Lexies sexuelle Erweckung - Ein nicht nur erotisches Tagebuch - (Teil 3) (fm:Romantisch, 16463 Wörter) [3/7] alle Teile anzeigen | ||
Autor: MichaL | ||
Veröffentlicht: Sep 27 2024 | Gesehen / Gelesen: 2693 / 2160 [80%] | Bewertung Teil: 9.42 (38 Stimmen) |
Die Bundeswehr gab sich reichlich Mühe, den Zeitpunkt bis zu Lexies "erstem Mal" immer weiter hinaus zu zögern. Es war wirklich zum Verzweifeln! |
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rechnete Lexie bereits fest damit, dass nun der Moment gekommen wäre, an dem sie ihre Unschuld verlieren würde. Nachdem sie ihre jugendliche Neugierde befriedigt und mit ihren begnadeten Händen zum ersten Mal mein Sperma zutage befördert hatte, verzehrte sie sich geradezu danach, eine solche Eruption nun auch in der Tiefe ihres Schoßes erleben zu dürfen.
Ihre Enttäuschung konnte ich ihr regelrecht ansehen, als ich ihr, breitbeinig über ihr kauernd gestand, dass ich noch nicht dazu bereit wäre. Mein bereits wieder voll erigierter Penis sprach eine völlig andere Sprache und so konnte sie es überhaupt nicht verstehen, dass ich es ihr nun vorenthalten wollte, diesen tief in sich spüren zu dürfen. Als ich ihr jedoch erklärte, dass meine Zurückhaltung überhaupt nicht an ihr läge, sondern dass ich mir für unser erstes Mal einfach nur eine schönere Umgebung wünschte, und sie nicht gern in ihrem quietschenden Jugendbett, sondern lieber in einer romantischeren Atmosphäre entjungfern wollte, hatte sie Tränen der Rührung in den Augen.
Als ich mich zu ihr herab beugte, um ihre Tränen von ihren Augen zu küssen, legte sie mir beide Arme um den Hals. Schnell fanden sich unsere Lippen, gefolgt von unseren Zungen, die mit einem gefühlvollen Tanz die Vereinigung vollzogen, die wir unseren Körpern noch verwehrten. Nachdem wir uns bereits mehrere Minuten geküsst hatten, löste Lexie ihren Griff um meinen Nacken und wanderte mit ihren Händen an meinem Oberkörper herab, bis sie erneut meine Männlichkeit mit ihren zarten Fingern umschloss. Diesmal würde sie sich von mir nicht wieder daran hindern lassen, mir erneut mein Sperma zu entlocken.
Um meinen Lungen bei meiner beschleunigten Atmung ausreichend Sauerstoff zuführen zu können, musste ich den Kuss unterbrechen. Ich richtete ich mich auf und blickte auf Lexies Hände herab. Der Anblick ihrer flinken Finger, die immer wieder über meinen über ihren Brüsten schwebenden Penis huschten, während sie mit den Fingern ihrer anderen Hand zärtlich mit meinen Hoden spielte, raubte mir fast den Verstand!
In gespannter Erwartung blickte auch Lexie auf das, was sie in ihrer Hand hielt. Es war offensichtlich, dass sie es sich nicht entgehen lassen wollte, meinen nächsten Orgasmus wieder aus allernächster Nähe beobachten zu können. Es steigerte meine eigene Lust ins Unermessliche, Lexies jugendliche Neugier beobachten zu können, und so packte ich ein Kopfkissen und schob es ihr unter ihren Kopf, um sie hierbei zu unterstützen. Dankbar schaute sie zu mir auf und fing für einen Moment meinen sicherlich vor Lust entstellten Blick ein, ehe sie ihrer Handarbeit wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmete.
Immer wieder huschten Lexies Finger über meine Eichel und verteilten meine ausgetretenen Lusttropfen über meine sensible Schwanzspitze, wobei sie inzwischen nicht mehr so vorsichtig war, wie beim ersten Mal. Damit ihre Finger noch besser über mich hinweg gleiten konnten, leckte sie sich über ihre Hand und packte nun richtig zu, so dass meine Erektion wie in einem feuchten Schraubstock gefangen, gut geschmiert durch ihre Hand glitt. Dies war nun eindeutig mehr, als ich aushalten konnte. Alles hätte ich dafür gegeben, das Gefühl noch länger auskosten zu können, aber der Zündfunke war bereits an die Lunte gelegt und diese brannte nun in rasender Geschwindigkeit herunter. Schon Augenblicke später sah ich, wie mein Sperma aus meiner Harnröhre hinaus geschossen kam. Diesmal traf der größte Teil Lexie voll im Gesicht und unter dem Kinn, während sich der nicht unbeachtliche Rest über ihre Brüste ergoss. Keine Ahnung, wie ich wieder eine derartige Menge ejakulieren konnte, wo doch mein letzter Orgasmus noch nicht allzu lang zurück lag. Auf jeden Fall war der Anblick von Lexies vollgespritztem Gesicht und Oberkörper ziemlich geil, was ich ihr auch sagte. Neugierig geworden, wollte sie unbedingt sofort unter mir hervor kriechen, um sich selbst im Spiegel betrachten zu können.
Vor dem Spiegel stehend, ließ sie den Anblick der Bescherung auf sich wirken, die ich, bzw. sie mit mir angerichtet hatte. Fast wäre mein Sperma von ihrem Kinn herab auf den Boden getropft, Lexie entdeckte dies jedoch rechtzeitig, fing es auf und verrieb es auf ihren Brüsten. Auch die dicken Klumpen, die in ihrem Gesicht hingen, verteilte sie gleichmäßig auf ihrer Haut, während sie mich über den Spiegel beobachtete, wie ich ihr hierbei ungläubig zusah. Am Ende hatte sie mein klebriges Erbgut über ihr gesamtes Gesicht und ihren halben Oberkörper verteilt, so dass dieser im Licht der kleinen Kerze, die langsam auf ihrem Sideboard herunter brannte, regelrecht glänzte.
"Komm, lass uns duschen gehen!", forderte mich Lexie auf, nahm mich bei der Hand, öffnete ihre Tür und zog mich in Richtung Dusche. Die Gefahr, dass wir in unserem Zustand ihrer Mutter unter die Augen geraten könnten, störte sie anscheinend überhaupt nicht.
Lexies eingeseiften Körper unter meinen Händen zu spüren, war ein völlig neues Erlebnis für mich. Dies hatte zur Folge, dass ich zu Lexies großer Freude bereits nach wenigen Augenblicken wieder steif wurde. Sie nahm sich eine besonders große Menge Duschlotion in die Hand und drehte das Wasser ab, damit nicht alles wieder weggespült wurde. Geschmeidig legten sich ihre kühl benetzten Finger um meinen Penis, über den sie die Lotion gleichmäßig verteilte. Immer wieder tauchten ihre Finger zwischen meinen Beinen hindurch und benetzten auch meine Hoden und die Kerbe zwischen meinen Arschbacken mit der duftenden Seife. Hierbei immer wieder einen ihrer flinken Finger zu fühlen, der absichtslos über meinen Anus hinweg glitt, trug entscheidend dazu bei, dass ich binnen weniger Minuten wieder abschussbereit war.
Natürlich tat ich es ihr gleich und ließ, während sie mich immer näher an meinen dritten Orgasmus führte, eine meiner eingeschäumten Hände über ihre weichen Schamlippen und ihre Klitoris gleiten, während ich mit der anderen Hand mein Sperma auf ihren Brüsten mit der Duschlotion vermischte.
Nach wenigen Minuten hatte mich Lexie soweit, dass ich schon wieder ejakulierte, wobei diesmal keine nennenswerte Menge weiteren Spermas aus mir heraus gespritzt kam. Trotzdem war auch dieser Orgasmus gigantisch, sicher auch wegen der Seifenlotion, die meine Eichel besonders berührungsempfindlich machte.
Am liebsten wollte ich Lexie nun auch nochmals intensiver mit meinen eingeseiften Fingern verwöhnen, sie aber wollte uns nun lieber von allen Seifen- und Spermaspuren auf unserer Hauf befreien, weswegen sie das Wasser wieder aufdrehte und uns beide mit der Handbrause einer gründlichen Endreinigung unterzog.
In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal bei Lexie. Auch wenn ihr Bett nicht für zwei Personen ausgelegt war, habe ich noch nie zuvor so gut geschlafen und ich denke, Lexie ging es ebenso. Als wir am nächsten Morgen erwachten, war es bereits später Vormittag. Lexies Mutter hatte uns einen Zettel in der Küche hinterlassen, dass sie einkaufen wäre und damit rechnete, zum Mittagessen wieder zu Hause zu sein. Wir sollten bitte leise sein, da Lexies Vater von der Nachtschicht heimgekehrt wäre und schlafen würde.
Wie der Rest dieses Wochenendes noch verlaufen ist, entzieht sich leider meiner Erinnerung. Auf jeden Fall fühlte ich mich wie der glücklichste Mensch, als ich am Sonntagabend wieder nach Nordhessen zu meinem Bundeswehrstandort aufbrach. Natürlich kreisten meine Gedanken permanent um den großen Moment, an dem ich Lexie endlich entjungfern würde. Nun galt es abzuwarten, wann sich die Gelegenheit hierzu ergeben würde und die Bedingungen hierfür perfekt wären!
Wenn wir uns an den folgenden Wochenenden in meinem Elternhaus trafen, konnte von perfekten Bedingungen für ein unvergessliches Erlebnis wirklich keine die Rede sein. Mein Zimmer entsprach damals noch eher den Bedürfnissen eines Schülers, der sein Zimmer allenfalls zum Schlafen oder für die Hausaufgaben nutzte. Ein kaum mit zwei Personen belastbares Klappbett, ein alter Bürostuhl und einige wild zusammengewürfelte Möbel waren alles, was es in meinem Zimmer gab, wenn man einmal von einer sehr teuren HiFi-Anlage absah, die damals mein Ein und Alles in materieller Hinsicht darstellte. Da sich selbst diese in einem farblich zum Rest der Einrichtung überhaupt nicht passenden Rack befand, strahlte mein Zimmer so ungefähr die Behaglichkeit einer vollgestellten Abstellkammer aus.
Der Libido noch abträglicher waren seinerzeit meine Eltern, die uns keine einzige Minute ungestörter Zweisamkeit zu gönnen schienen. Finanziell war es natürlich vorteilhaft, noch immer im elterlichen Haus zu wohnen. Damit endeten für mich aber bereits die Vorteile. Meine Mutter war eine freischaffende Kunsthandwerkerin und im Nebenberuf bewegungsfaule Stubenhockerin, die selten aus dem Haus ging. Meistens hockte sie im Wohnzimmer oder hielt sich im Keller auf, wo sie ihre kleine Werkstatt betrieb, in der sie ihrem Kunsthandwerk nachging. Dies tat sie übrigens sehr erfolgreich, denn einige Museen hatten bereits Exponate von ihr erworben und nicht wenige Sammler zählten zu den stolzen Besitzern ihrer Kreationen, auf die ich hier aber aus Gründen der Anonymität nicht näher eingehen möchte.
Wenn Lexie bei mir zu Besuch war, zog es meine Mutter auffällig oft in den oberen Stockwerk, wo ich mein Zimmer hatte. Ich fand es reichlich nervig, wenn sie immer wieder die Treppe hoch und runter ging, wobei sie zwangsläufig jedes Mal an meiner Tür vorbei kam. Dies passte einfach nicht zu ihren sonstigen Gewohnheiten und ich hatte gerade am Anfang meiner Beziehung zu Lexie den Eindruck, dass sie dies absichtlich machte, um unsere Liebe zu sabotieren. Mit meinem Vater war es nicht besser, denn der hatte die unangenehme Angewohnheit, in schöner Regelmäßigkeit an die Tür zu klopfen und zu fragen, ob wir etwas zu Essen oder zu Trinken oder sonst etwas brauchten. Auch dass man nach dem Anklopfen höflicherweise wartete, bis man dazu eingeladen wurde, den Kopf durch die Tür zu stecken, schien er noch nie gehört zu haben. Irgendwann hatte ich deswegen die Faxen dick und hängte ein großes Schild mit der Aufschrift "Bitte nicht stören und auch nicht anklopfen!" an meine Tür. Nachdem mein Vater dieses Schild jedoch zum wiederholten Mal ignorierte, trafen wir uns fast nur noch bei Lexie.
Bei ihr hatten wir wenigstens so etwas wie eine Privatsphäre, die von ihren Eltern respektiert wurde. Nie fühlten wir uns von ihnen in irgendeiner Weise gestört oder eingeschränkt. Überdies hatte Lexie zu ihnen ein viel offeneres Verhältnis, was Sex anbetraf, als ich zu meinen Eltern. So, störte sie sich auch überhaupt nicht an dem Gedanken, dass ihre Eltern etwas von ihren stets zahlreichen und oft sehr geräuschvollen Orgasmen mitbekommen könnten, weswegen Lexie ihrer Lust mehr und mehr freien Lauf ließ. Sie machte sich höchstens darüber lustig, dass ihre Mutter vielleicht neidisch werden könnte, weil sie von ihr noch nie solch lustvolles Stöhnen aus dem elterlichen Schlafzimmer zu hören bekam, wenn dies mal zu etwas anderem, als zum Schlafen genutzt wurde.
Lexies erweckte sexuelle Leidenschaft sollte unsere Beziehung auf eine völlig neue Ebene heben. Waren es zuvor noch unsere endlosen romantischen Spaziergänge, die wir miteinander unternahmen, spielte sich nun der überwiegende Teil unserer gemeinsamen Stunden in der Horizontalen ab. Hierbei lernten wir schnell, worauf wir am meisten abfuhren und auf welche Weise wir uns größtmögliche Lust verschaffen konnten. Die Stunden, die wir an den Wochenenden miteinander im Bett verbrachten, um uns gegenseitig immer wieder multiple Orgasmen zu bereiten, waren ungezählt, ohne dass wir jedoch miteinander geschlafen hätten.
Lexie liebte es, mich in ihr Gesicht, auf ihren Bauch oder ihre Brüste ejakulieren zu lassen. Seit unserer ersten gemeinsamen Nacht stand total darauf, aus nächster Nähe zu beobachten, wie es aus mir herausgespritzt kam und körperwarm auf ihrer nackten Haut auftraf. Wie schon beim ersten Mal verteilte sie mein Ejakulat gern großflächig über ihren Brüsten und ihrem gesamten Oberkörper, um es sich von mir später wieder unter der Dusche abspülen zu lassen. Dies wurde mit der Zeit fast zu einem Ritual, welches immer wieder damit endete, dass sie mich unter der Dusche nochmals durch den Einsatz ihrer seifigen Finger kommen ließ.
Ich hingegen verfeinerte meine Zungentechnik und lernte schnell, auf welche Weise ich ihr besonders intensive Gefühle und besonders viele Höhepunkte bereiten konnte. Immer wieder musste ich mich zurücknehmen, wenn wieder einmal die Gäule mit mir durchgingen und ich sie mit meiner Zunge zu stürmisch anging. Sie liebte einfach mehr die hauchzarten Berührungen. Immer wieder kam sie sogar ganz spontan, wenn ich ihre Perle nur mit der Zungenspitze touchiert, selbst wenn ich sie vorher bereits minutenlang traktiert und angesaugt hatte.
Im Gegensatz zu mir verspürte Lexie damals ihrerseits noch keinerlei Verlangen, mich oral zu verwöhnen, ich hingegen auch keine Notwendigkeit, sie hierzu zu drängen, da ich nicht das Gefühl hatte, mir würde es an irgendetwas fehlen. Lexie war eben am Anfang unserer Beziehung noch nicht der orale Typ, was sich später allerdings grundlegend ändern sollte.
Bis heute bin ich mir jedoch nicht sicher, ob es nicht vielleicht ein Fehler war, Lexie zu schnell an meine Zunge zu gewöhnen. Tatsächlich schien es so, als hätte ich sie in unserer ersten gemeinsame Liebesnacht derartig auf den Cunnilingus konditioniert, dass sie sich von mir für lange Zeit auf keine andere Weise mehr zum Höhepunkt bringen ließ. Ich weiß nicht mehr, was ich in dieser Hinsicht alles erfolglos ausprobierte. Brachte ich jedoch meine Zunge ins Spiel, ging sie jedes Mal ab, wie eine Rakete. Hierbei ließ sie sich dann allerdings beinahe beliebig oft von mir über die Schwelle lecken. Es war eher die irgendwann einsetzende Ermüdung meiner Zunge, die bei unserem Liebesspiel gelegentlich für den Interruptus eines Dauer-Cunnilingus sorgte. Auf jeden Fall kann ich mich nicht daran erinnern, dass mich Lexie jemals gebeten hätte, von ihr abzulassen, denn von meiner Zunge konnte und kann sie noch immer nie genug bekommen!
Mir kam dies eigentlich sehr entgegen, denn ich liebte es, ihre kleine Perle zwischen meine Lippen zu saugen und ihren Liebessaft zu trinken, der immer reichlich floss, während ich ihren betörenden Duft inhalierte und mich an ihrem lustverzerrten Stöhnen berauschte. Hören, Sehen, Schmecken, Riechen, Fühlen. Keine andere sexuelle Spielart bietet eine vergleichbare Bandbreite sinnlicher Wahrnehmung!
Leider sollten noch einige Wochenenden ins Land gehen, bis sich uns endlich eine Gelegenheit bieten würde, auch den letzten Schritt zu gehen und uns so miteinander zu vereinigen, wie es die Natur vorgesehen hatte. Ein unerwarteter Lichtblick tauchte am Horizont auf, als mein Vater ein berufliches Engagement nach USA bekam, welches ihn dort für mehrere Wochen beschäftigt halten würde. Das Beste hieran war, dass meine Mutter ihn begleiten würde! Dauerhaft sturmfreie Bude ohne störende Eltern und gleich im Anschluss hieran unser erster gemeinsamer Urlaub, der uns an die französische Atlantikküste führen sollte. Dies waren wirklich rosige Aussichten!
Lexie und ich zählten die Tage bis zur Abreise meiner Eltern und konnten es kaum erwarten, das ganze Haus endlich für uns allein zu haben. In der Zwischenzeit hatte ich die Wochenenden genutzt, mein Zimmer zu renovieren und mit selbstgebauten Möbeln völlig umzugestalten. Ich will mich jetzt nicht unbedingt meines handwerklichen Geschicks rühmen, denn die Möbel baute ich aus einfachen, beschichteten MDF-Platten zusammen, die ich mir nach meinen Vorgaben bei einem holzverarbeitenden Betrieb in unserer Gegend auf Maß zurecht sägen ließ. Sie waren nicht gerade von hochwertiger Qualität aber auf jeden Fall höchst individuell und vor allem eben selbstgebaut und nicht im Stil eines typischen Jugendzimmers. Natürlich flog auch mein altes Klappbett mit seiner schmalen Matratze raus und wurde über den Sperrmüll entsorgt. Stattdessen kaufte ich eine deutlich breitere Matratze, die ich auf einen behelfsmäßigen Lattenrost direkt auf den Fußboden legte. Gewissermaßen ein Futon für den kleinen Geldbeutel, der aber mit einem zur Tagesdecke umfunktionierten Flokati-Teppich richtig gemütlich aussah. Typisch für Frischverliebte nahmen wir auf diesem Teppich liegend sogar gegenseitig einige Nacktfotos voneinander auf, die wir immer mit uns führten, wenn wir einander unter der Woche nicht sehen konnten.
Die Wände meines Zimmers legte ich mit Lexies tatkräftiger Unterstützung in Terrakotta und verschiedenen Brauntönen an, was dem Raum eine sehr behagliche, geradezu höhlenartige und romantische Atmosphäre verlieh. Schon seit meiner Abi-Abschlussfahrt nach Florenz hatte es mich in den Fingern gejuckt, diese Farbkombination zu realisieren, denn dort sah ich sie zum ersten Mal in einem urgemütlichen Café, in dem wir mit unserem Leistungskurs regelmäßig abhingen. Auf dem warmen Farbton der Wände kamen meine selbstgebauten Möbel besonders gut zur Geltung, während das satte Grün zweier großblättriger Zimmerpflanzen einen perfekten optischen Akzent setzte.
Auch das steril wirkende, schwarze Rack meiner HiFi-Anlage flog raus. Stattdessen baute ich mir ein in die Breite angelegtes Rack, dessen einzelne Fächer genau auf die Abmessungen der einzelnen Komponenten der Anlage von Sharp Optonica aus der Serie 9100 angepasst waren. Dieser Anlage trauere ich heute noch genauso nach, wie meinem Plattenspieler vom Typ Sony PS-X 75, der oben auf der Anlage thronte.
Inspiriert durch Lexie, habe auch ich mir ein Aquarium zugelegt. Lexie und ich hatten viel Spaß daran, es gemeinsam einzurichten, eindrucksvolle Höhlenlandschaften aus selbst gesammelten Gesteinsblöcken zu gestalten, Pflanzen einzusetzen und es schließlich mit einigen besonders farbenprächtigen Zierfischen zu besetzen. Überhaupt stellte das Aquarium einen wesentlichen Anteil an unserem sich langsam entwickelnden Liebesnest dar. Eigens hierfür habe ich ebenfalls einen Schrank gebaut, der direkt am Kopfende meines Bettes stand und die Frontscheibe des Beckens wie einen Bildschirm frei ließ, den Rest des Beckens allerdings verbarg. So sollte uns das Aquarium zugleich als indirekte Beleuchtung unseres Liebeslagers in meinem ansonsten abgedunkelten Zimmer dienen.
Es war für mich toll zu beobachten, welche Leidenschaft Lexie bei der Umgestaltung meines Zimmers entwickelte, ließ mich dies doch erkennen, dass sie es ebenfalls kaum erwarten konnte, das für ihre Defloration vorgesehene Liebesnest so romantisch wie nur irgend möglich zu gestalten. So stieg die Vorfreude auf unsere sturmfreie Bude von Wochenende zu Wochenende!
Um so näher der Tag der Abreise meiner Eltern heran rückte, umso nervöser wurden wir. Als sie dann endlich frühmorgens vom Taxi zum Flughafen abgeholt wurden, sollte dieser Tag, oder besser gesagt die auf den Tag folgende Nacht gleich in mehrfacher Hinsicht perfekt werden. Mit etwas Glück war es mir gelungen, zwei Karten für ein eigentlich ausverkauftes Konzert von Andreas Vollenweider in der Alten Oper in Frankfurt zu ergattern. Es sollte unser erstes gemeinsames Konzert werden und zugleich einer der emotionalen Höhepunkte unserer Beziehung werden. Die Musik war wie für Frischverliebte mit erhöhtem Kuschelbedürfnis komponiert. Romantisch, fröhlich, mystisch und von sphärischen Klangteppichen durchzogen, die unsere Phantasie anregten und uns auf die bevorstehende Liebesnacht einstimmten. Unsere Sitzplätze hatten wir ganz vorn auf der Empore, also beste Sicht auf die Bühne und beste Akustik. Wobei uns die Sicht eigentlich nicht wichtig war, denn wir hielten ohnehin unsere Augen die meiste Zeit über geschlossen, um uns ganz allein den Klängen von Andreas Vollenweiders elektronisch verstärkter Harfe und seinen Begleitmusikern hingeben zu können.
Lexie hatte während des Konzertes praktisch durchgehend eine Gänsehaut, was allerdings nicht an der Musik lag, sondern, wie sie mir in mein Ohr flüsternd gestand, an ihrer Vorfreude darauf, noch in dieser Nacht zum ersten Mal mit mir hemmungslosen Sex zu haben. Auf der Rückfahrt vom Konzert hing sie deswegen im Auto wie eine Klette an mir und machte die ganze Zeit über zweideutige Anspielungen, während ihre Hand in meinem Schritt lag. Dies hatte zur Folge, dass ich mit einer Dauererektion hinter dem Lenkrad saß und regelrecht Mühe hatte, mich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Natürlich amüsierte sich Lexie hierüber köstlich, während ich froh war, heil mit ihr bei mir zu Hause anzukommen.
Ich hatte die Haustür noch nicht einmal ins Schloss fallen lassen, da stürzte Lexie auch schon ins Bad, wo sie für eine halbe Ewigkeit verschwand. Nach gefühlten Stunden kam sie schließlich wieder heraus und hatte tränenverquollene Augen. Ausgerechnet jetzt hatte sie ihre Periode bekommen und so sollte ich sie zumindest in dieser und der darauf folgenden Nacht nicht ihrer Jungfräulichkeit berauben. Heulend vergrub sie sich mit ihrem Gesicht in meiner Halsbeuge und ließ sich kaum von mir beruhigen, so sehr hatte sie unserem "ersten Mal" entgegen gefiebert.
Natürlich war auch ich hierüber traurig. Noch mehr tat es mir aber weh, Lexie leiden zu sehen. Um sie von ihrer Traurigkeit abzulenken, überredete ich sie daher dazu, mit mir mitten in der Nacht nochmals eine Spritztour mit dem Auto zu unternehmen, ohne ihr jedoch das Ziel der Reise zu verraten. Erst als wir im Königsteiner Kreisel in Richtung Limburg abbogen, ahnte sie, wohin es gehen würde. Etwa zehn Minuten später brachte ich meinen Passat auf dem Gipfel des Großen Feldberg zum stehen. Der große Feldberg hatte für uns beide eine besondere Bedeutung, denn er war unser erstes gemeinsames nächtliches Ausflugsziel, nachdem wir uns unsere Liebe gestanden hatten. Anders als damals im eiskalten November war es diesmal eine wunderschöne Frühlingsnacht und obwohl es hier in über 880 Metern Höhe Nachts zumeist empfindlich kalt ist, benötigten wir in dieser Nacht nicht einmal eine Jacke!
Während in Richtung Bad Homburg dichte Wolken über der Ebene hingen, war der Himmel über unseren Köpfen und nach Nordwesten in Richtung Oberreifenberg sternenklar. Man konnte regelrech sehen, wie der Taunus die Landschaft in zwei völlig unterschiedliche Wetterlagen dividierte, da es die tiefhängenden Wolken nicht schafften, seinen Höhenkamm zu überwinden.
Mit Ausnahme der diensthabenden Fernmeldesoldaten der US-Army, die über die auf dem Feldberg installierten Sendeanlagen des AFN wachten, waren wir in dieser Nacht die einzigen Personen, die sich zu so später Stunde auf dem Feldberg aufhielten. Am Aussichtspunkt kletterten wir über die Felsen, wobei wir uns in der Dunkelheit sehr vorsichtig vorantasten mussten. Oben auf dem Felsplateau angekommen, genossen wir die frische Luft und den weiten Blick hinunter in Richtung Limburg. Von hier oben war, neben einigen hell blinkenden Sternen am Himmel, die Straßenbeleuchtung von Oberreifenberg die einzige sichtbare Lichtquelle. Völlige Dunkelheit hüllte uns daher ein, während wir am Aussichtspunkt standen und uns minutenlang küssten und schweigend in den Armen hielten. Obwohl es schon deutlich nach Mitternacht war, zog es uns überhaupt nicht nach Hause. Längst hatte sich Lexie wieder beruhigt und genoss mit mir gemeinsam die romantische Stille der Nacht und die frische Taunusluft.
Wie es manchmal im Leben so spielt, sollte sich auch an den folgenden Wochenenden keine Gelegenheit ergeben, einige ungestörte Momente zu zweit für uns zu finden. Die ganze Mühe, die wir uns bei der Schaffung eines Liebesnestes machten, würde also zunächst keine Früchte tragen. Da ich unter der Woche immer an meinem Bundeswehrstandort bleiben musste, blieben uns ohnehin nur die Wochenenden. Als Gruppenführer durfte ich während der ersten sechs Wochen der Grundausbildung unter der Woche keinen Urlaub nehmen, hatte also außerhalb der Wochenenden keinerlei Gestaltungsspielraum, was mir natürlich ordentlich an die Nieren ging.
Leider sollte es mir in dieser Zeit zum Verhängnis werden, dass ich mich Monate zuvor zum Vertrauensmann meiner Einheit habe wählen lassen. In diesem Amt gab es immer wieder Situationen, in denen man im Fall von Problemen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen zwischen den Parteien zu vermitteln hatte. Dies sollte mich ganz unerwartet in die Schusslinie unseres Batteriechefs bringen, mit dem ich bis dahin nur selten Berührungspunkte hatte. Dieser, ein untersetzter Hauptmann mit ausgeprägtem Minderwertigkeitskomplex und einem nicht weniger großen Alkoholproblem, hatte die unangenehme Eigenschaft, auf jegliches vermeintliches Vergehen seiner Soldaten mit recht eigenwilligen und gelegentlich sogar als sadistisch, zumindest aber als ungerecht empfundenen Strafmaßnahmen zu reagieren.
Da wir eine Ausbildungseinheit waren, in der Wehrpflichtige junge Männer ihre Grundausbildung absolvierten, wurde großen Wert auf Disziplin und die Einhaltung gewisser Regeln gelegt. Zu diesen Regeln zählten eine strenge Nachtruhe ab zweiundzwanzig Uhr und ein morgendliches Wecken um Viertel vor sechs. Offizieller Dienstbeginn war um sieben Uhr, nach dem Frühstück. Zu diesem mussten die Rekruten jeden Morgen in Dreierreihe im Gleichschritt marschieren, wobei sie jeweils von zwei Unteroffizieren geführt und beaufsichtigt wurden.
Da viele der Wehrpflichtigen Probleme mit dem frühen Aufstehen hatten, mussten diese regelmäßig Morgens vom UvD (Unteroffizier vom Dienst) aus den Betten gepfiffen werden. Dies blieb so lange ohne Konsequenzen, wie der UvD dies für sich behielt und kein höherer Vorgesetzter hiervon Wind bekam. Gelegentlich kam es allerdings vor, dass der Batteriefeldwebel, auch "Spieß" genannt, das morgendliche Wecken kontrollierte. Bei einer dieser unangemeldeten Kontrollen wurden dann dummerweise gleich sieben Rekruten von ihm erwischt, die fünf Minuten nach dem Wecken noch immer in ihren Betten lagen.
Unser Batteriechef freute sich in solchen Fällen immer, gaben sie ihm doch die Gelegenheit, eine seiner gefürchteten Strafen zu verhängen und damit seine Macht zu demonstrieren. Es war ganz offensichtlich, dass er diese Momente der Machtdemonstrationen auskostete, um seinen Minderwertigkeitskomplex zu kompensieren. Dass auch diesmal die Strafe unverhältnismäßig hart ausfallen würde, war uns Stammsoldaten bereits klar, da wir bereits einiges mit unserem Batteriechef erlebt hatten. Die jungen Wehrpflichtigen wussten allerdings noch nicht, was ihnen bevorstand, da sie ihren Chef von seiner besonders unangenehmen Seite noch nicht kennengelernt hatten. Dies sollte sich sehr schnell ändern, denn er ließ die betreffenden sieben Rekruten beim Mittagsappell vortreten, um sie in besonders entwürdigender Weise vor versammelter Mannschaft einer seiner typischen Standpauken zu unterziehen. Die Vorwürfe, die er ihnen hierbei machte, waren völlig absurd. So behauptete er beispielsweise, dass die Langschläfer mit ihrer Disziplinlosigkeit die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr und damit die Existenz der Bundesrepublik Deutschland gefährden würden.
Die von ihm verhängte Strafe bestand darin, dass sich die sieben Rekruten über eine Zeitdauer von zwei Wochen jeden Morgen um Viertel vor fünf, also eine Stunde vor dem offiziellen Wecken im sogenannten "kleinen Dienstanzug" beim UvD zu melden hätten. Beim kleinen Dienstanzug handelt es sich um die Ausgehuniform, zu der selbstverständlich blitzblank geputzte Schuhe und eine ordentlich gebundene Krawatte zählten.
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie sich einige der jungen Männer, die noch bis vor wenigen Wochen die Schulbank drückten und von Mama das Schulbrot geschmiert bekamen, beim Binden einer Krawatte anstellten. Auf jeden Fall machte das Antreten beim UvD um diese frühe Uhrzeit ein Wecken dieser Rekruten um Viertel nach vier erforderlich, denn der korrekte Zustand des kleinen Dienstanzuges war vom UvD täglich zu kontrollieren und nötigenfalls so lange zu beanstanden, bis er korrekt wäre!
Man mag von manchen Gepflogenheiten innerhalb der Bundeswehr halten, was man will. Soweit es die Bestrafung von Fehlverhalten und Vergehen anbetraf, waren die dienstlichen Vorgaben hierfür jedoch durchaus überlegt und absolut fair geregelt. Den Gestaltungsspielraum möglicher Strafmaßnahmen regelte der "Erlass erzieherische Maßnahmen" sehr genau. Hielt man sich nicht an diesen Erlass, lief man als Vorgesetzter Gefahr, selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden. Vorgesetzte, die ihren Job ernst nahmen, orientierten sich daher in aller Regel sehr streng an diesem Erlass, wenn es um die Gestaltung einer Strafmaßnahme ging. Nicht jedoch unser Hauptmann, denn der schien mit diesem dienstlichen Regelwerk intellektuell völlig überfordert, wie auch diese Strafe wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellte.
Als Vertrauensmann der Batterie kannte ich den Erlass natürlich bis in alle Einzelheiten, denn in meinem Amt musste ich immer wieder vermitteln, wenn der Verdacht bestand, dass er von einem Vorgesetzten gegenüber einem Untergebenen im Zusammenhang mit einer Bestrafung fehlerhaft umgesetzt wurde. Aus diesem Grund musste ich auch sofort aufhorchen, als unser Batteriechef die Strafe verkündete.
Einer der wichtigsten Paragraphen des Erlasses erzieherische Maßnahmen besagte, dass eine Strafe jeweils so zu gestalten ist, dass der erkannte Mangel hierdurch abgestellt wurde, wie es im Beamtendeutsch so schön hieß. Der "erkannte Mangel" bestand im vorliegenden Fall darin, dass die sieben erwischten Rekruten am Morgen noch unausgeschlafen waren. Würde man diese unausgeschlafenen Rekruten zur Strafe zwei Wochen lang jeweils mehr als eine ganze Stunde früher aus dem Bett schmeißen, hätte dies zur Folge, dass sie noch unausgeschlafener wären. Die vom Chef selbst zitierte Einsatzbereitschaft wäre also bei diesen Sieben noch drastischer eingeschränkt gewesen. Schon allein aus diesem Grund war die ausgesprochene Strafe nicht mit dem Erlass vereinbar.
Eine angemessene Strafe wäre es gewesen, hätte er den abendlichen "Zapfenstreich" für die sieben Rekruten von zweiundzwanzig Uhr auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt, damit sie am nächsten Morgen pünktlich um Viertel vor sechs ausgeschlafen gewesen wären. Sie aber bereits um Viertel nach vier aus dem Bett schmeißen und hierüber hinaus im kleinen Dienstanzug beim UvD antreten zu lassen, war nichts weiter, als eine unangemessene Schikane. Genau dies sollte durch den Erlass erzieherische Maßnahmen ausgeschlossen werden!
Unser Hauptmann war leider zu ignorant, um zu erkennen, dass er sich mit seiner Strafmaßnahme im Prinzip ein Eigentor geschossen hatte. Jeder, der den Diensterlass auch nur halbwegs kannte, hätte den Batteriechef bei dessen Vorgesetzten hierfür anschwärzen können, was nach den Statuten des Erlasses automatisch eine Sanktion gegen ihn selbst ausgelöst hätte. Um diesen Konflikt zu lösen, bat ich daher unmittelbar nach dem Mittagsappell um eine Unterredung mit meinem Chef, die mir als Vertrauensmann zustand und auch bewilligt wurde.
Der Chef bat mich in sein Büro und befahl eine Schreibkraft aus dem Büro hinzu, wie dies in solchen Angelegenheiten üblich war. Offizielle Gespräche des Vertrauensmannes mit den Vorgesetzten wurden grundsätzlich von einer Schreibkraft protokolliert. Die Schreibkräfte waren aus diesem Grund zu strengster Verschwiegenheit verpflichtet, da es sich in den Gesprächen oft um Angelegenheiten handelte, die streng vertraulich gehandhabt werden mussten .
Während ich meinem Chef zu erklären versuchte, warum er mit der von ihm verhängten Strafmaßnahme gegen den Erlass erzieherische Maßnahmen verstoßen hatte, konnte ich das breite Grinsen des Schreibsoldaten beobachten, der hinter seinem Rücken saß. Dem Batteriechef war jedoch überhaupt nicht zum Grinsen zumute. Vielmehr wechselte seine Gesichtsfarbe immer mehr von Schweinchenrosa zu Feuerrot, umso länger mein Vortrag dauerte. Als ich geendet hatte, stand er ruckartig von seinem Sessel auf und funkelte mich mit zornigen Augen an.
"WAR ES DAS JETZT, HERR UNTEROFFIZIER?", fauchte er mich mit völlig unangemessener Lautstärke an. Hierbei hatte er einen Gesichtsausdruck angenommen, als wolle er mich im nächsten Augenblick vor ein Erschießungskommando stellen. In einer endlosen Schimpftirade durfte ich mir sein zorniges Gebrüll anhören und mir sagen lassen, dass schließlich er die Verantwortung habe, diese Batterie zu Disziplin und Gehorsam zu erziehen und er sich hierbei nicht von einem dahergelaufenen Unteroffizier in seine Kompetenzen hineinreden lasse.
Als ich ihn darauf hinwies, dass ich ihn zu seinem eigenen Schutz auf den Konflikt zwischen dem Diensterlass uns seiner Strafmaßnahme hinweisen wollte und dies in meiner Eigenschaft als Vertrauensmann tat, rastete er völlig aus. Auf diese Weise im Beisein eines Zeugen seine eigene Unfähigkeit vor Augen geführt zu bekommen, war mehr, als er vertragen konnte.
"Wenn Sie meinen, alles besser zu können, dann können Sie dies gern am kommenden Wochenende unter Beweis stellen. Von Freitag auf Samstag sind Sie auf der Mun-Wache (Wachdienst am Munitionsdepot in einem Waldstück, etwa zwei Kilometer außerhalb der Kaserne) als Diensthabender Unteroffizier eingeteilt. Von Sonntag auf Montag übernehmen Sie den UvD. Pünktlich zum Dienstbeginn erwarte ich von Ihnen einen schriftlichen Bericht über die Überwachung meiner Erziehungsmaßnahme der sieben Straftäter! WEGTRETEN!"
"Herr Hauptmann, erlauben Sie mir den Hinweis, dass..."
"WEGTRETEN! SOFORT! GEHEN SIE MIR AUS DEN AUGEN!", schrie er mich an und ich sah ein, dass ich hier nichts mehr würde ausrichten können.
"So eine Scheiße!", war mein erster Gedanke, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Diese Strafe wollte ich natürlich auf keinen Fall auf mir sitzen lassen und so meldete ich mich direkt nach diesem Gespräch zu einer Audienz bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Bataillonskommandeur an. Wenigstens er sollte nach meiner Auffassung für eine richtige Anwendung des Erlasses erzieherische Maßnahmen sorgen und natürlich auch dafür, dass der gegen mich verhängte doppelte Wochenenddienst zurückgenommen wurde.
Das Gespräch mit dem Bataillonskommandeur verlief allerdings anders, als von mir erwartet. Für ihn war die Strafmaßnahme gegen die sieben Langschläfer eine Bagatelle, wegen der er keine Zeit verschwenden wolle. Außerdem würden diese Sieben dann wenigstens nach den zwei Wochen das Binden einer Krawatte beherrschen, was in deren späterem Leben nur hilfreich sein könne. Soweit es den mir auferlegten doppelten Wochenenddienst anbetraf, könne ich nicht beweisen, dass dieser eine Rachemaßnahme gegen mich darstellen würde. Da zwischen beiden Diensten ein Erholungstag läge, wäre dies zwar ungewöhnlich, aber kein Verstoß gegen Vorschriften. In üblicher Bundeswehrmanier verabschiedete mich der Oberstleutnant mit einem unmissverständlichen "Wegtreten!" Hier war also auch nichts mehr zu holen!
Ich salutierte, meldete mich ab, machte auf dem Absatz kehrt und schloss die Tür hinter mir. Jetzt hatte ich den Salat! Beim Chef unbeliebt gemacht und vom Kommandeur als Vertrauensmann nicht ernstgenommen. Obwohl ich im Recht war, sah ich keine Möglichkeit mehr, in irgendeiner Weise eine Änderung der Situation zu erzielen. Da ich nach dem Ende meiner Dienstzeit über die Bundeswehr als Reserveoffizier-Anwärter Medizin studieren wollte, durfte ich es mir mit dem Bataillonskommandeur auf keinen Fall verscherzen. Allein eine einzige schlechte Beurteilung durch ihn, und ich hätte mir mein von der Bundeswehr unterstütztes Medizinstudium in die Haare schmieren können! In die Haare schmieren konnte ich mir auf jeden Fall das Wochenende mit Lexie!
Es stellte sich jedoch heraus, dass die ganze Angelegenheit noch nicht ausgestanden war, denn wenige Tage später wurden wieder einige Rekruten nach dem offiziellen Wecken erwischt, diesmal sogar vom Batteriechef selbst, der es sich nicht nehmen ließ, selbst zur Kontrolle zu erscheinen. Zwar waren es diesmal nur vier Rekruten und es waren auch nur zwei Minuten, diese zwei Minuten sollten allerdings der gesamten Einheit zum Verhängnis werden.
Während des Frühstücks wurde bereits unter den Wehrpflichtigen spekuliert, wie die Strafmaßnahme diesmal wohl ausfallen würde. Die große Ernüchterung erfolgte dann beim Morgenappell, bei dem die gesamte Einheit vor dem Batteriegebäude angetreten war. Zur großen Überraschung verkündete unser Hauptmann, dass wegen wiederholter Missachtung der morgendlichen Aufstehzeiten das Wecken künftig von Viertel vor sechs auf fünf Uhr vorverlegt würde. Dies allerdings nicht nur für die vier unausgeschlafenen Rekruten, sondern für die gesamte Batterie. Das Ganze zu allem Überfluss auch nicht zeitlich befristet, sondern für den gesamten Rest der Grundausbildung. Dies waren mehr als acht Wochen! Gleichzeitig wurde der offizielle Dienstbeginn jeweils um eine halbe Stunde vorverlegt, allerdings ohne Veränderungen in den bereits für Wochen im Voraus vorliegenden Dienstplänen vorzunehmen. Es wurde einfach für jeden Wochentag eine halbe Stunde "Stuben- und Revierreinigung" nach dem Frühstück angesetzt. Grund für diese Maßnahme wäre, so unser Hauptmann, die Sicherstellung der Einsatzfähigkeit unserer Einheit. Lächerlich!
Betroffen waren von dieser Sanktion natürlich nicht nur die Rekruten, sondern auch das gesamte Stammpersonal, also sämtliche Gruppen- und Zugführer, sie Soldaten des Büros, der Waffenkammer und noch einige weitere Mannschaftsdienstgrade. Einige der Unteroffiziere waren Berufssoldaten, hatten teilweise Familie und wohnten nicht in unmittelbarer Nähe der Kaserne, so dass diese besonders unter der Verkürzung der Nachtruhe zu leiden hätten.
Natürlich war klar, dass mir als Vertrauensmann wieder die Aufgabe übertragen wurde, den Chef zu einer Rücknahme seiner Maßnahme zu bewegen, da sie von allen Betroffenen als Kollektivstrafe empfunden wurde.
Das Gespräch mit dem Batteriechef verlief ungefähr so, wie auch das vorherige, also genauso laut und genauso ergebnislos. Ich sah keinerlei Chance, ihn zu einer Meinungsänderung zu bewegen, zumal er die Vorverlegung des Weckens ausdrücklich nicht als Strafe bezeichnete, sondern als notwendige Maßnahme zur Sicherung der Einsatzbereitschaft. Als ich ihn etwas provokativ fragte, von welcher Art Einsätzen er bei einer Grundausbildungseinheit ausginge, bekam er einen Tobsuchtsanfall und befahl mir, aus seinem Sichtfeld zu verschwinden. Ich meldete mich also ab, wurde aber sofort wieder in sein Büro zurück gerufen, nachdem ich die Tür bereits hinter mir verschlossen hatte.
"Fast hätte ich es vergessen, Herr Unteroffizier. Sie haben dieses Wochenende wieder die gleichen Dienste, wie letztes Wochenende. Sie können auch gern wieder zum Petzen bei unserem Bataillonskommandeur vorstellig werden. Der ist bereits informiert und hat die Vorverlegung des Weckens abgesegnet. Teilen Sie also Ihrer Freundin mit, sofern Sie überhaupt eine haben sollten, dass sie Sie so bald nicht zu Gesicht bekommen wird!"
Ich versuchte, äußerlich gelassen zu erscheinen, kochte aber natürlich innerlich vor Wut, als ich sah, wie er sich selbstzufrieden grinsend in seinen Sessel zurück lehnte. Am liebsten hätte ich ihm auf seinen Schreibtisch gekotzt und es kostete mich einiges an Disziplin, ihm nicht irgendetwas Beleidigendes an den Kopf zu werfen. Auf jeden Fall war ich froh, als ich die Tür hinter mir wieder geschlossen hatte, damit ich seine aufgedunsene Säufervisage nicht mehr ansehen musste!
Tatsächlich wurde der Dienst in unserer Einheit von jetzt an richtig anstrengend. Die Stimmung war komplett gekippt und es kam auffällig häufig zu Krankmeldungen bei den Berufssoldaten. Für mich ergab sich in dieser bedrückenden Zeit jedoch die Möglichkeit, meiner Einheit wenigstens für einen Tag den Rücken zu kehren. Es ging eine Anfrage vom Verteidigungsministerium in unserem Bataillon ein, dass man nach einem Geschützführer der Panzerhaubitze M109 suche, der möglichst fließend Englisch sprechen könne. Anlässlich der Heereswaffenschau in Arolsen (heute Bad Arolsen) sollte auch die M109 vor überwiegend englischsprachigem Publikum vorgeführt werden.
Da ich als Kind in den USA aufgewachsen bin und auch später immer Kontakt zu amerikanischen Familien hatte, sprach ich Englisch genauso gut wie Deutsch. Natürlich meldete ich mich daher sofort für diesen Einsatz freiwillig. So konnte ich wenigstens für einen Tag dem öden Dienst an meinem Standort entfliehen!
Es stellte sich heraus, dass die Heereswaffenschau in Arolsen für das Verteidigungsministerium ein richtiges Großereignis darstellte, dem sehr viel Bedeutung beigemessen wurde. Es sollten hierbei sämtliche vom Heer eingesetzten Waffensysteme in einer simulierten Gefechtssituation vorgeführt werden. Vor einer riesigen Zuschauertribüne sollten die jeweiligen Systeme in Stellung gebracht werden, um mit Übungsmunition für die Zuschauer eine richtige Show abzuziehen. Nach Abschluss dieser Show sollten alle Waffensysteme in quadratischer Anordnung mit davor angetretenen Mannschaften aufgestellt werden. Wir wurden darauf vorbereitet, dass unter anderem Manfred Wörner, unser damaliger Verteidigungsminister nebst Gattin sowie der ranghöchste General der US-Streitkräfte, ein 5-Sterne-General, anwesend sein würde. Hierüber hinaus wäre fast die gesamte militärische Führungselite aller NATO-Verbündeten nebst diversen Verteidigungsministern auf der Heereswaffenschau zugegen.
Wie uns bei der vorbereitenden Einweisung von einem Stabsoffizier des Verteidigungsministeriums mitgeteilt wurde, würde nach der Vorführung die gesamte anwesende Prominenz unsere Formation abschreiten. Sollten wir hierbei von jemandem angesprochen werden, der sich unser Waffensystem vorführen lassen wollte, sollten wir diesen Wunsch mit dem geboten Respekt nachkommen, notfalls sogar eine Fahrt in unseren Fahrzeugen ermöglichen. Selbst dem Wunsch nach einem Mitflug im Panzerabwehr-Hubschrauber BO-105 sollte entsprochen werden, falls dieser vorgetragen würde. Ganz offen wurde uns mitgeteilt, dass sich das Verteidigungsministerium insbesondere erhoffte, dass der an der Waffenschau beteiligte ABC-Spürpanzer "Fuchs" großes Interesse der NATO-Generalität wecken würde. Dieser war seinerzeit im Verteidigungsbündnis einzigartig und man hoffte darauf, dessen Einführung in möglichst vielen NATO-Mitgliedsstaaten ankurbeln zu können.
Vor Beginn der Show wurden alle Waffensysteme in einem von den Zuschauern nicht einsehbaren Waldstück aufgereiht. Ganz vorn standen mehrere Kampfpanzer Leopard, natürlich in der aktuellsten Version, dahinter folgte ein Flak-Panzer Gepard. Hinter diesem kamen zwei Spähpanzer "Marder", die in Begleitung eines Trupps Panzergrenadiere auftreten sollten und die Aufgabe hatten, das Gefechtsfeld vor der Tribüne vollständig einzunebeln. Ihnen sollte der ABC-Spürpanzer "Fuchs" im Nebel folgen. Der Nebel sollte dann durch einen tiefen Überflug dreier Panzerabwehrhubschrauber BO-105 weggeblasen werden, um den Auftritt des aus dem Nebel auftauchenden ABC-Spürpanzers möglichst spektakulär wirken zu lassen.
Für den vorletzten Auftritt waren meine Crew und ich mit unserer Panzerhaubitze M109 vorgesehen, deren geplante Ausmusterung bereits seit Jahren Gesprächsthema bei der Artillerie war. Unsere Aufgabe bestand darin, vor der Tribüne Stellung zu beziehen und Feuerbereitschaft herzustellen. Auf Kommando sollten wir eine Übungshandgranate im Geschützrohr der Haubitze zünden. Als Schlusslicht der Vorführung war der fast genauso betagte Mannschaftstransportpanzer M113 vorgesehen, der vor der Bühne vorfahren und eine gefechtsmäßige Bergung von Verwundeten vorführen sollte.
Schon bevor es losging, stieg bei mir die Nervosität, denn es wurde mir unmissverständlich klargemacht, dass man von uns die Herstellung der Feuerbreitschaft in Rekordzeit erwartete, da sich innerhalb der anwesenden Generalität viele Vertreter der Artillerie befänden, hierunter auch der Kommandeur der NATO-Streitkräfte. Die Detonation der Übungshandgranate dürfe auf keinen Fall erfolgen, ehe das Feuerkommando vollständig herunter gezählt war, weil die Zuschauer den Funkverkehr inklusive des Feuerkommandos über Lautsprecher mithören könnten.
Sekunden, nachdem das Kommando zum Anlassen der Motoren über Funk kam, herrschte ein Höllenlärm um uns herum. Die einzelnen Kommandanten der Fahrzeuge nahmen ihre Position ein und gaben die von vorn kommenden taktischen Zeichen nach hinten durch die Kolonne weiter. Auch ich verband mich im Geschützturm mit dem Sprechfunk und gab meine Befehle an den Fahrer weiter, der deren Erhalt jeweils über Funk bestätigte. Unter geradezu ohrenbetäubendem Lärm fuhren die Leopard mit maximaler Beschleunigung los. Kaum, dass sie aus unserem Sichtfeld verschwanden, hörten wir bereits die Detonationen der Übungsmunition, die von den Kampfpanzern unmittelbar vor der Tribüne abgefeuert wurde. Schon kam das Flaggenkommando für den Flak-Panzer Gepard. Wie bestellt überflog eine Staffel Heeresflieger die Tribüne in dem Moment in großer Höhe, als der Gepard sich vor der Bühne positioniert hatte. Er veranstalte ein Höllenspektakel, als er seine Magazine mit Übungsmunition leer schoss, während sein Radarleitsystem die Zwillingsflak den Flugzeugen am Himmel nachführte.
Kaum dass der Gepard das Feld geräumt hatte, preschten die beiden Marder vor und überzogen das gesamte Gelände mit ihren Nebelmittelwerfern, während die abgesessenen Grenadiere ein Infanteriegefecht simulierten. Der Spähpanzer Fuchs war bereits direkt nach den Mardern in die vorderste Startposition vorgefahren, um Einblick in das Gelände zu bekommen, in welches er wenige Augenblicke später bei Sichtweite Null einfahren sollte. Über die Bäume hinweg sahen wir das Aufsteigen der dichten Gefechtsfeldvernebelung. Was war ich froh, dass wir nicht mit unserer alten Kiste in diese Suppe fahren mussten, in die der Spähpanzer vor uns eintauchte!
Ich wies meinen Fahrer an, nun ebenfalls in die vorderste Position nachzurücken, die durch einen schwarz-weiß schraffierten Pfosten markiert war, als auch schon die drei PAH BO-105 mit einem Bodenabstand von maximal fünf Metern direkt über unsere Köpfe hinweg donnerten. Der Windentwicklung der Rotorblätter, riss mein auf der Turmlafette montiertes MG herum, so dass mir dieses genau in dem Moment mit voller Wucht gegen meinen Unterarm geschleudert wurde, als unser Flaggenkommando zum Start kam. Zum Glück bekam ich das MG wieder richtig positioniert, während mein Fahrer bereits losgefahren war. Dicht hinter der Sichtline bekamen wir nochmals ein Zeichen, anzuhalten und abzuwarten. Offensichtlich sollte den Zuschauern auf der Tribüne, die wir nun bereits in etwa hundert Metern Entfernung vor uns sahen, Zeit gegeben werden, den Fuchs möglichst lange zu bewundern, bis sich der Nebel vollständig vom Gefechtsfeld verzogen hatte.
Endlich kam unser Startkommando und ich suchte konzentriert nach der Markierung unserer Feuerstellung, die von den Panzergrenadieren für uns vorbereitet wurde. Ich fand sie in Form einer blauen Flagge, die unmittelbar vor einer Gruppe niedriger Bäume und Büsche gut sichtbar abgesteckt war. Ihr Richtungspfeil wies direkt auf die in etwa dreißig Metern Entfernung vor ihr befindliche Zuschauertribüne. Anscheinend wollte man den Zuschauern ein besonderes Spektakel bieten, da sie sich bei dieser kurzen Distanz direkt im Mündungskegel unseres Geschützes befinden würden.
Ich wies meinem Fahrer die Richtung zur blauen Flagge an und löste die Verbindung meines Sprechsatzes, nachdem er mir bestätigte, dass er die Flagge ebenfalls sehen könne. Noch während der Fahrt kletterte ich aus meinem Führerstand und sprang vom Turm auf die Motorhabe des Geschützes, um den Sicherungsbügel zu lösen, der das Geschützrohr am Chassis des Panzers fixierte. Noch immer war der Panzer nicht zum Stehen gekommen, als ich bereits den Mündungsschoner vom Rohr herunter riss. Damit dies besonders schnell ging, hatte ich seine Befestigungsschnur bereits gelöst, ehe wir losgefahren waren, was die ganze Sache nun immens beschleunigte. Die Leute wollten eine Feuerbereitschaft in Rekordzeit haben, also sollten sie sie bekommen!
Mit einem kurzen Schulterklopfen signalisierte ich meinem Fahrer, anzuhalten. Den Restschwung seines Bremsmanövers nutzte ich zum Absprung von der Motorhaube, um den Fahrer schnellstmöglich direkt an die Flagge einzuweisen. Unter den Zuschauern würden genügend Fachleute sitzen, die ganz genau wussten, dass es hierbei nicht nur auf Schnelligkeit, sondern vor allem auf höchste Präzision ankam, damit das Geschütz möglichst genau in Richtung der erwarteten Feuerleitbefehle, also in die sogenannte Grundrichtung ausgerichtet war. Nur in dieser Ausrichtung hatte das Geschütz die erforderliche Stabilität, den enormen Rückstoß beim Feuern abzufangen. Beim Einweisen musste ich besonders darauf achten, dass mein Fahrer genügend Abstand zum Gestrüpp hinter uns hielt, damit meine Mannschaft über die Heckluke ungehindert absitzen konnte.
Meine Kanoniere K3 und K4 waren bereits instruiert, dass sie sofort die hintere Luke zu öffnen und die beiden Erdsporne zu entriegeln hätten, sobald der Fahrer ihnen per Handzeichen signalisiert hätte, dass wir die Endposition erreicht hatten. Dies klappte offensichtlich hervorragend, denn bereits kurz nach dem Einlegen des Rückwärtsganges gruben sich die Erdsporne tief in den Boden und fixierten das Geschütz unverrückbar.
Gleichzeitig sah ich, wie mein K5 mit seinen beiden rot-weiß gestreiften Richtstäben nach links vom Geschütz weg sprintete, den ersten nach dreißig Schritten in den Boden rammte und mit dem zweiten nach weiteren dreißig in Wartestellung ging. Wenig später hatte ich mich bereits wieder mit dem Sprechfunk verbunden und bekam die Grundrichtung durchgegeben, die ich auf dem Feststellring der Visiereinrichtung unterlegte. Mein K5, den ich über den Prismenspiegel der Zieloptik im Visier hatte, war richtig auf Zack. Ohne jede Verzögerung setze er meine Flaggenzeichen um und schlug bereits nach wenigen Sekunden den zweiten Richtstab perfekt ausgerichtet ein, so dass ich die Einrichtung des nahen Festlegepunktes über Funk melden konnte. Hätte dies unser Bataillonskommandeur sehen können, wäre ihm bei der von uns vorgelegten Zeit bis zur Meldung der Einsatzbereitschaft vor Stolz sicher der Kamm geschwollen!
Kaum, dass der zweite Richtstab im Boden versenkt war, kamen auch schon die Zielkoordinaten, die in Stricheinheit sowohl für Abschusswinkel als auch Richtung durchgegeben wurden. Ich bestätige die Koordinaten über Funk und stellte diese auf der Zieloptik ein, während mein K2 bereits anfing, den Abschusswinkel zu justieren. Unter Beobachtung der Richtstäbe, die in der Zieloptik im Verhältnis zwei zu eins zur Mittellinie erscheinen mussten, führte ich den Geschützturm horizontal nach, bis die Optik das richtige Verhältnis anzeigte.
"VERTIKALKOORDINATEN EINGESTELLT", kam die Meldung von meinem K2.
"M109 FEUERBEREIT!", meldete ich über Funk.
"M109 ICH ZÄHLE! FÜNF - VIER - DREI - ZWO - EINS - FEUER!", kam es aus dem Leitstand.
Vereinbarungsgemäß hatte mein K4 bereits bei fünf die Sicherungsschnur der Handgranate gezogen, die in der Übungsversion aus Styropor besteht, sich hinsichtlich des Sprengsatzes jedoch nicht von einer echten Handgranate unterscheidet. Direkt nachdem er sie ins Rohr warf, betätigte er den Sperrriegel des Verschlusskeils. "ACHTUNG VERSCHLUSS!", rief er, ehe er den schweren Verschlusskeil zuschnappen ließ und das Geschützrohr somit zum Innenraum der Haubitze abdichtete. Wenige Augenblicke später hörten wir es auch schon krachen, allerdings ohne dass das Rohr der Haubitze, welches bei scharfer Munition einen knappen Meter Rückschlag hatte, jegliche Regung zeigte. Die Detonation erfolgte genau auf den Punkt, also perfekt mit dem Feuerbefehl koordiniert. Punktlandung!"
Während der letzten Sekunden hatte ich meine Visiereinrichtung mittig auf die Tribüne Gerichtet, wo ich als einzige Person unseren Verteidigungsminister, Herrn Manfred Wörner erkannte. Er war auch nicht schwer zu erkennen, denn schließlich liefen wir in unserem Batteriegebäude ständig an seinem Foto vorbei. Die Frau, die im hellen Kleid mit weit ausladendem Sommerhut an seiner Seite saß, dürfte wohl seine Ehefrau gewesen sein. Sehr entspannt und fröhlich saß sie neben unserem Minister, was sich aber schlagartig änderte, als die Handgranate in unserer Haubitze zündete. Wer jemals erlebt hat, welche Detonationswucht eine solche Granate in einem langen Geschützrohr selbst in dreißig Metern Entfernung erzeugt, kann sich ungefähr die Gesichtszüge von Frau Wörner vorstellen, der es nicht einmal gelang, ihren Hut rechtzeitig festzuhalten. Völlig entsetzt tauchte sie nach unten ab, wohl instinktiv, um sich in Sicherheit zu bringen. Alle anderen Personen, die ich in meinem Visier hatte, nahm ich überhaupt nicht wahr. Allein die Frau des Ministers zog meine volle Aufmerksamkeit auf sich und ich war mir sicher, dass ich für diese Aktion noch einen riesen Anschiss bekommen würde, auch wenn ich mir keiner Schuld bewusst war, da ich lediglich den Feuerbefehl mit vorgegebenen Zielkoordinaten ausgeführt hatte.
"M109 STELLUNGSWECHSEL UND FUNKSTILLE!", kam es von der Leitstelle.
"M109 Stellungswechsel, over and out!" bestätigte ich, und stellte den Funk aus.
Meine Mannschaft war, wie schon zuvor festgestellt, wirklich auf Zack. Der K5 hatte die beiden Richtstäbe wieder eingeholt, während K3 und 4 die Erdsporne wieder entsicherten und dem Fahrer ein Zeichen gaben, dass er ein Stück vorfahren konnte, um die Sporne wieder hochklappen zu können. Gleichzeitig hatte ich die Visiereinrichtung wieder ausgebaut und in ihrer Transportbox verstaut, ehe ich mich wieder auf meinen Geschützführerstand in der Turmluke begab. Innerhalb kürzester Zeit hatte mein Fahrer das Geschützrohr wieder am Chassis gesichert und den Mündungsschoner übergezogen, so dass ich dem Fahrer den Befehl zum Stellungswechsel gab.
Während wir an der Tribüne vorbeifuhren, drehte ich mich mit militärischem Gruß zu den Zuschauern. Höchst erstaunt stellte ich fest, dass einige Offiziere aufgestanden waren und mein Team und mich mit Applaus verabschiedeten. Dies beruhigte mich doch ungemein, denn nach unserem direkten Beschuss der Tribüne hätte ich eher mit dem einen oder anderen hochgereckten Mittelfinger oder drohenden Fäusten gerechnet. Am meisten beruhigte mich jedoch, dass Frau Wörner ihren Hut wieder auf dem Kopf trug und sich offensichtlich wieder gefasst hatte!
Am Sammelplatz hatten sich die Mannschaften der anderen Waffensysteme bereits vor ihren Fahrzeugen aufgestellt. Ein Einweiser wies uns unseren Platz in der Formation zu, den mein Fahrer direkt ansteuerte, ehe er rückwärts in den ihm zugewiesenen Slot einparkte. Wenig später fuhr auch der M113 auf den Sammelplatz und entließ seine Mannschaft aus der Heckklappe, die sich sofort vor ihm in Formation aufstellte. Nun konnte also gern die gesamte Generalität und die Politprominenz an uns vorbei defilieren.
In aller Eile wurde der Spürpanzer Fuchs noch von einem Feuerwehrlöschzug mit einem Hochdruckschlauch von den Schlammresten befreit, die der Showeinsatz auf ihm hinterlassen hatte. Er wurde so aufgestellt, dass er gleich am Anfang der Formation stand. Natürlich bemühte sich niemand um die Reinigung der anderen Fahrzeuge. Dies dürften dann deren Besatzungen machen, nachdem die Waffenschau zu Ende wäre.
Wir mussten noch eine ganze Weile warten, ehe ein Stabsoffizier mit Heeresstandarte auf dem Kotflügel in einem Iltis angefahren kam und vor jeder der einzelnen Mannschaften anhielt, um eine kurze Ansprache zu halten. Nach einigen Minuten hielt er mit seinem Wagen auch vor uns, so dass ich erst jetzt an den zwei goldenen Sternen auf seiner Schulter erkennen konnte, dass es sich um einen Generalmajor handelte. Pflichtgemäß salutierte ich ihm und machte ihm die für solche Situationen vorgeschriebene Statusmeldung. Zum Glück ließ er uns sofort wieder bequem stehen, um recht locker mit uns zu plaudern. Beiläufig erwähnte er, dass wir mit der Zeit, die wir zum Herstellen der Einsatzbereitschaft benötigt hatten, wohl einen neuen Rekord für die M109 aufgestellt hatten und nicht wenige der anwesenden Offiziere schwer beeindruckt hätten. Eindringlich wies er uns darauf hin, dass wir, sollten die Generäle und Minister auch an uns vorbei defilieren, strengen Blickkontakt mit Kopfwendung zum kommandierenden Nato-General zu halten hätten. Dies würde der Respekt vor ihm gebieten, da er die mit Abstand ranghöchste Person auf der Heereswaffenschau sei. Selbst wenn der Bundesminister der Verteidigung mit seiner Ehefrau direkt neben ihm herlaufen würde, sollten wir uns hiervon nicht ablenken lassen.
Ich bestätigte ihm, dass meine Mannschaft und ich dies soweit verstanden hatten, ehe ich ihn stellvertretend für diese mit militärischem Gruß verabschiedete. Kurz darauf erschien auch bereits der Tross der gesamten Würdenträger am Rand des Karees. Der Offizier ganz vorn musste wohl der kommandierende Nato-General sein. Rückblickend kann ich nicht mehr sagen, woran ich dies festmachte aber die anderen Offiziere, die sich in seiner Nähe aufhielten, bewegten sich nach meiner Beobachtung erkennbar unterwürfig ihm gegenüber. Wir rechneten alle damit, dass er zuerst dem Spürpanzer einen Besuch abstatten würde aber wider Erwarten schlug er eine völlig andere Richtung als die vielen Generäle der Bundeswehr ein, die eindeutig zum Fuchs tendierten, sich dann aber völlig überrascht dem NATO-Oberbefehlshaber anschlossen und versuchten, zu diesem aufzuschließen.
Erst dachte ich, ich würde mich täuschen, ehe mir klar wurde, welche Richtung er eingeschlagen hatte. Tatsächlich ignorierte er die vor den Fahrzeugen verlaufende Schotterstraße und lief nicht an den hier aufgestellten Fahrzeugen und Hubschraubern mit ihren Besatzungen vorbei, sondern quer über das Feld, direkt auf meine Mannschaft und mich zu.
"Oh Scheiße", sagte ich zu meinem Fahrer. "Jetzt fangen wir uns bestimmt doch noch unseren Anschiss!"
Ich glaube, ich habe in meiner gesamten Dienstzeit bei der Bundeswehr noch nie so stramm gestanden, wie in dem Moment, als der General direkt vor mir stehen blieb. Anstatt aber in eine zornige Miene zu blicken, lachte mir ein total fröhliches Gesicht entgegen. Kaum, dass ich meine Meldung gemacht hatte, wies er uns an, dass wir bequem stehen sollten.
"Cool show man! That was hell of a bang you guys fired!", sprach er mich direkt an und klopfte mir kumpelhaft auf die Schulter.
Ich antwortete ihm in perfektem amerikanischem Akzent, dass wir uns freuen würden, dass ihm unser Auftritt gefallen hat, und dass wir auch viel Spaß an der Show hatten. Völlig überrascht fragte er mich, wie es käme, dass ich seine Sprache so perfekt und dann auch noch mit amerikanischem Akzent beherrsche. Als ich ihm sagte, dass ich als Kind in den USA aufwuchs und auch noch den Ort nannte, wo ich mit meinen Eltern in den USA lebte, war er völlig aus dem Häuschen.
"No! You are kidding man, are you? That is exactly where I come from!"
Zufälle gibt es tatsächlich, aber der Zufall, dass ich exakt dort gelebt hatte, wo er her kam, nahm ihn nun vollständig für mich ein. Er trat auf mich zu, legte den Arm um meine Schulter und fing an mich über meine Erinnerungen an seine Heimat auszufragen, als wären wir schon seit Jahren beste Freunde. Während sich inzwischen die gesamte Generalität und alle Minister nebst Begleitung um uns herum versammelt hatten, erzählte er mir, dass er selbst als junger Soldat im Korea-Krieg ebenfalls auf der M109 gedient hätte und deswegen von unserem Auftritt vor der Tribüne völlig begeistert war. Er könne sich nicht daran erinnern, jemals eine derart schnelle Einsatzbereitschaft dieser Haubitze gesehen zu haben. Am liebsten würde er direkt nochmal in die alte Kiste einsteigen, und eine Runde damit durch die Gegend fahren, um in alten Erinnerungen zu schwelgen. Dies sagte er sicher nur aus Höflichkeit, ohne es wirklich ernst zu meinen aber ich stieg voll darauf ein.
"It would be a great honor if I could give you a ride around the area!", gab ich ihm zu verstehen, worauf er sofort mit voller Begeisterung einging.
Also wies ich meinen Fahrer an, seinen Sprechsatz an den General abzutreten, half ihm beim Anlegen und bat ihn, einzusteigen. Hierbei zeigte sich, dass er sich tatsächlich sehr gut mit der M109 auskannte, denn er wählte zum Einstieg nicht den hinteren Zugang über die Einstiegsluke, sondern stieg über die Panzerkette direkt auf den Motorraum und von hier auf den Geschützturm und in die Luke. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass er sich mit dem Sprechfunk verbunden hatte, kletterte ich ebenfalls auf die Motorhaube hoch und setzte mich auf den Fahrersitz.
Anscheinend dachte die um uns herumstehende Generalität und die Politprominenz, dass sich der General nur mal kurz in die Panzerhaubitze hineinsetzen wollte, denn alle drängten sich jetzt dicht um uns herum.
"Ready for take off?", fragte ich den General.
"Yeah, ready for take off!", kam es über Bordfunk zurück.
Als ich den Motor anließ, kam etwas Unruhe in die um uns herumstehende Menschenmenge und ich sah nicht wenige verwunderte Gesichtsausdrücke, als ich den ersten Gang in die Halbautomatik einlegte. Erst nachdem ich bei getretener Bremse kräftig aufs Gaspedal trat und die schwere Haubitze einige Zentimeter vorrollen ließ, wichen die um uns Herumstehenden zurück und bildeten eine Gasse, um uns durchzulassen. Also fuhr ich ganz langsam durch die versammelte Prominenz hindurch, wobei mein Blick auf unseren Verteidigungsminister und seine Frau fiel. Freundlich lächelte mir diese zu, was mich sehr beruhigte, denn sie schien mir nicht wirklich böse zu sein, dass ich ihr den Hut vom Kopf geschossen hatte.
Als ich an der Menschenmenge vorbei war, gab ich Vollgas, sehr zur Freude des Generals, der sich hierüber wie ein kleines Kind freute und dies ausgiebig über Funk zum Ausdruck brachte. Da ich mich in diesem Übungsgelände nicht auskannte, fuhr ich einfach den gleichen Weg zurück, den ich vorher zurückgelegt hatte. Vor der Tribüne vollführte ich einige Drehungen auf der Hochachse, ehe ich die Strecke zum Aufstellplatz hoch fuhr, auf der wir uns vor Beginn der Show versammelt hatten. Während der ganzen Fahrt unterhielt ich mich angeregt mit dem General über Funk über seinen Heimatort in den USA, als ob wir mit einem Cabrio in der Gegend unterwegs wären. Am Aufstellplatz angekommen, wendete ich und fuhr den ganzen Weg wieder zurück, bis zum Sammelplatz, wo ich die Haubitze wieder auf dem ihr zugedachten Platz einparkte.
Nachdem ich den Motor abgestellt hatte, kletterte der General über den Turm zu mir nach unten auf die Motorhaube und reichte mir die Hand, um mir aus dem engen Fahrersitzplatz heraus zu helfen. Nachdem ich schließlich neben ihm auf der Motorhaube stand, umarmte er mich und bedankte sich für dieses echte und für ihn völlig unerwartete Highlight. Inzwischen hatten sich auch die Besucher der Heereswaffenschau wieder um uns herum versammelt und spendeten für diese Szene begeisterten Applaus.
Nachdem wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, verabschiedete sich der General mit Handschlag von mir und begab sich wieder zu seinem Generalstab. Kurz darauf trat unser Verteidigungsminister an mich heran und schüttelte mir die Hand.
"Von welcher Einheit kommen Sie, Herr Unteroffizier?", wollte er von mir wissen.
Ich nannte ihm die Bezeichnung und den Standort meiner Einheit und entschuldigte mich anschließend bei seiner Frau dafür, dass ich ihr den Hut vom Kopf geschossen hatte.
"Alles halb so wild!", lachte diese und schüttelte mir ebenfalls die Hand und so kam es, dass ich an diesem Tag ohne schlechtes Gewissen den Rückweg zu meinem Standort antreten konnte, nachdem wir die alte M109 wieder auf einem Tieflader verzurrt hatten.
Als unsere Batterie am nächsten Tag zum Mittagsappell angetreten war, forderte mich unser Hauptmann auf, vorzutreten und Haltung anzunehmen, wie es im Bundeswehrdeutsch so schön hieß. Ohne den Funken einer Ahnung, was dies zu bedeuten hatte, trat ich also aus der Formation, meldete mich bei ihm, wie befohlen und baute mich vor ihm auf. In seiner Hand hielt er ein Fax, welches er nun laut vorlas. Wie sich herausstellte, kam das Fax direkt vom Verteidigungsministerium. Hierin wurde ich für mein außerordentliches Engagement für die Verdienste um die Truppenverständigung zwischen der Bundeswehr und den verbündeten Streitkräften der Vereinigten Staaten, sowie für eine herausragende Demonstration der Leistungsfähigkeit der Panzerartillerie anlässlich der Heereswaffenschau in Arolsen belobigt. Ausführlich war weiter erwähnt, wie positiv sich der Kommandierende NATO-General gegenüber dem Ministerium über mich geäußert hätte. Das Fax endete mit den Worten "Es sind dem Unteroffizier Michael (Nachname tut nichts zur Sache) für seine Verdienste um die Bundeswehr zwei Tage Sonderurlaub zu gewähren." Bonn, gezeichnet Manfred Wörner, Bundesminister der Verteidigung.
Während unser Batteriechef das Fax vorlas, bin ich wahrscheinlich um mindestens zwei Zentimeter gewachsen und konnte nicht verhindern, dass mir der letzte Satz ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert hatte. Noch bevor ich mich beim Chef abmeldete und wieder in die Formation zurück trat, drückte er mir noch einen großen Umschlag in die Hand, der per Einschreiben für mich angekommen war.
Der Umschlag kam von einer Physiotherapieschule, an der ich vor mehreren Wochen an einem Aufnahmetest teilgenommen hatte. Diesen Test hatte ich irgendwie überhaupt nicht mehr auf dem Schirm, denn seitdem klar war, dass ich an der Uni in Mainz einen Studienplatz sicher hatte, war meine Bewerbung an der Physiotherapie-Schule eigentlich hinfällig.
Kaum, dass die Formation aufgelöst und die Einheit in eine kurze Pause entlassen wurde, riss ich den Umschlag neugierig auf. Zu meiner großen Überraschung enthielt er einen Ausbildungsvertrag, den ich binnen zwei Wochen unterschrieben zurück senden sollte. Die Ausbildung sollte ein halbes Jahr nach meiner Dienstzeit bei der Bundeswehr beginnen, nachdem zuvor ein dreimonatiges Pflegepraktikum an einem Krankenhaus eigener Wahl zu absolvieren wäre. Bis drei Monate vor Ausbildungsbeginn könnte vom Vertrag zurück getreten werden, ohne dass dies Konsequenzen hätte. Spätere Rücktritte wären mit Kosten verbunden.
So, wie die Vertragsbedingungen formuliert waren, musste ich nicht lange überlegen. Einer inneren Eingebung folgend, unterschrieb ich den Vertrag. Immerhin blieben mir auf diese Weise für mehrere Monate beide Optionen offen. Absagen konnte ich sowohl das Eine, wie das Andere und das Pflegepraktikum hätte ich vor dem Medizinstudium ohnehin gemacht. Also ließ ich mir in der Schreibstube einen Umschlag für den Rückversand des Vertrages geben und brachte die Rückantwort gleich zur Poststelle.
Mein Grinsen über den vom Verteidigungsminister gewährten Sonderurlaub sollte mir allerdings bereits zwei Tage später wieder vergehen, als ich völlig unerwartet zum Chef ins Büro befohlen wurde. Ich hatte keine Ahnung, was er überhaupt von mir wollen könnte und meldete mich bei ihm, wie befohlen.
Was nun folgte, war eine mehrminütige Schimpftirade meines Batteriechefs, in der er mich über die Wichtigkeit von Pflege und Wartung der Waffensysteme der Bundeswehr zur permanenten Gewährleistung von deren Einsatzbereitschaft belehrte. Ich verstand überhaupt nicht, worauf er überhaupt hinaus wollte, bis mir am Ende seines Ausbruches schlagartig klar wurde, welchen Fehler ich begangen hatte. Bei der technischen Durchsicht der M109, mit der wir auf der Heereswaffenschau aufgetreten waren, wurden im Inneren des Geschützrohres Styroporreste und Sprengstoffrückstände der hierin gezündeten Übungshandgranate gefunden. Ich hatte in meiner Nachlässigkeit blöderweise die für solche Fälle vorgeschriebene Rohrreinigung und Ölung vergessen, was zu Korrosionsschäden hätte führen können, wäre es nicht zeitnah entdeckt worden.
"Hiermit entziehe ich Ihnen die beiden Tage Sonderurlaub, die Ihnen vom Bundesminister der Verteidigung zugesprochen wurden. Ich nehme an, Sie sind hiermit einverstanden? WEGTRETEN!", beschloss mein Chef seine Rede mit einem geradezu triumphierenden Gesichtsausdruck in der Fresse.
"Melde mich ab!", erwiderte ich, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro. "Scheiße, Scheiße, Scheiße!" brüllte ich, als ich außer Hörweite des Chefs war. Aber im Prinzip hatte ich die Strafe verdient und konnte heilfroh sein, dass noch keine Korrosionsspuren im Geschützrohr festgestellt wurden. Ein oder zwei Wochen später, und die Kacke wäre richtig am Dampfen gewesen!
Wie gewonnen, so zerronnen! Zu dem Ärger über den verlorenen Sonderurlaub kam hinzu, dass mir die lange Zeit, die ich inzwischen ohne Lexie verbringen musste, inzwischen richtig an die Nieren ging. Zwar sahen wir uns am darauffolgenden Wochenende wieder, aber zu einem besonders intensiven Austausch von Zärtlichkeiten kam es hierbei nicht, da meine Großmutter ihren Geburtstag feierte und mein Vater selbstverständlich davon ausging, dass wir ihn und meine Mutter zu ihr begleiten würden. Da meine Großmutter mehrere Hundert Kilometer entfernt lebte, ging hierfür ein ganzer Tag drauf. Trotzdem war es ein sehr schöner Tag, denn Lexie freute sich aufrichtig, meine ganzen Cousinen und Cousins kennenlernen zu können, zumindest den Teil, der nicht in der DDR lebte.
Die nächste Woche brachte einen von früh bis spät vollgepackten Dienstplan mit sich. Gleich am Montag stand ein Außenbiwak mit den Rekruten an, also Übernachtung im Zweimannzelt mit gefechtsmäßiger Tarnung und allem, was dazu gehörte. Diverse Übungsinhalte, wie die Installation von Alarmvorposten, Sprengfallen und der Bau einer behelfsmäßigen Trage zum Transport verwundeter Kammeraden sorgten dafür, dass keine Langeweile aufkam.
Ein weiterer Ausbildungspunkt, das Zerlegen, Reinigen und wieder Zusammensetzen des Sturmgewehres G3 bei völliger Dunkelheit unter verschärften Bedingungen, also mit angelegter ABC-Schutzausrüstung, war immer ein Moment des Unbehagens für beide Seiten. Für die Rekruten, weil es eine absolute Tortur darstellte, mit angelegter Schutzausrüstung solcherlei Aufgaben zu erfüllen. Immer wieder kam es hierbei zu Panik- oder Platzangstanfällen, so dass uns Gruppenführern eine besondere Verantwortung zukam. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Empathie mussten wir hier auf unsere Wehrpflichtigen beruhigend einwirken, um solchen Situationen vorzubauen. Als Ausbilder hatten wir aber schon allein deswegen ein sehr ungutes Gefühl, weil wir uns noch gut an einen Vorfall erinnern konnten, bei dem einem Rekruten beim Winterbiwak vor einem halben Jahr ein Teil des Verschlusses seines Sturmgewehres beim Zerlegen verloren ging. Dies hatte damals zur Folge, dass der Chef uns alle so lange draußen in der Kälte ausharren ließ, bis schließlich am nächsten Tag ein Trupp vom Pionierbataillon mit Metalldetektoren anrückte und das fehlende Teil tatsächlich fand.
Auch bei diesem Biwak sollte wieder etwas verloren gehen, allerdings auf eine etwas kuriose Art und Weise. Meinem Kammeraden, Unteroffizier Andreas E (Nachname tut nichts zur Sache), wurde die Aufgabe zugeteilt, den Rekruten die nicht zu unterschätzende Gefahr zu demonstrieren, die von der Detonation einer Übungshandgranate ausging. Jedes Quartal gab es hier aufs neue irgendeinen Gag, der regelmäßig zu großem Gelächter unter den Rekruten führte. So wurde beispielsweise im letzten Quartal die Handgranate in einer Matschpfütze gezündet. Nach der Detonation der Granate gab es diese Pfütze nicht mehr, allerdings war die gesamte Einheit dafür von Kopf mit Fuß eingesaut!
Für dieses Jahr hatte sich Andreas etwas neues ausgedacht. Hierzu ließ er auf der Waldlichtung, auf der wir das Biwak aufgeschlagen hatten, ein Loch von etwa einem halben Meter Tiefe ausheben. Einen der Rekruten Bat er, ihm seinen Stahlhelm auszuleihen. Anschließend ließ er alle Rekruten in einem gewissen Sicherheitsabstand um das Loch herum antreten. Nun nahm er die Übungshandgranate, legte sie in das Loch und den Stahlhelm des Rekruten oben drauf, ehe er die Zündschnur zog und sich sofort darauf in Deckung brachte. Wahrscheinlich dachte Andrea, dass es lustig wäre, den Helm beim Fliegen zu beobachten, um ihn anschließend wieder aufzufangen. Womit er jedoch nicht rechnete, waren Flughöhe und Richtung des Helms, der durch die Gewaltige Detonation so hoch in die Luft flog, das er sich über unseren Köpfen in einer der hohen Tannen verfing und von diesem Moment an als verschollen galt.
Natürlich gab es ein riesiges Gelächter unter allen Anwesenden, außer dem Rekruten, dem nun der Stahlhelm fehlte! Das größere Problem hatte allerdings Andreas, der die Verantwortung für den Verlust des Helmes trug. Dies hätte auf jeden Fall eine empfindliche Disziplinarstrafe für ihn zur Folge gehabt, hätte er nicht mit dem Rekruten einen "Deal" gemacht, dass dieser eine Verlustmeldung für den Helm schreiben sollte, wofür ihn Andreas in irgendeiner Weise entschädigen würde. Das Beste an der Sache war jedoch, dass die gesamte Einheit über die wahren Zusammenhänge gegenüber dem Chef Stillschweigen bewahrte und zwar vom Rekruten bis hinauf zum Oberfeldwebel. Dass nenne ich echte Kameradschaft!
Der erste Tag des Biwaks war auf jeden Fall recht abwechslungsreich. Für uns Unteroffiziere war das Außenbiwak nicht ganz so unbequem, wie für die Wehrpflichtigen, denn wir durften wenigstens zum Übernachten zurück in die Kaserne. Da wir aber am nächsten Morgen schon wieder in aller Frühe bei unseren Ausbildungsgruppen sein mussten, bekamen wir auch nicht mehr als maximal drei Stunden Schlaf, denn wir mussten den ganzen Weg vom Übungsgelände in die Kaserne und von der Kaserne wieder ins Übungsgelände zu Fuß zurücklegen.
Richtig ätzend war immer der Tag nach einer solchen Außenübung, denn dieser war grundsätzlich mit einer intensivsten Reinigung und Pflege der gesamten Ausrüstung verbunden. Für die Rekruten gab es nichts Langweiligeres, als solche Reinigungseinsätze und für uns Ausbilder nichts Langweiligeres, als diese zu beaufsichtigen.
Im Hinblick auf den bevorstehenden Samstag, der für mich übrigens schon wieder einen Dienst am Wochenende bedeutete, wurde der Reinigung der Ausrüstung in diesem Fall besondere Bedeutung beigemessen. Es stand nicht nur das sogenannte "Bergfest", also die Mitte der Grundausbildungszeit an, sondern zugleich auch der Tag der offenen Tür, an dem das Kasernentor für die Bevölkerung geöffnet wurde. Aus diesem Grund musste natürlich nicht nur die Ausrüstung blitzblank sein. Sogar an der Fassade des Gebäudes wurden kleinere Ausbesserungen vorgenommen und die Fensterrahmen neu gestrichen. Dies alles natürlich nicht von hierfür qualifizierten Firmen, sondern von den Wehrpflichtigen selbst. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Arbeiten deswegen schlechter gemacht wurden. Eher im Gegenteil, denn unter den Wehrpflichtigen gab es immer wieder junge Leute, die sich bei solchen Gelegenheiten in ihrem erlernten Handwerksberuf beweisen konnten. Dies brachte ihnen nicht selten Respekt bei ihren Kammeraden und ihren Vorgesetzten ein. Es bestätigte sich in solchen Momenten immer wieder, dass die Bundeswehr ein Spiegelbild der Gesellschaft war, zumindest so lange, wie noch eine Wehrpflicht bestand.
Die Rekruten fieberten ihrem Bergfest natürlich besonders entgegen, da viele zu diesem Anlass Familienangehörige, Freundinnen oder Freunde erwarteten, mit denen sie anschließend gemeinsam den Heimweg ins Wochenende antreten könnten. Für dessen Verlängerung bekamen die Wehrpflichtigen den Montag zum Ausgleich für den Samstag frei.
Der Tag der offenen Tür rückte näher. Die Ausbildungsräume im Erdgeschoss waren bereits vollständig ausgeräumt und mit Schautafeln dekoriert, die zum Teil ganz allgemein für den Dienst bei der Bundeswehr warben, zum anderen Teil Informationen zu Ausstattung, Bewaffnung, personeller Zusammensetzung und Aufgabengebieten der Panzerartillerie boten. Alles musste auf jeden Fall akkurat und ordentlich aufgehängt sein, damit am Samstag nur noch einzelne Exponate der Ausstattung unserer Einheit zur Besichtigung dazu gelegt werden mussten.
Um Punkt neun Uhr wurde das Kasernentor für die Allgemeinheit geöffnet. Von Anfang an war der Andrang ungewöhnlich hoch, genauso wie im Vorjahr. Taschen- oder Ausweiskontrollen, wie man sie heutzutage zu solchen Anlässen erwarten würde, gab es damals nicht. Leider auch nicht beim Verlassen des Geländes, was sich später noch als tragisch erweisen sollte. Es herrschte eine lockere Volksfeststimmung, zumal es reichlich Animation für Kinder und insbesondere ab der frühen Mittagszeit kostenlosen Spießbraten mit Kraut, dem traditionellen Gericht der Artillerie gab. Zur Mittagszeit trudelten dann nach und nach auch die Angehörigen der Wehrpflichtigen ein. Einer von ihnen hatte sogar seine gesamte Fußballmannschaft eingeladen, von der tatsächlich eine zweistellige Anzahl mit dem Vereinsbus erschien.
Es mögen einige Hundert Personen gewesen sein, die an diesem Tag durch unser Batteriegebäude spazierten. Durch jede Rekrutenstube liefen mindestens doppelt so viele Besucher, wie hier Wehrpflichtige untergebracht waren, so dass es teilweise so eng und gedrängt zuging, wie auf einem Flohmarkt.
Eigens für die Besucher gab es mehrere Vorführungen durch die Rekruten. Hierzu zählten z.B. ein Wettbewerb im Zerlegen und Zusammensetzen des Sturmgewehres G3, bei dem die Rekruten frenetisch von ihren angereisten Angehörigen angefeuert wurden, denn dem Sieger winkte ein Tag Sonderurlaub. Höhepunkt der Veranstaltung war danach das gemeinsame Mittagessen, zu dem die Rekruten in Marschformation geführt wurden, während die Angehörigen nebenher liefen und großenteils fleißig fotografierten. Im großen Speisesaal gab es Spießbraten mit Kraut bis zum Abwinken. Wer wollte, konnte sich am frühen Nachmittag auch an einem riesigen Kuchenbuffet bedienen und sich dazu einen Kaffee aus einer von drei riesigen Warmhaltegefäßen zapfen. Dies wurde von vielen Rekruten zum Anlass genommen, ihren Angehörigen zu demonstrieren, wie furchtbar der Kaffee bei der Bundeswehr schmeckte, was tatsächlich der Fall war!
Als dann pünktlich um vier Uhr nachmittags die gesamte Einheit vor dem Batteriegebäude antreten durfte, um ins Wochenende verabschiedet zu werden, ließ unser Hauptmann unter den Augen der angetretenen Soldaten, ihrer Angehörigen und zahlreicher weiterer Besucher die Bombe platzen!
Mit hochrotem Kopf baute er sich vor dem Eingang des Batteriegebäudes auf und teilte uns mit, dass ihm vor einer guten Stunde gemeldet wurde, dass aus einer der Rekrutenstuben zwei ABC-Schutzmaskentaschen entwendet wurden. Er würde jetzt dem Dieb genau zehn Sekunden geben, sich freiwillig zu stellen und die entwendeten Taschen wieder rauszurücken. Würde sich der Dieb nicht freiwillig stellen, würden unverzüglich umfangreiche Maßnahmen getroffen, um weitere Diebstähle zu verhindern.
Keiner von uns konnte sagen, was im beschränkten Hirn unseres Hauptmanns in diesem Moment vor sich ging. Man konnte im Prinzip davon ausgehen, dass der Dieb längst über alle Berge war, nachdem er unkontrolliert das Kasernentor verlassen haben dürfte. Es kamen angesichts der enormen Besuchermassen Hunderte von Personen für den Diebstahl in Betracht. Glaubte er im Ernst, den Dieb unter dem eigenen Personal oder in den Reihen der Angehörigen ausmachen zu können?
Unter den Angehörigen war aufgeregtes Gemurmel zu hören und auch aus dem zweiten und dritten Glied unserer strammstehenden Formation war die Frage zu hören, ob unser Batteriechef noch alle Tassen im Schrank hätte. "Sicher nicht!", kam die spontane Antwort von einem der höheren Dienstgrade, die rechts hinter mir standen, allerdings so leise, dass es nur die direkt umstehenden hören konnten. Deutlich hörbarer war da schon eher deren krampfhaft unterdrücktes Lachen, denn darüber, dass unser Hauptmann einen Sprung in der Schüssel hatte, herrschte allgemeiner Konsens.
"ICH ZÄHLE BIS ZEHN!", schrie der Batteriechef und wie nicht anders zu erwarten, herrschte absolute Stille, nachdem er herunter gezählt hatte. Niemand meldete sich. Dass dies so sein würde, musste auch unserem Hauptmann vorher bereits klar gewesen sein, denn kaum, dass er bei der letzten Ziffer angekommen war, ließ er sich von dem hinter ihm stehenden Schreibstuben-Gefreiten ein Klemmbrett aushändigen, an dem mehrere Zettel angebracht waren.
"Gut, wenn das so ist, werden zur Vermeidung weiterer Straftaten ab sofort verstärkte Sicherungsmaßnahmen eingeführt. Bis zum Ende der Grundausbildung werden jeweils zwei Rekruten für jeweils eine Stunde in der Unterkunft Streife laufen. Dies erfolgt rund um die Uhr, also vierundzwanzig Stunden am Tag. Die Streife ist zu erkennen an roten Armbinden und Stahlhelm auf dem Kopf. Da noch keine abgeschlossene Waffenausbildung besteht, haben die Streifen als Bewaffnung ihren aufgeklappten Klappspaten in der Hand mit sich zu führen. Zur jeweils vollen Stunde erfolgt die Ablösung durch zwei weitere Rekruten unter Aufsicht des UvD. Folgende Rekruten werden in den nächsten 24 Stunden den Wach- und Sicherungsdienst übernehmen:"
Während der Batteriechef die Namen der zum Wachdienst eingeteilten Rekruten verlas, waren immer wieder ein Aufstöhnen und wütende Zwischenrufe, insbesondere aus den Reihen der Angehörigen zu vernehmen. Offensichtlich hatte unser Batteriechef den Plan so erstellen lassen, dass es sich praktisch für keinen der Rekruten lohnen würde, zusammen mit seinen Angehörigen den Heimweg anzutreten. Selbstverständlich führte dies zu lautstarken Protesten, die aber an unserem Batteriechef ungehört abprallten.
Die Rekruten auf diese Weise öffentlich für etwas zu bestrafen, was sie überhaupt nicht zu verantworten hatten, war ein ganz übler Schachzug von ihm, auch wenn er versuchte, diesen wie eine erforderliche Maßnahme und nicht wie eine Strafe erscheinen zu lassen. Mein Gerechtigkeitssinn, der mir in meiner Karriere bei der Bundeswehr schon so manches Mal im Weg stand, ließ mich beinahe automatisch handeln und so folgte ich ihm nach kurzer Rücksprache mit den Gruppen- und Zugführern unserer Einheit in sein Büro, kaum dass er die angetretene Formation aufgelöst und allen Anwesenden in seinem widerwärtigen Zynismus ein schönes Wochenende gewünscht hatte. Bevor ich sein Büro betrat, schrieb ich mir schnell noch einige Stichpunkte aus meiner kurzen Unterredung mit meinen Kammeraden auf einen Zettel, um diese erforderlichenfalls parat zu haben.
"Was wollen Sie denn schon wieder hier, Herr Unteroffizier?", herrschte er mich an, als ich mich bei ihm meldete.
"Herr Hauptmann, ich melde mich bei Ihnen offiziell in meiner Eigenschaft als Vertrauensmann der Batterie."
"Und?"
Herr Hauptman, im Namen und Auftrag aller Gruppen- und Zugführer der Einheit mache ich Sie darauf aufmerksam, dass der von Ihnen beschlossene Wach- und Streifendienst gleich gegen mehrere Dienstvorschriften verstößt", sagte ich ihm ganz direkt, wobei er mir nicht einmal erlaubte, bequem zu stehen, sondern mich einfach vor ihm strammstehen ließ.
"Wollen Sie junger Schnösel mich etwa über die Dienstvorschriften belehren?"
"Es wäre mir lieber, wenn ich es nicht tun müsste. Als Vertrauensmann der fünften Batterie bin ich allerdings hierzu verpflichtet!"
"ACH JA? UND WELCHE DIENSTVORSCHRIFTEN SOLLEN DIES BITTE SEIN?", brüllte er mich an.
"Erstens dürfen Soldaten der Bundeswehr in Friedenszeiten vor Abschluss ihrer Grundausbildung nicht zu Wach- und Streifendiensten herangezogen werden. Zweitens dürfen selbst nach abgeschlossener Grundausbildung Wach- und Streifendienste erst nach erfolgter Wachausbildung übernommen werden. Drittens muss vor Berechtigung zu Wach- und Streifendiensten eine schriftliche Überprüfung über das Vorhandensein der erforderlichen Grundkenntnisse erfolgt sein. Viertens müssen die zum Wach- und Streifendienst eingeteilten Soldaten vor Antritt ihres Dienstes offiziell vergattert werden. Fünftens ist es bei der Bundeswehr in Friedenszeiten verboten, in geschlossenen Gebäuden einen Stahlhelm zu tragen."
"WAR ES DAS JETZT HERR UNTEROFFIZIER?"
"Fürs Erste Ja, Herr Hauptmann!"
"DANN SAGE ICH IHNEN JETZT MAL, WIE ES MIT IHNEN WEITER GEHT! SECHSTENS ÜBERNEHMEN SIE AB HEUTE, ZWANZIG UHR FÜR VIERUNDZWANZIG STUNDEN DIE ÜBERPRÜFUNG DER EINGETEILTEN WACHSOLDATEN UND SIEBTENS SIND SIE AB SONNTAG, VIERUNDZWANZIG UHR NICHT MEHR TEIL DIESER EINHEIT! MIT WIRKUNG AB MONTAG VERSEHEN SIE IHREN DIENST IN DER DRITTEN BATTERIE! DIE SCHRIFTLICHE MITTEILUNG IHRER VERSETZUNG KÖNNEN SIE SICH IN EINER STUNDE PERSÖNLICH IN DER SCHREIBSTUBE ABHOLEN UND JETZT GEHEN SIE MIR AUS DEN AUGEN!"
Gut, hier war für mich nichts mehr zu gewinnen. Nachdem sich mein Batteriechef hinlänglich ausgekotzt hatte, verstand ich zum ersten Mal, wie jemand einen Mord im Affekt begehen konnte aber soweit, dies nicht einmal auch nur zu erwägen, hatte ich mich zum Glück im Griff. Da aber mein Respekt gegenüber meinem Vorgesetzten in diesem Moment, ebenso wie die Angst vor ihm gegen Null tendierten, wandte ich mich an den Schreibsoldaten. Eine Trumpfkarte hatte ich noch im Ärmel, die ich mir nicht verkneifen konnte, auszuspielen.
"Ich hoffe, Sie haben in Ihrem Protokoll sämtliche Missachtungen von Dienstvorschriften festgehalten, die ich gerade aufgezählt habe. Wenn Sie das Protokoll fertiggestellt haben, hätte ich gern zwei Kopien hiervon."
"RAUS HIER, SONST VERGESSE ICH MICH!", brüllte mein Chef und machte bereits Anstalten, mit einem schweren Locher nach mir zu werfen, der auf seinem Schreibtisch lag. Ausnahmsweise verließ ich sein Büro daher ohne militärischen Gruß.
Ganz offensichtlich schien mein Chef die Tragweite seiner Verstöße gegen Dienstvorschriften nicht zu begreifen. War er tatsächlich so weltfremd oder lag die Erklärung vielleicht an seiner Alkoholfahne, die mir während seiner Brülltirade voll ins Gesicht blies?
Mein erster Gedanke war, dass ich jetzt ganz schnell meine Lexie anrufen musste. Wie sollte ich ihr nur klarmachen, dass ich schon wieder zum Wochenenddienst eingeteilt war? Selbst dies war in seiner Häufung meines Wissens ein Verstoß gegen irgendeinen Erlass aber das half mir jetzt auch nicht weiter. Bevor ich Lexie anrief, musste ich jetzt schnellstens zusehen, ob ich den Bataillonskommandeur noch antreffen würde, um vielleicht im letzten Moment das Schlimmste noch abwenden zu können. Also rannte ich in Richtung des Stabsgebäudes, wo ich beinahe mit ihm zusammenstieß, als er gerade aus dem Gebäude kam, um ins Wochenende zu verschwinden.
"Ach wissen Sie, Herr Unteroffizier", sprach er, nachdem ich ihm die ganzen Vorgänge geschildert hatte. "ich bin im Moment vollauf mit den Vorbereitungen für das Manöver in Bergen-Hohne beschäftigt. Wenn Ihr Batteriechef meint, seinen Laden auf diese Weise führen zu müssen, soll er es eben tun. Zum Glück ist die Fünfte Batterie ja nur eine Ausbildungseinheit und keine schießende. Im Übrigen halte ich Stahlhelme auf dem Kopf in geschlossenen Gebäuden für kein vorrangig zu lösendes Problem. Lassen Sie uns also dieses Gespräch vielleicht auf die Zeit nach dem Manöver vertagen. Wegtreten!"
Es war einfach nicht zu fassen! Da wischte der Bataillonskommandeur die Missachtung mehrerer Dienstvorschriften meines Batteriechefs einfach mit der profanen Begründung beiseite, dass es sich ja bei unserer Batterie lediglich um eine Ausbildungseinheit handelte! Haben Wehrpflichtige Rekruten etwa keine Rechte?
"So eine Scheiße aber auch!", war der einzige Gedanke, der mir durch den Kopf ging. Während der Großteil der Kammeraden längst in seinem wohlverdienten Wochenende war, war ich jetzt auch noch zur Überwachung der Aufräumarbeiten eingeteilt. Dies würde noch mindestens zwei volle Stunden in Anspruch nehmen. Um zwanzig Uhr würde dann mein Schikane-Dienst beginnen, ehe ich dann meine Sachen für den Umzug in das Gebäude der dritten Batterie packen würde. Beim Gedanken, dies alles Lexie am Telefon erzählen zu müssen, wurde mir richtig schlecht!
Enttäuscht und verärgert kehrte ich zu unserem Batteriegebäude zurück. Viele der Angehörigen waren noch immer da und brachten ihre Wut und ihren Frust gegenüber einigen der Unteroffiziere meiner Einheit zum Ausdruck, die allerdings der falsche Adressat hierfür waren. Als meine Kammeraden mich sahen, kamen sie sofort auf mich zu, um nähere Details zu meinem Gespräch mit dem Batteriechef von mir zu erfahren. Sein Gebrüll war von allen Anwesenden durch sein offenes Bürofenster gut zu verstehen gewesen, nicht aber mein Part der Unterredung.
Nachdem ich ihnen alles berichtet hatte und ihnen auch eine Zusammenfassung meines kurzen Gesprächs mit dem Bataillonskommandeur gab, herrschte allgemein wütende Fassungslosigkeit. Dass der Kommandeur die eklatante Missachtung der Dienstvorschriften derart ignorieren würde, konnte niemand glauben. Richtige Verärgerung bestand allerdings über die offensichtlich geringe Wertschätzung unserer Einheit. Derart offen vor Augen geführt zu bekommen, was der Kommandeur von seiner eigenen Ausbildungseinheit hielt, brachte die versammelten Unteroffiziere regelrecht auf die Palme. Schließlich war es ja uns zu verdanken, dass die schießenden Einheiten jedes Quartal aufs Neue gut ausgebildeten Ersatz für die ausscheidenden Wehrpflichtigen zugeführt bekamen.
Meine Kammeraden, die gern langsam ins Wochenende verschwinden wollten, drängten darauf, endlich die anstehenden Aufräumarbeiten abzuschließen und so machte ich mich mit ihnen zusammen ans Abhängen der Schautafeln in den Unterrichtsräumen, um diese für den kommenden Dienstag wieder herzurichten. Einige der für die nächsten Wachdienste eingeteilten Rekruten halfen uns hierbei, obwohl sie eigentlich Feierabend hatten. Seitdem ich im Sommer 1983 in die Bundeswehr eingetreten war, erlebte ich zum ersten Mal einen Schulterschluss zwischen den Wehrpflichtigen und uns, ihren direkten Vorgesetzten. Wären diese Rekruten nicht gewesen, wäre meine Arbeitsmoral wahrscheinlich am Tiefpunkt gewesen, denn am kommenden Dienstag hätte ich bereits nichts mehr mit dieser Einheit zu tun und es konnte mir eigentlich egal sein, wie die Unterrichtsräume an diesem Tag aussehen würden.
Als ich Lexie vom Münztelefon der Kaserne aus anrufen wollte, musste ich leider feststellen, dass dieses defekt war. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als den Apparat des UvD hierfür zu verwenden. Normalerweise war dieser für Privatgespräche tabu. Mein Kollege, dem ich ohnehin ab zwanzig Uhr Gesellschaft leisten würde, hatte allerdings Verständnis für meine Situation und zog sich zusammen mit seinem GvD (Gefreiter vom Dienst) diskret aus seinem Dienstzimmer zurück.
Lexie war natürlich ziemlich enttäuscht, dass ich am Wochenende schon wieder nicht nach Hause kommen würde. Wegen meiner Versetzung in die andere Einheit entfiel für mich auch der freie Montag, so dass wir uns bis zum darauffolgenden Wochenende überhaupt nicht mehr sehen würden. Immerhin hatte Lexie trotzdem eine aufmunternde Nachricht für mich. Während wir uns miteinander unterhielten, hatte sie auf dem neben ihrem Telefon liegenden Kalender nachgezählt, dass es nur noch dreiundvierzig Tage bis zum Ende meiner Dienstzeit bei der Bundeswehr wären. Dreiundvierzig Tage sollten doch auch noch rumzukriegen sein, oder? Nachdem ich ihr mitteilte, dass ich den Telefonanschluss des UvD leider wieder freigeben musste, verabschiedeten wir uns voneinander, nachdem wir uns gegenseitig versicherten, dass wir uns liebten, ehe wir wieder auflegten.
"Nur noch dreiundvierzig Tage?", ging es mir immer wieder durch den Kopf, als mir plötzlich eine Idee kam. Schnell lief ich zum Soldatenheim, welches normalerweise am Freitag um diese Zeit bereits zu hatte. Da heute aber Tag der offenen Tür war, lag ich mit der Vermutung richtig, dass der Betreiber noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt war. Mir zuliebe fuhr er den Rollladen seiner Verkaufstheke nochmals hoch. Ich wählte mir eines der "Abgänger-Maßbänder" aus, dazu noch jeweils eine Packung Colafläschchen, Gummibärchen, Lackritzschnecken, und noch jede Menge anderen Süßkram, Kartoffelchips, ein halbes Dutzend Bifis und was man sonst so an industriell produziertem Scheißdreck gebrauchen konnte, wenn man seinen Frust verarbeiten wollte.
Zur näheren Erläuterung möchte ich an dieser Stelle einfügen, worum es sich bei einem Abgänger-Maßband handelt. Als "Abgänger" bezeichnete man Wehrpflichtige, die sich im letzten Quartal ihrer Dienstzeit befanden. Es war damals allgemein praktizierter Brauch unter den Wehrpflichtigen, in der Hosentasche etwas mitzuführen, was man bei Bedarf wie einen Ausweis vorzeigen konnte, um zu dokumentieren, wie viel Zeit einem noch bis zum Ausscheiden aus der Bundeswehr verblieb.
Spätestens bis zum Ende der Grundausbildung hatte beinahe jeder Wehrpflichtige ein mit einem Bolzenschneider aus einer Gewehrreinigungskette herausgetrenntes Kettenstück, das gerade noch über so viele Elemente verfügte, wie einem noch Dienstmonate bei der Bundeswehr bevorstanden. Ans Ende der Kette hängten die meisten Wehrpflichtigen eine leere Patronenhülse, während man hierfür bei der Artillerie auch einen abgeschossenen Treibladungsanzünder verwendete, der einer Patronenhülse ähnelte. Gemäß der gelebten aber natürlich inoffiziellen Tradition durfte man nur die Hülse eines selbst abgeschossenen Anzünders oder einer Patrone an der Kette tragen. Diese Kette wurde jeden Monat um jeweils einen Abschnitt gekürzt, bis nur noch sechs Kettenabschnitte übrig waren, die das letzte halbe Jahr der Dienstzeit symbolisierten. Hierbei war es sehr beliebt, die abgetrennten Kettenabschnitte irgendwelchen besonders unbeliebten Vorgesetzten vor die Tür zu legen, damit diese darauf traten, wenn sie aus ihren Zimmern kamen.
Meine Kette trug ich längst bei mir, mit einem Treibladungsanzünder, der mich seinerzeit gleich drei Kisten Bier gekostet hatte. Bei der Artillerie war es üblich, dass derjenige, der den ersten scharfen Schuss eines Manövers abfeuerte, eine Kiste Bier springen lassen musste. Eine weitere Kiste Bier war fällig, wenn man den ersten Schuss überhaupt in seiner Laufbahn als Artillerist abfeuerte. Weiterhin musste man eine Kiste Bier spendieren, wenn man als Richtschütze, auch K1 genannt, einen Feuerbefehl derart präzise einstellte, dass man einen Volltreffer im bis zu achtzehn Kilometer entfernten Zielgebiet hinlegte. Bei meinem ersten Manöver in im Frühjahr 1984, welches ich während Teil 1 meines Unteroffizier-Lehrganges in Grafenwöhr absolvierte, trafen alle drei Punkte auf mich zu, so dass ich gleich drei Kisten Bier für einen einzigen Schuss zu bezahlen hatte. Die Kette mit dem Treibladungsanzünder hängt noch heute als Anhänger an meinem Autoschlüssel, graviert mit dem Namen des Truppenübungsplatzes und der Jahreszahl 1984.
Hatte man nur noch hundertfünfzig Tage vor sich, war man berechtigt, ein offizielles Abgänger-Maßband mit einer Länge von hundertfünfzig Zentimetern mit sich zu führen. "Offiziell" war dieses Maßband natürlich nur gegenüber den anderen Wehrpflichtigen. Ließ man sich von einem Vorgesetzten mit einem offen zur Schau gestellten Maßband erwischen, hatte man ein Problem. Dieses Maßband wurde jedenfalls bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus der Tasche geholt und anderen Kammeraden unter die Nase gehalten, die noch eine längere Dienstzeit vor sich hatten. War man selbst Abgänger, musste man sich auf Verlangen anderen Abgängern gegenüber durch Vorzeigen seines Maßbandes ausweisen. Hatte man es nicht dabei, war in der Regel eine Kiste Bier als Strafe fällig, so dass es kaum einer der Abgänger wagte, sich ohne Maßband im Bereich der Kaserne zu bewegen.
Sobald nur noch hundert Tage Dienstzeit zu absolvieren waren, wurde das Maßband rituell um einen halben Meter gekürzt. Als besonders mutig galten diejenigen Abgänger, die sich trauten, diesen halben Meter beispielsweise einem der Vorgesetzten an die Zimmertür oder an den Türgriff des privaten Autos oder dessen Radioantenne zu binden. Hierbei durfte man sich nur nicht erwischen lassen! Bei der Panzerartillerie war es weit verbreitet, die abgeschnittenen halben Meter zu sammeln und anlässlich eines Manövers beim scharfen Schießen ins Rohr der Haubitze zu stecken und mit zu verfeuern.
Von Tag einhundert an wurde dann jeden Tag ein Zentimeter des Maßbandes abgeschnitten. Auch diese Abschnitte mussten möglichst so entsorgt werden, dass sie jemand anderem plötzlich vor die Nase gelangten. Besonders beliebt war hierzu beispielsweise das schwarze Brett, an dem die Tagesbefehle ausgehängt wurden. Da deren Lektüre für jeden Soldaten Pflicht war, wurden auf diese Weise alle mit den Abschnitten konfrontiert. Nur wehe dem, der sich dabei erwischen ließ, wie er seinen Abschnitt hier anbrachte!
Soweit es die letzten zehn Tage anbetraf, war der Kreativität der Abgänger keine Grenze gesetzt. Besonders gern wurden von den LKW der Einheit die gelben Schilder gestohlen, auf denen das Fahrzeuggewicht in schwarzer Schrift angezeigt wurde. Da es diese Schilder mit allen Ziffern von null bis neun gab, hatte man während der gesamten Wehrpflicht Zeit, sich diese Schilder zusammen zu stehlen. Dies trauten sich natürlich nur sehr wenige der Wehrpflichtigen und so kauften sie sich die anderen stattdessen lieber die entsprechenden Schilder als Nachbildung im Soldatenheim. Ich habe mir z.B. für meinen letzten Tag bei der Bundeswehr eine riesige Null von der Benzinpreisanzeige einer Tankstelle "geliehen" und offen sichtbar in die Heckscheibe meines Passat gehängt. Damals wurden die Preise noch per Hand in Form großer Ziffern an die Anzeigetafeln gehängt. Natürlich habe ich die Null einige Tage später wieder unbemerkt zurück gebracht!
Unter den Zeit- und Berufssoldaten galt es als verpönt, solche Rituale mitzumachen. Es gab aber einige Zeitsoldaten, die ihre freiwillige Verpflichtung zu einer längeren Dienstzeit irgendwann bereuten und sich hieran deswegen trotzdem beteiligten, so wie ich es in der zweiten Hälfte meines letzten Quartals nun ebenfalls tat. Die Anschaffung eines Maßbandes war mir daher in meiner damaligen Situation ein inneres Bedürfnis und so schnitt ich nicht nur den ersten halben Meter ab, sondern zusätzlich noch siebenundfünfzig einzelne Zentimeterabschnitte, die ich meinem Batteriechef ins Postfach legte. Zu beweisen, dass diese von mir stammten, würde ihm erstens nicht gelingen und zweitens sollte sich herausstellen, dass bereits andere Abgänger auf die gleiche Idee gekommen waren, denn das Postfach enthielt bereits eine ganze Menge Abschnitte, als ich meine dazu legte! Den halben Meter band ich mitten in der Nacht an das Seil des Fahnenmastes, an dem die Deutschlandfahne tagsüber gehisst wurde. Beim nächsten Flaggenhissen würde er also feierlich wieder vom Mast herunter geholt werden.
Doch nun zurück zur eigentlichen Geschichte:
Vollgepackt mit meinen Einkäufen kehrte ich zu unserem Batteriegebäude zurück, um diese in meinem Zimmer zu verstauen. Gerade, als ich meine Tür aufschließen wollte, kam unser Spieß auf mich zu. Schon wollte ich meine Einkaufstüte abstellen, um vor ihm stramm zu stehen, denn immerhin war er ja mein Vorgesetzter.
"Lassen Sie mal gut sein, Herr Unteroffizier", sprach er mich zu meiner völligen Überraschung relativ kumpelhaft an. Sonst war ich es gewöhnt, dass er gegenüber den Männern seiner Einheit sehr viel Wert auf Wahrung der militärischen Form legte.
"Wenn Sie Ihre Sachen soweit verstaut haben, würde ich Sie gern unter vier Augen sprechen. Ich erwarte Sie in fünf Minuten in meinem Büro."
Kaum, dass er fertig gesprochen hatte, verschwand er auch schon wieder nach unten in Richtung seines Büros. Fünf Minuten später folgte ich ihm. Als ich anklopfte und eintrat, forderte er mich sofort auf, locker zu bleiben, wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und bat mich, es mir bequem zu machen. Anstatt sich hinter seinen Schreibtisch zu setzen, nahm er sich einen zweiten Stuhl und setzte sich direkt neben mich.
"Bevor Sie jetzt irgendetwas sagen, möchte ich Sie bitten, dass alles, was wir hier besprechen, unter uns bleibt. Kann ich mich in diesem Punkt auf Sie verlassen?"
"Selbstverständlich, Herr Hauptfeldwebel!"
"Gut. Zuerst möchte ich Ihnen sagen, dass es mir sehr leid tut, was hier heute Nachmittag vorgefallen ist. Vor allem tut es mir leid, dass Sie uns am Montag verlassen werden, denn ich schätze Sie als sehr loyalen und fähigen Gruppenführer und wir werden Sie vor allem als Leiter der Sportgruppe sehr vermissen."
"Vielen Dank Herr Hauptfeldwebel."
"Lassen Sie mal den Hauptfeldwebel stecken und uns als Privatleute miteinander sprechen. Das, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, sage ich Ihnen auch ausdrücklich als Privatmann und nicht als Batteriefeldwebel."
"Okay, einverstanden", sagte ich und wurde langsam wirklich neugierig, was er mir zu sagen hatte.
"Also gut. Es war ja nicht zu vermeiden, dass ich Ihr Gespräch mit dem Chef vorhin mit anhören musste. Ich muss schon sagen, dass mir Ihre Haltung hierbei sehr gut gefallen hat. Nicht jeder wäre hierbei ruhig geblieben, so wie Sie. Da Sie mit dem, was Sie vorgebracht haben, absolut im Recht waren und dieses auch korrekt unter Verweis auf Ihr Mandat als Vertrauensmann getan haben, hätte unser Batteriechef nicht so reagieren dürfen, wie er es getan hat. Es darf nicht sein, dass die Aufgaben des Vertrauensmannes auf denjenigen persönlich zurückfallen, der dieses Amt ausführt.", sprach er mit sorgenvollem Tonfall und überreichte mir einen Ordner.
"Die wichtigen Passagen, in denen es um das Anhörungsrecht und das Verhalten gegenüber gewählten Vertrauensleuten geht, habe ich Ihnen mit Büroklammern markiert. Außerdem habe ich Ihnen hier nochmals einige Dienstvorschriften zur Handhabung der Wach- und Streifendienste markiert", fuhr er fort, während er mir einen weiteren Ordner reichte.
"Vielen Dank. Und was schlagen Sie vor, soll ich mit diesen Unterlagen jetzt anfangen?"
"Wenn ich es richtig verstanden habe, möchten Sie Ihre Dienstzeit als Zeitsoldat nicht verlängern?"
"Na ja, das ist nur die halbe Wahrheit. Ab dem Wintersemester habe ich einen Studienplatz für mein Medizinstudium in Mainz. Wenn alles gut geht, würde ich gern über die Bundeswehr studieren, wäre also nach wie vor im aktiven Dienstverhältnis."
"Ich hoffe, dass Sie das jetzt nicht schockiert, rechne aber damit, dass unser Chef Ihnen für Ihr letztes Quartal eine schlechtere Bewertung reinwürgen wird und dann würde es mit der Beförderung zum Fähnrich der Reserve bei Ihrem Abschied wahrscheinlich nichts werden."
"Damit habe ich auch schon gerechnet, aber ich hoffe, dass mich die Belobigung des Verteidigungsministers hier vielleicht rausreißen könnte, wenn das tatsächlich passieren sollte. Außerdem habe ich seit Abschluss der Unteroffiziersausbildung in Idar-Oberstein nur Bestnoten in meiner Akte stehen."
"Das stimmt zwar, Ihren Status als Reserveoffizier-Anwärter erhalten Sie aber erst mit Ihrer Ernennung zum Fähnrich und hierbei haben Ihr Chef und insbesondere Ihr Bataillonskommandeur das letzte Wort. Wenn Sie deren Entscheidung anfechten wollten, könnten Sie dies erst zu einem Zeitpunkt tun, der nach ihrem Austritt aus der Truppe läge. Dies würde wahrscheinlich nur über den Weg einer Klage vor Gericht gehen."
"Besteht denn nach Ihrer Meinung die Gefahr, dass der Kommandeur sich gegen mich ausspricht?"
"Ich fürchte ja. Wie mir Ihr Zugführer vorhin berichtet hat, haben sie bereits mit ihm gesprochen, oder?"
"Ja, das stimmt."
Ich schilderte dem Spieß kurz den Ablauf des Gespräches mit dem Oberstleutnant. Kopfschüttelnd hörte er mir zu, ehe er mir die Hand auf die Schulter legte und mich mit stechendem Blick ansah.
"Sie werden sich jetzt entscheiden müssen. Entweder, Sie lassen Gras über die Sache wachsen und schlucken die Kröte, oder Sie beschreiten den weiteren Dienstweg. Hiermit würden Sie aber nicht nur Ihrem Batteriechef, sondern auch Ihrem Bataillonskommandeur ganz gewaltig ans Bein pinkeln. Und nur damit wir uns richtig verstehen: Diesen Weg zu gehen, empfehle ich Ihnen nicht, wenn Ihnen eine weitere Karriere bei der Truppe vorschwebt."
"Wie meinen Sie denn das jetzt? Wie würde der weitere Dienstweg aussehen?"
Anstelle einer Antwort drückte mit der Spieß einen leeren Briefumschlag in die Hand und einen Zettel mit der Anschrift des Wehrbeauftragten in Bonn.
"Sie meinen also, ich soll eine Eingabe direkt an den Wehrbeauftragten schicken?"
"Ich sage nicht, dass Sie dies sollen. Diese Entscheidung müssen Sie letztlich selbst treffen. Zumindest haben Sie durch Ihre Beschwerde bei unserem Herrn Oberstleutnant den Dienstweg innerhalb des Bataillons eingehalten, so dass dies nun die logische Konsequenz wäre, wenn Sie eine Entscheidung herbeiführen wollten. Auf jeden Fall müssen Sie damit rechnen, dass es mit Ihrer Laufbahn als Reserveoffizier bei der Bundeswehr nichts werden wird und sie Ihr Medizinstudium dann selbst finanzieren müssten. Andererseits besteht diese Möglichkeit bereits jetzt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, ohne dass sie den Wehrbeauftragten eingeschaltet haben."
"Und wie sollte ich nach Ihrer Meinung die Eingabe an den Wehrbeauftragten aufziehen?"
"Nun, hier haben wir zunächst die Missachtung des Erlasses erzieherische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Wecken der Rekruten. Weiterhin hätten wir da die Missachtung ihres Amtes als Vertrauensmann, also die Tatsache, dass Ihnen jedes Mal, wenn Sie als Vertrauensmann vorstellig wurden, zur Strafe ein kurzfristig angesetzter, doppelter Wochenenddienst aufgebrummt wurde. Anhand der Häufung dieser Dienste lässt sich belegen, dass hierin tatsächlich eine Schikane zu sehen ist, die nicht durch dienstliche Erfordernisse begründet war. Außerdem gebe ich Ihnen hier ein Protokoll Ihrer heutigen Unterredung mit dem Chef. Ich habe mir erlaubt, das Protokoll selbst aufzusetzen, da das echte Protokoll bereits im Reißwolf gelandet ist. Dreimal dürfen Sie raten, wer es dort reingesteckt hat! Wenn Sie mein Protokoll für Ihre Eingabe verwenden möchten, schreiben Sie es mit eigenen Worten handschriftlich sinngemäß ab und vernichten meine Version."
Ich befand mich tatsächlich in der Zwickmühle. Entweder fügte ich mich in mein Schicksal, brachte die letzten dreiundvierzig Tage mehr oder weniger in Demut hinter mich oder ich kämpfte mit offenem Visier. Genaugenommen bestand in beiden Fällen das Risiko, aufgrund einer schlechten Quartalsbeurteilung nicht zum Fähnrich befördert zu werden. Würde ich den Wehrbeauftragten einschalten, könnte ich hierauf wetten. Würde ich es nicht tun, war da immer noch die Tatsache, dass mich der Batteriechef bereits auf der Abschussliste hatte.
Wie ich mich auch immer entschied, würde ich wohl mein Medizinstudium wahrscheinlich allein finanzieren müssen, oder besser gesagt, meinen Eltern weiter auf der Tasche liegen. Letzteres kam für mich allerdings überhaupt nicht in Frage. Eher würde ich meine riesige Sammlung Automobilprospekte und Pressemappen zu Geld machen, die ich bereits seit meinem zwölften Lebensjahr auf der Internationalen Automobil Ausstellung in Frankfurt gesammelt hatte. Allein die Pressemappen hatten zusammengenommen einen hohen fünfstelligen Wert. Schon zu meiner Zeit als Schüler habe ich mit deren gelegentlichen Verkauf sehr viel Geld verdient und mir hierdurch einigen Luxus, wie meine sauteure HiFi-Anlage und mein erstes Auto finanziert. Finanziell wäre ich also zumindest für einige Jahre nicht von meinen Eltern abhängig.
Umso länger ich nachdachte, umso mehr stand mein Entschluss fest, den Weg über den Wehrbeauftragten zu beschreiten. Auf jeden Fall war dies im Sinn meiner Kammeraden und der Rekruten der Einheit, ja sogar der zweiten Führungsebene, wie mir das Gespräch mit meinem Spieß offenbarte. Offizieren, wie unseren Batteriechef durfte man nicht einfach alles durchgehen lassen. Also setzte ich mich in der Nacht an den Schreibtisch im UvD-Zimmer und fing an, alle Punkte meiner Eingabe an den Wehrbeauftragten in einer Übersicht zu Papier zu bringen. Als am nächsten Morgen schließlich sie Sonne aufging, verschloss ich den Umschlag und brachte ihn zur Poststelle. Jetzt gab es kein Zurück mehr!
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