatte sie ernsthaft gedacht, ich wollte sie anmachen? Ausgerechnet ich? Eine Frau, die wenig jünger war als meine eigene Mutter?

Und - war dieser Eindruck wirklich komplett falsch gewesen?

Das wurde langsam alles ein ganz klein wenig zu viel für mich. Aber eine Sache war klar: Beim Begräbnis der alten Delia würde ich dabei sein, egal ob eingeladen oder nicht.

Wenige Minuten später hielt ich vor meinem Haus und schälte mich aus dem Sitz, tief in Gedanken versunken.

"Hallo Ralf!"

Ich drehte mich um. Caro kam auf mich zu, von gegenüber. Sie schwenkte ein Amazon-Paket. Ah, richtig. Die drei Psycho-Bücher, die ich bestellt hatte. Jetzt wahrscheinlich überflüssig.

"Hi Caro", lächelte ich. "Entschuldigung, dass du schon wieder um meinen Kram kümmern musstest."

"Ist doch kein Problem. Das mache ich gerne. Sonst sieht man sich ja gar nicht mehr." Sie blinzelte mir zu. Hübsche Augen in einem warmen Braun. Kein Sturmblau, aber genauso strahlend.

"Das muss ja nicht so sein", hörte ich mich sagen. "Hättest du Lust, mal auf einen Kaffee vorbeizukommen?"

"Einen Kaffee?" Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. "Na klar! Ich würde mich sehr freuen."

"Abgemacht. Wie wäre es mit jetzt gleich?" Wie wunderbar, auf dieser Welle mitzugleiten, die mich gerade trug.

"Das geht leider nicht. Ich muss noch ins Büro. Aber - vielleicht morgen? Am Freitag? Da habe ich frei und bis jetzt nichts vor."

"Sehr gerne. Ich auch nicht."

Wir nickten und lächelten uns an. Sie trat vor und drückte mir das Päckchen in die Hand. Dabei sah sie zu mir hoch. Nicht viel, sie war nur wenig kleiner als ich. Eine geometrisch-physikalisch-ergonomisch perfekte Ausgangssituation für einen Kuss, berechnete der Ingenieur in meinem Kleinhirn automatisch. Sie hatte ein leichtes Parfum angelegt. Etwas Frisches, mit einem Hauch von... Orangen?

Ich küsste sie nicht. Doch mit Erstaunen wurde mir klar, dass ich das nicht aufgrund von Angst und Vorsicht und Minderwertigkeitsgefühlen unterließ. So, wie ich es bisher immer getan hätte. Sondern, weil ich spürte - nein: wusste, dass es ohnehin demnächst geschehen würde.

Zum Beispiel morgen, bei einem netten, gemeinsamen Kaffee.

Ja, sie fand mich interessant. Weil ich es wert war. Ich hatte das schönste Mädchen des Schulfestes gehabt, irgendwie. Ich würde auch sie bekommen. Fuck, ich würde alle Frauen kriegen, wenn ich nur wollte! Doch darum ging es witzigerweise gar nicht mehr. Das Bewusstsein, dass ich sie haben könnte, falls ich unbedingt wollte, genügte vollauf.

"Ich freue mich auf den Kaffee", sagte sie leise und trat zögernd zurück.

"Ich ebenfalls."

"Dann - bis morgen."

Sie schenkte mir ein letztes Strahlen und wandte sich um. Ihr hübscher, runder Po tanzte hin und her, als sie über die Straße schritt.

Ich sah ihr versonnen hinterher. Vielleicht war das alles nur ein Traum gewesen. Eine Ausgeburt meines kranken Hirns. Vielleicht war es überhaupt nicht möglich, die Vergangenheit zu ändern.

Fest stand jedenfalls, dass man die Zukunft gestalten konnte.

Ich zum Beispiel meine Zukunft.

"Danke, Delia", sagte ich und lachte in die klare Morgenluft.

***

ENDE

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