Wehrpflicht (fm:Romantisch, 17642 Wörter) | ||
Autor: Sir Georg | ||
Veröffentlicht: Jul 24 2025 | Gesehen / Gelesen: 5663 / 4233 [75%] | Bewertung Geschichte: 9.65 (81 Stimmen) |
15 Monate Wehrpflicht sind eine schwere Zeit für die junge Liebe zwischen Andreas und Caro. |
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der Musik in eine andere Welt entführen. Die Musik war sein Zufluchtsort, ein Ort, an dem er den Spott und die Härte des Kasernenalltags für einen Moment vergessen konnte.
An diesem Abend schaltete er den Walkman mit übertriebener Wucht ein - Edgar Elgars Nimrod ließ ihn zur Ruhe kommen. Unter seinem Kopfkissen lag der neuste Brief von Caro - drei Seiten, eng beschrieben mit ihrem charakteristischem, leicht nach links geneigtem Schriftbild. Er hatte ihn heute Nachmittag erhalten, und die Worte brannten sich immer wieder in sein Bewusstsein, als würde er sie mit den Fingerspitzen abtasten.
"Weißt Du noch im Urlaub? Unser Morgen in Paris? Ich muss so oft daran denken ...", begann der Brief.
Natürlich wusste er es noch. Niemals würde er das vergessen. Drei Wochen war es erst her, aber es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Die Musik half ihm, sich zurückzuversetzen an Caros überraschenden Besuch in seinem Zimmer in Paris: Wie sie im Morgenlicht über ihn gebeugt war, ihre blonden Locken ihn wie ein Vorhang von der Welt abschirmten. Der Duft ihrer Haut erfüllte seine Nase. Ihre Brüste mit den dunklen Nippeln, die sich unter seiner Berührung verhärteten.
In seiner Fantasie spürte er wieder, wie sie sich auf ihn gesenkt hatte, ihr nasser Schoß ihn millimeterweise umschloss. Ihr Gesichtsausdruck - diese Mischung aus Lust und Hingabe - als sie ihn ganz in sich aufnahm. "Komm in mir ...", hatte sie gebettelt, während ihre inneren Muskeln ihn umarmten.
Jetzt, in der Kasernenstille, glitt seine Hand unter die Decke. Er stellte sich vor, wie ihre Lippen seinen Hals entlangwanderten, während ihre Hüften langsam kreisten. Ihr vertrautes Stöhnen, das sie immer zu unterdrücken versuchte - dieses leise, kehlige "Oh Gott ...", wenn er genau den richtigen Punkt traf.
Seine Hand bewegte sich schneller, die Bilder überfluteten ihn. Die Erinnerung an ihren Orgasmus ließ sein Blut in die Lenden schießen: Wie sie sich an ihn klammerte, ihre Fingernägel sich in seine Schultern gruben, ihr ganzer Körper zitterte. Sein Rücken bog sich jetzt unwillkürlich, die Hand schneller werdend, während die andere den Brief zerknüllte. Er wollte sie. Hier. Jetzt.
Ein ersticktes Keuchen entwich ihm, als er kam, die Zähne in seine Unterlippe gedrückt. Die letzten Zuckungen seines Körpers vermischten sich mit den letzten Tönen der Musik.
Er glättete den Brief mit zitternden Fingern und las die letzten Zeilen:
"In einer Woche hast Du das erste Wochenende frei. Ich werde in der Wohnung sein. Allein. Und ich werde alles tun, um Dich dafür zu belohnen, dass Du so tapfer bist."
Andreas lächelte zum ersten Mal seit Tagen. Die Grundausbildung mochte die Hölle sein - aber die Vorstellung, was ihn erwartete, wenn er Caro wieder in den Armen hielt, war reine Läuterung.
Kapitel 2
Endlich war der ersehnte Freitag gekommen. Nach dem letzten Appell war um 14:30 Uhr Dienstschluss und ein freies Wochenende lag vor ihm.
Der Zug war voll, und Andreas fand nur mit Mühe einen Platz. Er lehnte sich zurück und sah hinaus, während die Landschaft an ihm vorbeizog. Seine Gedanken kreisten um Caro, um die vielen gemeinsamen Erinnerungen und um die Sehnsucht, die er in den letzten Wochen verspürt hatte. Die Fahrt dauerte eine gefühlte Ewigkeit, und als der Zug endlich in den Bahnhof einfuhr, konnte Andreas seine Aufregung kaum noch zügeln.
Der Bahnhof war voller Menschen, doch Andreas sah nur Caro. Sie stand am Ende des Bahnsteigs, in einem luftigen Sommerkleid, das ihre sonnengebräunte Haut betonte. Ihre Haare waren offen und fielen in sanften Wellen über ihre Schultern. Ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie ihn erblickte. Andreas' Herz machte einen Sprung, und er beschleunigte seine Schritte.
"Andreas!", Caro lief ihm entgegen und fiel ihm um den Hals. "Endlich!"
Andreas schloss die Augen und atmete ihren vertrauten Duft ein. "Caro", flüsterte er, während er sie fest an sich drückte. "Ich habe dich so vermisst."
Sie standen eine Weile so da, eng umschlungen, und die Welt um sie herum schien zu verschwinden. Er spürte ihren weichen Körper und wie sich ihre Brüste an ihn drückten. Schließlich lösten sie sich voneinander, und Caro sah ihn mit leuchtenden Augen an.
"Komm, lass uns nach Hause gehen!", sagte sie und nahm seine Hand.
Als sie die Tür zu Caros Zimmer hinter sich schlossen, fiel die Anspannung der letzten Wochen von Andreas ab. Caro zog ihn zu sich und küsste ihn leidenschaftlich. "Ich habe dich so vermisst", wiederholte Caro leise und strich ihm sanft über die Wange.
Andreas nahm ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. "Ich dich auch. Jeden Tag." Sie sahen sich tief in die Augen. Andreas beugte sich vor und küsste Caro wieder, erst sanft, dann immer leidenschaftlicher.
Dann löste Caro sich aus der Umarmung, ihr Lächeln war ein Mix aus Verspieltheit und Verheißung. "Ich hab eine Überraschung für dich", hauchte sie, während sie einen Schritt zurücktrat. "Setz dich aufs Bett!"
Andreas setzte sich auf die Bettkante und sah sie mit einem neugierigen aber auch etwas unsicheren Blick an. Ihre Augen funkelten, als sie ihre Arme von der Brust verschränkte und langsam die Träger ihres Kleides von den Schultern schob. "Ich ... nun ja, ich hab etwas Neues ausprobiert." Mit einer geschmeidigen Geste nahm sie die Arme runter und das Kleid floss lautlos an ihrem Körper entlang auf den Boden.
Andreas stockte der Atem. Unter dem Kleid trug Caro ein rotes Spitzen-Dessous, das ihre Kurven perfekt betonte. Die Träger des BHs waren mit kleinen Schleifen verziert, und der Slip war kaum mehr als ein schmaler Streifen aus Spitze. Ihre Haut schimmerte im warmen Licht des Zimmers, und Andreas konnte nicht anders, als sie mit hungrigen Blicken zu mustern.
"Mein Gott, Caro ...", stammelte er, während sein Blick über ihren Körper glitt. "Du siehst ... unglaublich aus."
Caro lachte leise, ein wenig verlegen, aber auch stolz. "Ich dachte, das könnte dir gefallen. Ich hab's extra für dich gekauft. Und ..." Sie drehte sich langsam um, sodass er den Rücken des Dessous sehen konnte. "Es hat sogar ein kleines Detail hier."
Andreas sah, wie die Spitze des Slips in einem winzigen Schleifchen endete, das genau über ihrem Steiß lag. Er konnte nicht anders - er musste lächeln. "Das ist ... ziemlich gewagt."
"Gefällt's dir?", fragte sie kokett und warf ihm einen Blick über die Schulter zu.
"Gefällt's mir?", wiederholte er mit rauer Stimme. "Caro, du machst mich verrückt!"
Er zog sie an sich und vergrub seine Nase zwischen ihren Hinterbacken und küsste den Slip. Caro gab einen überraschten Laut von sich. Er konnte bereits ihre Erregung riechen. Sie ging etwas in die Knie und beugte sich nach vorne, streckte dadurch ihren Po weiter nach hinten und fester gegen Andreas. Er hielt ihre Hüften und griff mit beiden Händen an die Ränder des Slips.
Dann tauchte er kurz zwischen ihren Backen auf und meinte: "So scharf das Höschen auch sein mag, ohne ist es noch schärfer". Damit zog er ihr den Slip über den Po.
Caro meinte mit gespieltem Trotz: "Du weißt meine Überraschung gar nicht zu würdigen", während sie mehrmals leicht mit ihrem Hintern wackelte, wodurch der Slip vollständig zu Boden fiel.
Andreas versenkte sich wieder zwischen ihren Backen. Er versuchte mit Mund und Zunge an ihr Paradies zu kommen, aber der Winkel ließ das nicht zu. Caro beugte sich noch weiter nach vorne, um ihm ihre Hinterseite besser anzubieten. Das brachte Andreas auf eine Idee.
Er ließ von ihrem Po ab und küsste sich langsam den Rücken hoch, während er sich aufrichtete. Caro seufzte. Gleichzeitig fuhren seine Hände an ihren Seiten entlang nach vorne zu ihrem Bauch und dann langsam nach oben. Als er ihre Brüste durch den Stoff des BHs drückte, stöhnte sie.
Er drehte sich mit Caro um 180 Grad und flüsterte, während er an ihrem Ohrläppchen knabberte: "Knie dich aufs Bett".
Caro stöhnte erneut unter seinen Berührungen. Dann krabbelte sie auf das Bett auf alle Viere und drehte ihren Kopf zu ihm. Andreas stand vor dem Bett und sah seine Freundin in dieser aufreizenden Pose vor sich. Sein Blick wurde von ihrem perfekten wohlgeformten Po angezogen, zwischen dessen Backen ihre feucht glänzenden Schamlippen ansatzweise zu erkennen waren. Dann wanderte sein Blick zu ihrem Gesicht. Ihr Blick war voller Lust und Leidenschaft.
"Heute ist es sicher", flüsterte sie, während er seine Hose öffnete und mitsamt Unterhose auszog. Sein knüppelharter Schwanz sprang hervor und die Befreiung bereitete ihm ein zusätzliches Wohlgefühl.
Er kniete sich hinter ihr aufs Bett. Erneut küsste er ihren Rücken und ihre Pobacken, was weitere Schauer und Seufzer bei ihr auslöste. Dann richtete er sich wieder auf und nahm seinen Schwanz in die Hand, bog ihn nach unten und klemmte ihn zwischen ihre Beine. Durch seine harte Erektion drücke sein Schaft nun fest und in voller Länge gegen ihre Vulva. Sie stöhnte erneut.
Er schaute ihr in die Augen, die ein fast schmerzhaftes Verlangen zeigten. Langsam bewegte er seine Hüfte vor und zurück und reizte so ihre Muschi, ohne in sie einzudringen. Ihr Stöhnen wandelte sich in ein leises Wimmern. Er spürte, wie ihre Feuchtigkeit seinen Schwanz geschmeidiger machte.
"Ich will dich, Andreas", hauchte sie und schloss ihre Augen und drehte den Kopf nach vorne. "Jetzt!"
Er kippte seine Hüfte ein wenig, auch sie korrigierte etwas ihre Position und mit Hilfe seiner Hand fand sein Schwanz den Eingang zu ihrer Pussy. Sie verweilten einen Moment, dann bewegte er seine Hüfte nach vorne und drang langsam in sie ein.
In dieser Position hatten sie noch nie miteinander geschlafen. Für ihn war es unfassbar intensiv. Zum einen wurde sein Schwanz stark gespannt, zum anderen hatte er eine extrem erotische Aussicht auf ihren Po und Rücken.
Langsam begann er, sich in ihr zu bewegen. Sie keuchte jedes Mal, wenn er ganz in ihr war und an ihrem Muttermund anstieß. Sein Atem wurde immer heftiger. Mit jeder seiner Bewegungen wurde das Schmatzen lauter, das durch seinen Schwanz ausgelöst wurde.
"Oh ja ...", seufzte sie, "Ich bin so nass ...". Ihre Arme knickten ein und sie ließ ihren Kopf auf das Bett sinken.
Er spürte, dass er nicht lange durchhalten würde. Während er langsam weiter in sie stieß, öffnete er geschickt mit einer Hand den Verschluss ihres BHs. Dann griff er mit beiden Händen von der Seite unter sie und spürte ihre warmen und weichen Brüste in seinen Händen. Sie stöhnte und krallte sich in die Bettdecke.
Er fühlte deutlich ihre geschwollenen Nippel und ihr volles und zartes Fleisch. Sie fing an zu wimmern. "Ja!", keuchte sie. "Bitte, Andreas ..."
"Du fühlst dich so gut an", flüsterte Andreas, "so weich, so warm ..."
Sie warf den Kopf zurück, ihr Atem ging schnell und unregelmäßig. "Andreas, ja ... bitte, nicht aufhören ..."
Er spürte, wie sich die Spannung in seinem Unterleib aufbaute, aber er wollte diesen Moment so lange wie möglich ausdehnen. Er beugte sich vor und küsste ihren Rücken, während er weiter in sie eindrang. Seine Hände umfassten weiter ihre Brüste und spielten mit ihren Brustwarzen.
"Ich bin so nah", keuchte sie, ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch.
Er behielt sein langsames, gleichmäßiges Tempo, mit dem er immer wieder tief in sie hinein glitt. Ihr Körper zitterte, und sie kam mit einem leisen Schrei, den die Matratze dämpfte. Er spürte ihr Inneres um seinen Schwanz herum pulsieren. Das Gefühl trieb ihn über die Kante, und er stieß ein letztes Mal tief in sie hinein, bevor er mit einem Stöhnen seinen Höhepunkt erreichte.
Sie blieben einen Moment so vereint, beide außer Atem, bevor er sich langsam aus ihr zurückzog. Er fiel neben sie auf die Matratze und zog sie zu sich, sodass sie sich an seine Brust lehnte. Ihre Haut war feucht von Schweiß, und ihr Atem beruhigte sich langsam.
"Das war ... unglaublich", flüsterte Caro, während sie ihre Hand auf seine Brust legte.
Er lächelte und küsste ihre Stirn. "Du bist unglaublich."
Kapitel 3
Er wachte auf, noch bevor der Wecker hätte klingeln können. Draußen war es hell, ein schöner Sommertag kündigte sich an, und irgendwo in der Wohnung rauschte die Dusche. Caro war aufgestanden.
Für einen Moment blieb er einfach liegen, das Kissen noch warm von ihr, das Laken ein bisschen verstrubbelt - als hätte es ihre Kontur gespeichert.
Er drehte sich auf die Seite, griff unter das Bett, wo sein Seesack lag, und zog ihn halb hervor. Zwischen Unterhemd, Uniformsocken und einem in Plastik eingeschlagenen Notizheft lag, wie immer, das Magazin, das er als Lesestoff immer dabei hatte: "Elektor", Ausgabe vom letzten Monat.
Er blätterte darin, überflog Artikel über TTL-Schaltungen und Verstärkermodule. Es war ein bisschen wie Meditation - wenn die Welt zu laut wurde, half ihm der Blick auf Schaltpläne.
Dann blieb er an einem Beitrag hängen:
"Telefongebühren zählen mit dem Taschenrechner - eine einfache DIY-Schaltung"
Er runzelte die Stirn, las genauer. Ein Timer erzeugte Rechteckimpulse, eine Logikschaltung zählt die Impulse, die in einem Taschenrechner regelmäßigen Additionen des Minutentakts der Telefongebühren auslösten.
Er musste grinsen. Von der Konstruktion her ein bisschen klobig, - aber coole Idee. Und dann, plötzlich, war da dieser Gedanke.
Zeit messen.
Aber nicht Gebühren. Sondern Bedeutung.
Die Minuten, die wirklich zählten.
Er griff nach seinem Notizheft, blätterte auf eine leere Seite und schrieb oben:
Projekt: Minutenzähler. Für uns.
Auf jeden Fall mit Akkubetrieb. LCD Display. Und CMOS-Gattern, damit möglichst wenig Strom verbraucht würde.
Er hatte gerade angefangen zu skizzieren, da öffnete sich die Badezimmertür. Caro trat heraus, das Handtuch um den Körper geschlungen, eine zweite Haarrolle auf dem Kopf.
Sie blieb im Türrahmen stehen, sah ihn an. Und legte den Kopf schief.
"Ernsthaft? Elektronik im Bett?"
Er zuckte unschuldig mit den Schultern. "Nur ein bisschen lesen."
"Du bist wirklich ein Nerd", sagte sie, ging zum Kleiderschrank - und klang dabei nicht im Geringsten genervt.
Eher zärtlich. Liebevoll.
Er grinste. Und faltete die Skizze sorgfältig zusammen.
Zu schnell war das Wochenende vergangen. Die Luft über dem Bahnhof war schwül, als würde der Himmel den Abschied in sich hineinfressen. Die Uniform schnürte Andreas die Brust ein - ein steifes Korsett aus Drill und Gehorsam. Jede Faser drückte gegen seine Haut, als wollten sie ihn daran erinnern, wem er wirklich gehörte: dem Bund, nicht sich selbst. Er spürte ihre Hand in seiner, ihre Finger verkrampften sich um seine, als würden sie versuchen, die Zeit anzuhalten. Der Zug wartete schon auf Gleis 3, alle Reisenden waren schon eingestiegen.
"Du musst gehen", flüsterte sie, doch ihre Augen widersprachen. Ihr Sommerkleid flatterte im warmen Wind, und ihr vertrauter Duft umhüllte ihn. Er wollte diesen Moment einbalsamieren, jeden Atemzug, jeden Schatten ihrer Wimpern.
Plötzlich zog sie ihn an sich, ihre Lippen trafen seine mit einer Wildheit, die ihn erschaudern ließ. Es war ein Kuss, der mehr sagte als Worte: "Vergiss nicht! Komm zurück! Ich bin dein!" Ihre Zunge tastete nach seiner, und für einen Herzschlag war die Welt still. Dann löste sie sich, ihr Atem flatterte gegen seine Wange. "Hier", hauchte sie und drückte ihm ein kleines Päckchen in die Hand. "Öffne es erst im Zug!"
Der Pfiff des Schaffners schnitt durch die Luft. Andreas stieg ein, das Metall der Türgriffe kalt unter seinen schwitzigen Fingern. Er drängte sich durch die Gänge, die Uniform scheuerte an seinen Schultern. Er fand nur einen Stehplatz am Fenster im Gang. Caro stand da, eine einsame Silhouette auf dem Bahnsteig, ihre Hand erhoben wie ein Versprechen. Der Zug setzte sich ruckelnd in Bewegung, und ihr Bild begann zu verschwimmen.
Er presste die Hand gegen die Scheibe, als könnte er die Entfernung aufhalten. Erst als der Bahnhof nur noch ein Schatten war, öffnete er das Päckchen. Darin waren eine Kassette, ein Zettel und ein Foto. Er faltete den Zettel auseinander. Caros Schrift floss über das Papier, jedes Wort ein Stückchen von ihr:
Ein Monat geschafft. Nur noch 14.
Erinnerst du dich, wie wir in Serignan gegen die Wellen gekämpft haben? Du hast gesagt, das Meer sei wie die Zeit - es trägt uns, auch wenn es uns zurückzieht.
Wenn du dich verloren fühlst, denk daran: Ich warte. Immer.
C.
Dann nahm er das Foto zur Hand: Caro, aufgenommen in Südfrankreich. Sie lag auf dem Bett, nur halb von einem Laken bedeckt, ihr Lächeln verschmitzt und verletzlich zugleich. "Wir schaffen das. C."
Plötzlich spürte er die Leere wie einen physischen Schmerz. Sein Körper, noch immer elektrisch von ihrer Berührung, sehnte sich nach ihr. Er schloss die Augen, ließ die Erinnerung an ihre letzte Umarmung über sich hinwegrollen - ihre Brüste, die sich an seine Brust pressten, ihr Herzschlag, der seinen jagte.
Doch dann drangen Geräusche in seine Gedanken: Ein älterer Mann schnarchte heftig, die Realität holte ihn ein. Er griff in seine Tasche, zog den Walkman hervor und öffnete ihre Kassette. Auf sie hatte Caro geschrieben: "Für die einsamen Nächte". Er legte die Kassette ein und es erklangen die ersten Akkorde von Every Breath You Take. Er kämpfte mit den Tränen.
Als am Ziel aus dem Zug stieg, lag ein Gewitter über der Kaserne. Andreas schulterte seinen Sack, das Foto sicher in seiner Brusttasche. Der Regen prasselte jetzt herab, spülte den letzten Hauch von Caros Parfüm von seiner Haut. Er blieb stehen, schaute in den Himmel, ließ das Wasser über sein Gesicht strömen.
Irgendwo, hinter den Wolken, war sie.
Kapitel 4
Die Kaserne roch nach Putzmittel und Schweiß. Andreas lag alleine in der Stube auf seinem Stockbett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und starrte auf die Risse in der Decke. Samstagabend. Alle aus seiner Stube waren über das Wochenende nach Hause gefahren. Aber der Dienst hatte erst heute Mittag um zwölf geendet - zu spät, um noch zu Caro zu fahren.
Sein Spind war akkurat aufgeräumt - Stiefel, Rasierzeug, alles nach Vorschrift -, bis auf die unterste Schublade. Dort lag, zwischen Socken und Unterhosen geklemmt, das Pornoheft, das er letzte Woche im GvD-Zimmer gefunden hatte. Ein geschmackloses Ding, aber besser als gar nichts.
Zwei Wochen. Zwei Wochen war es her, seit er Caro das letzte Mal gesehen hatte. Und es würde noch eine weitere dazu kommen. Zwei Wochen, seit sie auf dem Bahnsteig gestanden hatte, ihr Sommerkleid im Wind flatternd. Zwei Wochen Briefe, die nach Jasmin rochen, und Sonntagstelefonate, bei denen er in der stickigen Telefonzelle stand und sich ihre Stimme wie einen Rettungsring an die Seele presste.
Er griff unter das Bett, zog den Walkman hervor und setzte die Kopfhörer auf. Brahms' Violinkonzert. Die Musik, die er vor dem Bund geübt hatte, Takte, die er mit verbundenen Augen spielen konnte - früher. Die Musik hatte etwas Weiches, etwas Tragendes, das ihn damals durch Prüfungen und Stimmungstiefs getragen hatte. Jetzt klang sie fremd, wie eine Sprache, die man mal fließend sprach und deren Wörter man kaum noch erinnerte. Er schloss die Augen und stellte sich vor, wie der Bogen über die Saiten glitt. Doch das Band fing an zu eiern, dann stoppte es. Die Batterien. Leer.
"Fick mein Leben!", murmelte er, nahm die Kopfhörer ab und schleuderte den Walkman aufs Bett.
Er griff stattdessen nach dem Brief unter seinem Kopfkissen. Caros letzter. Schon mehrmals gefaltet, an den Kanten aufgeraut.
"Lieber Andi, heute war ich am See. Florence hat mich überredet, mit ihren Freunden, die ein Auto haben, einen Ausflug zu machen. Das Wasser war so blau wie deine Augen (kitschig, ich weiß). Ich hab mich gefragt: Wann werden wir das zusammen machen können? Im Oktober? Oder erst im Winter?..."
Er biss die Zähne zusammen. Während sie in Seen schwamm, glitt er in Routinen ab, die sich wie Zement anfühlten. Sie sprach von neuen Leuten, neuen Themen. Er lebte in Briefen, die seltener wurden.
Seine Hand glitt mechanisch in die Unterhose. Er hasste es, aber es war der einzige Weg, diese Leere zu betäuben. Die Bilder kamen wie immer: Caro im roten Dessous, Caro unter ihm, Caro mit offenem Haar. Aber selbst das verblasste. Statt Lust blieb nur Erschöpfung.
Er nahm das Pornoheft aus der Schublade und schlug die eine Seite auf. Die Frau räkelte sich auf einem Bett und hatte ihre Vulva vulgär gespreizt. Der Körperbau und die blonden Haare erinnerten ihn an Caro. Als er kam, war es mehr Erleichterung als Lust. Er wischte sich mit einem Taschentuch ab, schmiss es in den Mülleimer. Danach stand er auf, langsam, schwer, wie ein alter Mann. Er zog sich die Jacke über und verließ die Kaserne.
Die "Post", eine Kneipe nahe der Hauptstraße, roch nach Bier, kaltem Rauch und Vergangenheit. Andreas setzte sich an die Theke und starrte auf das zerkratzte Holz. Er war schon letztes Wochenende hier gewesen. Nicht wegen der Stimmung - die war flach wie das Bier - sondern weil das dumpfe Murmeln der Stammgäste wenigstens seine Gedanken übertönte.
"Ein Bier?", fragte eine Stimme.
Er hob den Blick. Hinter der Theke stand die Wirtin. Mitte dreißig vielleicht, kurz geschnittene Haare, klare Augen. Keine aufgesetzte Freundlichkeit. Keine Schminke. Ihre Schulterschürze war schief, das Namensschild verrutscht. "Melanie", stand darauf.
Andreas zögerte. "Ja, danke."
Sie nickte nur, machte ein Pils fertig und stellte es vor ihn hin. "Du guckst, als wärst du zur Hinrichtung eingeladen."
"Ich warte nur auf den nächsten Wachdienst."
Sie lachte. Nicht mädchenhaft, nicht verführerisch - sondern ehrlich.
"Dann trink langsam! Der letzte, der zu schnell getrunken hat, hat seine Stiefel im Kühlhaus gefunden."
Er sagte nichts. Aber zum ersten Mal seit Tagen zuckte sein Mundwinkel.
Sie wischte weiter, schenkte einem älteren Gast ein Bier ein. Ab und zu fiel ihr Blick zu ihm - nicht neugierig, eher wie jemand, der genau erkennt, wann ein anderer im Rückwärtsgang lebt.
Als er später aufstand, war sie wieder an der Theke.
"Warte!"
Sie griff unter den Tresen und warf ihm eine kleine Packung Salzstangen zu.
"Siehst aus, als würdest du vergessen zu essen."
Er fing sie auf. Sagte nichts.
Ihr Lachen verfolgte ihn bis zur Tür.
Er wusste nicht warum - aber er steckte die Salzstangen in seine Brusttasche, als wären sie eine Art Glücksbringer.
Kapitel 5
"Ich hab ein Zimmer in einer WG in Mannheim gefunden!", rief Caro bei einem Telefonat Mitte September. Ihre Stimme überschlug sich fast. "Zwei andere Mädels, alle schon im Studium. Und Florence. Die Küche ist chaotisch und das Bad winzig, aber es hat so eine tolle Atmosphäre."
Florence. Der Sommerurlaub in Südfrankreich war plötzlich wieder da - Paris, dann Sérignan. Sie hatte damals seine Treue getestet, ihn fast um den Verstand gebracht. Und doch hatte er widerstanden. Vielleicht war gerade diese Spannung der Auslöser gewesen für das, was danach kam. Eine Nacht zu dritt. Unerwartet, unwirklich. Und doch passiert. Es kam ihm wie eine andere Welt vor, wie ein Traum, dabei war es gerade mal drei Monate her. Er lächelte bitter.
Die Herbsttage wurden kürzer, die Märsche länger, der Ton in der Kaserne rauer. Andreas' Hände, einst geschmeidig vom Geigenspiel, wurden hart vom Waffenreinigen und Ausrüstung Schleppen. In seinen Briefen versuchte er, Humor zu bewahren, von lustigen Erlebnissen mit seinen Kameraden zu erzählen. Die düsteren Gedanken, die ihn nachts heimsuchten, behielt er für sich.
Als Caro Anfang Oktober ihr Studium begann, veränderte sich der Ton ihrer Briefe. Sie sprudelte plötzlich über vor Begeisterung. Die Vorlesungen, die neuen Freunde, das pulsierende Leben in der WG - alles schien sie wie ein Schwamm aufzusaugen.
"Du glaubst nicht, wie spannend Ethik ist!", schrieb sie. "Wir diskutieren stundenlang über Kant und Sartre. Stefan aus dem dritten Semester hat mir ein paar tolle Bücher geliehen, die helfen mir total beim Einstieg. Und in Chemie kann ich all das anwenden, was wir im Leistungskurs gelernt haben ..."
Stefan. Der Name fiel immer öfter. Stefan, der so intelligent argumentierte. Stefan, der auch Cello spielte und sie zu einer Probe des Uni-Orchesters eingeladen hatte.
Wenigstens war Mannheim besser mit dem Zug zu erreichen.
Kapitel 6
Der Zug ratterte über die Gleise, während Andreas die Uhr an der Bahnhofswand vorbeiziehen sah. 17:32 - noch eine Stunde bis zu ihr. Sein Knie wippte unruhig gegen die Sitzbank, die Uniform war schon seit Köln zu eng.
Er hatte schon lange an dem Geschenk für ihren Jahrestag gearbeitet, das er gut gepolstert in seinem Seesack verstaut hatte. 12. Oktober. "Der 12." war zu einem Synonym ihrer Beziehung geworden. Sie hatten wenn immer möglich "den 12." in jedem Monat gefeiert, was leider die letzten beiden Male nicht geklappt hatte. Umso mehr freute er sich auf dieses besondere Jubiläum.
Immer wieder kontrollierte er sein selbstgebautes Geschenk - ein Unikat, das Nächte in der Stube nach Dienstschluss gekostet hatte, heimlich zusammengelötet zwischen Waffenreinigung und Zapfenstreich und den seltenen Wochenenden, an denen er mal seine Eltern besucht hatte.
Seine Erfindung: Ein Zeitzähler, der jede Minute seit ihrem ersten Kuss akribisch mitprotokollierte. Die Idee aus dem Elektor-Heft weiterentwickelt. Es war ein umgebauter Taschenrechner mit LCD und einer kleinen Steuerungselektronik, die für eine eingegebene Zahl jede Minute um eins erhöhte, indem die "=" Taste gedrückt wurde. Er hatte damals natürlich nicht auf die Uhr geschaut, aber es musste ungefähr 19.15 Uhr gewesen sein bei ihrem ersten Kuss.
12.10.1985 19:15 Uhr.
Vor der Abfahrt hatte er das Gerät mit "522.500" initialisiert. Seitdem wurde jede Minute das Display eins hochgezählt. Dazu ein 9V-Akku mit Ladebuchse, alles in einem kleinen Metallkästchen verbaut, so dass man nur das Display sah.
Er kontrollierte nochmal das Gerät: Die Anzeige zeigte "522.738". Perfekt. Er atmete durch. Kein Datenverlust. Kein Wackelkontakt. Da sprang die Anzeige weiter "522.739" - der Herzschlag ihrer Beziehung.
Andreas schloss die Augen. Morgen würden sie in die Stadt gehen, Kaffee trinken, so tun, als wäre alles wie früher. Und dann Sonntag - ihr eigentlicher Tag. Ein Jahr. Ein Jahr, seit Caro ihn zum Dia-Abend eingeladen hatte und er "überraschenderweise" der einzige Gast war.
Und dann, zwei Wochen später, als sie sich das erste Mal bei ihm zuhause geliebt hatten. "Every breath you take" lief auf seinem Plattenspieler, als sie zum ersten Mal ihre Körper erforscht hatten. Stings eigentlich düstere Textzeilen wurden so zum Lied ihrer gemeinsamen Liebe.
Plötzlich bremste der Zug abrupt. Andreas" Blick fiel auf die Armbanduhr. Verspätung. Wieder. Er biss die Zähne zusammen. Jede verlorene Minute fraß an den ohnehin knappen 36 Stunden.
Mit Verspätung kam er erst nach 19:00 Uhr in Mannheim an. Es wurde schon langsam dunkel. Sie hatten sich von dem Bahnhofsgebäude am Willi-Brandt-Platz verabredet. Jetzt hatte Caro über eine halbe Stunde gewartet. Er hastete aus dem Zug, durch die Unterführung und dann auf den Vorplatz.
Da stand sie in der Abenddämmerung.
"Caro ...", flüsterte Andreas, als er sie zur Begrüßung fest umarmte, "... endlich." Er atmete den Duft ihrer Haare ein und spürte ihren warmen und weichen Körper. Seine Uniform war wie ein Gegenpol zu ihrem legeren Jeans und dem lockeren Pulli und fühlte sich steif und unbequem an.
"Ich hab dich so vermisst!", sagte Caro, als sie voneinander abließen und sie gab ihm einen zärtlichen Kuss. Er strich eine Strähne aus ihrem Gesicht und sie sahen sich tief in die Augen.
"Komm, ich zeigt dir meine WG!"
Die WG-Tür knarrte, als Caro sie aufstieß. Andreas folgte ihr über die Schwelle, sein Blick streifte über den Flur, wo Jacken an Haken hingen und ein paar Schuhe chaotisch herumstanden. Aus der Küche drang leises Singen, begleitet vom Klirren von Geschirr.
Florence.
"Sie hat extra für uns gekocht", flüsterte Caro und drückte seine Hand. "Ich hab ihr von unserem Jahrestag erzählt."
Andreas zwang sich zu einem Nicken. Die Uniform fühlte sich plötzlich noch enger an. Die Küche war klein, dampfend und voller Leben.
"Der Soldat kehrt heim", rief Florence mit einem Grinsen, das zu breit war, um harmlos zu sein. Ihr blondes Haar war hochgesteckt, ein paar Locken lösten sich und kringelten sich an ihrem Hals. Sie trug ein Top, das ihre schlanken Arme zur Schau stellte und ihre Brüste kaum bändigen konnte - kein Uniformstoff, der jeden Zentimeter Haut versteckte.
"Ich komme ja nur bis Sonntag."
"Ach, die berühmten 36 Stunden", neckte Florence und schenkte ihm ein Glas ein. "Genug Zeit, um zu vergessen, wie man ein Gewehr zerlegt?"
Der Stich traf. Andreas nahm das Glas, trank einen Schluck. Der Wein war süß, fast schon zu süß - nichts wie das harte Bier, das er in der Kaserne trank.
"Dafür hab ich für uns gekocht", sagte Florence. "Coq au Vin. Wie in Paris." Florence' Augen blitzten auf, als sie Andreas ansah. "Erinnerst du dich?"
Zu gut. Florence, die ihm den Löffel an die Lippen hielt, der Tropfen Sauce, den sie ihm weggewischt hatte. Die Art, wie ihre Hüften seine berührt hatten, als sie in der engen Küche an ihm vorbeischlüpfte.
"Natürlich", murmelte er.
Florence grinste und rührte in der Pfanne. "Dann weißt du auch, was jetzt kommt." Sie hob den Löffel, lies Andreas kosten - genau wie damals. Die Sauce war würzig, vollmundig, ein Feuerwerk auf der Zunge.
"Gut?"
"Sehr." Seine Stimme klang belegt.
Florence' Finger streiften seine Lippen, kaum mehr als ein Hauch, als sie den Löffel zurückzog. "Ein bisschen zu viel Pfeffer. Aber das passt ja."
Das Essen war tatsächlich hervorragend - zartes Huhn in einer Wein Soße, die nach Thymian und Erinnerungen schmeckte.
Florence spielte mit ihrem Weinglas, als sie plötzlich den Kopf hob.
"Sag mal Andreas, was sagst du eigentlich zu den Demonstrationen im Hunsrück gegen die Stationierung von US-amerikanischen Cruise Missiles? Über 100.000 Leute waren da." Sie grinste. "Oder dürft ihr Soldaten über so was nicht sprechen?"
Er ließ sein Besteck auf den Teller fallen. "Was soll die Frage?"
"Florence ..." Caro warnte mit einem Blick.
"Nein, ernsthaft!" Florence lehnte sich vor, der dünne Stoff ihres Tops spannte über ihren Brüsten. Es wirkte wie eine bewusste Provokation, eine Waffe, die sie perfekt beherrschte.
"Ihr trainiert da jeden Tag das Schießen, während andere Leute versuchen, den nächsten Krieg zu verhindern. Findest du das nicht absurd?"
Andreas' Hände wurden zu Fäusten. Er sah die Gesichter seiner Kameraden vor sich - Maurer, Arbeitslose, Bauernsöhne. Keiner von ihnen wollte Krieg. Keiner hatte eine Wahl.
"Absurd?", Seine Stimme war scharf wie Splitter. "Absurd ist, dass ich zwischen fünfzehn Monaten Bund und achtzehn Monaten Altenpflege wählen durfte. Absurd ist, dass ihr Studentinnen mit euren Subventions-BAföGs mir Moral predigt!"
Der Wein schmeckte plötzlich nach Galle. "Ich robbe durch Schlamm für ein Land, das mich zwingt, aber eure Professoren dürfen in Seminaren über 'Wehrdienstverweigerung als Bürgerpflicht' schwadronieren. Das nenn ich absurd!"
Ein nervöses Schweigen. Florence' Mund stand leicht offen. Caro berührte seinen Arm. Er riss sich los. Ihre Tränen waren nur ein weiterer Beweis - die Kaserne machte ihn zu einem Monster, das selbst die Freundin erschreckte.
"Und weißt du was das Allerabsurdeste ist?", Andreas stieß den Stuhl mit solcher Wucht zurück, dass er umkippte. "Dass ich trotzdem jeden verdammten Morgen um halb sechs aufstehe, während ihr über Camus diskutiert. Weil ich muss. Weil irgendein Arschloch im Verteidigungsministerium entschieden hat, dass meine Zeit weniger wert ist als eure."
Er atmete schwer. Irgendwo klirrte Geschirr in einer anderen WG.
Florence räusperte sich. "Ich ... das war nicht als Angriff gemeint."
"Natürlich nicht," Andreas lachte bitter. "Für euch ist es ja nur Theorie. Für mich ist es mein Leben."
Caro stand langsam auf. In ihren Augen standen Tränen. "Andi ..."
"Nein, Caro. Sie will doch hören, wie's wirklich ist." Er hob den Stuhl auf und stellte ihn mit Wucht wieder auf seine Beine. "Letzte Woche hat sich ein Kamerad die Pulsadern aufgerissen. Nicht wegen Politik. Weil seine Freundin ihn verlassen hat und er keinen Urlaub bekam, um sie zu besuchen. So sieht 'Dienst am Vaterland' wirklich aus."
Florence war blass geworden. "Das tut mir leid."
"Mir auch." Sein Blick bohrte sich in Florence. "Glaubst du, dass ich stolz bin, wenn Caro nachts allein bleibt? Aber frag ruhig weiter über NATO-Strategien. Ich hol mir ein Bier."
Kapitel 7
Das Bett in Caros WG-Zimmer war schmal. Aber sie lagen nicht eng beieinander.
Andreas starrte an die Decke. Das Licht der Straßenlaterne fiel durch die Jalousien und warf ein Streifenmuster über die Wand - wie Gitter.
Neben ihm atmete Caro ruhig. Aber er wusste, dass sie noch wach war.
"Es tut mir leid", sagte er schließlich. "Wirklich."
Seine Stimme klang rau, ungeübt im Bitten.
Caro drehte sich zu ihm. Ihr Gesicht war nur halb zu erkennen, ein Schatten im Halbschatten.
"Wofür?"
"Für meinen Ausbruch. Für die Wut. Für alles." Er ballte die Hände, löste sie wieder. "Ich will nicht so werden."
Caro strich ihm über den Arm. Ihre Finger waren zart, aber tastend - als wüsste sie nicht, ob sie willkommen waren.
"Du hast nichts falsch gemacht", sagte sie leise. "Florence hat provoziert. Sie versteht vieles nicht. Noch nicht."
Andreas schloss die Augen. Und du? Verstehst du es? "Ich hasse es dort", flüsterte er. "Jeden Tag. Jede verdammte Sekunde."
Caro schwieg. Aus dem Bad tropfte leise ein Wasserhahn.
"Aber weißt du, was das Schlimmste ist?", fuhr er fort, drehte sich zu ihr.
"Ich hab Angst, du gewöhnst dich daran. Daran, dass ich nicht da bin. Und irgendwann merkst du gar nicht mehr, dass etwas fehlt."
Caro berührte seine Wange. Ihre Hand zitterte leicht. Er spürte, dass sie etwas sagen wollte - und sich doch nicht traute.
"Andi..."
"Schau dich doch an." Er versuchte zu lächeln, aber es misslang.
"Du hast dein Studium, deine WG, deine Welt. Und ich? Ich bin der Typ, der alle zwei Wochen kurz auftaucht und nur von Drill und Schlamm erzählt."
"Du bist mehr als das", sagte sie.
"Bin ich das?" Er schüttelte den Kopf. "Ich fühle mich manchmal wie ein Geist. Einer, der irgendwo zwischen zwei Leben hin- und herpendelt. Nicht richtig da. Nicht richtig weg."
Sie zog ihn an sich und legte ihren Kopf an seine Schulter. Sie roch nach Shampoo und dem Parfüm, das er an ihr liebte. Es war vertraut - und trotzdem wirkte es heute wie aus einer anderen Welt.
"Du gehörst zu mir", flüsterte sie. "Egal, wie selten wir uns sehen."
Aber als sie sich wieder zurücklehnte, blieb etwas zwischen ihnen. Etwas Unsichtbares. Wie eine dünne Wand aus Glas.
Er zog sie enger an sich. Als wollte er sie festhalten, bevor sie ihm entglitt.
"Schlaf!", sagte Caro leise.
Er nickte, schloss die Augen. Aber der Schlaf kam nicht.
Draußen fuhr ein Auto vorbei. Die Scheinwerfer warfen flüchtige Lichtstreifen über die Wand.
Ein Sekundenbild. Ein kurzer Blitz. Und dann wieder Dunkelheit.
Er hörte ihren Atem ruhig werden. Ihre Nähe war da - und gleichzeitig so fern.
Er blieb wach.
Und fragte sich, ob sie wirklich noch von derselben Zukunft träumten.
Kapitel 8
Der Duft von Kaffee weckte Andreas.
Als er die Augen öffnete, war sie schon aufgestanden. Durch die angelehnte Tür hörte er leise Stimmen aus der Küche - Caro und Florence, gedämpft, fast verschwörerisch.
Er setzte sich auf, zog sich ein T-Shirt über und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Die Wut vom Vorabend war verrauscht, aber ein schales Gefühl blieb.
Florence saß am Küchentisch, die Beine untergeschlagen, ein Buch auf dem Schoß. Als sie ihn sah, hob sie den Blick - ruhig, nicht spöttisch
"Guten Morgen", sagte sie. "Kaffee?"
Er nickte. "Gerne."
Sie schenkte ihm eine Tasse ein, reichte sie ihm. Ihre Finger berührten sich flüchtig - und für einen Moment war da ein seltsamer Frieden. Als hätte die Nacht etwas weggespült.
"Ich hab nachgedacht", begann Florence, ohne ihn anzusehen. "Über das, was du gestern gesagt hast."
Andreas schwieg, trank.
"Mein Vater war auch Wehrpflichtiger. In Frankreich. In Algerien."
Sie strich über den Buchdeckel. "Er hat nie darüber gesprochen. Bis heute nicht."
Etwas in ihm löste sich. "Es tut mir leid."
"Ich bin diejenige, die sich entschuldigen sollte." Ihr Blick blieb am Rand ihrer Tasse hängen. "Ich hatte keine Ahnung, wie es für dich wirklich ist."
Caro stand am Herd und lächelte leise in ihre Richtung. "Andreas und ich haben beschlossen, den Tag heute ganz uns zu widmen. Jubiläum und so."
Florence erhob sich, tätschelte ihm die Schulter. "Dann verschwinde ich diskret. Hab sowieso eine Lerngruppe." Sie zwinkerte. "Viel Spaß heute Abend."
Andreas und Caro frühstückten ausgiebig.
Schließlich streckte sich Caro, gähnte genüsslich. "Das war das entspannteste Frühstück seit Wochen."
"Ja", sagte Andreas. "Und das längste."
Sie grinste. "Ich hab noch nie so viel Zeit am Tisch mit dir verbracht ohne dass du irgendwann gesagt hast: "Ich müsste eigentlich noch was ausrechnen.""
Er hob die Hände. "Ich gelobe Besserung."
"Ein freier Tag", sagte sie. "Nur für uns."
Er sah sie an, ihr zerzaustes Haar, die schmale Kaffeetasse in ihren Händen, ihre nackten Füße auf dem Küchenboden - und er spürte diesen kleinen Druck in der Brust. Er wollte noch was besorgen.
"Du", sagte er langsam, "ich müsste kurz noch ... was erledigen."
"Was denn?", fragte sie, neugierig, aber nicht misstrauisch.
Er zögerte kurz. Dann hob er leicht die Augenbrauen, lehnte sich vor und flüsterte: "Männergeheimnis."
Sie legte den Kopf schräg und musterte ihn theatralisch. "Einkaufen?"
"Ein bisschen."
"Du willst mich überraschen", sagte sie schließlich. Keine Frage, sondern Feststellung.
Er zuckte mit den Schultern, spielte den Unschuldigen. "Ich? Würde ich sowas tun?"
Caro grinste und nahm noch einen Schluck Kaffee. "Okay. Aber sei spätestens in einer Stunde zurück."
"Klaro."
Draußen war es kühl, aber die Sonne stand klar am Himmel. Andreas ging zielstrebig los, bog in eine Seitenstraße und steuerte auf den kleinen Blumenladen zu, den er schon gestern beim Vorbeigehen gesehen hatte.
"Für jemand Besonderes?", fragte die Verkäuferin.
Er nickte. "Ein Jahr."
Sie lächelte. "Dann nur das Beste."
Mit geübten Händen wickelte sie eine dunkelrote Rose in Seidenpapier.
Er nahm sie entgegen, legte sie vorsichtig in die Innentasche seiner Jacke - direkt neben den Zähler.
Am Nachmittag saßen sie in einem kleinen Café. Sie tranken heiße Schokolade, blätterten gemeinsam durch ein Buch in einem Antiquariat, hörten in einem Plattenladen in das Album "Invisible Touch" von Genesis rein - sie hielten Händchen, lachten, tuschelten, als wären sie heimlich verliebt.
Gegen sechs drückte Caro ihm einen Kuss auf die Wange.
"Ich muss noch was herrichten. Du darfst so lange verschwinden. Kommandiert von deiner Freundin. Geht klar?"
"Jawohl."
"Wir treffen uns um 20:00 Uhr vor dem Kino, ok?"
Um zwanzig Uhr standen sie vor dem alten Programmkino in der Altstadt. Über dem Eingang flackerte in rot-blauer Leuchtschrift:
"Männer - Doris Dörrie (Wiederaufführung)"
Andreas sah hoch, dann zu Caro. "Ich kann's kaum glauben, dass sie den nochmal zeigen."
"Ich hab's zufällig im Programm gesehen", sagte sie. "Und dachte, vielleicht sollten wir ihn uns nochmal ansehen. Zur Feldforschung."
Sie grinste.
"Du meinst, ob ich inzwischen männlicher geworden bin?"
"Ich meinte eigentlich, ob du noch immer genau an der gleichen Stelle lachen musst wie damals."
Im Foyer roch es nach Popcorn, aber ein bisschen alt.
Sie saßen in der dritten Reihe von hinten, links außen.
Der Film begann. Sie lachten an denselben Stellen. Und an ein paar neuen.
Als der berühmte "Manager-Test" kam, sahen sie sich an - und kicherten gleichzeitig.
Nach dem Abspann blieben sie noch einen Moment sitzen. Die anderen verließen langsam das Kino, eine ältere Frau klopfte sich mit dem Programmheft auf die Knie.
Caro lehnte sich leicht zu ihm.
"Weißt du, was damals anders war?", flüsterte sie.
"Sag du's mir!"
"Damals hab ich dich angestarrt, und du hast's nicht gemerkt."
Andreas lächelte. "Und heute?"
"Heute tu ich's wieder. Aber diesmal merkst du's."
Er sah sie an - ihr Profil im schwachen Notlicht, die Kontur ihres Mundes, den ruhigen Blick. Sie gaben sich einen tiefen Kuss. Dann standen sie beide auf, verließen das Kino. Andreas tastete nach dem Zähler in seiner Jackentasche.
Kapitel 9
Als sie später die Wohnungstür aufschlossen, war es still.
Florence war verschwunden - eine kurze Notiz auf dem Küchentisch ("Hab was vor. Macht's gut. F."), eine halbvolle Flasche Sekt im Kühlschrank.
Caro stellte zwei Gläser auf den Tisch im Wohnzimmer. Andreas sah auf die Uhr: 23:58.
Die Rose war in seiner Jackentasche verborgen. Der Zähler in der anderen.
"Gleich", flüsterte er.
Sie setzten sich nebeneinander aufs Sofa, Knie an Knie. Caros Finger nestelten an ihrem Haargummi. 23:59.
"Jetzt", sagte Andreas.
Sie stießen an. Das leise Klirren schien die Luft zwischen ihnen zu lösen.
"Ein Jahr", sagte Caro. Ihr Lächeln war weich im Kerzenlicht. Der Kuss, den sie ihm gab, schmeckte nach Sekt - und Versprechen.
Andreas holte die Rose hervor. "Für die Frau, die jede Minute meiner Existenz heller macht."
"Danke", murmelte sie. Ihr Kuss war diesmal spielerisch - und erwartungsvoll.
Er nahm das kleine Päckchen aus der Tasche, reichte es ihr mit einem stummen Blick. Ihr Ausdruck wechselte zu freudigem Staunen, als sie das Geschenk geöffnet hatte.
"Was ist das...?"
Langsam drehte sie das Kästchen in den Händen. Auf dem Deckel: ein rotes Herz, lackiert. Darunter die Gravur:
Caro & Andreas - 12.10.1985 - 19:15 Uhr
"Sind das ..."
"... die Minuten seit unserem ersten Kuss", vollendete er leise.
"Jede Zahl ein Herzschlag unserer Liebe."
Er deutete auf das Display. Gerade wechselte es auf 524.451.
"Es ist ein umgebauter Taschenrechner. Mit einem 32,768-kHz-Quarz, die Frequenz wird mit mehreren kaskadierten Binärteilen so lange geteilt, bis ...-"
Sie legte ihm den Finger auf die Lippen.
"Mein genialer Tüftler."
Tränen glänzten in ihren Wimpern. Ihr Kuss war diesmal tief, hungrig. Als wolle sie alle verlorenen Wochen in einem Moment aufholen.
"Moment!" Caro griff nach ihrer Sofortbildkamera. "Diese Minute muss festgehalten werden."
Sie zog ihn an sich. Der Blitz flackerte auf - ein kurzer Lichtschwall, dann wieder Kerzenflackern.
Caro wedelte mit dem Sofortbild. Andreas sah ihr dabei zu - und in dem Moment spürte er es: Sein kurzrasierter Nacken, seinen eigenen steifen Griff um ihre Taille - als müsste er sie festhalten, statt sie zu halten.
"Warte! Ich hab auch was."
Sie verschwand in ihrem Zimmer. Als sie zurückkam, hielt sie ein kleines, flach gebundenes Heft in den Händen.
Schlicht. Der Umschlag aus braunem Karton, mit blauer Tinte beschriftet:
Zwölf Gründe
Sie reichte es ihm, ein Hauch von Nervosität in der Bewegung.
"Ich weiß, du magst keine großen Gesten. Also hab ich versucht, es klein zu halten. Aber ehrlich."
Andreas löste das Band. Auf der ersten Seite stand in ihrer Handschrift:
"Ich liebe dich, weil du im Chemieunterricht alles verstanden hast - und trotzdem nie von oben herab warst."
Zwischen den Zeilen war ein Stück kariertes Papier eingeklebt - eine alte Formelsammlung aus dem Unterricht. In der Mitte hatte sie eine Reaktionsgleichung durch ein rotes Herz ersetzt.
Er blätterte weiter.
"Ich liebe dich, weil du im Bus dein Buch über den C64 gelesen hast - und trotzdem gespürt hast, dass ich neben dir saß."
Daneben klebte ein leicht verblasstes Polaroid vom alten Reisebus auf der Kursfahrt. Unscharf, aber die Stimmung war da - Sommer, Sonne, Erwartung.
"Ich liebe dich, weil du zum Dia-Abend gekommen bist - obwohl du dachtest, es wird eine Klassenfeier."
Ein leerer Diarahmen war auf die Seite geklebt. Darunter hatte sie geschrieben: "Hier hat alles begonnen."
"Ich liebe dich, weil du bei unserem ersten Kuss gezittert hast - und mich trotzdem gehalten hast."
Auf Transparentpapier war ein Lippenabdruck zu sehen. Rot, ein bisschen verschmiert - wie ein Kuss, den man nicht ganz los wird.
"Ich liebe dich, weil du mir nicht aus dem Weg gegangen bist - auch als es ernst wurde."
Neben dem Satz klebte der Verpackungsstreifen eines Schwangerschaftstests, den sie dann ja doch nicht gebraucht hatten. "Sicher ist sicher"
Andreas blätterte durch die Seiten.
"Ich liebe dich, weil unsere Musik zusammen klingt - selbst wenn wir nicht zusammenspielen."
Sie hatte den Anfang von Salut d'amour in Notenform mit feiner Feder auf Notenpapier gezeichnet. Zwei Stimmen, eng geführt, mit einem handgemalten Doppelbogen.
"Ich liebe dich, weil du nach fünf Stunden Zugfahrt in Uniform da standest - und mich angesehen hast, als wär ich ein Wunder."
Ein rotes Band war eingeklebt, schmal wie ein Strumpfband. Sie hatte darunter geschrieben: Für Augen, die mich sehen."
Auf der letzten Seite stand:
"Und jeden Monat kommt ein Grund dazu."
Er hielt das Heft in den Händen, als könne es ihm entgleiten.
"Du zählst die Minuten", sagte sie leise. "Ich zähle, warum."
Andreas sah sie an. Sprachlos. Dann nahm er ihre Hand. Keine Technik. Kein Argument. Nur Wärme.
"Caro... das ist das Schönste, was mir je jemand geschenkt hat."
Ihr Kuss war leise. Ein Moment, der bleiben durfte.
Sie gingen in ihr Zimmer. Caro suchte die Kassette von Police, die er ihr zu ihrem einmonatigen Jubiläum aufgenommen hatte, legte sie in den Rekorder und drückte auf "Play".
Die ersten Akkorde von Every Breath You Take füllten den Raum.
Andreas schloss die Augen. Und sah sie sofort: Caro, damals, nackt vor ihm. Unsicher. Schön.
"Weißt du noch?", Ihre Stimme war nur ein Hauch.
Als er die Augen öffnete, stand sie vor ihm. Lächelnd. Und begann langsam, den ersten Knopf ihres Kleides zu lösen.
Ein schmaler Streifen Haut kam zum Vorschein.
Er zog sie zu sich. Sie tanzten langsam, schaukelnd, miteinander verschränkt, während Stings Stimme um sie schwebte.
Every single day...
Ihre Hände glitten unter sein T-Shirt.
Every vow you break...
Seine Lippen streiften ihre Schulter. Ihr Kleid sank zu Boden. Der Zähler sprang auf 524.460.
Andreas dachte für einen Moment daran, wie viele Minuten in der Kaserne sich falsch angefühlt hatten. Wie oft er nachts in seinem Bett gelegen hatte, den Blick zur Decke, das Neonlicht wie ein Schnitt in die Seele. Und jetzt - war alles weich. Kein Kommandoton, keine Stiefel, kein Gegröle. Nur ihre Stimme, ihr Atem, ihr leichtes Stöhnen.
Er fuhr über ihren warmen Rücken, die Seiten entlang, über ihre Hüfte und die weichen Rundungen ihres Pos. Sie begann, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen.
"Kannst du nicht einfach mal ein Sweatshirt anziehen?", murmelte sie in seinen Mund, während sie sich weiter küssten. Nach dem letzten Knopf zog er das Hemd aus und direkt danach das Unterhemd über den Kopf. Mit nacktem Oberkörper umarmte er sie und die Wärme ihrer Körper verschmolz.
Er öffnete während der Umarmung den Verschluss ihres BHs. Kurz ließen sie einander los und Caro streifte den BH von den Schultern. Dann umarmten sie sich wieder und Andreas spürte, wie sich ihre weichen Brüste an ihn drückten.
Der Song vibrierte weiter durch den Raum.
Oh, can't you see, You belong to me?
Als sie schließlich nackt voreinander standen, hielten sie kurz inne. Keine Scham, kein Zweifel. Nur ein Moment, in dem sie sich sahen. Vollständig. Wie damals beim ersten Mal.
Es gab nur noch sie beide in diesem Raum, begleitet von der rauen Stimme von Sting.
Andreas erforschte ihren Körper mit Mund und Händen und war wie jedes Mal erneut von Caros Duft, Wärme und Weichheit überwältigt. Als er sich mit dem Mund ihrem Paradies widmete, ging ihr Stöhnen in ein Hecheln über.
How my poor heart aches
Schon nach kurzer Zeit schob sie ihn weg von ihrem Schoß.
"Warte ..." Sie befreite sich aus seiner Umarmung, öffnete die erste Schublade Ihres Nachttischs und nahm ein Kondom heraus.
"Ich will dich heute in mir spüren."
Sie schubste Andreas auf seinen Rücken. Dann nahm sie seine harte Erektion in die Hand und rollte geschickt das Kondom über.
Langsam senkte sie sich auf ihn. Das Kondom dämpfte seine Empfindung, aber langsames und tiefes Schnaufen von Caro, während sie sich mit gleichmäßigen Bewegungen auf seinem Schaft auf und ab bewegte, ließen seine Erregung immer mehr anwachsen.
Every move you make
Er griff an ihre Hüften, verfolgte jede ihrer Bewegungen mit den Händen. Jede Bewegung von ihr schien ihm eine Frage zu stellen. Und jede Berührung von ihm war eine Antwort.
Als sie gemeinsam kamen, klammerten sie sich aneinander wie zwei Ertrinkende. Andreas spürte ihre Hitze und ihr Zittern, roch ihre Haare und ihren Schweiß.
I long for your embrace
Später lagen sie nebeneinander. Caros Kopf auf seiner Brust. Der Raum roch nach Wein, Parfüm, Haut. Die Kassette lief noch, leise. Wrapped around your finger. Draußen begann es zu regnen - Tropfen klopften an das Fenster wie leise Finger.
524.483.
Er schloss die Augen.
Und für einen Moment war die Kaserne weit weg.
Am nächsten Tag, am Bahnhof, drückte Caro ihm eine neue Kassette in die Hand.
"Ist jetzt ja schon fast Tradition."
Erst als der Zug anrollte, drückte Andreas auf "Play".
Every Breath You Take - aber diesmal nur gespielt von Caro auf ihrem Cello. Zart, fast zerbrechlich. Zwischen den Tönen: leises Atmen, ein Klick von der Pausetaste. Wie oft hatte sie neu begonnen?
Andreas sah sein Spiegelbild im Zugfenster. Und für einen Moment kam es ihm vor, als wäre er jemand anders.
Jemand, der gerade einen fremden Song hört.
Kapitel 10
Am nächsten Wochenende wurde seine Heimfahrt gestrichen - bei der Spindkontrolle wurde das Pornoheft gefunden.
Jetzt stand Andreas vor dem Münztelefon im Flur der Kaserne, der kalte Hörer drückte gegen sein Ohr. Die Wählscheibe war schwergängig. Es knisterte, dann das Freizeichen. Nach zwei, drei Tönen meldete sich Caro.
"Hallo?"
"Caro, ich bin's, Andreas."
"Andreas!", Ihre Stimme klang erfreut, und er konnte sich vorstellen, wie ihr Gesicht aufleuchtete. "Ich habe gerade an dich gedacht. Müsstest Du nicht schon unterwegs sein?"
Andreas zögerte einen Moment, bevor er antwortete. "Deswegen rufe ich an. Ich kann dieses Wochenende nicht kommen."
Stille. Nur das leise Rauschen der Leitung. Andreas konnte förmlich hören, wie Caros Lächeln verschwand.
"Warum nicht?", fragte sie schließlich, und er hörte die Enttäuschung in ihrer Stimme.
"Ich musste meinen Spind nochmal komplett neu aufräumen, reine Schikane. Und deshalb hab ich den Zug nicht mehr bekommen. Es tut mir wirklich leid, Caro." Er kämpfte mit Wut und Tränen. Den wahren Grund konnte er ihr nicht sagen. "Ich würde viel lieber bei dir sein."
Caro seufzte. "Ich verstehe. Es ist nur ... ich habe mich so darauf gefreut, dich zu sehen."
"Ich weiß", sagte Andreas leise. "Ich habe mich auch darauf gefreut. Aber was soll ich machen? In diesem verdammten Laden ...", er senkte trotz seiner Wut die Stimme, "Alles Schikane!" Er machte eine Pause, kämpfte mit den Tränen. "Nächstes Wochenende!", versuchte er, hoffnungsvoll zu klingen.
"Nächstes Wochenende", wiederholte Caro, und ihre Stimme klang schon etwas zuversichtlicher. "Ich werde auf dich warten."
"Danke, Caro. Du bedeutest mir so viel."
"Du mir auch, Andreas. Pass auf dich auf! Ja?"
"Das werde ich. Bis bald."
Er legte auf. Blieb noch einen Moment mit dem Hörer in der Hand stehen. Drückte ihn sich an die Stirn. Als könnte er dadurch etwas festhalten, was längst dabei war, sich zu lösen.
Am Abend überredeten ihn seine Kameraden, mit "Zur Post" zu kommen.
"Melanie, vier Bier - der Rekrut hier zahlt die erste Runde!", rief Franz und patschte Andreas auf den Rücken.
Melanie kam, stellte die Gläser ab. Ihre Bewegungen waren ruhig, nichts an ihr wirkte gehetzt oder anbiedernd. Als sie das letzte Glas servierte, sah sie Andreas kurz an - direkt, aber ohne Spiel.
"Wieder ein Wochenende hier?"
Andreas nickte.
"Du tust mir leid", sagte sie. "Ehrlich."
Er lachte trocken. "Bin selbst dran schuld."
Sie zuckte mit den Schultern. "Wir alle irgendwie."
Später, als die anderen sich ins Kartenspiel vertieft hatten, saß Andreas allein an der Theke. Melanie stand ein paar Meter entfernt, polierte Gläser, wechselte ein paar Worte mit einem älteren Mann, dann kam sie zurück und ließ sich auf den Hocker neben ihm sinken.
Sie roch nach Zigaretten und Kaffee, irgendwie vertraut.
"Du bist anders als die anderen", sagte sie, ohne ihn anzusehen. "Fehl am Platz. Wie ich."
Andreas starrte in sein Glas. "Du wirkst nicht fehl am Platz."
"Weil ich's gewöhnt bin."
Sie trank einen Schluck Wasser.
"Ich wollte eigentlich mal was mit Menschen machen. Hab als Arzthelferin gearbeitet. Dann ein Jahr Ausbildung zur Therapeutin. Freiburg. Hat aber nicht gereicht. Geld, Mut, Ausdauer. Such dir was aus!"
Sie schob ihr Glas weg, drehte es mit der Fingerkuppe im Kreis.
"Und du? Was willst du mal werden? Wenn du nicht mehr durch den Dreck robben musst?"
Er schmunzelte innerlich, da die Ausbilder immer gesagt hatten, "Robben gibt's in der Nordsee. Soldaten gleiten." Aber auf diese Feinheiten ging er nicht ein und zögerte kurz. "Elektrotechnik. Ich will Dinge bauen, die funktionieren. Ohne Kommandos. Ohne Geschrei."
Melanie schnaubte leise. "Klingt ordentlich nerdig."
Er zuckte mit den Schultern. "Ist es. Aber es passt zu mir."
Eine Pause entstand, gelassen und nicht unangenehm. Dann fügte er hinzu - fast wie im Vorbeigehen:
"Und ... ich spiele Geige. Seit ich zehn bin. Musik ist ... na ja. Mein Plan B. Oder mein Rettungsboot."
Melanie sah ihn an. Ihr Blick war ruhig, fast warm.
"Klingt mehr nach jemandem, der schon weiß, was er ist - nicht erst, was er werden will."
Andreas wollte etwas erwidern, aber die Worte kamen nicht. Stattdessen senkte er den Blick und strich mit dem Finger über den Rand seines Bierglases, als könnte er darin etwas erkennen, das ihm selbst entglitten war.
Draußen bellte ein Hund, jemand lachte laut. Innen war es still.
Melanie erhob sich, nahm sein leeres Glas mit.
"Geh nicht ganz verloren!", sagte sie leise. Nicht als Befehl. Als Bitte.
Dann stand sie wieder hinter der Theke, als wäre nichts gewesen.
Andreas blieb noch einen Moment sitzen.
Er wusste nicht, ob er sich gerade verstanden fühlte - oder nur erwischt.
Kapitel 11
Anfang November fuhr er als Überraschung zu Caro - er hatte einen zusätzlichen Ausgang erkämpft, weil er beim Waffentraining die beste Leistung gezeigt hatte. Als er an ihrer WG klingelte, öffnete ihm Florence.
"Oh, hi Andreas!", sagte sie überrascht. Sie sah wie immer umwerfend aus, auch wenn sie nur eine Jogginghose und einen labbrigen Pulli anhatte. Sie umarmte sich kurz und er spürte ihre Wärme und Weichheit an seiner Brust. "Caro ist in ihrem Zimmer. Sie lernt, glaub ich."
Andreas ging durch den Flur in Richtung ihres Zimmers, sein Herz schlug schneller bei dem Gedanken an Caros Gesicht, wenn sie ihn sehen würde. Die Tür zu ihrem Zimmer stand einen Spalt offen. Er hörte gedämpftes Lachen, dann ihre Stimme: "Das kann man doch nicht so interpretieren ..."
Als er die Tür aufschob, stockte ihm der Atem. Caro saß im Schneidersitz auf ihrem Bett, um sie herum Bücher und Notizzettel verstreut. Neben ihr, viel zu nah für Andreas' Geschmack, saß ein großer Typ mit Hornbrille. Sie hatten die Köpfe über ein Buch gebeugt, ihre Schultern berührten sich fast.
Caro blickte auf. Für einen Moment huschte etwas wie Erschrecken über ihr Gesicht, bevor es in freudige Überraschung überging. "Andreas!", Sie sprang auf, ihre Wangen waren gerötet. "Was machst du denn hier?"
"Überraschung!", sagte er mit einem Lächeln, das sich gezwungen anfühlte. Der Typ auf dem Bett erhob sich nun auch, erstaunlich groß und schlaksig.
"Das ist Stefan", sagte Caro schnell. "Wir arbeiten an einem Referat für Ethik. Stefan, das ist Andreas, mein Freund."
"Ah, der Soldat", sagte Stefan mit einem freundlichen Lächeln und streckte die Hand aus. Seine Finger waren mit Tinte verschmiert. "Caro erzählt oft von dir."
Andreas schüttelte die dargebotene Hand, während er versuchte, nicht auf die zerknitterte Stelle auf Caros Bettdecke zu starren, wo die beiden eben noch gesessen hatten. Auf ihrem Nachttisch stand sein Foto aus der Schulzeit. Es kam ihm plötzlich sehr alt vor.
"Ich ... ähm ... ich packe dann mal zusammen", sagte Stefan, während er begann, seine Bücher einzusammeln. "Das Referat können wir ja morgen weitermachen, oder, Caro?"
"Ja, klar", sagte sie schnell. "Sorry für die Unterbrechung."
"Kein Problem." Stefan zwinkerte ihr zu - eine kleine, vertraute Geste, die Andreas wie ein Stich traf. "'War nett, dich kennenzulernen", sagte er zu Andreas, bevor er mit seinem Bücherstapel das Zimmer verließ.
Als die Wohnungstür zugefallen war, herrschte für einen Moment betretenes Schweigen. Dann fiel Caro ihm um den Hals. "Das ist ja eine tolle Überraschung", flüsterte sie gegen seinen Hals. Sie roch nach Kaffee und einem fremden Parfüm.
Er küsste sie, zu schnell. Seine Hände fanden ihren Rücken, ihre Taille, ihre Hüften. Alles an ihm war Drang. Kein Spiel. Keine Frage. Sie erwiderte die Küsse - oder ließ sie geschehen. Irgendwann flüsterte sie "Langsam ...", aber er hörte es nicht mehr. Er schob sie rückwärts gegen den Schreibtisch, öffnete den Knopf ihrer Hose, schob sie eilig nach unten. Hob sie auf die Tischplatte, drängte sich mit seinem Kopf zwischen ihre Schenkel. Leckte ihre Weiblichkeit, vergrub sich dazwischen, als müsse er sich jetzt zurückholen, was längst ihm gehörte.
Noch während er sie eroberte, öffnete er die Koppel seines Gürtels und holte seinen bereits harten Schwanz hervor. Schnell und hart wichste er seinen Penis während er weiter in ihre Muschi stöhnte und ihren Geruch aufnahm.
"Andi ...", flüsterte Caro verwundert und legte beruhigend eine Hand auf seinen Kopf.
Aber Andres bekam davon nichts mit. Er war wie im Rausch, seine Bewegung mit der Hand und dem Mund beschleunigend, kam er nach wenigen Minuten.
Er saß erschöpft auf dem Boden, Caro rappelte sich auf, zog ihre Hose wieder hoch und gab ihm wortlos ein Taschentuch zum Säubern. Nach einer Weile stand er auf und schloss seine Hose. Sie sprachen nicht darüber.
"Hast Du Hunger?", fragte Caro stattdessen.
Später am Abend, als sie in ihrem schmalen WG-Bett lagen, fragte er: "Verbringst du viel Zeit mit ihm?"
"Mit wem?", murmelte sie schlaftrunken.
"Stefan."
Sie schwieg einen Moment zu lang. "Er hilft mir sehr", sagte sie dann. "Mit dem Studium und so. Er ist ein guter Freund."
Andreas starrte in die Dunkelheit. Er dachte an Melanies Worte. An die Art, wie Stefan und Caro sich anzusehen schienen, wenn sie sich über ihre Bücher beugten. An all die Stunden, die sie miteinander verbrachten, während er in der Kaserne festsaß.
"Ich liebe dich", flüsterte Caro und schmiegte sich enger an ihn.
Er wusste, dass sie es ernst meinte. Aber nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob Liebe genug war, um die wachsende Kluft zwischen ihren Welten zu überbrücken.
Kapitel 12
Es war ein kalter Sonntag eine Woche später, und Andreas stand in der Telefonzelle der Kaserne. Die Scheibe war beschlagen, und das grelle Licht der Lampe warf seinen Schatten an die Wand. Er hielt den Hörer fest umklammert, als wäre es seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Caros Stimme am anderen Ende klang warm und vertraut, aber irgendwie auch fern - so, als würde sie aus einer anderen Welt zu ihm sprechen.
"Ich vermisse dich so sehr", sagte Caro, und ihre Worte trafen ihn wie ein Stich ins Herz. "Es ist so seltsam, hier ohne dich zu sein. Alles ist neu und aufregend, aber es fühlt sich nicht richtig an, wenn du nicht dabei bist."
Andreas schluckte schwer. Er wollte ihr sagen, wie sehr er sie vermisste, wie sehr er sich danach sehnte, sie in den Armen zu halten, ihren Duft zu spüren, ihre Wärme zu fühlen. Aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Stattdessen sagte er nur: "Ich vermisse dich auch."
Es folgte eine Pause, die ihm endlos vorkam. Er hörte, wie Caro seufzte, und stellte sich vor, wie sie in ihrem WG-Zimmer saß, umgeben von Büchern und Notizen, die Haare locker über die Schultern fallend. Er wusste, dass sie jetzt wahrscheinlich lächelte, aber er konnte es nicht sehen. Er konnte sie nicht sehen.
"Wie war deine Woche?", fragte Caro schließlich, und ihre Stimme klang sanft, fast zärtlich.
Andreas zögerte. Seine Woche war wie jede andere gewesen: Drill, Schikanen, endlose Routine. Nichts, worüber er hätte berichten können. "Ach, weißt du ... der übliche Kasernenwahnsinn", sagte er schließlich und versuchte, seinen Ton leicht klingen zu lassen. "Aber erzähl du mir lieber von dir! Wie war dein Seminar am Freitag?"
Caro begann, begeistert von ihrer Woche zu erzählen. Sie sprach von einer lebhaften Diskussion über Kant und von den Plänen für ein gemeinsames WG-Dinner am Wochenende. Andreas hörte zu, aber mit jedem Wort fühlte er sich weiter von ihr entfernt. Ihre Welt war so voller Leben, so voller Möglichkeiten - und er war hier, gefangen in der Monotonie der Kaserne.
"Das klingt toll", sagte er schließlich, als sie geendet hatte. Seine Stimme klang hohl, selbst in seinen eigenen Ohren.
"Es ist schon schön", gab Caro zu. "Aber es wäre noch schöner, wenn du hier wärst. Ich wünschte, du könntest dabei sein."
Andreas spürte, wie sich ein Kloß in seiner Kehle bildete. Er wollte ihr sagen, wie sehr er sich danach sehnte, bei ihr zu sein, wie sehr er sich nach ihrer Nähe sehnte. Aber er konnte die Worte nicht finden. Stattdessen sagte er nur: "Ich auch."
Es folgte eine weitere Pause, diesmal länger. Andreas spürte, wie die Distanz zwischen ihnen wuchs, nicht nur räumlich, sondern auch emotional. Er fragte sich, ob Caro das auch spürte, ob sie merkte, wie sehr er kämpfte.
"Andreas?", sagte Caro schließlich, und ihre Stimme klang besorgt. "Ist alles in Ordnung? Du bist so still."
"Ja, alles ist gut", log er. "Ich bin nur müde. Der Woche war lang."
Caro seufzte. "Ich weiß, dass es hart für dich ist. Aber du schaffst das! Andreas. Du bist stärker, als du denkst."
Andreas spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten. Er wollte ihr glauben, wollte an ihre Worte glauben, aber er fühlte sich so schwach, so verloren. "Danke", flüsterte er schließlich. "Das bedeutet mir viel."
"Ich liebe dich", sagte Caro, und ihre Worte waren wie ein sanfter Wind, der ihn streifte. "Und ich bin stolz auf dich. Egal, was passiert, ich stehe zu dir."
Andreas schloss die Augen und versuchte, sich an ihren Klang zu klammern. "Ich liebe dich auch", sagte er, aber seine Stimme brach.
Als sie schließlich auflegten, blieb Andreas noch lange in der Telefonzelle stehen. Er starrte auf den Hörer in seiner Hand, als könnte er ihn dazu bringen, Caro noch einmal zu rufen, sie noch einmal zu hören. Aber die Verbindung war unterbrochen, und er war wieder allein.
Er verließ die Telefonzelle und ging langsam zurück zu seiner Stube. Die Kaserne war still, nur das Geräusch seiner Schritte hallte durch die leeren Flure. Als er in seinem Bett lag, starrte er an die Decke und dachte an Caro. Er dachte daran, wie sie sich anfühlte, wie sie roch, wie sie lächelte. Er dachte daran, wie sehr er sie vermisste.
Dann dachte er an die Distanz zwischen ihnen - nicht nur die Kilometer, die sie trennten, sondern auch die emotionalen Barrieren, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatten. Er fragte sich, ob ihre Liebe stark genug war, um das zu überstehen. Ob er stark genug war.
Kapitel 13
Am selben Abend ging Andreas wieder in die "Post". Die Kneipe war halbleer, das Licht stumpf, der Rauch wie immer schwer und müde. Ein paar Kameraden saßen in der Ecke, grölten und spielten Karten. Alles klang wie Hintergrundrauschen aus einem anderen Leben.
Er setzte sich an die Theke, bestellte ein Bier, nippte daran wie an einer Beruhigungspille. Das Glas war halb leer, als Melanie es kommentarlos nachfüllte. Sie sagte nichts, ließ nur den Blick kurz über ihn gleiten - ruhig, wie jemand, der ihn längst kannte.
Später, beim dritten Glas, lehnte sie sich über die Theke.
"Weißt du, was mir bei dir aufgefallen ist?"
Andreas hob den Blick.
"Du schaust dich hier nie um. Du schaust in dich rein. Und jedes Mal siehst du weniger."
Er wollte etwas sagen, aber sie fuhr fort:
"Die anderen saufen, um sich zu betäuben. Du trinkst, um dich zu spüren. Ich frag mich, wie lange das noch reicht."
Er antwortete nicht. Stattdessen starrte er ins Glas, als könnte er dort etwas erkennen, das ihn bestätigte.
"Ich frage mich manchmal, ob ich überhaupt noch irgendwo dazu gehöre?", murmelte er. "Hier nicht. Und ... bei ihr vielleicht auch nicht mehr."
Melanie nickte kaum merklich. "Sie ist weit weg?"
"Zu weit", sagte er. "Jeden Tag ein bisschen mehr."
Sie schwieg. Dann schob sie ihm ein Schälchen Erdnüsse zu - wie ein stummes Zeichen dafür, dass er noch existierte.
Die Stunden vergingen. Die Kneipe leerte sich. Irgendwann war Andreas der letzte Gast. Melanie wischte die Tische, steckte Gläser in die Spülmaschine, schaltete das Licht über der Theke aus. Als sie fertig war, kam sie um die Theke herum und setzte sich neben ihn.
"Ich hatte mal einen Freund", sagte sie plötzlich. "Wir wollten nach Berlin. Er Kunst, ich irgendwas mit Leuten. Hat nicht geklappt. Er ist los. Ich bin geblieben."
Sie sah ihn nicht an, aber ihre Stimme war klar, nicht bitter.
"Seitdem hab ich ein Talent für Situationen, die sich wie Leben anfühlen, aber keins sind."
Andreas sagte nichts. Er wollte nichts zerreden.
"Warum erzählst du mir das?", fragte er schließlich doch.
"Weil du mich ansiehst, als wär ich noch jemand."
Dann legte sie ihre Hand auf seinen. Einfach so. Kein Spiel, keine Einladung - nur eine Berührung. Menschlich.
"Du bist müde", sagte sie. "Und allein."
"Ich vermisse sie", flüsterte er. "So sehr, dass ich es nicht mal mehr spüre. Nur so ein ... leeres Rauschen."
Melanie ließ die Finger über seinen Handrücken gleiten.
"Dann hör auf zu kämpfen. Für einen Moment."
Andreas spürte die Wärme ihrer Hand und spürte, wie diese einfache Berührung ihn verwirrte. Er war so müde, so einsam. Und Melanie war da, nah und verständnisvoll.
"Weißt du, Andreas", sagte sie leise, "manchmal muss man einfach loslassen und das Leben genießen. Auch wenn es nur für einen Moment ist."
Andreas sah sie an, und in diesem Moment spürte er die Spannung zwischen ihnen. Ihre Augen waren tief und einladend, und er konnte nicht anders, als sich zu ihr hingezogen zu fühlen. Der Alkohol benebelte seine Sinne. Doch gleichzeitig zögerte er. Er dachte an Caro, aber gleichzeitig spürte er die Distanz, die zwischen ihnen gewachsen war.
"Ich weiß nicht, ob ich das kann", sagte er leise.
Melanie lächelte sanft und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel. "Du denkst zu viel. Manchmal ist es besser, einfach zu fühlen."
Andreas sah sie an, unsicher, was sie meinte. "Fühlen?"
Melanie lächelte und legte ihre Hand auf seine. "Ja. Fühlen. Nicht denken. Nicht analysieren. Einfach ... sein."
Andreas spürte die Wärme ihrer Hand durch den Stoff seiner Hose und schluckte schwer. Die Nähe zu Melanie, ihre Wärme, ihre sanften Worte - all das ließ ihn für einen Moment vergessen, wie einsam er sich fühlte.
Melanie beugte sich noch näher zu ihm, ihre Lippen berührten fast die seinen. "Lass einfach los, Andreas", flüsterte sie. "Nur für einen Moment."
Andreas konnte den Blick nicht von ihren Lippen abwenden. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug und sein Atem flacher wurde. Er wusste, dass er kurz davor war, eine Grenze zu überschreiten.
"Ich vermisse sie", sagte er nochmal, fast wie ein letzter Versuch, sich selbst zu überzeugen.
Melanie nickte verständnisvoll. "Das verstehe ich."
"Weißt du, was für mich das Schlimmste an der Einsamkeit ist?"
"Dass sie nie ganz weggeht?"
"Nein. Dass man irgendwann aufhört, sie zu bemerken. Und erst, wenn jemand da ist ... tut sie wieder weh."
Er sah sie an. Sie beugte sich zu ihm, ihre Lippen berührten die seinen, und er erwiderte ihren Kuss. Es war ein sanfter, zögerlicher Kuss, der schnell intensiver wurde. Ihre Zungen fanden sich, und er spürte, wie eine Welle der Erregung durch seinen Körper strömte. Er wusste, dass dies falsch war, dass er Caro betrog, aber er konnte ihr nicht widerstehen. Die Einsamkeit, die Entfernung, die Frustration, die Verzweiflung - alles überwältigte ihn.
Sie stand auf und nahm seine Hand. "Komm mit", flüsterte sie und führte ihn in den hinteren Teil der Kneipe, wo sie eine kleine Wohnung hatte. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, und plötzlich waren sie von der Stille umgeben und der Intimität des kleinen Raums.
Sie zog ihn an sich, ihre Hände glitten unter sein Hemd und strichen über seine Brust. Er spürte, wie sein Körper auf ihre Berührungen reagierte. Er zog sie näher an sich, seine Hände wanderten über ihren Rücken, und er spürte die Wärme ihrer Haut durch den dünnen Stoff ihres T-Shirts.
Sie knöpfte sein Hemd auf, ihre Finger bewegten sich langsam und verführerisch. Er half ihr, und bald stand er mit nacktem Oberkörper vor ihr. Sie strich mit ihren Händen über seine Brust, ihre Finger glitten über seine Haut und hinterließen eine Spur von Gänsehaut. Er zog sie näher an sich, seine Lippen fanden ihre und sie küssten sich leidenschaftlich.
Sie zog ihr T-Shirt aus, und er bewunderte ihren Körper. Ihre Haut war weich und glatt, und ihre Kurven waren verführerisch, weiblich. Er strich mit seinen Händen über ihre Taille, ihre Hüften, er spürte, wie sie unter seiner Berührung erzitterte. Er war wie in Trance, benebelt vom Alkohol und der warmen, weichen Nähe von ihrem Körper.
Sie zogen sich weiter aus, ihre Bewegungen wurden drängender, ihre Atemzüge schneller. Sie führte ihn zum Bett, und sie ließen sich auf die weiche Matratze fallen. Er legte sich auf sie, seine Hände glitten über ihren Körper. Er küsste ihren Hals, ihre Schultern, und seine Lippen wanderten weiter nach unten. Sie stöhnte leise, ihre Hände griffen in sein Haar, und sie zog ihn näher an sich.
Er spürte, wie seine Erregung wuchs, sein Verstand war ausgeschaltet. Er drang in sie ein, und sie stöhnten beide auf, als ihre Körper sich vereinten. Ihre Bewegungen wurden schneller, drängender, und sie verloren sich in der Intensität des Moments.
Später lag er wach. Sie schlief, die Decke halb über sich gezogen. Ihr Atem war ruhig. Friedlich.
Er starrte an die Decke. Die Hitze war verflogen. Übrig blieb nur Stille. Und Schuld.
Er stand langsam auf, zog sich an. Leise. Er streifte seine Stiefel über, ohne auf das Knarzen des Bodens zu achten. Sie rührte sich nicht. Vielleicht schlief sie, vielleicht auch nicht.
Er verließ die Wohnung und trat in die kalte Nacht. Es roch nach nassem Laub.
Er ging ein paar Schritte, setzte sich auf die Bank vor der Kneipe. Der Asphalt glänzte, das Leuchtschild flackerte schwach.
Er dachte an Caro. An das kleine Heft mit den zwölf Gründen. An ihr "Ich warte auf dich".
Dann dachte er an Melanie. An ihre Hand auf seiner. An ihre Einsamkeit, die sich so ähnlich anfühlte wie seine.
"Caro", flüsterte er. "Es tut mir leid." Und er wusste nicht, ob er sie meinte. Oder sich selbst.
Kapitel 14
Der Samstagnachmittag war kühl und trübe, als Andreas vor Caros WG stand. Sein Magen fühlte sich an, als hätte jemand ihn zusammengefaltet. Seit Tagen rang er mit sich. Jetzt war er hier - und wusste trotzdem nicht, wie.
Er zögerte einen Moment, dann drückte er den Klingelknopf. Seine Hand zitterte leicht.
Die Tür öffnete sich, und Caro stand vor ihm, barfuß, in einem weiten Pullover. Ihr Gesicht hellte sich auf. "Andreas!", rief sie und warf sich in seine Arme. "Wie schön, dass du da bist!"
Er hielt sie fest, spürte ihre Wärme, ihr Vertrauen. Aber es fühlte sich an, als stünde er nur daneben - mit einem Geheimnis in der Brust, das brannte.
"Ich hab dich so vermisst", sagte er, und seine Stimme klang fremd in seinen Ohren.
Sie zog ihn ins Wohnzimmer, wo Florence und eine Mitbewohnerin bei Kaffee und Keksen saßen. Florence lächelte, aber ihre Augen blieben an ihm hängen - einen Hauch zu lange. Andreas senkte den Blick.
"Setz dich!", sagte Caro und drückte ihn auf das Sofa. "Ich hol dir einen Kaffee."
Er nickte, rang sich ein Lächeln ab. Während sie in der Küche verschwand, spürte er, wie sich sein Magen zusammenzog. Florence sagte nichts, sondern beobachtete ihn nur.
Caro kam zurück, stellte ihm die Tasse hin. "Komm, wir gehen in mein Zimmer. Da ist's ruhiger."
Sie schloss die Tür hinter ihnen. Andreas setzte sich aufs Bett, Caro blieb kurz stehen, als wollte sie ihn lesen.
"Wie war die Fahrt?"
"Ganz okay", murmelte er und wich ihrem Blick aus. "Ein bisschen anstrengend, aber sonst nichts."
Caro setzte sich neben ihn, ihre Hand suchte sein Knie. "Du siehst müde aus. Ist alles in Ordnung?"
Sein Herz schlug schneller. Er nickte nur. "Der übliche Kasernenwahnsinn."
Sie schwieg. Dann sagte sie: "In deinen Briefen ... und am Telefon. Du warst so still. Anders. Distanziert."
Er sah sie kurz an, dann wieder weg. Die Schuld lag wie ein Gewicht in seiner Brust.
"Ich war einfach ... fertig. Mühselig alles."
"Andreas", sagte sie, und ihre Stimme war ruhig, aber klar. "Du kannst mir alles sagen. Das weißt du."
Er schloss die Augen. Es war da - das Fenster, das sich öffnete. Und gleichzeitig die Angst, alles zu verlieren, was sie waren.
"Ich liebe dich, Caro", flüsterte er. "Trotz allem. Vielleicht ... gerade deswegen."
Sie lächelte. Ein wenig. Doch es wirkte unsicher. "Ich liebe dich auch. Aber manchmal ... hab ich das Gefühl, du bist nicht mehr richtig hier."
Andreas spürte, wie die Luft dünn wurde. Seine Hände zitterten leicht. Dann, fast mechanisch, nahm er ihre Hand.
"Es gibt etwas, das ich dir sagen muss."
Caro hielt den Atem an. Ihre Augen weiteten sich - sie wusste, dass das, was kam, alles verändern würde.
Er atmete tief ein. Dann sprach er leise, brüchig:
"Ich ... ich habe einen Fehler gemacht. Letzten Sonntag."
Sie starrte ihn an. "Was meinst du?"
Er schloss kurz die Augen. "Ich war in der Kneipe. Wieder. Und ... da war diese Frau. Melanie. Ich kenne sie schon länger. Und ... ich habe mit ihr geschlafen."
Die Worte standen zwischen ihnen. Schwer wie Granit. Caro bewegte sich nicht. Sie sah ihn an, als müsste sie prüfen, ob er das wirklich gesagt hatte.
"Du ... hast mich betrogen?", flüsterte sie.
Er nickte. Tränen traten ihm in die Augen. "Es war nur dieses eine Mal. Ich hab mich so einsam gefühlt. Und sie war einfach ... da. Es war dumm. Es war falsch. Ich habe sofort gewusst, dass ich dich damit verletze. Und trotzdem ... ich war so leer, Caro."
Sie stand auf, ging ein paar Schritte durch den Raum. Ihre Atmung war flach, ihre Hände fahrig. Sie rieb sich über die Stirn, dann drehte sie sich zu ihm um. Die Tränen liefen bereits.
"Ich hab dir vertraut, Andreas. Du warst der Einzige, dem ich vertraut habe. In dieser ganzen beschissenen Fernbeziehung war das alles, worauf ich gebaut habe."
Er stand auf, wollte sie berühren, doch sie wich zurück.
"Bitte ... Caro ..."
"Wie konntest du?", ihre Stimme war nicht laut, aber scharf wie Glas. "Wie konntest du das einfach so wegwerfen? Für ... was? Für eine Nacht?"
"Ich weiß es nicht", flüsterte er. "Ich hab's nicht geplant. Ich war einfach ... nur so verdammt allein."
Sie schüttelte den Kopf. "Und ich war das nicht? Ich hab jeden Abend auf deine Briefe gewartet. Hab gehofft, du kommst. Und du ... schläfst mit einer anderen?"
Er streckte die Hand nach ihr aus. "Ich wollte es dir sagen. Ich wollte nicht lügen."
"Aber du hast es getan."
Ein tiefer, langer Atemzug. Dann sagte sie, mit spröder Stimme:
"Ich dachte, du wärst anders. Aber jetzt ... jetzt weiß ich nicht mehr, wer du bist."
Er fiel auf die Knie, nahm ihre Hände. "Bitte gib mir eine Chance. Ich mach das nie wieder. Ich liebe dich, Caro. Ich liebe dich."
Sie sah ihn an. Ihre Augen waren rot, glänzend. Und leer.
"Ich liebe dich auch", sagte sie. "Dachte ich zumindest."
Dann ließ sie seine Hände los, drehte sich weg.
"Ich glaub, du solltest jetzt gehen. Ich ... ich will allein sein."
Kapitel 15
Caro hatte sich von ihm abgewandt. Sie stand reglos am Fenster, die Stirn an die kühle Scheibe gelehnt. Ihr Schluchzen war kaum zu hören, aber es schnitt durch ihn hindurch wie ein schiefer Ton auf der Geige.
Andreas stand auf. Auch ihm liefen Tränen über das Gesicht. "Bitte verzeih mir", flüsterte er.
Sie sagte nichts.
Er wollte noch etwas sagen, irgendetwas, das sie umstimmen würde. Aber ihr Rücken blieb aufrecht, unnahbar starrte sie aus dem Fenster.
Er ging zur Tür, öffnete sie leise. Im Flur stand Florence, eine Tasse in der Hand. Sie sah ihn überrascht an.
"Andreas? Gehst du schon?"
Er nickte nur. Seine Lippen bewegten sich, aber kein Wort kam heraus. Florence sagte nichts weiter - nur ihr Blick blieb an ihm hängen. Kein Vorwurf. Kein Trost. Nur ein stilles Wissen.
Er zog die Wohnungstür hinter sich zu.
Die Treppe hallte unter seinen Schritten, jeder Schritt klang wie ein Vorwurf. Als er das Haus verließ, schlug ihm die kalte Luft ins Gesicht. Für einen Moment blieb er einfach stehen. Er atmete tief durch, aber die Luft brannte in der Brust. Kein Sauerstoff der Welt konnte das ersetzen, was er verloren hatte.
Er ging los. Ohne Ziel, ohne Plan. Nur weg.
"Was hab ich getan?", dachte er. "Was hab ich verdammt nochmal getan?"
Er lief durch die Straßen, vorbei an Schaufenstern, in denen sich das Licht der Straßenlaternen spiegelte. Die Welt wirkte leblos, als hätte jemand den Ton abgestellt. Nur in seinem Kopf war Lärm. Ihre Stimme. Ihr Blick. Ihre Tränen.
"Ich dachte, du wärst anders."
Diese Worte bohrten sich immer wieder in ihn hinein.
Er blieb an einer Laterne stehen, stützte sich mit beiden Händen dagegen, senkte den Kopf. Seine Stirn drückte gegen das kalte Metall.
Warum Melanie? Warum ausgerechnet sie? Warum genau dann?
Er wusste es. Einsamkeit war keine Entschuldigung. Und doch war sie der Ursprung. Das Loch in ihm hatte geschrien - und er hatte jemanden hineingezogen, der auch nur seine Ruhe suchte.
"Ich wollte Nähe. Jetzt hab ich Abstand."
Er presste die Augen zusammen, versuchte die Gedanken wegzudrücken. Es funktionierte nicht. Caros Gesicht tauchte immer wieder auf. Ihr Blick, als sie verstand. Ihre Stimme, die zerbrach.
Er ging weiter. Ziellos, stundenlang. Die Kälte kroch unter seine Jacke, aber er spürte sie kaum. Sein Körper lief auf Autopilot. Sein Kopf - ein einziges Trümmerfeld.
Er konnte nicht zurück zu Caro. Nicht heute. Vielleicht nie mehr.
Zu seinen Eltern? Was sollte er sagen? Wie sollte er erklären, dass er das Einzige, was ihm wirklich etwas bedeutete, selbst zerstört hatte?
"Ich muss zurück in die Kaserne", dachte er. "Zurück in die Ordnung. Da weiß ich wenigstens, wie man durch den Tag kommt."
Er schaute auf die Uhr. Es war spät. Aber noch fuhren Züge. Er bog ab, Richtung Bahnhof.
Im Zugabteil war es still. Er saß allein am Fenster, starrte hinaus in die Dunkelheit. Die Lichter der Stadt glitten vorbei wie Erinnerungen, die man nicht mehr greifen konnte.
Er sah sich selbst von außen: der stille Typ mit dem Seesack, dem man nicht ansieht, was er verloren hat. Vielleicht war genau das sein größter Fehler - dass er geglaubt hatte, Stärke sei das Gleiche wie Schweigen.
"Ich liebe dich auch. Dachte ich zumindest."
Der Satz zerschnitt ihn immer wieder. Nicht laut, sondern wie ein Messer in Zeitlupe.
Als der Zug schließlich nahe der Kaserne hielt, war es kurz vor Mitternacht. Andreas stieg aus, die Bahn fuhr ab. Zurück blieb nur das dunkle Bahnhofsgebäude und sein langer Schatten.
Er ging langsam zur Kaserne. Kein Marschbefehl, keine Trillerpfeife. Nur seine Gedanken, die nicht verstummten.
Die Luft war trocken und kalt. Der Asphalt glänzte matt im Licht der Laternen. Vor dem Kasernentor blieb er stehen.
"Wenn sie mich nicht zurücknimmt - wer bin ich dann noch?"
Er wusste es nicht. Aber er wusste eines: Er würde nicht weglaufen. Nicht noch einmal.
"Ich werde alles tun, um es wieder gut zu machen. Auch wenn es nie ganz gut wird. Auch wenn es zu spät ist."
Dann trat er ein.
Kapitel 16
Am Sonntagmorgen lag eine tiefe Stille über der Kaserne. Es war die Zeit, zu der er sonst immer Caro anrief.
Andreas stand mit einem Fünfmarkstück in der Hand vor der Telefonzelle. Er hielt es eine Weile fest umschlossen, als könnte es ihm Mut geben. Dann wählte er die Nummer.
Nach ein paar Sekunden meldete sich eine Stimme: "Ja?"
Florence.
"Hallo ... hier ist Andreas."
Eine Pause. Dann ein spitzes: "Andreas?"
"Ja. Kann ich bitte Caro sprechen?"
"Du hast echt Nerven." Ihre Stimme klang wie kalter Stahl. "Wild rumvögeln und dann sonntags anrufen wie immer?"
"Florence, ich ..."
Ein Klick. Die Verbindung war tot. Das restliche Geld war weg.
Andreas blieb noch einen Moment mit dem Hörer am Ohr stehen. Dann legte er auf, ging langsam zurück zur Stube und ließ sich aufs Bett fallen. Die Decke über ihm wirkte wie ein leerer Himmel.
Er starrte an die Decke. Minutenlang. Dann stand er auf, wie ferngesteuert. Es musste etwas passieren. Etwas anderes als Warten.
Er ging zum UvD, klopfte, trat ein.
"Ich müsste dringend mit dem Kompaniechef sprechen. Es geht um kurzfristigen Urlaub."
Noch während der UvD die Stirn runzelte, öffnete sich die Tür - und der Kompaniechef trat ein.
"Achtung!", rief der UvD, beide Männer standen stramm. Der Major nickte knapp: "Rühren."
Andreas blieb trotzdem stramm stehen. "Gefreiter Maurer meldet sich mit einem Anliegen!"
Der Kompaniechef musterte ihn. "Dann schießen Sie mal los."
"Ich möchte dringend Urlaub für morgen und übermorgen beantragen, Herr Major. Es ist ... privat. Persönlich. Wichtig."
Der Kompaniechef sah ihn einen Moment an. Dann sagte er: "Stehen Sie bequem."
Zehn Minuten später hatte Andreas den Urlaubsschein für eine ganze Woche in der Hand.
"Da handelt es sich wohl tatsächlich um eine dringende Familienangelegenheit", hatte der Major nur gemurmelt, ohne Fragen zu stellen.
Zuerst aber musste er etwas anderes klären.
Andreas verließ die Kaserne, lief den bekannten Weg zur "Post". Die Kneipe war fast leer, wie immer am frühen Nachmittag. Melanie stand hinter der Theke, trug wie immer Schwarz, ihr Haar locker hochgesteckt.
Als sie ihn sah, hob sie nur die Augenbrauen. Kein Lächeln, kein Vorwurf.
"Bier?"
"Nein", sagte er. "Können wir kurz reden?"
Sie nickte. "Hinten."
Sie führte ihn in den kleinen Raum hinter dem Schankbereich. Der Geruch von Kaffee und altem Holz lag in der Luft. Melanie lehnte sich an die Tür, verschränkte die Arme. Wartete.
"Melanie", begann Andreas, "was letztes Wochenende passiert ist ... ich wollte dir nicht wehtun. Es war schön. Aber es war nicht fair. Nicht dir gegenüber und nicht Caro gegenüber."
Melanie sah ihn lange an. Dann sagte sie: "Ich bin nicht verletzt, Andreas. Nicht auf diese Weise."
Er wollte widersprechen, aber sie hob die Hand.
"Ich wusste, was das war und was es nicht war. Du warst leer. Ich auch. Wir haben für einen Moment so getan, als wär das genug."
Er senkte den Blick. "Ich wollte dich nicht benutzen."
"Hast du nicht", sagte sie. "Du hast mich gebraucht. Und ich dich auch. Das ist nicht dasselbe."
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, legte ihm kurz die Hand auf den Unterarm. "Weißt du, was das Schöne an dem Abend war? Du hast mich nicht angelogen. Nicht mit Blicken. Nicht mit Gesten. Es war ein ehrlicher Fehler."
Er schloss kurz die Augen. "Ich liebe Caro. Ich hab's ihr gesagt. Ich hab's ihr gesagt und sie hat mich weggeschickt."
Melanie nickte. "Wie hätte sie auch anders reagieren sollen?"
Er zuckte die Schultern. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich kämpfen will."
"Dann geh jetzt. Und tu, was du tun musst. Aber hör auf, dich dafür zu schämen, dass du für einen Moment schwach warst."
"Danke", sagte er leise. "Für alles."
"Wir schulden uns nichts", sagte sie. "Ich wusste von Anfang an, dass du nicht frei warst und ich wünsch dir, dass du zurückfindest. Nicht nur zu ihr. Zu dir."
Am Abend stand Andreas vor der Haustür seiner Eltern. Als seine Mutter die Tür öffnete, war ihr erster Blick erschrocken.
"Was machst du denn hier, Junge? Alles in Ordnung?"
Er nickte. Lächelte müde.
"Noch nicht. Aber ich arbeite dran."
Kapitel 17
Vor ihm lag eine leere Kassette. Daneben: ein Stapel Platten, alte Aufnahmen, Notizzettel mit Titeln, die nur Caro und er verstanden hätten.
Er war früh aufgewacht, und sofort machte er sich an seinen Plan. Er würde Caro eine Kassette aufnehmen. Eine, die sprach, wo er versagte. Eine, die vielleicht hörbar machte, was er nicht mehr sagen durfte.
Er begann mit Seite A. Pop. Erinnerungen. Nähe.
Der erste Song war gesetzt: "Every Breath You Take" von The Police. Er wusste noch genau, wie die Platte damals lief - bei ihm im Zimmer, als sie sich das erste Mal geliebt hatten. Das Lied war kitschig, besitzergreifend, aber es hatte damals gepasst. Es erzählte jetzt, was ihm fehlte: ihr Atem, ihr Blick, ihr Dasein.
Danach folgten die anderen Kapitel ihrer Geschichte:
"Time After Time" - der Trost nach ihrer ersten Angst, sie könnte schwanger sein.
"I Want to Know What Love Is" - gespielt im Auto, kurz bevor sie nach Paris fuhren.
"Take My Breath Away" - der Soundtrack ihres letzten Sommers.
Und natürlich: "Close To Me" von The Cure. Nachdem die Ungewissheit über Caros Schwangerschaft vorbei war.
Er drückte nach jedem Song kurz auf Stopp, sah aus dem Fenster, atmete.
Dann drehte er die Kassette um.
Seite B - Klassik. Sie. Ihre Verbindung ohne Worte.
Er hatte aus ihren Proben Mitschnitte zusammengeschnitten. Die Tonqualität war mies, aber das war egal. Bachs "Air". "Salut d'Amour" von Elgar. Vivaldis Konzert für Cello und Geige. Ihre Stimmen vereint.
Zum Schluss: Bachs Cello-Suite Nr. 1, Prélude. Das erste Stück, das sie ihm vorgespielt hatte. Später hatte er sie gebeten, das Stück einmal für ihn aufzunehmen. Er hörte es durch - Caros Interpretation, weich, zurückhaltend, aber voller Wärme. Es war, als spräche sie direkt mit ihm.
Als das Band zu Ende war, herrschte Stille. Keine Musik. Keine Gedanken. Nur dieser Moment, in dem alles schwerelos war.
Jetzt blieb nur noch der Brief.
Er setzte sich an den Schreibtisch, atmete tief durch. Dann schrieb er - langsam, Wort für Wort, wie ein Gebet mit Tinte:
Liebe Caro,
ich weiß nicht, ob dieser Brief Dich erreicht. Oder ob Du ihn überhaupt lesen willst.
Aber ich muss es versuchen.
Diese Kassette ist für Dich.
Auf der einen Seite: Lieder, die unsere Geschichte erzählen - von dem ersten Moment, als wir uns berührt haben, bis zu den Tagen, in denen die Welt um uns verschwand.
Auf der anderen: Musik, die keine Worte braucht. Die Du gespielt hast. Die wir gemeinsam gespielt haben und in der ich mich immer wieder verloren - und gefunden - habe.
Jede Note erinnert mich an Dich. An die Art, wie Du die Augen schließt, wenn Du spielst. An die Stille danach. An unsere Harmonie - auf dem Papier, mit den Bögen, mit den Herzen.
Caro, ich habe Dich verletzt. Ich habe uns verletzt. Ich verstehe, wenn Du nicht verzeihen kannst.
Aber ich liebe Dich. Das ist keine Entschuldigung. Nur ein Bekenntnis. Ein Bekenntnis, weitere Gründe zu den zwölf hinzufügen zu wollen.
Bitte hör Dir die Kassette an.
Lass die Musik sprechen, wo meine Worte scheitern.
Wenn irgendetwas davon Dich noch erreicht - ich werde warten.
Solange der Minutenzähler zählt.
Dein Andreas
Er faltete den Brief mit ruhigen Händen, legte ihn in den Umschlag zur Kassette. Dann ging er zum Postamt, stand eine Weile zögernd vor dem Briefschlitz - und ließ das Päckchen fallen.
Ein leiser Klick.
Es war das Geräusch einer Hoffnung, die losgelassen wurde.
Kapitel 18
Der Himmel über dem Übungsgelände war grau wie Blei, und der Matsch klebte an seinen Stiefeln, als wollte auch der Boden ihn nicht mehr loslassen.
Vor Andreas ragte die Holzpalisade auf - ein Hindernis wie viele an diesem Tag. Noch eine letzte Schikane vor Weihnachten. Die Luft roch nach nassem Holz, Diesel und kaltem Schweiß.
Seit der Kompaniechef ihm vor ein paar Wochen spontan Urlaub genehmigt hatte, ertrug er die Tage stoisch. Gleichgültigkeit war sein Schild geworden. Nur innen war nichts gleichgültig. Nur innen arbeitete alles.
Caro hatte nicht geantwortet.
Drei Wochen war es her, seit er ihr die Kassette geschickt hatte - zusammen mit dem Brief, der mehr Wahrheit enthielt als alles, was er je geschrieben hatte. Trotzdem: Kein Anruf, kein Brief, kein Zeichen. Nur Stille. Eine Stille, die nicht leer war, sondern voll. Voll wie ein Raum, in dem etwas zurückgelassen wurde.
Er hatte weitergeschrieben. Jeden Tag. Manchmal viele Seiten. Manchmal nur ein Herz auf einem gefalteten Blatt. Er schrieb, weil er sonst gar nichts mehr gesagt hätte.
Ein Ruf riss ihn aus den Gedanken.
"Gefreiter Maurer! Ihre Runde!"
Er hob den Kopf. Die Kameraden lachten, nicht boshaft - einfach nur, weil das hier für sie ein Spiel war. Für ihn war es etwas anderes. Etwas, das längst nicht mehr im Gelände stattfand.
Er trat vor die Palisade, griff nach dem nassen Holz. Seine Hände fanden Halt, seine Muskeln zogen ihn nach oben. Er wusste, wie das ging. Der Körper erinnerte sich, selbst wenn der Kopf längst woanders war.
Oben angekommen hielt er kurz inne. Der Boden unter ihm war weich, verwaschen vom Regen. Es waren nur zwei Meter. Ein Schritt. Ein Sprung. Aber plötzlich zitterte seine Hand, sein Fuß rutschte ein wenig - zu schnell, zu glatt.
Ein Bild von Caro schoss ihm durch den Kopf. Ihr Blick. Ihr Schweigen.
Dann kam der Fall.
Die Welt drehte sich. Ein Schmerz wie ein Blitz fuhr durch sein Bein, begleitet von einem Knacken, das viel zu deutlich war. Der Aufprall raubte ihm den Atem, dann kam nur noch Dunkelheit. Lautlose, betäubende Dunkelheit.
Als er wieder zu sich kam, war alles grell.
Licht, Geräusche, Stimmen. Eine Decke über ihm, weiße Wände. Irgendwo piepte etwas. Sein Bein - er spürte es nicht wirklich, aber etwas sagte ihm: Das war nicht gut.
Eine Stimme, freundlich, ruhig.
"Ah, Sie sind wieder bei uns." Eine Schwester trat ins Sichtfeld, ihre Bewegungen geübt, professionell. "Sie hatten einen ziemlichen Sturz. Unterschenkelfraktur und eine schwere Gehirnerschütterung. Sie werden gleich operiert, keine Sorge. Sie bekommen jetzt etwas zur Vorbereitung."
Er versuchte zu nicken, aber sein Kopf protestierte. Alles fühlte sich zäh an, wie in Watte gepackt. Seine Gedanken liefen langsam. Aber sie liefen - zu Caro.
Während ihn das Pflegepersonal durch die Flure schob, war alles benommen - das Licht, die Stimmen, sein Denken.
Ein paar Bilder flackerten durch sein Bewusstsein: Die Palisade, das Knacken, die Erde unter ihm.
Dann ein anderes Bild: Caro. Nicht scharf, nur wie eine Erinnerung unter Wasser. Ihr Blick, ihr Lachen. Der Geruch ihrer Haare.
Weiß sie, wie sehr ich sie vermisse?
Dann senkte sich die Narkose über ihn, langsam, schwer, wie eine Decke aus Blei.
Alles wurde still.
Kapitel 19
Er kam langsam zu sich, als würde er aus großer Tiefe auftauchen. Das Licht war grell, seine Lider schwer. Ein pochender Druck in seinem Kopf, dumpf, wie durch Watte. Alles fühlte sich zäh an - sein Körper, seine Gedanken, die Zeit.
Er öffnete die Augen. Über ihm die Decke eines Krankenzimmers, weiß, strukturlos. Er versuchte, sich zu bewegen, aber ein stechender Schmerz in seinem Bein hielt ihn zurück. Sein Mund war trocken. Alles roch nach Desinfektionsmittel.
Dann - eine Stimme.
Sanft. Vertraut.
"Andreas?"
Er drehte den Kopf. Langsam. Zögerlich.
Caro.
Sie saß da. In einem grauen Pullover, die Haare locker zurückgebunden. Ihre Augen müde, gerötet - weit offen, als suchten sie noch nach etwas in seinem Gesicht.
Er hatte sich ausgemalt, wie sie wohl reagieren würde - kühl, abweisend, oder gar nicht. Aber nie so. Nicht mit diesem Blick.
Sie hielt seine Hand. Als wäre das nie anders gewesen.
Er schluckte. Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch. "Caro ... du bist hier?"
Sie nickte. Ein zaghaftes Lächeln. "Natürlich bin ich hier."
"Aber ... wie?"
Sie strich ihm sanft mit dem Daumen über den Handrücken. "Du hast mich bei der Bundeswehr als Notfallkontakt angegeben. Sie haben mich angerufen."
Andreas blinzelte. Er erinnerte sich vage daran. Ein Formular, Monate her. Ohne groß nachzudenken, hatte er ihren Namen eingetragen. Nicht aus Strategie - aus Wahrheit.
Er schüttelte leicht den Kopf, eine Träne löste sich ungewollt. "Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst."
Caro sah ihn lange an. In ihren Augen lag keine Antwort - sondern etwas Tieferes: Widerspruch, Müdigkeit, Sorge. Und Zärtlichkeit.
"Ich war wütend, Andreas. Immer noch irgendwie. Aber ... wenn du mich brauchst, dann bin ich da. Trotz allem."
In diesem Moment öffnete sich leise die Tür. Seine Eltern traten ein. Seine Mutter trat sofort ans Bett, Tränen in den Augen, der Vater wirkte kontrolliert, aber aufgewühlt.
"Andi ... mein Junge", sagte seine Mutter. "Wie geht es dir?"
Er versuchte zu lächeln. Es fühlte sich seltsam an. "Schon besser. Glaube ich."
Sein Vater trat ans Fußende. "Du hast dich überschätzt. Aber du hattest Glück. Das Bein ist stabil operiert worden. Wird dauern, aber du wirst wieder auf die Beine kommen."
Er nickte. Mehr aus Automatismus. Dann wandte er den Blick zurück zu Caro. Ihre Hand lag immer noch in seiner.
"Du bist wirklich hier", sagte er leise. Noch einmal, als müsste er es selbst glauben.
Sie antwortete nicht sofort. Stattdessen strich sie ihm eine Haarsträhne von der Stirn und sagte nur: "Ich bleibe. Erstmal."
Er schloss die Augen. Nicht aus Erschöpfung, sondern weil die Nähe zu ihr so plötzlich war, so viel auf einmal. Er konnte die Worte noch nicht finden. Aber ihre Hand war warm.
Und für den Moment war das genug.
Kapitel 20
Andreas erwachte mitten in der Nacht. Das Zimmer war in Dunkelheit getaucht, nur durch den Türspalt fiel ein schmaler Lichtstreifen vom Flur. Es roch nach Plastik, Desinfektionsmittel und einer Spur von fremder Bettwäsche.
Er lauschte.
Nichts.
Kein vertrautes Atmen. Kein Geräusch auf dem Besucherstuhl neben ihm. Keine Caro.
Er richtete sich leicht auf, soweit es das schmerzende Bein zuließ. Im Nebenbett ein anderer Patient, der leise schnarchte.
War sie überhaupt da gewesen?
Für einen Moment fragte er sich, ob er alles nur geträumt hatte. War Caro wirklich hier gewesen? Oder war es nur ein Traum, eine Illusion, die sein verletzter Geist erschaffen hatte, um ihn zu trösten? Er schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. Ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Hand in seiner - alles war so real gewesen. Aber jetzt, in der Dunkelheit, fühlte es sich an, als wäre es weit weg.
Er legte sich zurück, starrte an die dunkle Decke.
Er schloss die Augen und dachte an die Kassette. An Seite B, die Cello-Suite. An ihr Gesicht, wenn sie spielte. An den Brief. Die Musik war sein letztes Mittel gewesen. Alles, was er hatte.
Am Morgen weckte ihn das Klacken von Schritten.
Er öffnete die Augen. Blinzelte.
Und da stand sie.
Caro.
Ein Zopf. Jeans, Pulli. Sie mit diesem leicht zerzausten Morgenblick, der sie immer wie gerade angekommen wirken ließ. In der einen Hand eine Papiertüte mit Croissants, in der anderen eine Tasse dampfender Kaffee. Ihr Blick müde - aber wach. Ihre Bewegungen vorsichtig - aber entschlossen.
"Guten Morgen", sagte sie leise.
Andreas versuchte, sich aufzurichten, unterdrückte ein Stöhnen. Sein Bein schmerzte dumpf. Aber das war egal.
"Ich dachte, ich hätte geträumt", flüsterte er. "Aber du bist wirklich hier."
Sie setzte sich, fuhr sich nervös durchs Haar - eine Geste, die er kannte. Dann stellte sie Kaffee und Croissants auf den Nachttisch, als wäre das hier ein Frühstück zu zweit. Kein großes Zeichen. Einfach Nähe.
Er sah sie lange an.
Dann brach es aus ihm heraus - nicht laut, nicht dramatisch, sondern leise, klar, ehrlich:
"Caro ... es tut mir leid. Ich war feige. Dumm. Ich hab dich verletzt, und ich weiß, dass ich das vielleicht nie wieder gutmachen kann. Aber ich liebe dich. Das war immer so."
Sie sagte erst nichts. Dann legte sie ihm eine Hand auf den Arm. Ihr Blick war nicht mild, nicht hart - nur wahrhaftig.
"Ich hab die Kassette gehört."
Er hielt den Atem an.
"Ich hab sie drei Mal gehört", fuhr sie fort. "Und dann nochmal Seite B allein. Es war alles da. Deine Angst. Deine Liebe. Deine Schuld."
Sie sah ihn an, und in ihrem Blick lag etwas, das ihm die Kehle zuschnürte. Etwas zwischen Wehmut und Wärme.
"Ich hab dich auch vermisst", sagte sie leise. "Aber ich wusste nicht, ob ich das wieder kann - dieses Vertrauen. Ich brauchte Zeit."
Andreas nickte. "Ich geb dir alle Zeit der Welt."
Sie lächelte. Nicht groß. Aber echt.
"Wir fangen neu an", sagte sie. "Nicht von vorne. Aber neu."
Er nahm ihre Hand. Hielt sie einfach fest. Sagte nichts. Musste nichts sagen.
Nach einem Moment beugte sie sich vor und küsste ihn. Sanft. Zögerlich. Kein Kuss der Erlösung, sondern einer der Rückkehr. Eine kleine Bewegung - aber voller Gewicht.
Als sie sich zurückzog, sagte sie: "Schritt für Schritt, okay?"
Andreas nickte. "Schritt für Schritt."
Dann grinste er schwach, sah auf sein Gipsbein.
"Wobei ich da aktuell ein bisschen im Nachteil bin."
Caro schnaubte leise und griff nach dem Kaffee. "Dann fang mit Schlucken an. Nicht mit Rennen."
Sie reichte ihm die Tasse. Und in diesem einfachen Akt lag mehr Nähe als in allen Worten zuvor.
Kapitel 21
Der Heiligabend verlief still und besinnlich. Andreas saß mit seinen Eltern im Wohnzimmer, das vom Licht des Christbaums und dem leisen Knistern des Kamins warm durchflutet war. Sein Bein war noch immer in Gips, die Krücken lehnten neben dem Sofa. Die Schmerzen waren erträglicher geworden, aber jede Bewegung erinnerte ihn daran, dass sein Körper noch Zeit brauchte.
Eine gute Woche hatte er im Krankenhaus gelegen. Kurz vor den Feiertagen war er entlassen worden - seine Eltern hatten ihn abgeholt, und die weitere Behandlung durfte nun in der Heimatstadt erfolgen. Für mindestens sechs Wochen war er krankgeschrieben. Danach würde man sehen, wie es weiterging. Vielleicht - mit etwas Glück - würde er sogar ausgemustert oder zurückgestellt. Der Gedanke daran war neu: dass dieser Unfall vielleicht auch ein Ausweg sein konnte.
Aber das war nicht das Wichtigste.
Das Wichtigste war: Caro war da gewesen.
Morgen würde sie ihn besuchen. Seine Eltern hatten sie zum Mittagessen eingeladen.
Er war nervös.
Freudig.
Unruhig.
Aber nicht mehr allein.
"Andi, wir haben noch ein Geschenk für dich", sagte sein Vater, plötzlich grinsend. Er holte zwei große Pakete aus der Ecke und stellte sie vor Andreas auf den Boden.
Andreas hob eine Augenbraue. "Das sieht ja verdächtig nach Luxus aus. Was habt ihr angestellt?"
"Mach's auf", sagte seine Mutter nur.
Er manövrierte sich mit den Krücken nach vorn, riss das Geschenkpapier vorsichtig auf - und erstarrte. "Ein ... Atari 520 ST?"
"Ja!" Sein Vater klang fast ein bisschen stolz. "Du hast ja oft genug davon geschwärmt."
Andreas starrte die Verpackung an, als hätte er ein UFO gefunden. "Wahnsinn. Ein 68000er Prozessor. Acht Megahertz. Schwarz-Weiß-Monitor. GEM-Oberfläche ..."
"Gesundheit", sagte seine Mutter trocken.
Er lachte laut auf. Das erste Mal seit Tagen.
"Das kann man wohl sagen!", sagte er. "Das ist das beste Geschenk seit ... immer!"
Am nächsten Mittag klingelte es an der Haustür.
Bevor er mühsam mit den Krücken aus seinem Zimmer humpeln konnte, war seine Mutter schon zur Tür geeilt. Er hörte sie flüstern, dann ein Lachen, dann Schritte im Flur.
Als er endlich unten ankam, stand sie schon im Wohnzimmer. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, schlicht, elegant. Ihre Haare offen. Einfach sie - ihr Blick, der sich sofort mit seinem traf. Er wollte etwas sagen, wusste aber nicht was - also stand er einfach nur da, wie auf einem Bein. Wortwörtlich.
"Frohe Weihnachten", sagte sie leise.
"Frohe Weihnachten", erwiderte er. Sein Herz klopfte schneller.
"Schön, dass du da bist", fügte er hinzu - etwas zu schnell, etwas zu leise.
"Ich bin froh, dass ich da bin."
Seine Mutter lächelte in sich hinein und sagte: "So. Dann setzen wir uns mal. Es gibt gleich Gänsebraten."
Caro setzte sich ihm gegenüber und sah dabei, was dort bereits auf ihrem Teller lag: Ein kleines, sorgfältig eingepacktes Geschenk mit violettem Band.
Sie sah ihn an, hob eine Braue, sagte aber nichts und legte es neben den Teller. Er zuckte leicht mit den Schultern.
Sie lächelte, ein Hauch von früher zwischen den Wimpern.
Das Essen verlief ruhig, fast feierlich. Seine Eltern hielten sich zurück, beobachteten mit feinem Taktgefühl. Er war dankbar dafür. Sie erzählte von der WG, vom Uni Alltag, ohne große Worte. Andreas hörte einfach zu - das reichte.
Nach dem Dessert stand seine Mutter auf. "Ich bring kurz das Geschirr raus."
Andreas wollte helfen, aber sein Vater winkte ab. "Du schonst dich mal! Caro auch!"
Kaum waren die beiden in der Küche verschwunden, griff Caro zu dem kleinen Päckchen auf ihrem Teller.
Sie öffnete es vorsichtig, mit zarten Fingern.
Eine silberne Kette mit einem kleinen Anhänger - eine Geige, fein gearbeitet.
Sie sagte nichts und drehte den Anhänger zwischen Daumen und Zeigefinger.
"Ich dachte ...", begann er, "... vielleicht erinnert sie dich an das, was zwischen uns immer da war. Auch wenn's manchmal zu leise wurde."
Caro legte die Kette an. "Sie klingt gut. Auch ohne Ton."
Sie sah ihn an. Und in ihrem Blick war keine Rührung, kein Pathos - sondern etwas Echtes. Einfach sie selbst.
Später, als seine Eltern sich mit einem Glas Wein zurückzogen, stand sie auf.
"Ich muss kurz was holen", sagte sie.
Er runzelte die Stirn. "Du hast was vergessen?"
"Nicht vergessen", sagte sie. "Nur in der Garderobe abgestellt."
Wenig später kam sie zurück. In der einen Hand ein flaches Geschenk. In der anderen ihren Cellokoffer.
Er starrte sie einen Moment lang an.
"Du hast's wirklich mitgebracht."
Sie nickte. "Ich dachte ... vielleicht heute. Vielleicht wir."
Er schluckte. "Ja. Sehr gern."
Er nahm das Geschenk entgegen und öffnete es vorsichtig. In dem Paket befand sich ein neues Notenheft - eine Sammlung von Duetten für Geige und Cello. Auf der ersten Seite hatte Caro eine persönliche Widmung geschrieben: "Für uns - mögen wir nie aufhören, miteinander zu klingen. Caro."
Er sagte nichts. Nur ein leises "Danke", kaum hörbar. Dann hob er seine Geige.
Sie stimmten kurz. Dann musizierten sie.
Die Musik war da. Ohne Worte. Ohne Erklärung.
Sie spielte, er folgte. Oder umgekehrt. Man wusste es nicht mehr.
Es war kein Duett aus Noten. Es war ein Gespräch - ein Schweigen mit Klang.
Er hörte ihren Atem, sah ihre Stirn, die sich beim Spielen leicht kräuselte, und fühlte etwas, das er lange nicht gefühlt hatte: Zuversicht.
Als sie das letzte Stück beendeten, blieb es einen Moment still.
Sie sah ihn an.
"Das war schön", sagte sie.
"Ja", antwortete er. "Sehr schön."
Er setzte sich auf die Couch, streckte das Bein aus. Caro legte ihr Cello behutsam beiseite und setzte sich neben ihn.
Ohne ein Wort lehnte sie sich an ihn, legte den Kopf an seine Schulter. Und für einen Moment war nichts mehr gebrochen - nicht das Bein, nicht das Vertrauen.
Nur Stille. Und Nähe.
Epilog
Er wusste nicht genau, wann sie eingeschlafen waren.
Irgendwann zwischen Haut und Atem. Zwischen dem sechsten Grund und ihrem ersten Kuss in dieser Nacht. Es war kein Neuanfang gewesen. Eine unausweichliche Fortsetzung. Denn sie wussten beide, dass sie nicht ohne einander konnten.
Der Morgen war still.
Sie lag auf der Seite, ein Arm unter ihrem Kopf, das Laken halb über sich gezogen. Eine Strähne klebte an ihrer Stirn. Ihre Lippen leicht geöffnet.
Er lag auf dem Rücken. Wach.
Aber nicht unruhig.
Er hatte sie nicht geweckt, als er aufgestanden war, um ins Bad zu humpeln.
Das Bein war noch immer empfindlich, aber das war nebensächlich. Seit er Anfang Februar ausgemustert worden war, hatten sich auf einmal ganz neue Möglichkeiten ergeben. Eine schlichte Feststellung "TG 5" in einem offiziellen Schreiben änderte alles.
Er war wieder da. Nicht nur in dieser Wohnung. In ihrem Leben. Und sie in seinem.
Auf dem Stuhl neben dem Bett lag das Geschenkpapier vom Abend.
Sie hatte es gar nicht zerrissen, sondern sauber aufgefaltet.
Der kleine Karton mit dem roten Band lag noch offen daneben.
Innen: sechs Karten. Von ihm handgeschrieben.
Jede begann mit: Ich liebe dich, weil...
Die sechste war die letzte gewesen, die sie vorgelesen hatte.
Langsam. Leise.
Dann hatte sie ihn angesehen und nur gesagt:
"Küss mich."
Er schaut auf den Nachttisch. Da stand er: der Minutenzähler.
Er war noch immer angeschaltet.
Noch immer derselbe Zähler, den er vor einem halben Jahr gebaut hatte.
Und den sie nie zurückgegeben hatte. Sie musste ihn regelmäßig aufgeladen haben. Er nahm ihn in die Hand.
788.401.
Caro bewegte sich im Halbschlaf. Ihr Fuß streifte seinen.
Er stellte das Gerät zurück, als wäre es ein Geheimnis, das nur für ihn bestimmt war. Oder für sie beide.
Er beugte sich vor, strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
Ihr Gesicht blieb ruhig.
Aber sie lächelte im Schlaf.
Und zum ersten Mal seit jener Nacht war ihm klar, dass sie es längst gespürt hatte: sie gehörten zusammen. Sie zählten keine Minuten mehr. Sie lebten sie.
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