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Verschollen (fm:Romantisch, 9886 Wörter)

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Veröffentlicht: Sep 02 2024 Gesehen / Gelesen: 10789 / 9325 [86%] Bewertung Geschichte: 9.80 (365 Stimmen)
Nach einer Bruchlandung seines Wasserflugzeugs auf einem nordfinnischen See wird Bruno Altmann von einer mysteriösen Frau vor dem Tod durch Erfrieren gerettet und findet mit ihr die zweite Liebe seines Lebens.

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© JoeMo619 Dieser Text darf nur zum Eigengebrauch kopiert und nicht ohne die schriftliche Einwilligung des Autors anderweitig veröffentlicht werden. Zuwiderhandlungen ziehen strafrechtliche Verfolgung nach sich.

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glücklich wirst und Dein Leben meisterst. Ich werde immer bei Dir sein, wenn Du mich brauchst. Und wenn Du mich nicht brauchst, werde ich Dich glücklich beobachten."

Svenias letzter Wunsch ging so nicht in Erfüllung. Nach außen hin, sowohl im Geschäfts- als auch im Privatleben, war ich nach sechs Monaten wieder ein ganz normaler Mann in seinen Dreißigern, hatte meinen Freundeskreis, flirtete mit Frauen und genoss gute Gesellschaft. Ein paar flüchtige Liebeaffären, die mehr spannungsabbauende Sexabenteuer waren, genoss ich durchaus. Aber mein Herz und meine Seele blieben an Svenia gebunden.

Meine Anglerferien nahm ich ein Jahr nach Svenias Tod auf Einladung meines Vaters wieder auf und war erneut begeistert und erholt. "Ich bekomme hier oben meinen Kopf frei", hatte ich meinem Vater erklärt. "Wenn ich hier angeln gehe, fällt irgendwie einer Riesenlast von mir ab und ich fühle mich total befreit. Selbst wenn ich immer noch gern meine Svenia an meiner Seite hätte." Ich zuckte mit meinen Schultern. "Manchmal habe ich das Gefühl, sie sitzt neben mir im Boot oder am Ufer. Sie hat diesen Ort genauso geliebt wie ich."

Mein Vater antwortete (wie immer) sehr verständnisvoll.

In den letzten Jahren hatte sich bei mir auch aufgrund meiner beruflichen Belastung in unserem stark gewachsenen Tiefbauunternehmen eingebürgert, zweimal im Jahr nach Kirkenes zu fliegen. Im Frühjahr zumeist mit meinem Vater und dessen Freunden, die ich teilweise schon seit meiner Kindheit kannte; im Herbst dann zumeist nur mit meinen eigenen Freunden, die jedes Jahr mit großer Fröhlichkeit meine Einladung annahmen. Dabei hatte ich stets die Aufgabe übernommen, unser Haus winterfest zu machen, das Motorboot an Land zu ziehen und wintersicher im Bootshaus zu verstauen. Da wir unser Haus manchmal auch im tiefsten nordischen Winter als Feriendomizil nutzten, gehörte auch das Anlegen eines geziemenden Brennholzvorrats zu den Saisonabschlussaufgaben. Somit war der Herbstaufenthalt für mich meist ein paar Tage länger als für meine Freunde und dann ein echt körperlich fordernder Aktivurlaub.

Genauso war auch der Ablauf Anfang Oktober 2002. Hier oben im Norden war der Herbst untypisch warm. Einige mächtige Hurrikans hatten den vor unserer Haustüre auslaufenden Golfstrom anscheinend noch um wenige Grad mehr angeheizt, nur die schnell länger werdenden Nächte zeigten unweigerlich an, dass der Winter sich mit langen Schritten näherte. Meine Freunde waren eine Woche zuvor über den Landflughafen Kirkenes nach Deutschland zurückgeflogen, ich hatte für den 3. Oktober, den neuen Tag der deutschen Einheit, Jurii Salo, den uns gut bekannten Piloten aus Tornio, mit seiner einmotorigen Cessna gebucht. Jurii kannte den Norden Finnlands und Norwegens wie seine Hosentasche. Und auch diesmal landete Jurii sein Cessna Wasserflugzeug pünktlich um ein Uhr auf dem Langfjord, steuerte unseren Ableger an, an dem sonst unser Motorboot mit seinen beiden Außenbordmotoren festgemacht war und begrüßte mich wie seinen ältesten Freund.

Mein Gepäck war schnell verstaut, ich hatte nur eine zusammenlegbare Angel und das unmittelbare Zubehör in einem kleinen Kasten dabei, dazu hatte ich meine dickere Helly Hansen-Jacke und die gefütterten Jeans angezogen. Ich wusste, dass die Kabine der Cessna zu dieser Jahreszeit sich schon recht kühl anfühlen konnte. Ansonsten hatte ich nur meinen Rucksack mit ein paar Anziehsachen gepackt, die ich zuhause ausrangieren wollte.

Jurii legte vom Anleger ab, drehte die Maschine in Fjordmitte Richtung Süden und startete problemlos. Wie bei jedem Start mit einem Wasserflugzeug kam mir der alte Pilotenspruch in den Sinn, "das ein startendes Wasserflugzeug sich wie ein Opel Kadett anfühlt, der mit 60 km/h über einen frisch abgeernteten Kartoffelacker rast". Aber nach wenigen Augenblicken hörte das große Gerappel auf, die Cessna hatte den Kontakt zum Wasser verloren und steuerte in einer langgezogenen Rechtskurve in Richtung der absinkenden Nachmittagssonne. Eine halbe Stunde später hatte er mit ausreichendem Abstand die russische Gebietsspitze umflogen, die tief in den norwegisch-finnischen Grenzbereich hineinragte. Dann drehte er die Cessna Richtung Süden und erreichte eine Viertelstunde später die riesige, mit vielen kleinen Inseln gespickte Seenfläche des Inarijärvi.

Plötzlich fühlte ich, dass die Cessna langsam, aber stetig an Höhe verlor; Jurii begann, erst leise vor sich hinzufluchen, bis er sich zu mir umdrehte. "Ich habe vor zwei Wochen schon einmal ein Problem mit der Benzinleitung zur Einspritzpumpe gehabt. Ich dachte, das Problem wäre gelöst, aber es fühlt sich so an, dass es sicherer ist, ufernah hier auf dem Inarijärvi zu landen. Dann kann ich aussteigen und die Zuleitung reinigen. Ist eine Kleinigkeit." Er sah meine kritisch-besorgte Miene und beruhigte mich. "Wir sind nach 15 Minuten wieder in der Luft. Kein Problem."

Während Jurii seine Maschine in einer sanften Kurve nach unten drückte, meldete er der Flugkontrolle sein Problem und sein Vorhaben und meldete seinen beabsichtigten Landepunkt. Er bekam die übliche Bestätigungsmeldung, dann herrschte Ruhe im Funk. Meine Sorgen wurden jedoch aufgrund der jetzt hör- und fühlbaren Zündaussetzer des einzigen Flugmotor permanent größer und Jurii begann wieder zu fluchen. "Ich muss früher runter", rief er mir zu. "Ich will nicht, dass der Motor vollständig abstirbt."

In der Tat ging Jurii nun in einen sehr steilen Sinkflug, hielt Ausschau nach einem geeigneten ufernahen Landeplatz und rief mir dann schnell zu: "Hier geh ich runter, wird etwas rauh, also ziehe Deinen Gurt ganz stramm." 10 Sekunden später setzte die Cessna kontrolliert auf der Wasseroberfläche auf und startete den Bremsvorgang, als es urplötzlich einen knallharten Schlag am linken Schwimmer und an der linken Tragfläche gab, das Flugzeug wie von einer Riesenfaust gepackt um seine eigene Achse nach links schleuderte, der Flugzeugbug abtauchte und durch den ins Wasser eintauchenden Propeller mit einem Riesenplatsch zum Stehen kam. Durch die Schleuderbewegung schlug mein Kopf gegen die Flugzeuginnenwand, dann wurde es schwarz um mich herum und ich verlor das Bewusstsein.

Ich weiß nicht, wie lang ich bewusstlos in meinem Gurt hing. Jedenfalls hatte die Abenddämmerung bereits sichtbar eingesetzt. Vollkommen verwirrt schaute ich mich erst um, stellte fest, das meine Beine bis zum Unterschenkel im Wasser standen; mein rechte Schulter und meine rechte Hüfte taten höllisch weh, aber ansonsten schienen alle meine Gliedmaßen mehr oder weniger zu funktionieren. Lediglich an meinem Kopf hatte ich eine fühlbar große Beule, ich zuckte bei jeder Berührung schmerzhaft zusammen. Unsere Cessna war innen ein chaotischer Trümmerhaufen, die Nase des Flugzeugs war im Wasser versunken, das auch den Pilotensitz voll überspült hatte. Jurii hing vornüber in seinem Gurt und war ganz wenig, aber komplett im Wasser eingetaucht. Ich befreite mich erst selbst von meinem Sitz und griff dann Jurii unter seinen Oberkörper, um ihn aufzurichten. Ich merke sofort, dass er keinerlei Atemzüge mehr tätigte und keinen Pulsschlag mehr hatte. Er war tot.

Mit dieser schrecklichen Erkenntnis suchte ich endlich mein Nokia-Handy aus seiner Gürteltasche heraus. "Ich muss Hilfe holen", befahl ich mir selbst. "Schauen wir mal, wie die Notrufnummer in Finnland lautet." Aber der Druck auf den Einschaltknopf blieb ohne Reaktion. Das Nokia war anscheinend während meiner Ohnmachtsphase so nass geworden, das es seinen Dienst quittiert hatte.

Ich musste mich massiv zusammenreißen, um keine Panikattacke zu bekommen. "Du musst Dich erst einmal orientieren, solange es noch hell ist", rief ich mir stumm selbst zu. Dann kämpfte ich mich zur seitigen Einstiegstür, die vom Wasser unbedeckt frei nach oben ragte, stieß sie auf und stemmte mich in die Höhe.

"Och!" rief ich im ersten Moment aus. Die Cessna lag keine fünf Meter vom Seeufer entfernt. Dann begann ich wieder mein Selbstgespräch. "Und nun?"

"Gepäck bergen, an Land waten, Zeltplatz für die Nacht einrichten", kommandierte ich mir selbst. "Immerhin bist Du Ingenieur und hast eine komplette Bundeswehrausbildung im Gelände absolviert."

Von den zahlreichen früheren Flügen mit Jurii wusste ich zudem, dass sich in dem Frachtraum hinter den Passagiersitzen eine Notausrüstung befand, zu der ich mir mit einiger Gewalt Zugang verschaffte. Der Abstand zwischen dem havarierten Flugzeug und dem Ufer war wirklich kurz, ich konnte weitgehend auf dem abfallenden Ufergelände mit Bodenberührung waten und musste mich nur am Flugzeug mit einiger Mühe hochstemmen. Ich brauchte eineinhalb Stunden, um mein Gepäck, meine Anglerutensilien sowie die Notfallausrüstung ans Ufer zu bringen. Erfreulicherweise hatten wir fast Vollmond, der an diesem Abend von einem wolkenlosen Himmel ziemlich gutes Licht gab.

Während der ganzen Bergungsaktion herrschte in meinem Kopf ein gewaltiges Chaos. "Wir haben eine Notwasserung gemacht und sind dabei verunglückt", erzählte ich mir selbst. "Aber Jurii hat der Flugüberwachung unseren Landeplatz angegeben", bestätigte ich mir. "Das habe ich selbst gehört."

In der Zwischenzeit beschäftigte ich mich damit, die Plane des Notfallzeltes aus dem Flugzeug über ein kleines Stützgerüst zu legen und zu befestigen und darunter meinen Bundeswehrschlafsack, den ich aufgrund eines größeren Lochs mit auf die Heimreise genommen hatte auszurollen. Dann sammelte ich loses Reisig, trockenes Moos und kleine Äste zusammen, baute eine kleine Feuerstelle auf und zündete sie mit meinem Zippo-Feuerzeug an. "Wie gut, dass ich ab und zu Zigarillos rauche", machte ich mir selbst ein Kompliment, denn das Feuer kam erfreulich schnell in Gang. Ich musste meine Stiefel und meine Hose trocken, die nach der Bruchlandung eine unbekannt lange Zeit im Wasser gestanden hatten. Gott sei Dank hatte ich jeweils eine Ersatzhose und ein paar Boots im Gepäck, so das ich die nassen Sachen nicht am Körper trocknen musste.

Natürlich war ich nicht müde. Der Adrenalinpegel in meinem Blut war unverändert auf höchstem Niveau, mein Herz schlug immer noch schneller als normal, aber um mich herum herrschte tiefster Frieden. Der Vollmond spiegelte sich auf dem fast windstill flachen Wasser. Dank der fortgeschrittenen Jahreszeit gab es auch keine Mücken mehr, die mich zwei Monate zuvor sicherlich aufgefressen hätten. Ich saß auf einem umgestürzten Baumstamm, starrte auf die dunkle Wasserfläche und das halb aus dem Uferwasser herausragende Flugzeug. Am Himmel blinkte eine ungeheure Sternenpracht. Den jetzt erstmals spürbaren Hunger stillte ich mit den beiden Sandwiches, die ich mir für die Reise eingepackt hatte, Wasser zum Trinken hatte ich wahrhaftig mehr als genug.

Während ich so nachdenklich auf meinem Baumstamm saß, hatte ich das Gefühl nicht allein zu sein. In der Tat fühlte es sich an, dass sich eine warme, blonde Frauengestalt an mich schmiegte und damit wärmte. Sie hatte ihre Hand um meine Hüfte gelegt, ihr Kopf ruhte auf meiner Schulter und sie sprach ganz leise und beruhigend auf mich ein. "Du bist noch nicht dran, zu mir zu kommen", sprach die Frauengestalt. "Ich hatte Dir doch gesagt, dass Du Glück in einem neuen Leben suchen sollst. Jetzt werde ich auf Dich aufpassen, dass Du meine Wünsche auch erfüllst."

Ich fühlte mich wohl und glücklich und starrte weiter auf Wasserfläche hinaus. Als ich mich dann zu der Frau an meiner Seite umdrehte, war sie fort.

Spät in der Nacht kroch ich todmüde in meinen Schlafsack und schlief bis in den hellen Morgen wie ein Stein. "Sie werden sicher nach unserem Flugzeug suchen", ermunterte ich mich nach dem Erwachen. "Ich sollte für ein rauchiges Feuer sorgen, dass man aus der Luft erkennen kann." Gesagt, getan. Ich sammelte sowohl weiteres, trockenes Geäst als auch einige frische Baumabschnitte zusammen und startete mein Feuer neu. Eine halbe Stunde später brannte es lebhaft und erzeugte mit dem frischen Holz auch den gewünschten Rauch, der vom Ufer über den Sees hinauswaberte.

Dann suchte ich meine Angelutensilien zusammen. Schließlich wollte ich frühstücken. "Ich mag Fisch morgens, mittags und abends", bestätigte ich mir selbst. "Also fange ich mir erst einmal meine Mahlzeit." Ich war erfolgreich. Innerhalb von fünfzehn Minuten hatte ich drei ordentliche Fische an Land gezogen. Dies war ein hervorragender Standort für einen versierten Angler. Ich nahm die Fische aus, schuppte sie und grillte sie dann über dem Feuer. Dann verschlang ich sie mit einem gewissen Heißhunger, während ich mir die Unfallstelle unseres Flugzeuges in Ruhe anschaute.

"Es hat ja den ganzen linken Schwimmer und einen Teil der Tragfläche abgerissen", wunderte ich mich laut, nachdem ich die beiden bizarr verformten Flugzeugteile in etwa zwanzig Metern Entfernung im Uferwasser liegen sah. "Darum dieser heftige Schlag bei der Landung."

Ich überlegte mir meines nächsten Arbeitsplan. "Ich muss erst einmal Jurii bergen und provisorisch bestatten", dachte ich laut nach. "Ich kann ihn ja nicht in seinem Pilotensitz verfaulen lassen." Somit machte ich mich an die Arbeit, befreite äußerst mühsam meinen Pilotenfreund aus seiner Maschine, legte seine Leiche in eine natürliche Kuhle und suchte dann große Steine zusammen, mit denen ich ihn abdeckte. Währenddessen lauschte ich immer wieder nach Motorengeräuschen von Suchflugzeugen oder Hubschraubern, aber außer zwei Militärmaschinen in großer Flughöhe war nichts am Himmel zu entdecken.

Genauso wie dieser 4. Oktober vergingen die nächsten Tage. Ich versorgte mich, so gut es ging, mit reichlich Fisch aus dem See und diversen Beeren und Pilzen, die ich im unmittelbar angrenzenden Waldgebiet zusammensammelte. Ich hielt mein Feuer mit reichlich vorhandenem Trockenholz in Gang, nach drei Tagen hörte ich auf, dem Feuer Frischholz beizufügen, weil die Rauchfahne ohnehin nicht wahrgenommen wurde.

"Soll ich nun einfach in irgendeine Richtung losmarschieren und nach einer Straße oder Behausung suchen? Oder habe ich bessere Chancen auf eine Rettung, wenn ich hier bleibe und warte?" Diese Kernfragen stellte ich mir selbst, aber auch der Frau, die zur Abendstunde immer an meine Seite kam, mich tröstete und mir zuhörte. Einmal hatte ich sogar das Gefühl, dass die blonde Frau mir sogar einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn gab. Absolut surreal, aber ich konnte die Frau regelrecht spüren.

Mein Hauptproblem war, dass ich nicht wusste, ob ich mich auf einer der zahllosen großen wie kleinen Inseln im Inarijärvi oder an einem Festlandufer befand; die Inseln waren fast alle unbewohnt. Dann hätte meine suchende Wanderung keine Chance auf Erfolg, aber ich hätte den Platz verlassen, an dem man vielleicht das Flugzeugwrack finden würde. Die andere Alternative sah aber nicht viel besser aus. Wenn ich an diesem Ort weiter auf Hilfe warten würde, könnte ich mich sicherlich noch ein paar Wochen aus dem See ernähren. Aber die Winter kamen im Norden Finnlands schnell und waren früh so kalt, dass man keine Chance hatte, mit meiner Ausrüstung im Freien zu überleben. Erst recht nicht, wenn der See, wie in Lappland üblich, eine zehn bis fünfzehn Zentimeter dicke Eisschicht bekam, die jeglichen Anglererfolg unmöglich machte.

Ich blieb noch einen Tag am Ort meiner Bruchlandung. Und dann noch einen Tag, und noch einen Tag. "Meine Eltern und unsere Firma müssen doch mittlerweile Amok laufen, um die finnische Luftwaffe zu einer massiven Suchaktion aufzufordern", redete ich mir selbst ein, um wieder Mut zu fassen. Aber ich hörte keine Flugzeugmotoren und keinen Hubschrauber.

Nach meiner Zählung war dies der 20. Oktober, Tag 17 nach unserer Bruchlandung. Ich hatte die erste richtige Frostnacht in meinem Schlafsack unter meinem provisorischen Zelt verbracht. Im ufernahen Bereich hatte sich über Nacht eine erste, dünne Eisschicht gebildet, die mich zwang, meine Angel zum Frühstück weiter auszuwerfen.

Elf Tage später, am Reformationstag, hatte ich angefangen mit meinem Leben Frieden zu schließen. Realistischerweise hatten die Suchflugzeuge die Suche nach unserer Maschine und damit nach mir und Jurii aufgegeben. Unsere Cessna war bestimmt nicht das erste Kleinflugzeug, das in den seereichen Weiten des finnischen Nordens spurlos verschwunden war. Abstürze in Seen hinterließen durchaus keine Spuren, wenn der erste Aufschlag nicht zu gewaltsam war und das Flugzeug insgesamt intakt in den Fluten versank. Der Winter kam mit großen Schritten und ich wusste sehr genau, dass ich ihn in freier Wildbahn nicht überleben würde. Es war eigentlich nur noch die Frage, ob ich eher erfrieren oder verhungern würde. Ich rechnete aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines nächtlichen Frosttodes deutlich größer war als der Hungertod. Und ich musste mir eingestehen, das mir dies keine Angst machte. Die blonde Frau besuchte mich immer noch alle zwei bis drei Tage und tröstete mich. Dann, in der abendlich untergehenden Sonne des Reformationsfeiertages stand sie plötzlich auf, klatschte in ihre Hände und sagte laut und deutlich. "Ich muss was tun und ich werde was tun! Damit werde ich ein paar Tage beschäftigt sein." Dann war sie schlagartig fort.

Ich schüttelte mich und schaute mich um. Aber es war nichts zu sehen oder zu hören. Während ich in der untergehenden Sonne meinen auf dem Grill liegenden Fisch zuschaute und immer wieder über das unverändert am Ufer liegende Flugzeugwrack auf den See hinaus schaute, fiel mit das Ende von Theodor Fontanes letztem Roman, "Der Stechlin" ein. Und deshalb schüttelte ich mich plötzlich vollkommen ungläubig, denn plötzlich erhob sich vor meinen Augen aus der still daliegenden Seeoberfläche ein feuerroter Adler, seine Krallen in einen mächtigen Lachs gehauen und flog langsam, aber sicher hoch und in die Ferne. Als ich mich ein zweites Mal ungläubig schüttelte, war alles unverändert.

An diesem Abend fühlte ich bereits sehr früh, dass es sehr kalt werden würde. Aber ich hatte keine Angst vor dem Frost. Ich wusste, er würde mich in einen ewigen Schlaf sinken lassen. Vor meinem geistigen Auge flimmerte ein Film, in dem insbesondere die glückliche Augenblicke mit Svenia eine Hauptrolle spielten. Auch meine ersten Kinderreisen mit meinem verstorbenen Großvater und meinem Vater zum Angeln an den Langfjord bei Kirkenes kamen darin vor. Es war ein glücklicher Traum zum Eintauchen in den ewigen Schlaf. Und ich hatte keine Angst mehr.

Ich weiß nicht, wie lang mein ewiger Schlaf dauerte. Als ich in die typische Halbschlafphase nach einer langen Nacht auftauchte, war es ziemlich dunkel und erfreulich warm. Aus der Ferne hörte ich eine Frau in einer mir vertraut klingenden Sprache leise singen, aber ich verstand nicht, was sie sang. Ab uns zu hörte ich ein klapperndes, manchmal auch schepperndes Geräusch. "Ist das jetzt ein Vorraum zum Jenseits? Oder zur Hölle?" zuckte ein erster Gedanke durch meinen Kopf. Ich streckte mich auf meinem Lager aus. Es fühlte sich absolut ungewohnt an, wie ein Gemisch aus verschiedenartigen Fellen, aber die Decke, die mich warm hielt, war aus irgendeinem Stoff.

Ich tastete mit einer Hand an meinem Körper entlang. "Toll, fühlt sich nach wie vor wie mein Körper an", dachte ich. Dann drehte ich mich auf die rechte Seite und schlagartig durchfuhr mich ein stechender Schmerz in meiner rechten Schulter, so wie in den Wochen zuvor nach der Bruchlandung. Ich stöhnte auf und hörte erst mein eigenes Aufstöhnen.

Und dann leise Schritte, die sich schnell meinem Lager näherten. "Bist Du endlich aufgewacht?" fragte eine hell klingende Stimme. Die Frau beugte sich über mich und legte eine Hand auf meine Stirn. "Fühlt sich gut an", sagte sie noch.

"Ist das ein Engel?" war mein letzter Gedanke, dann versank ich wieder in die Tiefen des Schlafs.

Irgendwann in dieser Dunkelheit durchbrach mein Bewusstsein wieder die Halbschlafschwelle. Es fühlte sich irgendwie wie im Cockpit eines Flugzeuges oder eines Space Shuttle vor dem Start an. Ich durchlief geistig eine Checkliste, die zuerst meinen Körper betraf und sich dann auf meine unmittelbare Umgebung bezog. "Augenscheinlich bin ich nicht tot", zuckte es wie durch eine Betäubungsnebelwand durch meinen Kopf. Ich registrierte, dass ich anscheinend nackt auf einem Lager mit einer Vielzahl unterschiedlicher Felle lag, eine angenehm warme, aber nicht zu schwere Zudecke über mir, die eine Art Stoffbezug hatte. Und ich hörte neben mir leise Geräusche einer sehr ruhigen Atmung.

Ich drehte mich auf meine linke Seite, die selbst keine Schmerzsignale aussendete. Hingegen meldete sich sofort die nun nach oben gezogene rechte Schulter mit einem kurzen, stechenden Schmerz, der mich noch etwas wacher werden ließ. Ganz eindeutig, neben mir lag ein ebenfalls nackter Mensch, der ebenso auf seiner linken Seite lag, einen Arm unter ein kleines Kopfkissen gelegt hatte und seinen warmen Po ein wenig in meine Richtung ausgestreckt hatte. Nach wie vor im betäubten Halbschlaf dachte mein Kopf verwirrt darüber nach, wer denn hier sein Bettlager mit mir teilte. "Ist das der Engel von vorhin?" fragte ich mich, wobei ich die Zeitspanne des "vorhin" nicht definieren konnte. "Und warum liegt ein Engel mit mir im Bett? Wird man von ihm oder ihr abgeholt? So wie die Walküren die gefallenen Helden vom Schlachtfeld nach Walhalla abholen?" Meine unter der Bettdecke befindliche rechte Hand ging auf eine sehr vorsichtige Erkundungsreise und ertastete warme, nackte Haut. Meine Hand zuckte unwillkürlich zurück als dieser unbekannte Engel einen brummend-wohligen Laut von sich gab. Das war in diesem Augenblick genug der verwirrten Aufregung und ich versank langsam wieder in der schlafenden Dunkelheit. Bevor ich ganz versunken war, vernahm ich wie aus dem Nichts eine wohlvertraute weibliche Stimme., die nur einen kurzen Satz sprach: "Liebe sie, wie Du mich geliebt hast." Dann war die Stimme wieder fortgeflogen und ich eingeschlafen.

Als ich das nächste Mal aus Morpheus Armen erwachte, war es in dem Raum heller. Die von mir erst einmal mit "Engel" bezeichnete Frau kam gerade von draußen herein, zog sich ihre Mokassinstiefel aus, die normalerweise Samenfrauen trugen und stellte zwei Körbe mit Brennholz neben den großen Ofen. Zum ersten Mal war ich so wach, dass ich ihren Bewegungen folgen und sie mustern konnte. Mein "Engel" war groß, trug einen dicken, geflochtenen, hellbraunen Zopf. Ihre Figur war unter dem dicken Wollkleid nur zu erahnen, auch die unter dem Kleid getragene lederne Hose offenbarte ausschließlich eine beachtliche Beinlänge.

Mich auf meine Ellenbogen aufstützend, drückte ich meinen Oberkörper nach oben, was im Bett ein knarzendes Geräusch verursacht. Mein "Engel" drehte sich daraufhin um und kam sofort zu meinem Bett. Sie beugte sich ganz nah zu mir herunter und gab mit einen flüchtigen Kuss auf meine kleine Windpockennarbe zwischen meine Augenbrauen. "Das ist gut, Bruno", sagte sie leise, "Du wirst langsam wach." Sie streckte sich wieder in die Höhe und blickte zu mir herab. "Du musst ganz dringend etwas trinken. Und dann bekommst Du ein wenig Kraftbrühe, damit Du auch beginnst, von innen aufzuwärmen."

Allein von dieser Minibewegung war ich bereits wieder erschöpft und ließ mich wieder auf mein Bett zurücksinken. Aber ich war zumindest so wach, dass meine Blicke der Frau folgen konnten, die auf die gegenüberliegende Seite des großen Raums anscheinend zu einem Herd ging. Ich war in einem großen Vollholzhaus gelandet, dass - soweit sichtbar - aus einem einzigen, großen Wohn-, Ess-, Küchen- und Schlafraum bestand. Durch zwei relativ kleine Fenster schien helles Tageslicht in diesem Raum. An der Längsseite stand ein großer Ofen, der anscheinend alles beheizte.

Mein Engel kam mit einem Becher voll klaren Wassers zurück zu meinem Bett, dazu hatte sie in der anderen Hand eine tiefe Schale. "Kannst Du Dich wieder etwas aufrichten? Dann kann ich Dir zu trinken und zu essen geben."

Ich folgte ihrem Wunsch und setzte mich zum ersten Mal richtig auf. Meine rechte Schulter meldete sich dabei mit einem stechenden Schmerz, der aber sofort verschwand, als ich saß. Die ersten Schlucke klaren, kühlen Wassers wirkten wie eine innere Explosion. Ich konnte regelrecht spüren, wie die Miniwassermengen meine Speiseröhre hinab zu Magen liefen. Ein Gefühl, als ob eine Maschine nach langer Pause stotternd startete. "Uhhhhh", war mein erster Ausruf, dem ich sogleich einen zweiten Schluck Wassers folgen ließ.

"Langsam", kommandierte die Frau, die mir den Becher aus der Hand nahm und sich dann auf die Bettkante setzte. "Du hast tagelang nichts getrunken und noch länger nichts gegessen. Wir müssen ganz langsam anfangen, Deinen Magen und Deinen Bauch wieder in Betrieb zu nehmen." Die Frau reichte mir einen ersten Löffel mit einer Art Kraftbrühe, die angenehm warm, aber nicht zu heiß war. Der Effekt, den die die Speiseröhre herunterrinnende Brühe in meinem Körper auslöste, war noch heftiger als der erste Schluck Wasser. Ich hatte das Gefühl, dass ich eine Art flüssigen Heizstab verschluckt hatte."

"Wo bin ich?" fragte ich die Frau nach den ersten drei Löffeln Brühe. "Und wer bist Du?"

"Du bist in meinem Zuhause. Ich bin Ritva und habe Dich aus Deinem provisorischen Zeltlager hierher gebracht." Sie nickte ein paar Mal bestätigend vor sich hin. "Sonst wärst Du zu Tode gefroren."

Ich schüttelte vorsichtig mit meinem Kopf und ließ mich mit einem stöhnenden Ausruf auf das Bett zurücksinken. Zwei Fragen schossen mir durch den Kopf und ich sprach sie sofort aus. "Bist Du ein Engel? Und warum sprichst Du Deutsch?"

Ritva lachte, glasklar, laut und hell. "Ein sehr irdischer Engel, wenn überhaupt. Und Deutsch spreche ich mit Dir, weil ich in Deiner Jacke eines deutschen Reisepass gefunden habe, als ich Dich hier ausgezogen habe. Aber wir können gerne auch Finnisch, Sami oder Englisch miteinander reden."

"Nein, nein. Deutsch ist schön." Ich richtete mich noch einmal auf. "Kann ich noch einen Schluck Wasser und ein paar Löffel von der Brühe haben. Tut mir richtig gut. Ich habe das Gefühl, das von meinem Magen richtig Wärme ausströmt."

"Genau das soll es auch. Ich habe Dich nach allen Regeln der Kunst von außen wärmen können. Aber von innen ist jetzt genauso wichtig."

Ich bekam das Wasser und noch einmal drei Löffel von der Brühe. Dann beendete Ritva meine Fütterung. "Jetzt ist erst mal Schluss. Sonst wird Dir schlecht und Du musst Dich übergeben. Wir wollen aber, dass alles in Dir drin bleibt."

Sie nahm die Schale und den Becher und drückte mich sanft zurück aufs Lager. "Erhol Dich ein wenig. Ich bin immer für Dich da." Sie gab mir wieder einen Kuss auf die kleine Narbe auf meiner Stirn. Es wirkte unglaublich vertraut.

Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Mein Wachphasen nahmen zu, das sich langsam steigende Trinken und Ritva Kraftbrühe bauten mich in kleinen, aber spürbaren Schritten auf. Auch der erste Gang auf die naturgerechte Außentoilette bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt war ein Ereignis, insbesondere der torkelnde Gang auf wackligen Beinen war für mich eine deutliche Erinnerung an meinen nur langsam wieder besser werdenden Gesundheitszustand.

Eine Woche später saß ich nachmittags und abends immerhin mit an Ritva Esstisch, schaute ihr bei diversen Handarbeiten oder bei der Arbeit in der Küche zu. Ihr essbares Wiederaufbauprogramm für meinen Körper war nun von Kraftbrühe auf mindestens genauso nahrhafte Eintöpfe und Stews gewechselt. Ich fühlte regelrecht, wie langsam, aber sicher mein eingefrorener Körper mehr und mehr der Normalität entgegen strebte.

Ritva und ich redeten in den früh dunkel werdenden Abendstunden viel miteinander; wenn ich ehrlich bin, redete ich zumeist und sie hörte zu.

Natürlich bewegte mich massiv, wie und wann ich mit meiner Familie Kontakt aufnehmen könnte und wann ich in mein fränkisches Berufs- und Privatleben zurückkehren konnte.

"In den nächsten zwei Monaten kannst Du Dir eine Rückkehr abschminken", hatte Ritva mit schon Mitte November klar gemacht. "Du bist hier auf einer lang gezogenen Insel inmitten des Inarijärvi. Die Ufer auf beiden Seiten sind von einer dunklen Eisschicht umgeben, dazwischen ist eiskaltes Wasser, dass aber noch sechs Wochen braucht, um so zuzufrieren, das man sich gefahrlos darauf bewegen kann. Also von Anfang November bis Anfang Januar kommt man von hier weder mit Boot noch mit Schlitten oder Skiern aufs Festland." Sie zuckte mit ihren Schultern. "Ist im Frühjahr genauso, nur umgekehrt. Ich habe mich darauf eingestellt. Ich gehe sowieso höchstens zwei, drei Mal pro Jahr in die nächste Ortschaft, wenn ich ganz unverzichtbare Sachen einkaufen muss."

"Und wie kommst Du dahin?"

Ritva lachte. "Wenn freies Wasser da ist, mit dem Boot. Ich habe ein kleines Boot mit einem Außenbordmotor und ein großes Kanu mit Paddelantrieb. Und wenn ich im Winter los muss, laufe ich Ski. Etwa zehn Kilometer weiter südlich lebt ein altes finnisches Ehepaar auf ihrem Hof. Die haben einen genauso alten Land Rover, der aber noch nie versagt hat."

"Und wie kann ich meiner Familie Bescheid sagen, dass ich noch lebe?"

Das war wirklich meine große Sorge. "Gar nicht, mein lieber Bruno. Wir haben hier kein Telefon, weder stationär noch mobil. Mein Nokia ist hier absolut nutzlos, weil ich weder Strom zum aufladen noch irgendein Funknetz in erreichbarer Nähe habe." Sie strich mir mit einer Hand über meine Haare. "Du bist in einer abstürzenden Zeitmaschine einhundert Jahre zurück gereist. Und damit noch für mindestens sechs, vielleicht auch acht Wochen darauf angewiesen, das einfache, selbst verantwortliche Leben a la 1902 mit mir zu teilen."

Ich sackte zunächst emotional total zusammen, faselte davon, wie sehr meine Familie, meine Mitarbeiter, meine Freunde mich vermissen würden. "Die halten mich alle für tot!" rief ich plötzlich laut aus.

Ritva zuckte mit ihren Schultern. "Denen geht es nicht anders als den vielen deutschen oder auch finnischen Familien vor sechzig Jahren, die nicht wussten, wo ihre Söhne, Männer oder Väter waren und ob sie überhaupt noch leben würden. Ich glaube, die schlimmste Nachricht muss eine Vermisstennachricht gewesen sein. Teilweise mit einer vergeblichen Hoffnung auf eine Wiederkehr für den Rest eines Lebens."

Ich wurde sehr nachdenklich. Ritva hatte recht. So ähnlich muss es meiner von Kirkenes nach Franken evakuierten Großmutter gegangen sein, die meinen Großvater an der nordischen Front zurückließ und ihn dann für zwei Jahre nicht wiedersah. "Ich weiß gar nicht, wie lange meine Großmutter nach ihrer Abreise nichts von meinem Großvater gehört hat", grübelte ich laut. "Sie hat nie ein Wort über diese Zeit verloren."

"Siehst Du. Bei Dir wird es nicht so lange dauern. Und bis dahin bin ich für Dich da."

Ritva legte ihren Kopf leicht zur Seite und schaute mich richtig lieb an. "Du wirst Gefallen an dem einfachen, selbst verantwortlichen Leben hier finden, Bruno. Genauso wie ich."

"Wie lange lebst Du denn schon hier?"

"Im letzten Sommer waren es sechs Jahre."

"Und warum?"

"Oh", seufzte Ritva, "das ist eine sehr lange Geschichte, die ich Dir vielleicht einmal in Zukunft erzählen werde, wenn ich weiß, dass wir nicht nur eine flüchtige Kurzzeitbekanntschaft sind." Sie stand auf, holte den Wasserkessel von der gusseisernen Herdplatte und bereitete für uns beide einen Früchtetee aus selbst gesammelten Waldfrüchten zu. Sie reichte mir einen Becher. "Der beste Aufwärmer im abendlichen Spätherbst." Dann setzte sie sich wieder an den Tisch, so als ob sie die kurze Zubereitungszeit zum Nachdenken benötigt hatte. "Die Insel hier gehört komplett meiner Familie. Mein Urgroßvater hat die Insel und auch einen Teil der Waldes auf der Festlanduferseite gegenüber nach der finnischen Unabhängigkeit von Russland 1917 gekauft. Der war eigentlich Rechtsanwalt und zeitweise Bürgermeister in Rovaniemi, aber er liebte die Natur hier oben, da er familiär sowohl finnische als auch samische Wurzeln hatte. Dies Holzhaus ist in den 1930ger Jahren als Ferienhaus gebaut worden, die Männer in meiner Familie waren genauso wie in Deiner Familie begeisterte Angler und Jäger. Ich heiße offiziell Ritva Jahonen und trage damit denselben Namen wie meine Großmutter. Das war ganz einfach, weil dies Haus, die Insel und alle Flurstücke auf den der Festlandseite auf ihren Namen im Grundbuch eingetragen waren. Und ich habe alles vor ein paar Jahren geerbt und bin dann hierher gezogen.

"Hm." Ich dachte kurz nach, empfand es aber in diesem Moment als nicht angebracht, Ritva noch einmal nach dem Grund ihres einfachen, sehr altmodischen Exils auf ihrer Insel zu fragen.

Ich spürte, dass mein Körper bereits nach vier Stunden leichter Bewegung und geringfügiger helfender Tätigkeit ruhebedürftig war und zog mich wieder in das wahnsinnig gemütliche und wohlige Bett zurück. Ritva zog sich eine halbe Stunde später ebenfalls aus; zum ersten Mal war ich zu dieser Stunde noch so wach, dass ich sie dabei aus meiner Seitenlage beobachtete. "Eine wirklich klasse Frau", sagte ich stumm zu mir, während sie das Licht löschte und nur noch die Glut des Ofenfeuers ein wenig Restlicht gab. Dann huschte Ritva ebenfalls unter die Bettdecke, drehte mir ihre nackte Rückseite zu und schlief postwendend ein.

Die heimliche Beobachtung von Ritva abendlichem Striptease ließ auch mein letztes Körperteil, das bis dahin für Wochen total tatenlos schlaff an mir herab gehangen hatte, aktiv werden und mir ankündigen, dass ich langsam, aber sicher wieder ein normaler Mann geworden war. Mein bester Freund füllte sich mit Blut, wurde warm und stramm und reckte sich vorwitzig Ritvas verführerischen Poritze entgegen. Fast erschrocken zog ich meinen Unterleib bis an die Bettkante zurück, die mit der Außenwand abschloss. In dieser etwas verbogenen Haltung schlief ich dann letztendlich ein, hatte aber mindestens zwei heftig-erotische Träume, an die ich mich auch noch am kommenden Morgen erinnern konnte.

"Ich nehme an, dass Du kein Gefühl mehr für Kalender- und Wochentage hast", provozierte Ritva mich am darauffolgenden Nachmittag, als wir wieder am Esstisch Platz genommen hatten.

Ich nickte. "In der Tat. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren."

"Ging mir anfangs auch so, bis ich dann doch ein klein wenig Selbstdisziplin eingeführt habe. Darum kann ich Dir sagen, dass heute der ersten Adventssonntag ist." Sie lächelte mich hintergründig an. "Und da Du der erste Mensch bist, der an einem Adventssonntag Gast in meinem Zuhause ist, werde ich Dir heute Abend eine kleine Überraschung präsentieren." Mehr verriet Ritva den restlichen Abend nicht.

Es war schon tief am Abend, als Ritva aufstand, um den bequemen Esstisch, der unsere normale Sitzgelegenheit war, herumging und von hinten an mich herantrat. Dann tat sie etwas, was mich nachhaltig erschütterte. Sie griff von hinten an meinen Kopf, so dass ihre Hände meine Ohren bedeckten und küsste nacheinander meine beiden Augenbrauen und die kleine Narbe dazwischen. "Komm", sagte sie nur, aber ich war wie vom Hammer getroffen und vollständig erstarrt.

"Woher kennst Du diese Einladung?" brachte ich langsam hervor. "Ich dachte, die wäre einmalig!"

"Ist sie auch" Ritva lächelte mich sehr hintergründig an. "Komm! Dann erzähle ich Dir hinterher, woher ich dies weiß."

Ich war mehr als verwirrt. Aber diese Einladung konnte ich nach so langer Abstinenz unmöglich ausschlagen. Ich ließ mich an die Hand nehmen und zu unserem Bett führen, in dem wir jetzt rund einen Monat nackt nebeneinander verbracht hatten, ohne das etwas zwischen uns vorgefallen war. Jetzt war es anscheinend so weit, Ritvas Einladung war für mich absolut eindeutig.

Wenig später drückte mich Ritva auf den Fellen in die Rückenlage, nicht ohne vorher zwei Tücher quer über dem Bett ausgelegt zu haben. "Die Felle sind sehr schwer zu waschen", bemerkte sie nur. "Ich bin mir relativ sicher, dass Du mich heute zum Überlaufen bringst." Dann beugte sie sich zu meiner bereits erwartungsvoll halbsteif gewordenen Männlichkeit, zog meine Vorhaut voll zurück, küsste meine Schwanzspitze und nahm dann meine Eichel in den geöffneten Mund, während ihre Zunge permanent um mein bestes Stück herum züngelte. Sie hielt nicht inne, als ich mehr und mehr zu stöhnen begann und mit meinem Unterleib in rhythmische Bewegung verfiel. Im Gegenteil, Ritva spendierte mir einen perfekten Blowjob, wobei sie meinen Schwanz immer tiefer in ihrem Mund aufnahm. Dann lehnte sie ihren Kopf in den Nacken, ohne mein bestes Stück auf ihrem Mund zu entlassen und schob sich weiter vor. Meine Schwanzspitze fühlte die zunehmende Enge sofort, ich war in ihren Rachen vorgedrungen.

Ich hatte seit Monaten keinen Sex mehr mit einer Frau gehabt, geschweige denn einen Deep Throat Blowjob spendiert bekommen. Ich griff mit beiden Händen in Ritvas Haare und hielt ihren Kopf in dieser Lage fest. Dann explodierte ich mit einem lauten Urschrei, den man vermutlich weit außerhalb des Holzhauses hätte hören können und pumpte meine aufgestaute Ladung direkt in Ritvas Rachen und Schlund. Sie schluckte alles, nicht ein Tropfen ging daneben.

"Das hast Du aber bitter nötig gehabt", bekundete Ritva anerkennend als sie meinen halbsteif werdenden Schwanz aus ihrem Mund entließ, zu meinem Kopf herauf robbte und mir einem vollen Spermakuss gab. "Du sollst auch etwas abhaben."

"Wahnsinn", befand ich nur. "Einfach wahnsinnig schön." Sie hatte ihren Kopf auf meine linke Schulter und ein Bein halb auf meinen Bauch gelegt und kuschelte sich streichelnd an mich. Dann richtete sie sich auf, schwang sich breitbeinig über mich und senkte ihre Pussy auf meinen Mund herab. "Jetzt darfst Du mich von meinem jahrelange Zölibat befreien."

Ich griff mit beiden Armen um ihre Oberschenkel herum, zog unterhalb ihres kurz geschorenen, aber nicht weiter getrimmten Busches ihre äußeren Schamlippen auseinander und fand mühelos mit meiner Zunge und meinem Mund sowohl den Eingang zu ihrer Liebeshöhle als auch die vorwitzige hervorstehende, bereits prall erigierte und gut durchblutete Clit. In dieser Position hielt ich sie mit meinen Armen wie in einem Schraubstock fest, während Ritva zunehmend hektisch auf meinem Mund und meiner Zunge vor- und zurück rutschte. Sie wurde immer feuchter und als sie letztendlich ebenfalls lautstark zum Orgasmus kam, lief sie regelrecht aus. Ich bekam eine volle Liebessaftdusche, die sich über mein ganzes Gesicht und den in den letzten acht Wochen ansehnlich gewachsenen Bart verteilte.

Heftig atmend rutschte sie mit ihrem Unterleib nach unten und legte sich in voller Körperabdeckung auf mich. "Das habe ich in den vielen Stunden geträumt, in denen ich auf Dir gelegen und Deinen kalten mit meinem viel wärmeren Körper aufzuheizen versucht habe. Du warst wirklich verdammt kalt."

"Und Du hast mich auf diese Weise wieder aufgetaut?" staunte ich. "Und ich habe nicht weiter reagiert?"

"Nein, absolut nicht. Auch Deine Männlichkeit war eingefroren." Sie holte tief Luft. "Ich hatte schon befürchtet, zu spät gekommen zu sein."

"Wieso bist Du überhaupt zu meinem Notlagerplatz gekommen und hast mich hierher geholt?"

"Weil die blonde Frau am Reformationsabend hier vor der Tür gestanden hatte."

"Eine blonde Frau?"

"Ja. Ich hatte sie in meinem Leben noch nie gesehen. Ich wusste, wo Dein Lagerplatz an der Stelle des notgelandeten Flugzeug war. Und nun stand die Frau vor mir und sagte wortwörtlich: "Der Mann dort ist ein guter Mann. Er wird Dich lieben und Dir alle Loyalität schenken. Hole ihn Dir hierher, sonst erfriert er heute Nacht. Er ist es wert!"" Ritva holte tief Luft. "Also bin ich in dieser Vollmondnacht mit meinem Holzkarren zu Deinem provisorischen Zeltlager marschiert, habe Dich aus Deinem Schlafsack gepellt, auf den Karren verfrachtet und Dich hierher gebracht. War eine mörderische Arbeit, aber die glasklare Nacht und der Vollmond haben mir wahrhaftig genügend Licht gegeben." Ritva gab mir wieder den dreigeteilten Kuss auf meine Augenbrauen und die Narbe. "Die Frau hat mir noch dies Zeichen verraten. Du würdest es sofort erkennen."

"Und wie ich es erkenne! Das war immer Svenias Einladung, wenn sie Lust hatte, mit mir zu schlafen. Ich hielt es für einzigartig. Und Du erzählst mir hier, dass sie es Dir anvertraut hat? Unglaublich!"

Wir blieben sehr lange stumm, lagen mit unseren Körpern eng aneinander gepresst aufeinander und hörten uns gegenseitig beim Atmen zu. Dann stemmte sich Ritva auf ihren Unterarmen nach oben. "Die Frau, die vermutlich Deine Svenia war, hat mir noch mehr verraten. Und das setzen wir jetzt in die Tat um." Mit dieser Ankündigung richtete sie sich vollends auf und ging weiter südwärts in die Hocke. "Halt mich ein wenig fest, damit ich nicht umfalle, wenn ich Dich in mich aufnehme." Ich folgte ihrem Wunsch umgehend, umfasste Ritva mit beiden Händen direkt unterhalb ihrer Brüste während sie meinen wieder prall emporstehenden Schwanz in die richtige Position zwischen ihre immer noch feuchten Schamlippen brachte. Dann ließ sie sich langsam fallen, mein gutes Stück immer tiefer in sich aufnehmend bis sie mit ihrer Pussy auf mir aufsaß. Wir bewegten uns für eine ganze Zeit überhaupt nicht, lediglich meine stützenden Hände umfassten nun ihre Brüste und ich begann, mit Daumen und Zeigefingern ihre Brustwarzennippel zu behandeln.

"Deine Svenia hat mir auch gesagt, dass Du es liebst, wenn nur die Vaginalmuskeln Deinen in mir steckenden prallen Schwanz massieren. Dann würdest Du ganz verrückt werden."

Genau dieser Empfehlung folgte Ritva nun. "Grandios", murmelte ich laut, "das nenne ich Kunst." In der Tat beherrschte meine neue Geliebte dies hocherotische Spiel perfekt. Dann begann Ritva ganz langsam, mich zu reiten. Auf und ab, immer wieder am Anschlag verharrend und mit ihren inneren Muskeln massierend spielend.

Wir betrieben diesen Cowgirlritt mit Massageunterbrechungen sehr lange. Dank unseres gegenseitigen Eingangsorgasmuses hatten wir jetzt die Ruhe, die Geduld und die Standfestigkeit, dieses Liebesspiel voll auszukosten. Irgendwann aber erreichte Ritvas leidenschaftliche Ungeduld ihren Breakpoint und sie ging zügig in einen scharfen Galopp über, lehnte ihren Oberkörper mit ihren wippenden Brüsten voll auf meine Hände und Arme und wurde kontinuierlich schneller und lauter. Wir begannen, uns regelrecht anzufeuern, so wie wenn zwei heftig schwitzende, sich voll verausgabende Vollblüter auf der Zielgeraden dem Ziel entgegenstürmten. Unseren zweiten Orgasmus des Abends brüllten wir geradezu heraus, dann versteiften wir uns nahezu zeitgleich und ich pumpte anscheinend eine zweite Riesenladung diesmal tief in Ritvas Pussy. Erschöpft fiel Ritva nach vorn auf meinen Oberkörper, so dass es direkt platschte, und murmelte heftig atmend unverständliche Liebesworte in meine Ohr.

"Die blonde Frau hat nicht zu viel versprochen", war der erste zusammenhängende Satz, der auch mein wiederkehrendes Bewusstsein erreichte. "Du bist es wirklich wert, wieder ein warmer Mann zu sein!"

Die ganze dunkle Adventszeit war tagsüber mit viel harter, körperlicher Arbeit gekennzeichnet. Die Nachttemperaturen unterschritten die -20°C-Marke regelmäßig, auch tagsüber herrschte leichter Dauerfrost. Lediglich bei Schneefall war es wärmer. Als erfahrenem Angler hatte es Ritva mir überlassen, ein Anglerloch in das täglich dicker werdende Eis zu schlagen, dass ich jeden Morgen von neu gebildetem Eis freiklopfen musste.

"Ich glaube, ich hätte keine Chance gehabt, mich in meinem provisorischen Lager zu ernähren", sagte ich nachdenklich eines Abends, als Ritva den Tagesfang ausgesprochen schmackhaft gebraten und dazu ein erstaunlich süß schmeckendes Möhrenmus zubereitet hatte.

"Du wärst nicht verhungert, Bruno", entgegnete Ritva mit einem hintergründigen Lächeln. "Du wärst vorher erfroren, wenn Dich das tröstet." Sie beugte sich über den Tisch und gab mir einem Kuss. "Und wir beide hätten in diesem Leben viel verpasst."

Ritva hatte recht. Ich hatte mich ihrem einfachen, sich selbst versorgenden Lebensstil nahtlos angepasst, genoss fast jeden Abend ihre körperliche Nähe und ihre Leidenschaft und begann mir vorzustellen, mein Leben an diesem Ort und in Ritvas Gesellschaft fortzusetzen. Die Sehnsucht nach meinem ursprünglichen Leben und der anfangs so dringende Wunsch nach einer Heimkehr nach Franken wurden von Woche zu Woche kleiner.

Wir hatten bereits den Neujahrstag hinter uns - ein Ereignis, dass wir fast den kompletten Tag im Bett feierten und uns regelrecht austobten - als es zu Mittag in den zwei halbdunklen Stunden an der Tür unseres Holzhauses kräftig klopfte.

"Ritva, bist Du da?" fragte eine starke, laute Männerstimme.

Meine Geliebte sprang wie eine aufgezogene Feder auf, warf sich ihr Alltagskleid über den Kopf und lief die wenigen Schritte zur Tür, ein "Ich komme", genauso laut zurückrufend. Sie öffnete die Tür, vor der ein langer, aber gebeugter Mann stand. Er sah aus wie ein Same aus dem Bilderbuch.

Obwohl barfuß, machte Ritva zwei Schritte nach draußen, umarmte den alten Mann und küsste ihn. "Onkel Mika! Wie schön, Dich zu sehen."

Der alte Mann reagierte mit einer eigentümlichen Mischung von Grummeligkeit und Freude über die Begrüßung. "Schön, dass ich Dich augenscheinlich gesund und munter antreffe."

"Komm rein", lud Ritva ihn ein. "Ich mache einen heißen Tee für Dich."

"Danke", wehrte der alte Mann ab. "Ich habe nicht viel Zeit, bis es wieder stockdunkel wird." Er streifte den großen Rucksack von seinem Rücken und stellte ihn vor Ritva ab. "Deine Tante hat mir aufgetragen, Dir ein paar Notwendigkeiten zu bringen. Das Eis ist jetzt dick genug, um über den See zu laufen." Er lachte leise. "Und wie Du weißt, sind die Wünsche und Aufträge Deiner Tante für mich wie Befehle."

Er gab nun Ritva von sich einen Kuss. "Der ist von Deiner Tante. Das Eis trägt jetzt sicher. Komm mal bei Gelegenheit rüber und bring Deinen Schlitten mit. Bei uns liegt noch mehr Zeug für Dich."

Onkel Mika hatte während des kurzen Dialogs noch nicht einmal seine Langlaufskier abgeschnallt. Er hob seine Hand zum Abschiedsgruß und drehte bereits um. "Ich mache mich auf den schnellen Heimweg. Mach es gut!"

Mit diesen Worten war er so schnell verschwunden wie er gekommen war. Ich hatte noch nicht einmal die Gelegenheit bekommen, von Ritva vorgestellt zu werden und ihn selbst zu begrüßen. Das kurze Gespräch zwischen Onkel und Nichte hatte ich nur aus der Tiefe des Innenraums beobachtet und belauscht.

"Das war Onkel Mika", erläuterte mir Ritva, während sie den Rucksack auf den Esstisch wuchtete und begann, ihn auszupacken. Er war voller haltbarer Lebensmittel, Mehl, trockenes Gemüse wie Erbsen und Linsen sowie einige Packungen von Reis, Nudeln und Trockeneier; dazu Rosinen und andere Trockenfrüchte. "Mein Onkel und meine Tante versorgen mich regelmäßig mit Dingen, die ich hier nicht anbauen oder jagen kann. Zumindest, wenn wir mit dem Boot oder auf dem Eis mit Skier und Schlitten übersetzen können."

"Und wo wohnt Dein Onkel?"

"Auf der Festlandseite des Sees. Meine Großeltern haben ihren Besitz hier oben zwischen ihren beiden Töchtern geteilt. Mein Onkel war ursprünglich Förster im Staatsdienst und meine Tante arbeitete im Bürgermeisteramt. Sie sind aus dem Dienst ausgeschieden und leben seither hier auf einem deutlich modernisierten Hof und züchten ganz traditionell Rentiere, gehen beide auf die Jagd und genießen das Leben. Sie haben keine Kinder und betrachten deshalb meine Schwester und mich wie ihre eigenen." Zum ersten Mal erzählte Ritva etwas Privates von sich und ihrer Familie. Ich hatte sie in den zwei Monaten, die ich in ihrem Haus zu Gast war, gut kennengelernt, wusste, dass sie Medizin studiert und in Deutschland als Ärztin gearbeitet hatte. Dann hatte sie nach eigenen Worten einen totalen Zusammenbruch gehabt, alles zurückgelassen und war in die nordfinnische Einsamkeit geflüchtet.

Der Besuch von Onkel Mika hatte jedoch etwas anderes in mir ausgelöst. "Dein Onkel hatte gesagt, dass Du mit einem Schlitten zu ihnen kommen sollst, um mehr Sachen für Dich abzuholen", sprach ich Ritva zwei Abende später auf den überraschenden Besuch an. "Kann ich Dich dabei begleiten?"

Ritva schaute mich fragend an. Ich konnte zu meiner Überraschung in ihren Augen eine mir unbekannte Unsicherheit erkennen. "Warum?"

"Ich nehme an, Dein Onkel hat auf seinem Hof Strom und ein Telefon."

"Ja." Ritva nickte nachdenklich. Dann schaute sie mir frontal in die Augen. "Und Du willst das Telefon nutzen, um Deiner Familie und der Welt die unglaubliche Nachricht übermitteln, dass Bruno Altmann eine Bruchlandung seines Flugzeugs sowie drei Monate im tiefen Winter Nord-Finnlands überlebt hat." Jetzt nickte sie deutlich. "Willst Du nur auf die Frontseite der Bild-Zeitung? Oder auch ins Fernsehen?" Sie atmete zweimal tief und heftig durch. "Wieviel Geld bekommst Du für die Story, dass Du von einer einsam lebenden Frau gerettet worden bist?"

Ich war total überrascht über Ritvas schroffe Reaktion. Bevor ich irgendetwas antworten konnte, war sie aufgestanden und zu einem kleinen Schränkchen gegangen, in dem sie ihre persönlichen Dinge aufbewahrte. Sie holte etwas hervor, das wie eine Zeitung aussah und setzte sich wieder zu mir an den Tisch.

"Bevor Du mit irgendjemandem in Deutschland über Deine Monate in Verschollenheit und die wundersame Frau sprichst, die Dich aufgrund eines Geistes gerettet hat, musst Du die Wahrheit über mich erfahren." Sie breitete ein etwa sechs Jahre altes Titelblatt der Bild-Zeitung aus, auf dem in den typisch dicken Letten stand:

"Die unheimliche Frau Dr. Tod."

"Ich bin diese so genannte Frau Dr. Tod." Ritvas Stimme klang total verändert. 'Kampfbereit' hätte man ihren Tonfall beschreiben können. Ich wollte mir bereits die Bild-Zeitung über den Tisch ziehen, als Ritva mich daran hinderte. "Ich erzähle meine Geschichte besser in Wahrheit als mit den Worten dieser Zeitung." Damit stand sie auf und ging zum Herd. "Vorher mache ich uns einen heißen Tee. Ich vermute, unsere Unterhaltung wird länger dauern."

Ein paar Minuten herrschte eine schwebende Stille in dem großen, nicht geteilten Zimmer. Ich wagte es nicht, mir die Zeitung über den Tisch zu ziehen, eine schroffe Reaktion Ritvas vorhersehend. Insofern starrte ich nur auf Entfernung auf das Titelblatt, erkannte ein kleines Foto, dass wie Ritva mit pechschwarzen und nicht hellbraunen Haaren aussah und konnte einen Namen der Bildunterschrift lesen: "Frau Dr. Ronja Wickert"

Ritva stellte die beiden Becher mit ihrem wohlschmeckenden Früchtetee und ein Glas ihres eigenen Honigs auf den Tisch. Sie rührte eine Löffelspitze davon in ihren Tee, dann reichte sie mir den Löffel.

"Wie Du sehen kannst, hat mir die Bild-Zeitung vor etwas mehr als sechs Jahren einen reißerischen Extranamen gegeben." Ich nickte vorsichtig, um zu erkennen zu geben, dass ich die Frontseite von Deutschlands größter Boulevardzeitung zur Genüge studiert hatte. "Ich bin also Frau Dr. Tod, öffentlich vorverurteilt und an den publizistischen Pranger gestellt für Verbrachen, die ich nicht begangen habe."

"Was ist denn da passiert?"

"Ich habe als Stationsärztin auf einer geriatrischen Abteilung eines großen Krankenhauses in Hannover gearbeitet. Daneben habe ich die ärztliche Betreuung von schwerkranken und sterbenden Patienten in einem Hospiz wahrgenommen, das direkt mit dem Krankenhaus verbunden war. Dort habe ich einer Krankenschwester ermöglicht, unheilbar schwer an Krebs erkrankten Menschen, die unbedingt sterben wollten, aber aufgrund der Konstitution ihres restlichen Körpers nicht wunschgemäß sterben konnten, Beihilfe zu leisten, um ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Eine Familie von sehr zerstrittenen Erben hat dann eine Obduktion eines Verstorbenen verlangt, bei der eine ungewöhnliche Menge eines Medikamentes in seinem Blut festgestellt wurde. Das hat den ganzen Fall ins Rollen gebracht. Letztlich hat diese Krankenschwester in ihrer polizeilichen Aussage angegeben, dass ihre Handlungen mit mir abgestimmt und von mir gedeckt worden seien. Ich habe zwei Wochen unter den abscheulichsten Bedingungen in Untersuchungshaft verbracht, während die Bild-Zeitung diese Ausgabe auf den Markt gebracht hat. Ich bin dann auf Kaution frei gekommen, was meine ganzen Ersparnisse aufgebraucht hat, mit denen ich eine Eigentumswohnung kaufen wollte." Ritva nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Teetasse. "Mit dieser öffentlichen Vorverurteilung gab ich mir keine Chance auf ein sachliches und faires Gerichtsverfahren. Selbst mein Anwalt riet mir zu einem umfassenden Geständnis, auch für Dinge, die ich gar nicht begangen hatte. Die Idee meiner Flucht und meines Untertauchens ist in einem Gespräch mit meiner Mutter entstanden, der dieses Land und dieser Besitz gehört. Sie hat dann dafür gesorgt, dass ich von meiner Tante mit finnischen Originalpapieren auf den Namen meiner Großmutter ausgestattet wurde. Damit bin ich spurlos abgetaucht, vollständig abgetaucht. Mit Ausnahme meiner Eltern, meiner Tante und meinem Onkel weiß niemand, wo ich mich aufhalte und wer ich bin. Und die deutschen Behörden wissen nicht, ob ich überhaupt noch lebe. Meine Eltern haben jedenfalls eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgegeben, um Dr. Ronja Wickert nach der gesetzlichen Sperrfrist für tot erklären zu lassen."

Ritva beugte sich vor und schaute mir wieder direkt in die Augen. "Und deshalb habe ich Dich nie gesehen, geschweige denn gerettet. Du hast Dich nach Deiner Bruchlandung in ein Ferienhaus gerettet, in dem Du genügend Vorräte zum Überleben vorgefunden hast. Und als diese Vorräte zu Ende gingen, hast Du Dich in Marsch gesetzt, um Rettung zu finden." Ritva klopfte zur Bekräftigung ihrer Aussage auf den Tisch. "Deshalb wirst Du auch nicht von meinem Onkel aus anrufen. Ich lade bei meinem Onkel mein Nokia-Handy auf, setzte eine neue Pre-Paid-Karte ein und fahre Dich dann mit dem Land Rover in die nächstgrößere Stadt. Von dort kannst Du dann anrufen und alles weitere für Dich veranlassen. Klar?"

Ich hatte verstanden. Alles. Und deshalb war ich sehr nachdenklich geworden. "Gib mir mal ein paar Minuten, damit ich nachdenken kann." Dann nahm ich mir meinen Überhang, den mir Ritva nach samischem Vorbild genäht hatte, und ging vor die Tür. "Klare Luft hilft für klare Gedanken."

Ich stapfte die wenige Meter vom Haus zum Seeufer, an dem ich normalerweise mein Anglerloch frei schlug. Dann blickte ich nahezu regungslos über die weite, teilweise blank gewehte Eisfläche, die sich vor mir ausbreitete und auf der sich der Mond spiegelte. "Es ist schön hier", sprach ich wie ein Hypnotiseur zu mir selbst.

Plötzlich stand Svenia in all ihrer unberührbaren Schönheit neben mir. Ich hatte das Gefühl, dass sie meine Hand in ihre Hand nahm, ganz zart und warm. "Und Du hast eine Frau gefunden, die Dich von ganzem Herzen liebt und die Du von ganzem Herzen liebst. Tue das Richtige."

Dann war sie wieder verschwunden und ich hatte das Gefühl, dass eine zentnerschwere Last von meinen Schultern fiel. Ich machte kehrt und ging zum Haus zurück.

"Du wirst lachen, aber ich habe am See mit Svenia gesprochen und sie hat mir einen klaren Ratschlag gegeben", berichtete ich, als ich mich wieder zu Ritva an den Tisch setzte und ihre Hand ergriff.

"Da gibt es nichts zu lachen. Sie ist allgegenwärtig und greift ein, wenn sie meint, das es notwendig ist. Ich glaube, Svenia ist so etwas wie ein 'Guardian Angel'." Ritva lachte leise. "Auch wenn mir bis zu ihrer Erscheinung noch nie einer begegnet ist.

"Es gibt sehr viel zu regeln", ergriff ich wieder das Wort. "Ich möchte nicht für meine Eltern und meinen Bruder tot sein. Sie sollen wissen, dass ich wie durch ein Wunder überlebt habe. Aber sie sollen auch wissen, dass diese zwei Monate mich nachhaltig verändert haben." Ich holte tief Luft. "Wir müssen uns eine detaillierte und wasserdichte Story ausdenken. Denn irgendwann wird man das am Ufer liegende, zerstörte Flugboot und daneben das provisorische Grab des Piloten finden. Die Ferienhausidee ist gut. Und dies Ferienhaus ist hier gehört Ritva Jahonen, die mich gefunden hat, als sie nach Neujahr zum ersten Mal in ihr Ferienhaus kam. Machen meine Familie und ich mit unserem Ferienhaus in Kirkenes auch. Ich werde diese Geschichte ausschließlich meiner engsten Familie und zwangsweise den deutschen wie finnischen Behörden erzählen, werde sie zur Absturzstelle führen. Und ich werde von allen verlangen, keine Informationen an die Presse zu geben."

Jetzt holte ich erneut tief Luft, stand auf, ging um den Tisch herum, stellte mich hinter Ritva, beugte mich vor und küsste sie auf beiden Augenbrauen und den Raum dazwischen, der bei ihr keine Windpockennarbe hatte. "Ritva Jahonen, ich will zur Dir so schnell wie möglich zurückkehren und den Rest meines Lebens an Deiner Seite verbringen. Ich habe nur meinen alten Ehering bei mir, den ich als Andenken an Svenia immer bei mir trage. Und Svenia hat mir angeraten, Dich um die Ehe mit mir zu bitten. Ritva Jahonen, willst Du meine Frau werden?"

Ritva legte ihren Kopf weiter in den Nacken, zog meinen Kopf zu sich herab und erwiderte die drei Küsse auf meiner Stirn. "Ja", war ihr einziges Wort, dann küsste sie mich auf den Mund.

Wir nahmen uns drei Tage Zeit, meine Rettungsstory wasserdicht zu formulieren. Wir waren uns nicht sicher, dass auf irgendeinem Weg meine Rückkehr ins 'normale' Leben der Presse bekannt würde. Zudem würde es in Finnland zwangsweise ein offizielles Verfahren aufgrund der für den Piloten tödlichen Bruchlandung geben, das sich überhaupt nicht vor der Presse geheim halten ließ.

"Ich muss dann sicherheitshalber für ein, zwei Wochen bei meiner Tante zu Gast sein", überlegte Ritva laut. "Da sie und mein Onkel meine ganze Geschichte im Detail kennen, wird das sicherlich kein Problem sein."

Diesen Plan setzten wir Mitte Januar in die Tat um. Ritva fuhr mich mit dem Land Rover ihres Onkels nach Törmänen, von wo ich meine Eltern in Lauf anrief. Die ungläubige und dann hochemotionale Reaktion meiner Mutter und meines Vaters kann sich vermutlich jeder vorstellen. Zwei Tage später trat ich vom Flughafen in Törmänen die Rückreise nach Deutschland an.

Es waren turbulente vier Wochen in Deutschland. Meine Eigentumswohnung in Lauf empfing mich nahezu unberührt, meine Familie hatte in der Tat die Hoffnung auf eine erfolgreiche Rückkehr nicht aufgegeben. Ansonsten stellte ich bereits am ersten Tag fest, dass dies nicht mehr mein Lebensmittelpunkt sein konnte. So setzte ich mich mit meinem Vater und meinem Bruder zusammen, um mein Ausscheiden aus der Firma zu verhandeln und meine Zelte in Lauf abzubrechen.

Wie vorbereitet hatte sich Ritva für eine Übergangszeit bei ihrem Onkel und ihrer Tante einquartiert. Die finnische Polizei hatte die Insel mittlerweile per Hubschrauber erreicht, das im Ufereis fest eingefrorene Flugzeug inspiziert und die Leiche des Piloten an der von mir in meiner Zeugenaussage bezeichneten Stelle geborgen. Die Bergung des Flugzeuges sollte im Frühjahr erfolgen, wenn der See wieder eisfrei aufgetaut war.

Zwei Wochen später erreichte ich das nun spätwinterliche Nord-Finnland und konnte Ritva in meine Arme nehmen. Sie hatte ihrem Onkel und ihrer Tante, die ihr bei ihrem Abtauchen entscheidend geholfen hatten, die ganze Geschichte erzählt.

"Machen Sie unsere Ritva glücklich", hatten mir beide mit auf den Weg gegeben, als wir im Frühjahr den jetzt eisfreien Inarijärvi mit dem Boot überquerten, um unser einfaches Holzhaus wieder zu beziehen. Wir hatten drei Tage härteste Arbeit zu verrichten, um es wieder in Betrieb zu nehmen und gemütlich zu machen. Dann tobten sich Ritva und ich über mehrere Stunden in unserem Bett miteinander aus, bis wir erschöpft eng umschlungen einschliefen.

Dieser Heimkehr-Dauer-Fick hatte ungeplante Folgen - neun Monate später kam unsere Tochter Svenia zu Welt. Sie war blond und blauäugig.

Nachwort: Die Idee zu dieser Geschichte verdanke ich "Ronde", einem amerikanischem Autor auf Literotica, dessen Geschichten ich jedem Leser empfehlen kann, der einigermaßen Englisch spricht. Sie lief wie ein Film in meinem Kopf ab, so dass ich nur drei Tage brauchte, sie aufzuschreiben. Viel Spaß beim Lesen, bewerten und kommentieren.



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