Bewährung (fm:Romantisch, 28291 Wörter) | ||
Autor: postpartem | ||
Veröffentlicht: Nov 17 2022 | Gesehen / Gelesen: 28230 / 20926 [74%] | Bewertung Geschichte: 9.81 (309 Stimmen) |
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"So... Frau Spengler. Geben Sie mir bitte noch ein paar Minuten, ich habe es nicht geschafft, Ihre Akte vollständig durchzulesen."
"Ich hab Zeit. Kommt Jochen nicht wieder?"
"Herr Schmitt wird nicht zurückkehren, hat er Ihnen das bei Ihrem letzten Besuch nicht erklärt?"
"Nein, beim letzten Termin war er schon krank, der ist ausgefallen. Ist es jetzt doch schon so schlimm?"
Ich betrachtete die junge Frau abschätzend. Das war kein geheucheltes Interesse. Sie hatten offenbar ein gutes Verhältnis gehabt, was allein schon die Vornamens-Basis dokumentierte.
Sein persönlicher Stil war mir immer ein wenig suspekt vorgekommen, aber die Anteilnahme, die von seinen bisherigen Probanden fast durchgängig kam, zeigte, wie beliebt er bei ihnen gewesen war.
"Ja, leider. Eigentlich geben wir diese Informationen nicht weiter, aber seine Erkrankung ist wirklich schwer. Sie werden ab jetzt mit mir zu tun haben, auf jeden Fall, bis ein neuer Kollege oder eine neue Kollegin zu uns stößt."
Auch Jochens Dokumentation war unkonventionell. Klar war aber, dass ihm diese Probandin besonders am Herzen gelegen hatte. Das ging aus seinen Notizen eindeutig hervor. Warum? Ein Fall wie hunderte andere.
Ladendiebstahl, Körperverletzung, seitdem sie sechzehn war. Diese Bewährungsstrafe war ihre letzte Chance gewesen. Bei der nächsten kleinen Geschichte würde sie garantiert einfahren. Das erste Jahr von dreien hatte sie allerdings gut überstanden.
Oder? Ich kannte Jochen gut genug, um aus seinen zum Teil stichwortartigen Notizen herauslesen zu können, dass er bei einer weiteren Geschichte vor einigen Monaten interveniert hatte. Was nun nicht direkt unsere Aufgabe war, aber in seltenen Fällen schon einmal vorkam.
"So. Wie sieht es denn jetzt bei Ihnen aus? Sie sollten sich einen Job und eine Wohnung suchen, soweit ich das ersehen kann. Hat sich da in der Zwischenzeit etwas getan?"
"Nicht wirklich."
Sie sah zu Boden. Ein hübsches junges Ding, wirkte total verunsichert und nervös. Beinahe schüchtern. Laut ihrem letzten Urteil mit erheblicher krimineller Energie. Schädlichen Neigungen. Waren da vielleicht Drogen im Spiel? Delikte der Art hatte sie nicht unter den Verurteilungen, aber wer weiß.
Wenn ich bloß mehr Zeit hätte, mich richtig in ihren Fall einzulesen und mich eingehender mit ihr zu beschäftigen. Wir waren schon vor Jochens Ausscheiden am Limit gewesen. Zumindest für die Übergangszeit bis zum Eintreffen des Ersatzes für ihn ging es mehr um Verwalten, denn wirklich Betreuen.
Sie seufzte leise und schaute mich zum ersten Mal direkt an.
"Hat Jochen nichts in die Akte geschrieben? Ich meine... er hatte mir angeboten, mir zu helfen. Ich... kriege das alleine nicht hin."
"Bei der Wohnungssuche? Nein, davon steht hier nichts. Die Adresse hier, ist das bei Ihren Eltern? Hoher Kamp 3?"
"Das ist die Adresse meiner Mutter. Aber da lebe ich schon lange nicht mehr."
"Das müssen Sie uns doch mitteilen. Wie ist die aktuelle?"
"Die wechselt ständig. Weil ich bei Freunden auf dem Sofa schlafe und so. Wenn ich einen Schlafplatz finde."
"Oje, das klingt nicht gut. Ich kann Ihnen ein paar Telefonnummern geben. Sie kriegen doch ALG 2? Ihr Sachbearbeiter dort kann Sie
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