Lucia und die Treppe (fm:Romantisch, 19568 Wörter)

Gen-Italien

Es war in der zweiten Woche. Ich wohnte dicht am Hafen in einer winzigen Bude. Jeden Tag musste ich diese wunderschöne Treppe hoch. Anstrengend, aber wenn man jung ist, ja kein Problem. Ich bog von der Hauptstraße zur Treppe ab. Da stand sie einige Stufen vor mir, hatte wohl gerade etwas in ihr Handy eingetippt und steckte es gerade weg. Sie setzte ihren Weg fort, so wie ich nach oben. Ich hätte sie wohl überholen können, aber ich tat es nicht. Zu schön war der Anblick. Über ihrem offenbar knackigen Po wölbte sich ein nahezu weißes Kleid. Ihre Beine waren frei, keine Strumpfhose. Das war hier in Italien und bei dem Wetter auch nicht üblich. Schöne Beine. Nicht zu dick, nicht zu dünn. Als Schuhe trug sie Sneakers. Das Kleid ließ ihre Arme frei. Auch die sahen wohlgeformt aus. Man sah den Nagellack. Rot. Rot wie die Liebe. Natürlich schwarze, lange, dicht gelockte Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz gebändigt hatte. Also eine typische Italienerin, die sexy Ausführung.

Ich ging jetzt hinter ihr, mal mehr, mal weniger weit weg. Natürlich versuchte ich dabei, einen Blick unter ihr Kleid zu erhaschen. Kurz genug erschien es mir, aber es gelang mir nicht. Ich versuchte es so unauffällig wie möglich zu machen. Sie schien nichts zu bemerken, schaute sich noch nicht mal um. Mein Handy piepte. Ich schaute kurz drauf. Nur eine SMS von meiner Schwester mit der Frage, wie es mir so gehe. Die könnte ich später beantworten. Sie hatte den größten Teil der Treppe hinter sich gebracht und blieb stehen. Sicher musste sie Luft schöpfen. Die Treppe kreuzte hier die Straße, die den Hügel halb umrundete, während der zweite Teil der Treppe noch nach weiter oben führte. Dort oben waren lauter Touristenläden. Ich musste hier aber nach rechts, zu meiner Arbeitsstelle. Ich wollte links von ihr vorbei gehen um von vorne einen Blick auf sie erhaschen, da drehte sie sich ruckartig um, und überflutete mich mit einem italienischem Redeschwall. Ihr Blick dabei verhieß nichts Gutes.

Ich war auch ein wenig entsetzt. Von ihrem Äußeren. Erst mal war sie bestimmt 10 oder 15 Jahre älter als ich, dann hatte sie ein pockennarbiges Gesicht und ihre Stimme war - na ja, gewöhnungsbedürftig. Ich konnte leider bisher nur wenige Brocken italienisch. Ich sagte daher einen der wenigen Sätze, die ich mir eingeprägt hatte "Non so parlare italiano". Nun änderte sie ihren Redeschwall in englisch. Eigentlich verstand ich ja englisch, aber die redete so schnell und aufgebracht, dass ich nur die Hälfte verstand. Ich reimte mir zusammen, dass sie mir vorwarf ihr unter das Kleid fotografiert zu haben. Merkwürdig, sie hatte doch nur nach vorne gesehen! "No, I didn't do that! Wirklich! Really"! "Ahh, Deutscher! Los, zeig mal dein Handy! Ich will die Fotos sehen"! "Da ist nichts"! Ich gab es ihr, sie öffnete die Galerie, die letzten Fotos waren die vom Ausflug letztes Wochenende. Also keine Gefahr. "Glück gehabt", sagte sie. "Wehe du folgst mir"! Sie ging jetzt die Treppe nach oben, ich nach rechts. Ich sah, dass sie mir noch einmal hinterher blickte. Ich ging dann zu meiner Arbeitsstelle. Ich ärgerte mich noch ein wenig über die Frau, vor allem dem Schreck den ich bekam über Aussehen und Stimme, aber am Abend hatte ich das schon wieder vergessen.

Am anderen Tag musste ich natürlich wieder die Treppe rauf. Ich schaute nach oben. Da oben, war sie das etwa? Aber schon war sie um die Ecke verschwunden. Gestern ging sie ja nach oben weiter, also konnte sie das nicht sein. Am Kreuzungspunkt angekommen, ging ich wie üblich nach rechts. Eine Mauer zog sich eine ganze Weile lang auf der rechten Seite, links waren die Häuser in der typisch italienischen Stapelbauweise. Es kam jetzt rechts eine Ausbuchtung der Mauer mit einigen kleinen Blumenrabatten. Auf einmal hörte ich "heute hab ich dich abgehängt"! Die Stimme kannte ich doch! Ich drehte mich um - da stand sie. Die von gestern. Was wollte die denn schon wieder! "Ich hab keine Fotos gemacht"! "Weiß ich ja. So'n starkes Tele hat deine Handycam sicher nicht". "Und was willst du dann von mir"? "Na mich entschuldigen. Friedensverhandlungen. Sondierungsgespräche". "Was willst du denn sondieren"? "Ob ich dich erfolgreich für heute Abend zu einem Essen einladen kann. Als Wiedergutmachung". "Ähhhhm, weiß nicht". "Kriegst du Ärger mit deiner Freundin"? "Nein. Hab keine. Im Moment". "Na dann. Worauf wartest du? Hast du Angst vor mir"? "Nöö". "Dann sei um 20 Uhr da unten am Fuß der Treppe. Aber nicht kneifen"! "Ok, mach ich". "Na dann, arrividerci"! Ich schaute ihr noch hinterher. Sie ging zur Treppenkreuzung und dann dort die Treppe hoch. Vermutlich arbeitete sie dort.

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