Feuriges Griechenland (fm:Sonstige, 13363 Wörter) [1/2] alle Teile anzeigen | ||
Autor: Mr_Empire | ||
Veröffentlicht: Sep 26 2025 | Gesehen / Gelesen: 2843 / 2337 [82%] | Bewertung Teil: 9.43 (44 Stimmen) |
Der Prolog - "Der Kuss einer Bitch, Namens ... Schicksal" - beschreibt den schweren und teils traurigen Weg von Markus Kindheit, bis zu seinem 18. Geburtstag |
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Er steht langsam auf, tritt zu ihr und nimmt sie fest in den Arm. Sabrina lehnt ihren Kopf an seine Brust, spürt seinen Herzschlag - ruhig, kraftvoll.
"Ich liebe Dich so sehr, Helmut. Ich hatte den ganzen Tag solche Angst vor diesem Moment," schluchzt Sabrina.
"Hey...", sagt er leise und streicht ihr übers Haar. "Ich wollte zwar eigentlich noch warten, aber... so ist das Leben. Hauptsache, wir sind zusammen, oder?"
Sabrina hebt den Blick, ihre Augen glänzen. "Schlaf mit mir," haucht sie.
Helmut lächelt. "Du weiß schon, dass da schon was in deinem Bauch ist, oder? Nachträglich was hinzufügen ist da ziemlich schwer."
"Blödmann" lacht Sabrina und schlägt ihm spielerisch auf den Arm.
"Hey, nicht gleich brutal werden. Ich kann´s ja mal versuchen," sagt er grinsend und zieht sie sanft zu sich hoch. Ihre Lippen treffen sich und verschmelzen zu einem Leidenschaftlichen Kuss, der mehr sagt als Worte je könnten.
Während sie sich küssen, beginnt Sabrina, Helmut das Hemd aufzuknöpfen. Der Raum füllt sich mit Wärme, mit dem Duft von Haut und Nähe.
"Was ist los mit die, mein Schatz?" fragt Helmut, als er kurz den Kuss unterbricht.
"Ich will dir nur zeigen, wie sehr ich dich liebe. Und spüren, wie sehr du mich liebst," antwortet sie atemlos.
Helmut hebt sie sanft hoch, setzt sie auf die Tischplatte. Ihre Kleidung raschelt leise, während sie sich entkleiden. Draußen ist es still - nur das leise Summen der Stadt dringt durch das Fenster.
In diesem Moment zählt nichts außer ihnen. Keine Sorgen, keine Zweifel. Nur ihre Liebe.
Sabrina sitzt auf der Tischkannte, ihr Blick ist immer noch feucht vor Rührung. Doch nun ist da etwas anderes in ihren Augen - ein Glühen, welches Helmut nur all zu gut kennt.
"Blödmann", lacht Sabrina und gibt ihm einen spielerischen Klaps auf den Arm.
Langsam gleitet sein Blick über ihren Körper. Die Art, wie sie ihn ansieht, sie ihre Lippen leicht öffnet, wie sich ihre Brüste heben und senken - all das spricht eine deutliche Sprache. Sie öffnet die Beine ein wenig, ganz von selbst, bereitwillig, und ohne Hast. Ihr Slip blitzt unter dem Rock hervor, zart und hell. Helmut kniet sich vor sie, seine Hände streichen sanft über ihre Oberschenkel, bis diese den Stoff erreichen.
Sabrina spürt seine Berührungen wie elektrisches Flüstern auf der Haut. Als er den Slip langsam nach unten zieht, hebt sie kurz ihr Becken, und hält für einen Moment die Luft an.
Ich kenne diesen Blick, denkt sie. Er will mich ganz. Ein Schauer läuft ihr über den Rücken, während sein Blick sich fest auf sie legt. Er lächelt kaum merklich, während sein Blick auf ihr ruht.
"Ja... leck mich, Schatz," haucht sie ihm entgegen, dabei ist ihre Stimme kaum mehr als ein sinnlicher Windhauch.
Helmut zögert nicht. Sein warmer Atem trifft ihre empfindlichste Stelle und ein Schauer läuft ihr über den Rücken.
Ein leises, kehliges Stöhnen entfährt ihren Lippen, als seine Lippen sie berühren - zärtlich und forschend, zugleich so vertraut. Seine Zunge gleitet zunächst behutsam über sie, doch schon bald wird jede Bewegung von einer zunehmenden Rhythmik getragen, die sich harmonisch in den Moment einfügt.
Sabrina schließt die Augen. Dieses Kribbeln... dieses geliebte Kribbeln, denkt sie, während sich ihr Körper öffnet, empfängt und reagiert. Ein Moment des Zögerns huscht durch sie, bevor sie sich ganz dem Gefühl hingibt.
Ihre Finger verkrampfen sich in der Tischkante. Dann in Helmuts Haar. Sie zieht ihn fester zu sich, während Sabrina ihre Hüfte ihm entgegendrückt.
"O Gott... ja... genau da..."
Stoßweise entweicht ihr Atem, während sich ihr Rücken wölbt. Dann ist es endlich soweit, wie eine Welle bricht der Orgasmus über sie herein - heiß, pulsierend, befreiend.
Sie stöhnt laut, ohne jede Scham und Zurückhaltung.
Helmut hebt den Kopf, seine Lippen glänzen von ihrer Lust, und sein Atem ist noch ganz erfüllt vom Duft ihrer Haut. Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen, während er Sabrina ansieht - seine Augen strahlen vor Stolz und zärtlicher Bewunderung, ein leises Zittern läuft durch seine Schultern. Im Hintergrund erklingt das sanfte Nachhallen ihres Atems und das leise Schaben des Stuhls auf dem Boden. Ein Hauch ihres Parfums, vermischt mit einer Note von Sommerluft, liegt in der Luft. Helmut streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn, lächelt und fährt ihr sacht mit dem Daumen über die Wange, als wolle er sich vergewissern, dass sie wirklich bei ihm ist.
"Was war das? So schnell hab ich dich noch nie zum Höhepunkt gebracht", flüstert er, und ein fast scheues Staunen schwingt in seiner Stimme mit. In seinen Gedanken spürt er die Verbundenheit zwischen ihnen, die gerade noch tiefer geworden ist. Für einen Moment halten beide inne - die Geräusche, die Gerüche, das Licht - alles scheint nur auf sie beide zugeschnitten.
Sabrina lächelt unsicher, ihre Hände zittern leicht, als sie nach ihm greift. Sie sieht ihn verliebt und überwältigt an. "Du bist schuld daran... Deine Liebe verändert alles. Und bald sind wir wirklich eine Familie."
Sie zieht ihn sanft zu sich, ihre Stimme ist leise und voller Erwartung: "Nimm mich jetzt, Schatz."
Helmut steht auf, sein Blick voller Hingabe. Er weiß, dass sie bereit ist - dass sie ihn jetzt ganz will.
Langsam führt er sich zu ihr. Er stellt sich zwischen ihre geöffneten Beine. Sabrinas Hände gleiten über seinen Rücken, während er sich nähert. Ein leiser Atemzug streift ihre Haut, während der Duft seines Parfums sie umhüllt.
Ihre Augen treffen sich, halten sich fest, während Helmut in sie eindringt. Langsam, liebevoll und ganz. Bis zum Anschlag.
"Bleib... bleib einen Moment so," flüstert sie und legt vorsichtig ihre Hand auf seinen Rücken, als wolle sie ihn noch ein wenig bei sich halten. "Ich spüre dich so herrlich... ich will das kurz genießen." Ihre Finger fahren sanft seine Wirbelsäule entlang, fast als wolle sie sich davon überzeugen, dass dieser Moment wirklich ist. Helmut verharrt in ihr, schließt die Augen und lauscht dem gemeinsamen Rhythmus ihrer Atemzüge. Für einen Augenblick denkt er daran, wie vertraut und geborgen er sich bei ihr fühlt, wie einzigartig diese Nähe ist. Er spürt ihre Wärme, die Vertrautheit, ihre Nähe - und in diesem innigen Innehalten erkennt er, dass sie beide genau jetzt vollkommen miteinander verbunden sind.
Dann beginnt er sich zu bewegen - sanft, rhythmisch. Im Einklang mit Sabrina.
Sie schließt die Augen und gibt sich ganz dem Gefühl der Nähe hin, das sie durchströmt., während ihre Lippen leicht geöffnet sind. Ihre Hände wandern über ihre Brüste. Sie spürt sich selbst, während sie Helmut tief in sich spürt.
Die Geräusche des Raums sind leise - das Rascheln von Stoff, ihr gemeinsames, rhythmisches Atmen und das sanfte Pochen des Tisches, wenn er an die Wand stößt.
Helmut spürt, wie sich alles in ihm aufbaut, wie sein Orgasmus auf ihn zukommt.
Ein Zittern durchläuft Helmuts Körper, als er sich im Rausch der Nähe ganz in Sabrina verliert. Während seine Bewegungen in ihr verharren, spürt er ihren Herzschlag an seiner Haut, den warmen Schweiß zwischen ihren Körpern, lauscht ihrem schweren Atem, der seinen Rhythmus aufnimmt und sich mit seiner Sehnsucht vermischt. In diesem Moment, so verletzlich und offen wie nie zuvor, brennt ihm das Bekenntnis auf der Zunge - nicht bloß ein Wort, sondern das Gefühl, das ihn von innen heraus überflutet und alles verändert. "Ich liebe dich," haucht er mit heiserer Stimme gegen ihren Hals, noch bevor er sich völlig in ihr auflöst. Zeit und Raum verschwimmen, und für einen endlosen Augenblick gibt es nichts als sie beide - vereint in diesem Versprechen, das tief in seinen Gedanken nachhallt: Ich gehöre zu dir. Für immer.
Sabrina spürt Helmut, spürt die Empfängnis seines Orgasmus, und lässt sich erneut von einem Orgasmus überrollen. Der sie erschöpft und zugleich glücklich macht.
Als sie sich langsam wieder beruhigen, lehnt sich Helmut sanft zurück. Dabei gleitet sein erschlaffter Schwanz aus ihr heraus - und in diesem Moment durchfährt Sabrina ein feines, zittriges Beben. Es ist ein eigenartiges Gefühl, etwas zwischen flüchtiger Verlegenheit und tiefer Verbundenheit; ein Hauch von Nähe, der sie auf eine Weise berührt, die sie selbst überrascht. Für einen Augenblick verweilt sie still, spürt das Nachklingen des eben Erlebten in ihrem Innersten, während Helmut sie mit einem liebevollen Blick streift, als wollte er ihr stumm versichern, dass diese intime Geste mehr ist als bloße Körperlichkeit - sie ist Ausdruck ihres Vertrauens und ihrer gemeinsamen Geschichte.
Doch sie lächelt ihn an - weich, verliebt, erfüllt, ihre Augen glänzen im sanften Licht und ihre Wangen wärmen sich unter seiner Berührung. Für einen Moment hält sie inne, spürt seinen Herzschlag an ihrer Haut, nimmt den leisen Duft nach Haut und Parfum wahr, der sie beide umgibt. Sie atmet tief ein, als hätte sie lange auf diesen Augenblick gewartet. Behutsam streicht sie ihm über den Arm, sucht seinen Blick, ehe sie mit leiser, fester Stimme sagt: "Ich liebe dich."
Und in diesem Moment weiß Helmut: Jetzt beginnt etwas Neues. Etwas Großes. Etwas Wunderbares.
Die Zeit vergeht schneller, als Sabrina und Helmut je für möglich gehalten hätten. Neun Monate - es klang so lang, beinahe endlos. Und doch ist der Tag gekommen, an dem Sabrina ihm stolz ihren Sohn schenkt.
Mit erhobener Brust hält Helmut den kleinen Markus im Arm. Seine Augen glänzen, seine Hände zittern leicht vor Ehrfurcht. Ich kann es kaum glauben, denkt Helmut. Das ist mein Sohn. Mein Fleisch und Blut. Ich muss stark sein - für ihn. Für sie. Ich darf sie nie enttäuschen. Unwillkürlich streicht er Markus sanft über das winzige Händchen und flüstert ihm leise Versprechen zu. In diesem stillen Moment spürt er eine Mischung aus Stolz und Angst, die Verantwortung lastet schwer auf seinen Schultern, und doch erfüllt ihn das Glück, Vater zu sein.
Sabrina beobachtet ihn, wie er mit dem Neugeborenen spricht - zärtlich, ruhig, voller Liebe. Er ist schon jetzt ein Vater, denkt sie. Und was für einer. Warum hatte ich nur solche Angst, dass er mich verlässt? Ich war so dumm. Er liebt uns. Ich sehe es in jedem Blick. Sie weiß: Helmut wird der beste Vater der Welt. Manchmal überkommt sie dennoch Sorge - was, wenn sie als Mutter versagt, wenn sie Markus nicht alles geben kann, was er braucht? Doch in solchen Momenten summt sie leise ein Schlaflied, während sie ihr Kind wiegt, und spürt, wie die Unsicherheit langsam weicht. Das sanfte Lied beruhigt nicht nur Markus, sondern auch sie selbst - und für einen Augenblick scheint alles gut und richtig.
Er hat sein Versprechen gehalten. Noch bevor Markus geboren wurde, hatte er sich einen Nebenjob gesucht. Und auch jetzt nach der Geburt nimmt er jede Überstunde mit, die er bekommen kann. Ich muss durchhalten, denkt Helmut oft, wenn er spät nachts heimkommt. Ich will ihnen ein besseres Leben bieten. Ich will, dass Markus stolz auf mich ist, wenn er groß ist. Dass er sagen kann: Mein Vater hat alles für uns getan. Doch nicht nur finanziell ist er da - auch zu Hause kümmert er sich rührend um sie und das Baby. Er liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab, selbst wenn er völlig erschöpft von der Arbeit kommt.
Er merkt, wie oft ich erschöpft bin, denkt Sabrina leise, während sie Markus sanft über die Stirn streichelt. Trotzdem fragt er nie, ob ich das alles schaffe. Stattdessen nimmt er mir die Wäsche ab, macht abends das Essen, hält Markus, wenn ich einfach mal fünf Minuten sitzen will. Dafür liebe ich ihn. Wirklich.
Sie schaut zu ihm hinüber, wie er sich müde die Schultern reibt. "Helmut, du solltest wirklich mal kürzertreten", sagt sie und schiebt ein sanftes Lächeln hinterher. "Wir packen das schon irgendwie, okay? Wir müssen nicht alles auf einmal haben."
Helmut seufzt, die Augen müde, aber sanft. "Später, Sabrina. Nur noch ein bisschen. Wenn ich es irgendwann geschafft habe und mein Job uns reicht, dann... dann kann ich auch mal durchatmen. Dann haben wir's leichter."
Später, denkt sie. Immer dieses später. Aber wann ist das denn? Markus wird so schnell groß. Und Helmut ist nie da, wenn etwas passiert. Letzte Woche zum Beispiel - da hat Markus zum ersten Mal "Papa" gesagt. Und Helmut war wieder unterwegs, im Nebenjob. Es war ein so besonderer Moment, und ich war ganz allein damit. Wenn ich ihm davon erzähle, lächelt er zwar, aber es ist nicht dasselbe. Es tut einfach weh.
Am Abend, als Markus endlich schläft, sitzt sie neben Helmut auf der Couch. Sie zögert, bevor sie leise sagt: "Du bist so wenig zu Hause in letzter Zeit. Du verpasst alles, echt alles. Weißt du noch, als Markus seine ersten Schritte gemacht hat? Da warst du auf der Arbeit. Ich hab versucht, es dir zu filmen, aber... es ist nicht dasselbe, wie es mit eigenen Augen zu sehen. Bitte, Helmut, wir brauchen das Geld schon, aber wir brauchen dich noch viel mehr."
Ihre Worte treffen ihn wie ein Schlag. Er sieht sie an, sieht die Müdigkeit in ihrem Blick, aber auch die Enttäuschung. "Ich weiß", sagt er leise. "Ich wollte dir und Markus alles geben. Aber glaubst du, ich verpass das freiwillig? Ich würde so gern mehr da sein. Echt."
Er ringt mit sich, will ehrlich sein. "Manchmal hab ich das Gefühl, dass Markus mich gar nicht kennt. Oder... dass er Zeit braucht, bis er merkt, wer ich bin. Tut mir echt weh."
"Nein, ich glaube dir schon. Aber manchmal ist es wirklich so. Gestern zum Beispiel - er hat dich erst angestarrt und sich nicht gleich von dir auf den Arm nehmen lassen. Das ist doch kein Zustand."
Das sitzt. Mein eigener Sohn... und ich bin für ihn fast ein Fremder. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Ich wollte doch ein guter Vater sein. Einer, der immer da ist. Nicht nur am Wochenende. Vielleicht ist Geld doch nicht alles. Viel wichtiger sind doch diese kleinen Momente - gerade die, die ich so oft verpasse.
Er holt tief Luft, schaut Sabrina an. "Weißt du was? Ich geb den Nebenjob auf. Wir müssen halt ein bisschen sparsamer leben, aber... du hast recht. Es bringt nix, wenn ich alles verpasse. Danke, dass du mir die Augen geöffnet hast."
Er steht auf, geht zu ihr hinüber. Sie erheben sich beide, fallen sich in die Arme. Für einen Moment ist alles wieder wie früher - nah, vertraut, voller Hoffnung.
Helmut erinnert sich plötzlich an einen ganz besonderen Abend vor ein paar Wochen. Sabrina hatte ihm ein Video geschickt: Markus steht wackelig am Couchtisch, hält sich fest, grinst breit - und dann, ganz plötzlich, lässt er los, macht einen Schritt, zwei... und fällt Sabrina in die Arme. Helmut hatte das Video im Pausenraum seiner Nachtschicht gesehen, zwischen Maschinenlärm und Neonlicht. Er hatte gelächelt, aber im gleichen Moment war ihm das Herz schwer geworden. Er war nicht da gewesen. Nicht dabei. Und als er nachts nach Hause kam, schlief Markus schon wieder tief und fest. Helmut hatte sich neben ihn gesetzt, ihm leise übers Haar gestrichen und nur gedacht: Wie viele erste Male verpass ich noch?
Sabrina beobachtet, wie Helmut zur Uhr schaut und leise flucht: "Mist, ich bin spät dran. Tut mir leid, Schatz. Ich muss los." Er küsst sie auf die Wange, nimmt seine Tasche und verschwindet zur Tür hinaus. Sie bleibt zurück, das Baby in der Wiege, aber ihr Herz fühlt sich leichter an als seit Langem.
Er hat es verstanden, denkt sie mit einem Lächeln. Für einen Moment lächelt sie leise, spürt, wie eine Last von ihren Schultern fällt. Und das ist alles, was zählt.
Der Morgen ist still. Zu still. Kein Vogelgezwitscher, kein Rauschen der Straße, nur das kleine Ticken der Wanduhr im Flur - monoton, fast bedrohlich. Es ist halb acht. Sabrina liegt auf dem Sofa, Markus in ihrem Arm, sein Atem streicht warm und gleichmäßig über ihre Haut. Für einen Moment hält sie ihn fester, als müsste sie sich vergewissern, dass wenigstens er da ist. Die Stille drückt schwer auf ihre Brust. Ein schrilles Klingeln zerreißt sie abrupt. Sabrina schreckt auf, das Herz schlägt ihr bis zum Hals. Für einen Moment weiß sie nicht, wo sie ist.
Während Markus im Halbschlaf quengelt, schiebt sie sich vorsichtig unter ihm hervor. Helmut ist noch nicht zurück. Vielleicht Überstunden, denkt sie benommen. Mit jedem Schritt zur Tür wird ihr Mund trockener, ihr Kopf leerer. Ein kleiner Hoffnungsschimmer - vielleicht ist es Sandra mit frischen Brötchen, duftendem Kaffee, so wie früher manchmal. Sie öffnet die Tür.
Kein Kaffeeduft. Stattdessen schlägt ihr kalte Luft entgegen, ein Hauch von Leder und Waschmittel. Zwei Fremde, Uniformen, starre Gesichter. Eine Polizistin, blasser Teint, dunkle Schatten unter den Augen, der Blick ruhig - zu ruhig. Sabrina bleibt wie angewurzelt stehen, ihr Blick haftet an den kleinen Gesten: Die Polizistin streicht sich fahrig eine Strähne hinters Ohr, der Polizist spielt nervös mit dem Ärmel seiner Jacke. Sabrina hört ihren eigenen Herzschlag, das Blut rauscht in den Ohren.
Ein leises Knacken in ihren Knien, als würde ihr Körper nachgeben wollen. Ihr Herz setzt einen Schlag aus, als die Polizistin mit sanfter Stimme fragt: "Guten Morgen. Sind Sie Frau Sabrina Dreyer?" Sabrina ringt nach Worten, bekommt kaum Luft. "Ja..."
Die Polizistin senkt den Blick, atmet kurz ein. Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Sabrina spürt, wie alles in ihr sich zusammenzieht, wie ihr Kopf dröhnt, als würde gleich etwas Schreckliches geschehen. Dann: "Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass es in der Firma Ihres Mannes zu einem schweren Unfall gekommen ist." Die Worte klingen weit weg, verzerrt, als hörte sie sie durch Wasser. Ein metallisches Klirren in ihrem Kopf, ihr Mund öffnet sich stumm.
"Was... was ist passiert? Geht es ihm gut?" Die Worte kommen brüchig, kaum hörbar. Die Polizistin zögert, ein kurzer Blick zum Kollegen. Dann fällt der Satz, der alles zerreißt: "Ihr Mann ist dabei leider tödlich verunglückt."
Ein dumpfer Schlag fährt durch ihren Körper, als würde ihr Herz für einen Moment aussetzen. "Nein... nein, das kann nicht sein...", flüstert sie und ringt nach Luft.
Markus beginnt zu quengeln. Sabrina wiegt ihn, beinahe automatisch, doch dieses Mal hält sie ihn fester als sonst - als könnte sie ihn vor allem beschützen, was gerade passiert. Alles fühlt sich unwirklich an. Das ist ein Alptraum. Ich wache gleich auf. Ich muss aufwachen.
Die Beamtin tritt einen Schritt näher und fragt vorsichtig: "Gibt es jemanden, der sich um Sie kümmern kann?"
Sabrina blinzelt, ihr Blick schweift unsicher durch den Raum. Ihre Hände greifen automatisch nach dem Türrahmen, als müssten sie sich irgendwo festhalten. Sie zögert kurz, bevor sie mit brüchiger Stimme antwortet: "Sandra... meine Freundin. Ich rufe sie an." Ihre Finger umklammern dabei fest ihr Handy, als wäre es der letzte Halt in einem Meer aus Unsicherheit. Für einen Moment hält sie das Gerät an die Brust gedrückt, als könne es sie wärmen.
Die Polizisten nicken, einer von ihnen blickt noch einmal sorgenvoll zurück, bevor beide leise die Wohnung verlassen. Hinter ihr fällt die Tür ins Schloss. Ein leises Knacken. Sabrina steht wie angewurzelt im Flur, ihr Atem geht flach, während die Stille nach dem Türenschlag schwer auf ihr lastet. Ihre Knie fühlen sich weich an, als könnte sie jeden Moment nachgeben, doch sie zwingt sich, nicht zu Boden zu sinken. Unsicher gleitet ihr Blick durch den Raum, auf der Suche nach irgendetwas Vertrautem.
Dann greift sie mit zitternden Händen zum Telefon, das fast aus ihren Fingern zu rutschen droht, und wählt. Ihr Herz hämmert, als sie endlich die Nummer tippt.
"Sandra... kannst du zu mir kommen? Ich brauche dich", flüstert sie, die Stimme kaum mehr als ein Hauch.
Mehr sagt sie nicht. Mehr muss sie nicht sagen. Sandra hört den Tonfall ihrer Freundin, und macht sich direkt auf den Weg.
Die Wohnung riecht nach kaltem Tee und Babycreme. Sandra betritt sie und sieht Sabrina auf dem Sofa sitzen. Markus auf dem Schoß, ihre Augen sind leer.
"Ich bin da", sagt Sandra leise und setzt sich neben sie.
Sabrina hebt den Blick. In ihren Augen glänzen ihre Tränen, aber sie fließen nicht. Sie presst die Lippen zusammen, als würde sie jeden Moment zerbrechen, doch sie hält sich an Markus fest wie an einem Rettungsanker. Ihre Schultern zittern unmerklich, während ihr Atem stoßweise geht. Ein dumpfer Schmerz breitet sich in ihrer Brust aus, als die Worte über ihre Lippen kommen:
"Er ist tot."
"Ich weiß. Ich bin hier." Sandras Stimme zitterte, doch sie zwang sich zur Ruhe. Behutsam nimmt sie ihrer Freundin Sabrina den kleinen Markus aus den Armen und hält ihn fest an sich, als wolle sie ihm und Sabrina gemeinsam Halt geben. Für einen Moment blickt sie Sabrina an, sucht ihre Augen, als könnte sie so einen Teil des Schmerzes auffangen. Ihre freie Hand streicht sanft über Sabrinas Schulter, während sie leise sagt: "Ich kümmere mich um alles. Du musst jetzt nur für Markus stark sein."
Sabrina sieht zu ihr auf, ihre Tränen schimmern im Licht, doch sie blinzelt sie fort. In ihrem Blick liegt Dankbarkeit und Verzweiflung zugleich, während sie spürt, wie die Last für einen winzigen Augenblick leichter wird - einfach, weil Sandra da ist.
Der Wind weht über den Friedhof, zerrt an Sabrinas Mantel, trägt den herben Duft von feuchter Erde und welken Blumen bis in ihre Lungen. Die Kälte kriecht unaufhaltsam unter ihre Haut und legt sich schwer auf ihre Schultern. Sabrina steht vor dem Grab, sieht zu, wie der Sarg knirschend in die Erde gleitet. Das dumpfe Rumpeln dröhnt in ihren Ohren, als hätte es einen Riss in ihrem Innern hinterlassen.
Ihre Hände zittern, obwohl sie sie fest ineinander verschränkt hat. Ein brennender Schmerz zieht sich durch ihre Brust, jeder Atemzug fühlt sich rau an, als würde sie an den Erinnerungen ersticken, die mit der feuchten Luft über sie hinwegziehen. Drei Jahre. Drei Jahre Ehe - und jetzt bleibt von ihrem gemeinsamen Leben nur noch dieser kalte Stein, der vor ihr aufragt. Markus, kaum ein Jahr alt, schmiegt sich still an ihre Seite, als spürte er den Verlust, ohne ihn begreifen zu können. Sabrina streicht ihm über das Haar, ihre Finger verlieren sich in den feinen Strähnen, suchen Halt in der Wärme des kleinen Körpers.
Und jetzt ... jetzt sind wir allein, denkt sie, und der Gedanke fühlt sich an wie ein tiefer, schwarzer Abgrund. Ihre Knie drohen nachzugeben, doch sie bleibt stehen, starrt auf das feuchte Erdreich, als könnte sie ihrem Schmerz so entkommen.
Sandra steht neben ihr, legt sanft eine Hand auf ihren Arm. Die Berührung ist leicht, fast wie ein Versprechen, nicht ganz verloren zu gehen. Sabrina schließt kurz die Augen, atmet den schweren Geruch ein, der von der Erde aufsteigt, und flüstert dann mit brüchiger Stimme: "Er hat alles richtig gemacht. Wieso musste er gehen?" Die Worte zerreißen ihr die Kehle, und in ihrem Kopf tobt ein Sturm aus Schuld, Sehnsucht und Wut.
Sandra sagt nichts. Doch in ihrem Blick liegt das stumme Mitgefühl, das selbst durch den Grauschleier des Tages Wärme spendet - ein leiser Trost, der Sabrina für einen Moment Luft zum Atmen gibt.
Ein knappes halbes Jahr später ist Sandra bei ihrer Freundin. Die Wohnung riecht nach Parfüm und Zigarettenrauch, dazu liegt ein schwerer Hauch von Knoblauch und gebratenem Fleisch in der Luft. Aus dem Wohnzimmer dringt leise Musik, während in der Küche das Licht schummrig auf die abgegriffene Arbeitsplatte fällt. Das Klirren von Besteck und das dumpfe Ticken der Wanduhr vermischen sich mit dem gelegentlichen Poltern von Schritten auf dem alten Holzboden. Sabrinas Hände zittern leicht, als sie an ihrer Tasse nippt, doch sie versucht, die Unruhe mit einem angestrengten Lächeln zu überspielen.
"Sabrina, was findest du an Wilfried?"
"Er ist nett."
Sandras Blick wandert über Sabrinas Gesicht, sucht nach Hinweisen, nach Ehrlichkeit, nach alten Spuren ihrer Freundin. Doch alles wirkt verschlossen, wie hinter einem Schleier. Sie erinnert sich an die gemeinsamen Abende vor einem Jahr, als sie noch ohne Scheu miteinander lachten und Sabrina ihr voller Vertrauen alles erzählte.
"Nett? Und deswegen wohnt er schon bei dir?"
"Er hat auch andere Vorzüge."
"Andere Vorzüge... Ich verstehe, dass du Nähe brauchst. Aber hier geht es zu schnell," meint Sandra eindringlich. Ihre Stimme ist leiser als sonst, fast bittend. Sie sieht, wie Sabrinas Kiefer angespannt ist, wie sie die Schultern hochzieht, als wolle sie sich gegen jeden Angriff schützen.
"Ich brauche mich nicht vor dir zu rechtfertigen."
Für einen Moment ringt Sandra mit sich. Ihre Gedanken kreisen: Was ist nur los mit ihr? Früher hätte sie mich angelächelt, jetzt baut sie Mauern. Ich habe Angst, sie zu verlieren. Was, wenn ich zu aufdringlich bin? Aber sie verschwindet mir zwischen den Fingern. Ich will helfen, aber sie lässt mich nicht an sich heran. Ein Gefühl von Hilflosigkeit und Enttäuschung macht sich in ihr breit, gepaart mit der Sorge um Markus. Sie merkt, wie schwer ihr Herz wird, und wie ihre eigenen Hände unruhig auf der Stuhlkante trommeln.
"Alles was er tut, ist das, was ich will. Und wenn dir das nicht passt - dann geh." Ihre Stimme ist scharf, während sie spricht. Ihre Augen funkeln wild, Sabrinas Körper ist angespannt, als stünde sie kurz vor dem Zerbrechen.
Sandra steht langsam auf. Für einen Wimpernschlag verharrt sie, sucht nochmal Sabrinas Blick, doch die Augen ihrer Freundin sind kalt und abweisend. Vielleicht braucht sie einfach Abstand. Aber ich lasse sie nicht fallen. Irgendwann wird sie mich brauchen. Sie seufzt leise, bevor sie sagt: "Ich gehe. Aber ich komme wieder. Wenn du dich beruhigt hast."
Sie verlässt die Wohnung der Freundin. Draußen bleibt Sandra stehen. Der Wind trägt den Geruch von Herbstlaub und Regen mit sich. Im fahlen Licht der Straßenlaterne glänzen Pfützen auf den Gehwegplatten. Sandras Herz pocht heftig, ihre Gedanken überschlagen sich. Er muss sie unter Drogen setzen. Oder manipulieren. Irgendwas stimmt nicht. Und mein Gott - da ist ja auch noch Markus! Was, wenn er etwas mitbekommt? Ich muss etwas tun. Ich darf sie nicht alleine lassen. Mit zitternden Fingern greift sie zum Handy. Ihr Atem geht schnell, als sie die Nummer wählt.
Das Jugendamt stattet Sabrina und Wilfried aufgrund von Sandras Anruf einen Besuch ab.
"Wir konnten nichts Auffälliges feststellen", sagt die Mitarbeiterin mit einem freundlichen, aber zugleich ernsten Blick. Für einen Moment schweigt sie, bevor sie nachdrücklich hinzufügt: "Aber bitte - behalten Sie Markus weiterhin im Blick. Es ist wichtig, dass Sie sich melden, falls Ihnen irgendetwas auffällt."
Sandras Hände sind feucht vor Anspannung, sie ringt sie unentwegt. Ihre Schultern sind angespannt, ein leichtes Zittern läuft durch ihren Körper. Langsam nickt sie, doch ihre Augen verraten Unsicherheit und Sorge. Die Worte der Mitarbeiterin hallen in ihr nach, legen sich wie ein Gewicht auf ihre Brust. Ich gebe nicht auf, denkt sie, nicht bei ihr. Und nicht bei ihm. Die Angst um Markus lässt sie nicht los - sie brennt wie ein ständiges Ziehen in ihrem Innern.
Ein Jahr ist seitdem vergangen. Sabrina sitzt am Steuer, die Hände fest um das Lenkrad gekrallt. Neben ihr sitzt Wilfried, der mit zusammengepressten Lippen starr nach vorne blickt. Markus, fast drei Jahre alt, sitzt auf dem Rücksitz. Die Kopfhörer auf seinen Ohren spielen Kinderlieder: "Alle meine Entchen", "Der Kuckuck und der Esel". Das mag Markus eigentlich, manchmal singt Mama sogar mit. Heute aber hört er sie nicht singen. Warum ist es so leise im Auto, obwohl Wilfried so laut spricht?
Markus drückt die Kopfhörer fester auf die Ohren, aber das hilft nicht wirklich. Er spürt, wie die Erwachsenen sich streiten, auch wenn er die Worte nicht versteht. Mamas Hände bewegen sich so schnell, als würde sie Fliegen verscheuchen. Wilfrieds Stimme klingt hart, wie Donner, der näher kommt. Hat er was falsch gemacht? Geht es um ihn? Wenn er ganz still ist, lässt Mama ihn manchmal auf ihrem Schoß zeichnen.
Plötzlich stoppt der Wagen. Markus' Herz klopft schneller. Draußen ist es dunkel, nur Bäume, Gestrüpp und ein alter Maschendrahtzaun. Sabrina steigt aus, ihre Bewegungen wirken schwer, als würde sie jeden Schritt erst suchen müssen. Ihr Gesicht ist ausdruckslos - nicht wie an dem Tag, als sie ihn kitzelte, bis sie beide lachen mussten. Markus erinnert sich: Damals hat Mama ihn an der Hand genommen und gesagt, er sei ihr kleiner Held.
Wilfried sitzt weiter vorn, blickt starr auf sein Handy und murmelt leise vor sich hin. Markus hat ihn schon oft schimpfen gehört, immer dann, wenn etwas schiefging oder Mama weinte. Einmal hat Wilfried Markus die Schokolade weggenommen und gesagt, er solle endlich still sein. Auch jetzt schaut er weg, als Markus aussteigt - als ginge ihn das alles nichts an.
Sabrina öffnet die hintere Tür, hebt Markus aus dem Sitz. Für einen Moment hält sie ihn fest, etwas länger als sonst. "Alles gut, mein Schatz. Wir spielen jetzt ein Spiel, okay?" Ihre Stimme klingt weich, aber leer - als müsste sie das sagen, damit Markus keine Angst bekommt. Aber Markus spürt Mamas Herz schlagen, schnell und unruhig. Er fragt leise: "Welches Spiel?"
"Ein ganz besonderes. Du musst dich gut festhalten." Sie klingt so, als ob sie gleich weinen müsste. Markus schaut sie an und fragt sich, ob er sie trösten soll. Aber er ist doch klein.
Sie gehen zusammen zum Zaun. Der Wind rauscht durch die Bäume, Markus schnuppert - es riecht nach feuchtem Laub und Erde. Sabrina legt seine kleinen Hände auf das kalte Metall. Markus denkt an das letzte Mal, als Mama ihm die Hände wärmte und dabei Murmeltiere nachahmte. Jetzt fühlt sich alles fremd an.
"Na komm, halt dich fest, mein Schatz", flüsterte Mama leise und fuhr ihm sanft mit der Hand über den Rücken. Sie beugte sich zu Markus hinunter, schenkte ihm ein kleines Lächeln und drückte ihn kurz an sich. "Versprich mir, dass du dich ganz doll festhältst, ja?"
Markus nickt langsam. Ein Spiel. Mama hat gesagt, ich soll mich ganz festhalten. Wenn ich das richtig mache, dann freut sie sich bestimmt. Er klammert sich mit beiden Händen an das kalte Drahtgeflecht. Seine Finger tun weh, aber er lässt nicht los. Vielleicht ist das wie bei Verstecken, denkt er. Ich muss einfach warten, bis sie "Gefunden!" ruft. Aber warum ist es so dunkel? Und warum ist Mama nicht da? Markus spürt, wie sein Herz immer schneller schlägt, wie wenn er sich erschrickt. Er traut sich nicht zu rufen - was, wenn das Spiel dann vorbei ist?
Sabrina setzt ihm noch einmal die Kopfhörer auf, streicht ihm sanft über den Kopf. Noch bevor Markus fragen kann, dreht sie sich schon um und geht zum Auto zurück. Er möchte "Mama?" rufen, doch seine Stimme bleibt stecken. Seine Brust drückt, Tränen steigen ihm in die Augen, aber er wagt es nicht zu weinen. Mama hat gesagt, er soll tapfer sein.
Der Wagen fährt davon. Erst langsam, dann immer schneller. Markus starrt den roten Rücklichtern hinterher, bis sie verschwunden sind. Er weiß nicht, wie viele Minuten oder Stunden vergangen sind. Für ihn fühlt es sich an, als wären es schon ganz viele Schlafenszeiten. Er versucht zu zählen wie im Kindergarten: eins, zwei, drei ... Aber irgendwann verlieren sich die Zahlen und nur das Zittern seiner Beine bleibt.
Die Schatten im Wald werden länger, das Zwitschern der Vögel ist verstummt. Die Musik in den Kopfhörern - "Alle meine Entchen", "Der Kuckuck und der Esel" - ist schon lange vorbei; der Walkman hat aufgehört zu surren. Markus hört jetzt nur noch das Rauschen in seinen Ohren. Er fragt sich, ob Mama gleich wieder kommt. Oder hat sie ihn vergessen? Vielleicht ist das Spiel schwieriger als gedacht. Er will so gern alles richtig machen, damit Mama stolz ist.
Seine Finger sind steif vor Kälte, die Beine schmerzen, aber er bleibt tapfer stehen. Was, wenn Mama zurückkommt und er nicht mehr da ist? Das darf nicht passieren. Markus schließt die Augen, presst die Lippen aufeinander. Vielleicht, wenn er ganz still ist, merkt er nicht, wie sehr er Angst hat.
Plötzlich blitzen Lichter durch die Bäume - erst denkt Markus, die Sterne wären heruntergefallen. Dann sieht er, dass es sich bewegt: Ein Auto! Vielleicht ist das Mama! Aber dann steigen zwei fremde Frauen aus. Markus weiß nicht, ob er sich freuen soll oder Angst haben muss. Vielleicht sind das Feen, die ihn abholen? Oder sie wollen auch ein Spiel spielen. Er drückt sich fester an den Zaun, spürt, wie sein Herz klopft und seine Beine zittern. Er will Mama rufen, aber da kommt nur ein Flüstern heraus. Er versteht nicht, warum seine Mama ihn nicht gefunden hat.
Dunkelheit umhüllt den verlassenen Parkplatz, nur schwaches Licht der entfernten Laternen zeichnet schemenhafte Konturen auf den nassen Asphalt. Wind rauscht durch die kahlen Bäume, manchmal wirbelt eine Böe trockene Blätter durch die Nacht. In Markus' Ohren klingt das Rauschen wie ein fernes Meeresbrandung, und jeder Windstoß kriecht eisig unter seine Jacke. Der Maschendraht ist kalt und rau unter seinen Fingern; er weiß nicht mehr, wie lange er sich schon daran festklammert. Seine Beine zittern, aber er wagt nicht, loszulassen. Das Echo von Autotüren, die zuschlagen, bringt ihn zum Zusammenzucken.
Plötzlich hört Markus Schritte auf dem Kies, langsam, vorsichtig. Zwei Frauen nähern sich - fremde Stimmen in der Nacht. Die eine geht in die Hocke, bleibt auf Abstand, als wolle sie ihn nicht verschrecken. Ihr Blick begegnet seinem. Im Lichtschein sieht Markus, wie sie kurz den Atem anhält. Der Wind zerrt an ihrem Mantel, ein feiner Regen glitzert in ihren Haaren.
"Hallo du ...", sagt sie leise, mit einer sanften Stimme, die im Wind fast untergeht. Eine Pause. "Was machst du denn hier so allein?" Sie wartet, blickt ihn vorsichtig an. Markus spürt, wie sein Herz hämmert, als er flüstert - kaum hörbar: "Festhalten." Seine Stimme zittert, als hätte sie sich im Wind verfangen.
Die Frau neigt zögernd den Kopf, spricht noch leiser: "Festhalten? Warum denn?"
Markus blickt zu Boden. Regen tropft ihm ins Gesicht. "Mama hat gesagt ... festhalten." Seine Worte sind brüchig, fast verschluckt er das Ende. Ein Zittern läuft durch seinen Körper. Die andere Frau am Auto schaut besorgt herüber, doch bleibt still.
Langsam, mit einer vorsichtigen Geste, nähert sich die Frau. Markus sieht, wie ihre Hände zögern, bevor sie sich behutsam um seine kleinen Finger legen. Ihre Berührung ist warm - für ihn fühlen sich die Hände fremd, aber nicht bedrohlich an. Der Zaun klappert leise, als sie ihn zu lösen versucht. Kälte brennt auf Markus' Haut, noch immer zögert er, loszulassen. Für einen Moment hält er den Atem an, Angst und Hoffnung vermischen sich.
Die Frau spürt, wie eiskalt seine Hände sind. Sie zieht eine scharfe Luft ein, ihre Stimme bricht, als sie sagt: "Oh Gott ... Wie lange stehst du denn schon hier?" Sie sieht, wie Markus zusammenzuckt, als sie ihn auf den Arm nimmt. Für einen Moment presst er sich an sie, sein kleiner Körper zittert. In ihrem Mantel riecht es nach Regen und fremdem Parfüm. Markus fühlt das Klopfen ihres Herzens, stark und schnell - fast wie das seiner Mama.
Die Frau wiegt ihn sanft, hält ihn fest umschlungen. Ihre Wange liegt an seiner Stirn. "Alles wird gut, kleiner Schatz ..." Das Flüstern ist kaum mehr als ein Hauch im Wind, doch Markus hört es. Dann dreht sie sich zu ihrer Freundin am Auto: Ihre Stimme, jetzt klarer, entschlossen: "Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen. Und die Polizei verständigen." Für Markus verschwimmt alles im Nebel der Kälte. Aber er hat nicht mehr ganz so viel Angst - jemand hält ihn fest.
Markus spürt die rauen Hände des Sanitäters, als er ihn am Waldrand behutsam hochhebt. Sein Körper bebt vor Kälte und Erschöpfung, sein Blick huscht unruhig zwischen den Erwachsenen und den dunklen Bäumen hin und her. Während die Rettungskräfte ihn ins warme Innere des Krankenwagens bringen, klammert sich Markus an die Decke, die sie ihm umlegen, als wäre sie sein letzter Halt in einer fremden Welt. Das Blaulicht taucht die Nacht in flackernde Schatten, und das leise Murmeln der Stimmen um ihn herum klingt wie ein ferner, beruhigender Singsang.
Im Krankenhaus schlägt ihm ein scharfer Geruch aus Desinfektionsmittel und frischer Bettwäsche entgegen. Markus sitzt zitternd auf dem Untersuchungstisch, seine kleinen Hände umklammern die Decke so fest, dass seine Knöchel weiß hervortreten. Seine Augen sind weit geöffnet, irren nervös durch den grell ausgeleuchteten Raum, während der Arzt vorsichtig seinen Puls fühlt und ihm eine Wärmflasche auf den Bauch legt. Die Kälte steckt noch immer tief in seinen Gliedern, und Angst kriecht in seinem Innern umher - eine lähmende Mischung, die ihn kaum atmen lässt.
Die Erwachsenen sprechen gedämpft miteinander. Frau Wild vom Jugendamt beugt sich näher zu Markus, ihre Stimme ist warm und weich. "Du bist jetzt in Sicherheit, Markus. Wir kümmern uns um dich", sagt sie und streicht ihm beruhigend über die Stirn. Für einen kurzen Moment entspannt sich sein Griff an der Decke, doch dann rollt eine neue Welle von Unsicherheit und Traurigkeit durch seinen Körper.
Glücklicherweise finden die Ärzte keine Verletzungen. Aber Markus ist deutlich unterkühlt, seine Haut ist blass und seine Bewegungen fahrig. Die Erschöpfung steht ihm ins Gesicht geschrieben, und immer wieder sieht man, wie seine Lippen leise beben, als wolle er etwas sagen - doch kein Ton kommt über sie.
Die Polizei und das Jugendamt werden umgehend informiert; die Erwachsenen wechseln ernste, aber besorgte Blicke. Die Kleidung des Jungen ist sauber und ordentlich - ein Detail, das Frau Wild auffällt. Sie vermutet, dass Markus aus einem geordneten Haushalt stammt. Doch es gibt keine Ausweise, keine Hinweise auf seine Identität.
Nach dem Gespräch mit Polizei und Ärzten entscheidet Frau Wild: "Er bleibt über Nacht hier. Morgen sehen wir weiter." In ihrer Stimme schwingt Fürsorge, aber auch Entschlossenheit mit. Sie bleibt noch einen Moment an Markus' Seite, spricht ihm gut zu, während ihre Hand beruhigend auf seiner Schulter ruht.
Als sie den Raum verlässt, sitzt Markus still auf dem Untersuchungstisch. Seine Beine baumeln über dem Rand, er hält die Decke ganz fest um sich gewickelt. Auf dem Flur vor der Tür hört er das gedämpfte Stimmengewirr der Erwachsenen - fremde, leise Worte, die durch die geschlossene Tür dringen und in seinem Kopf wirbeln. Für einen Augenblick kneift Markus die Augen zu, versucht, das Dröhnen der Angst und das Klopfen seines Herzens zu übertönen. Doch inmitten all der Unsicherheit spürt er einen Hauch von Geborgenheit: Jemand ist da, der auf ihn aufpasst.
Am nächsten Morgen sitzt Frau Wild an ihrem Schreibtisch, die Tasse mit dampfendem Kaffee fest in den Händen. Sie blickt gedankenverloren aus dem Fenster, bevor sie sich ihrer Kollegin, Frau Enghals, zuwendet und leise sagt: "Ein kleiner Junge, allein im Wald. Keine Papiere, keine Hinweise. Einfach ausgesetzt wie ein Hund." In ihrer Stimme schwingt Betroffenheit mit, ihre Stirn ist in Sorgenfalten gelegt.
Frau Enghals lehnt sich vor, fährt sich nervös über die Stirn und fragt: "Zeig mal ein Foto." Ihre Finger trommeln unruhig auf die Tischplatte, während Frau Wild die Akte öffnet und ihr schweigend ein Foto von Markus reicht.
Kaum hat Frau Enghals das Bild erblickt, erstarrt sie. Ein Schauer läuft ihr über den Rücken, als sie das Foto betrachtet. Ihr Herz schlägt schneller - sie erkennt den Jungen sofort. Für einen Moment presst sie die Lippen zusammen, ringt um Fassung. "Das darf doch nicht wahr sein... Markus Dreyer. Das gibt's doch nicht!", flüstert sie und sieht Frau Wild mit weit aufgerissenen Augen an.
"Du kennst den Jungen?" fragt Frau Wild, ihre Stimme jetzt aufmerksamer, fast ein wenig alarmiert.
Frau Enghals nickt, ihre Hände zittern leicht. "Ich war noch vor zwei Wochen bei der Familie. Eine Freundin der Mutter hat sich Sorgen gemacht." Sie holt tief Luft, ihre Stimme wird brüchig. "Alles sah gut aus... Habe ich mich getäuscht?" Ein Hauch von Selbstvorwurf liegt in ihren Worten, sie vermeidet den Blickkontakt.
Frau Enghals springt auf, sucht hastig die Akte bei sich. Die Gedanken rasen, ihr Herz schlägt wild. Schon seit Tagen hatte es im Jugendamt Gerüchte über Probleme in der Familie Dreyer gegeben. Doch niemand hatte etwas Konkretes gemeldet. Hatte sie die Warnzeichen übersehen?
Sie greift zum Telefon und ruft die Polizei. Während sie spricht, läuft ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Immer wieder gehen die letzten Begegnungen mit Sabrina Dreyer in ihrem Kopf durch - wo hatte sie die Hilferufe, die kleinen Anzeichen nicht wahrgenommen?
"Wir müssen sofort zu Sabrina Dreyer. Ich will wissen, was da los ist." Zusammen mit der Polizei fährt Frau Enghals zum Wohnort von Sabrina Dreyer. Die Straße liegt verlassen da, nur das leise Murmeln der Nachbarn ist zu hören. Die Fenster des Hauses wirken dunkel und abweisend - ein Gefühl von Kälte und Verlassenheit liegt in der Luft. Trotz wiederholtem Klingeln und Klopfen öffnet ihnen niemand. Die Nachbarn berichten mit gedämpfter Stimme, dass die Familie seit über 34 Stunden nicht mehr gesehen wurde.
Ein nagendes Schuldgefühl breitet sich in Frau Enghals aus, während sie das Haus betrachtet. Hätte sie die Warnzeichen früher deuten müssen? Hatte sie etwas übersehen? Ihre Gedanken kreisen unaufhörlich. Wie konnte ich das nicht bemerken? Frau Enghals überlegt verzweifelt: Ich hätte es sehen müssen. Ich hätte genauer hinschauen müssen.
Zurück im Jugendamt, die Atmosphäre dort drückend und schwer, greift sie schließlich mit zitternden Fingern zum Telefon.
Das Telefon in Sandras Wohnung klingelt schrill, durchdringt die Stille wie ein ungebetener Gast. Ihre Hände sind klamm, als sie den Hörer aufnimmt und nervös an der Reißverschlussschnur ihrer Jacke zupft. Draußen prasselt Regen gegen die Fensterscheiben; ein dumpfes Grollen dringt von der Straße herauf.
"Sandra K.", meldet sie sich, die Stimme brüchiger als sonst.
Am anderen Ende des Hörers erklingt die ruhige, etwas gedehnte Stimme von Frau Enghals, die sich gern mit Floskeln absichert: "Einen schönen guten Tag, Frau K., hier spricht Enghals - vom Jugendamt, wissen Sie? Es ist so ... es geht um den kleinen Markus, Sie erinnern sich doch bestimmt?"
Sandras Herz setzt einen Schlag aus. Ihre Finger umklammern das Telefon so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortreten. "Was ... ist denn los?" Sie hört selbst, wie gepresst ihre Worte klingen.
Frau Enghals räuspert sich. "Leider, ach, es ist kein erfreulicher Anlass, muss ich sagen. Es dreht sich um Ihre Bekannte, die Frau Dreyer - aber, und das ist mir wirklich wichtig, vor allem um Markus, also den Jungen, wissen Sie?"
Sandra hält den Atem an. Der Regen hat sich in ein monotones Trommeln verwandelt, das mit jeder Sekunde lauter zu werden scheint. In ihrem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Bitte nicht. Nicht Markus. Es darf einfach nicht sein. "Was meinen Sie genau? Ist ... ist ihnen etwas passiert?" Ihre Stimme zittert, sie schluckt hart.
"Um ehrlich zu sein, wissen wir das noch nicht so ganz genau - alles ist ein bisschen undurchsichtig, wissen Sie? Markus wurde gestern Abend, so ungefähr gegen fünf, an einer Landstraße aufgegriffen, ganz allein, festgeklammert an einem Zaun. Bis auf eine leichte Unterkühlung - da können Sie beruhigt sein - ist er gesund. Aber von Frau Dreyer fehlt bislang jede Spur, kein Lebenszeichen, nichts."
Sandras Blick wandert nervös durch das Zimmer, bleibt an den Fotos auf der Kommode hängen. Sabrina, wie konntest du nur? Markus war doch dein Ein und Alles ... was ist nur passiert? Sie ringt nach Fassung. "Wo ist Markus jetzt?" Ihre Stimme klingt dünn, fast ein bisschen kindlich in der Angst.
Frau Enghals räuspert sich wieder, ein leiser Seufzer klingt mit. "Im Krankenhaus, zur Beobachtung - das ist Standard, verstehen Sie? Da wird er gut betreut, wirklich. Und deswegen rufe ich Sie jetzt auch an, Frau K. Hören Sie: Wäre es irgendwie möglich, dass Sie sich vorübergehend um Markus kümmern könnten? Nur, bis sich alles geklärt hat." Ihre Stimme klingt bemüht sanft, aber auch etwas gedrängt - als wolle sie die Bitte nicht zu sehr ausdehnen und doch nicht kleinreden.
Sandras Hände zittern. Ihre Gedanken überschlagen sich: Hab ich das gerade richtig verstanden? Sie wollen, dass ich Markus aufnehme? Kann ich das? Darf ich das überhaupt? Er braucht doch jemanden ... aber ich ... Sie zupft wieder nervös an ihrer Jacke, spürt das vertraute weiche Futter und ertappt sich dabei, wie sie nach einem Halt sucht. "Ich ... ich weiß nicht. Das kommt so plötzlich. Ich liebe Markus, wirklich, fast wie ein eigenes Kind. Aber ... ich stehe kurz vor meinem Umzug in die USA. Das Sorgerecht - das wäre doch jetzt gar nicht möglich, oder?"
Frau Enghals lässt ein kleines, wohlmeinendes Lachen erklingen, wie sie es immer tut, wenn sie Verständnis zeigen will: "Ach, wissen Sie, Frau K., im Leben gibt es manchmal Ausnahmen. Und für die gibt's auch im deutschen Paragraphendschungel ein Schlupfloch, das kann ich Ihnen sagen. Aber ich verstehe Sie natürlich. Sie wollen ja auch, dass alles seine Ordnung hat, nicht wahr?"
Sandra hört sich selbst leise lachen, doch es klingt schief. Ich enttäusche ihn. Ich enttäusche mich. Ich bin feige. Warum kann ich nicht einfach alles stehen und liegen lassen? Weil ich nie mutig genug bin, wenn es darauf ankommt ... "Solange das Schicksal seiner Mutter ungeklärt ist, wird das sicher schwierig. Und nächste Woche schon ... die Flüge sind gebucht, die Wohnung gekündigt. Es tut mir so leid. Mein Herz bricht."
Frau Enghals klingt nun, trotz aller Routine, wirklich betroffen: "Das kann ich Ihnen nicht verdenken. So ist das eben manchmal. Dann bleibt mir leider nichts anderes übrig, als die nötigen Schritte einzuleiten, Sie wissen schon ..."
"Kann ich ihn wenigstens noch sehen?" Sandras Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
"Aber sicher doch, Frau K.! Melden Sie sich einfach am Empfang - ich geb dem Personal Bescheid, damit Sie gleich durchgelassen werden. Sie wissen ja, wie das da riecht, diese Desinfektionsmittel und all das. Ich wünsche Ihnen trotzdem einen guten Besuch."
Später im Krankenhaus umfängt Sandra schon im Eingangsbereich eine kühle, sterile Atmosphäre. Der charakteristische Geruch von Desinfektionsmittel liegt in der Luft; das Licht der Neonröhren flackert unstet und lässt die Schatten auf dem Boden zittern. Sie fährt nervös mit den Händen über die Jackentaschen, fühlt, wie sich ihr Atem beschleunigt. Ihre Schritte hallen dumpf über die Linoleumfliesen.
Markus läuft im Zimmer hin und her, barfuß, der kleine Schlafanzug wirft Falten an den Knien. Seine Bewegungen sind fahrig, sein Blick geistert von Wand zu Wand, als suche er einen Ausweg. Als er Sandra erblickt, hellt sich sein Gesicht auf; seine Lippen formen ein breites, etwas schiefes Lächeln. "Sanda!" ruft er, mit kindlicher Begeisterung, und stolpert ihr entgegen.
Sandra beugt sich hinunter, mit pochendem Herzen und feuchten Augen. Sie spürt Markus' Arme, die sich wie kleine Anker um ihren Hals legen. "Ja, mein Schatz, ich bin da. Ich freu mich ganz doll, dich zu sehen." Sie hebt ihn hoch, sein Gesicht drückt sich fest an ihre Schulter. Wärme, die fast schmerzt.
"Geht's dir gut?" fragt sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Zittern.
Markus schaut sie an, die Stirn gerunzelt, die Unterlippe vorgewölbt. "Mama ... festhalten. Mama ... nich' weg." Seine Sprache stockt, er wiederholt die Worte wie ein Zauberspruch, als könnten sie die Zeit anhalten.
Die Krankenschwester, die im Hintergrund steht und ihre Hände an der Kleidung abstreift, hebt die Augenbrauen. "Das sagt er ständig. Fast, als gäbe es nichts anderes mehr in seinem Kopf. Aber immerhin lacht er wieder, wenn Sie da sind." Ihre Stimme ist von leiser Fürsorge gefärbt, aber auch von einer Müdigkeit, die nur lange Schichten bringen.
Sandra muss sich zusammenreißen, kämpft mit den Tränen. Sie spürt, wie sich alles in ihr zusammenzieht - wie ein Knoten, den niemand lösen kann. Ich hätte nicht kommen dürfen. Ich habe ihm Hoffnung gemacht, die ich nicht erfüllen kann. Bin ich egoistisch? Oder einfach nur zu schwach? Aber ich kann doch nicht anders ... Sie streicht Markus vorsichtig über das Haar, nimmt seinen Geruch nach Kindercreme und Krankenhausseife auf. Sie will stark sein - für ihn, für sich.
Als Frau Enghals das Zimmer betritt, schnippt sie unwillkürlich an ihren Fingern, wie immer, wenn sie sich Mut zuspricht. "Ah, Frau K., Sie sind also noch da, das find ich wirklich schön. Es ist alles andere als leicht, ich weiß, aber Sie machen das ganz prima, wirklich."
Sandra blickt sie an, sucht nach Halt in deren Gesicht. "Was passiert jetzt mit Markus?" Die Worte kommen wie aus einem Tunnel, dumpf und schwer.
Frau Enghals wiegt den Kopf, ihre Stimme bekommt diesen sachlichen, aber warmen Ton, den sie sich für schwierige Fälle zurechtgelegt hat: "Ich werde ihn gleich mitnehmen, ins Heim bringen - das ist leider unumgänglich, wenn Sie ihn nicht nehmen. Aber wenn Sie's sich nochmal überlegen ..." Sie lässt die Worte in der Luft hängen, als wolle sie Sandra ein Schlupfloch lassen.
"Bitte machen Sie es mir nicht noch schwerer. Ich würde alles dafür geben, Markus dieses Schicksal zu ersparen. Aber es geht einfach nicht. Zumindest noch nicht!" Während Sandra spricht, spürt sie, wie sich ein brennender Kloß in ihrem Hals bildet. Ihr Herz hämmert so laut, dass sie glaubt, Frau Enghals müsse es hören können. Ihre Finger krallen sich in die Nähte ihrer Jacke, als könne sie sich so vor dem Zerbrechen retten.
Frau Enghals nickt langsam, die Schultern leicht gesenkt, und ihre Stimme klingt brüchig: "Dann bleibt mir leider keine andere Wahl." Für einen Moment scheint es, als wolle sie noch etwas sagen, schluckt die Worte aber ungesagt hinunter und zieht den Mantel enger um sich.
Markus klammert sich mit aller Kraft an Sandras Hand, die kleinen Finger graben sich fast schmerzhaft in ihre. Seine Augen sind weit aufgerissen, die Wimpern zittern, während er immer wieder leise "Mama, bleib da..." murmelt - wie ein Mantra gegen die Angst. Sandra kniet sich zu ihm hinunter, atmet zitternd ein, der Duft seiner Kindercreme vermischt sich mit dem von Desinfektionsmittel und Trauer. "Du weißt doch, ich pass immer auf dich auf - auch wenn ich mal nicht da bin. Die Tante hilft dir jetzt erst mal, ja?" Ihre Stimme ist sanft, doch zwischen den Worten klingt ein leises Beben mit, das Markus spürt.
Sie übergibt ihn an Frau Enghals. Markus blickt sie mit großen, angstvollen Augen an, seine Unterlippe zittert vor unterdrücktem Weinen. Sandra winkt ihm zu, versucht tapfer zu lächeln, doch in ihren Augen glänzen bereits Tränen. Erst als die Tür sich hinter Markus schließt, bricht all ihr Schmerz hervor und sie schluchzt lautlos. Sandra denkt an die schwierigen Umstände, die sie zu dieser Entscheidung gezwungen haben - an das Gefühl der Ohnmacht und die Hoffnung, irgendwann alles wiedergutmachen zu können. "Ich verspreche dir, ich werde alles versuchen, dich zu mir zu holen, Markus. Aber das kann leider etwas dauern," flüstert sie mit brüchiger Stimme in den leeren Raum und wischt sich verzweifelt die Tränen aus dem Gesicht.
Eine knappe Stunde später übergibt Frau Enghals den kleinen Markus samt seiner Kleidung der Heimleiterin. Noch während sie ihn loslässt, spürt Markus instinktiv, dass er wieder abgegeben wird - wieder ein Ort, an dem er fremd ist. Seine kleinen Hände klammern sich verzweifelt an Frau Enghals Mantel, als könne er das Unvermeidliche aufhalten. In seinem Kopf kreist immer wieder dieselbe Frage: Warum will mich keiner behalten? Was habe ich falsch gemacht?
Die Heimleiterin geht in die Hocke, spricht mit leiser Stimme: "Hast du Hunger oder Durst, Markus?" Ihre Worte klingen freundlich, aber Markus kann sich kaum überwinden, etwas zu sagen. Er nickt ihr schüchtern zu, der Magen ein einziger Knoten. "Was würdest du sagen, wenn wir ins Esszimmer gehen und ich dir etwas Leckeres zu essen und trinken gebe?" Sie streckt ihm die Hand entgegen. Markus zögert einen Moment, überlegt, ob er sich trauen soll - dann greift er zu. Während sie gemeinsam durch den Flur gehen, dreht Markus sich immer wieder um, sucht mit den Augen Frau Enghals. Erst als sie endgültig außer Sicht ist, lässt er den Blick sinken. In seinem Kopf schwirren die Stimmen der letzten Tage, die Abschiede, die Versprechen - und die Angst, dass niemand bleiben wird.
Die Jahre im Heim vergehen langsam für Markus. Die Eingewöhnung fällt ihm schwer, jede Veränderung fühlt sich wie ein neuer Abschied an - dabei wünscht er sich doch nur, irgendwo wirklich anzukommen. Oft streitet er mit den anderen Kindern, nimmt ihnen ihre Spielsachen weg oder wirft Bauklötze durch den Raum. Manchmal versteht er selbst nicht, warum er so wütend ist. Nachts fragt er sich, ob Sandra wirklich wiederkommt, oder ob alle Erwachsenen irgendwann gehen.
Vier Jahre später
Endlich gelingt es der Polizei, Sabrina und Wilfried ausfindig zu machen. Sie leben in einem abgelegenen Dorf irgendwo in der französischen Provinz. Inzwischen sind sie verheiratet und haben einen gemeinsamen Sohn, Thomas, der fast drei Jahre alt ist. Als die Polizei Sabrina befragt, sitzt sie angespannt da - die Lippen schmal, der Blick abweisend. In ihrem Inneren tobt ein Sturm aus Schuld, Reue und Trotz. Sie weiß, dass sie Markus im Stich gelassen hat, doch sie kann sich nicht eingestehen, wie sehr sie selbst an der Situation zerbrochen ist. Ihr Kommentar klingt kalt: "Ich brauchte eine Auszeit von Markus." Doch in ihrem Kopf schwingen Erinnerungen an schlaflose Nächte und das Gefühl, überfordert zu sein.
Der Kommissar sieht sie ungläubig an. "Eine Auszeit von Ihrem Sohn? Und dann bekommen Sie noch ein zweites Kind? Haben Sie sich auch schon eine Auszeit von Thomas vorgenommen?" Sabrina schaut kurz weg, ringt mit den Worten. "Halten Sie von mir, was Sie wollen. Es ist, wie es ist." In ihr wächst die Angst, auch Thomas zu verlieren, doch nach außen gibt sie sich unnahbar - eine Schutzmauer gegen die eigenen Vorwürfe.
Sabrina Maier, wie sie nun heißt, kommt zum Schutz ihres zweiten Sohnes vorerst nicht in Haft - aber es gibt Auflagen: Sie darf die Stadt bis zum Prozess nicht verlassen und muss Thomas wöchentlich dem Jugendamt vorstellen. Gleichzeitig werden die französischen Behörden informiert. Sabrina spürt Erleichterung, aber auch eine tiefe Unsicherheit darüber, wie es weitergeht.
Jetzt gibt es endlich keinen Grund mehr, warum ein Richter Sandra das Sorgerecht für Markus verweigern sollte - selbst nicht, weil sie in den USA lebt. Als Frau Enghals Sabrina den richterlichen Beschluss zur Unterschrift vorlegt, bemerkt diese, dass Sabrina fast erleichtert wirkt, Markus abzugeben. Vielleicht, weil sie weiß, dass er bei Sandra eine bessere Chance auf Glück hat.
In den vergangenen Jahren hat Sandra jeden Urlaub in Deutschland verbracht und all ihre Zeit Markus gewidmet. Sie hat ihm gezeigt, dass sie ihn nicht vergessen hat. Doch jeder Abschied war wie ein kleiner Verrat: Markus musste immer wieder hören, dass er noch nicht mitkommen kann. "Ich kann dich noch nicht mitnehmen, mein Schatz. Aber ich verspreche dir: bald." Jedes Mal spürt Sandra die Zweifel und Ängste in Markus' Blick - und die wachsende Hoffnung, dass eines Tages alles gut wird.
Heute jedoch, heute ist sein Tag. Markus betritt das Büro der Heimleiterin; sein Herz klopft wild, zwischen Vorfreude und Angst. Darin erwartet ihn schon Frau Enghals, die ihn mit einem warmen Lächeln begrüßt: "Hallo Markus, alles bereit für die große Reise?"
Markus nickt, seine Stimme ist leise, fast brüchig: "Ja... ich hab dich... Ich kann es kaum erwarten." Einen Moment lang herrscht Schweigen. Markus ringt mit sich, sucht nach den richtigen Worten. Schließlich schaut er Frau Enghals schüchtern an, zögert und sagt dann beinahe flüsternd: "Darf ich... darf ich sie Mama nennen?"
Frau Enghals lächelt Markus sanft an, merkt, wie viel Mut diese Frage gekostet hat. "Ich denke, das werdet ihr beide unter euch ausmachen. Aber weißt du - ich glaube, Sandra wird sich sehr darüber freuen."
Markus lächelt zum ersten Mal seit langem befreit, auch wenn die Unsicherheit bleibt. "Ich werde niemals zu spät kommen," sagt er leise, voller Hoffnung, dass nun endlich ein neues Kapitel für ihn beginnt. Gemeinsam verlassen sie das Heim - und Markus wagt zum ersten Mal, an eine echte Zukunft zu glauben.
Auf dem Schreibtisch liegt das letzte Formular, das Sandras Unterschrift braucht. Der Raum ist still, nur das leise Ticken der Wanduhr durchbricht die Spannung. Frau Enghals dreht nervös einen Kugelschreiber zwischen den Fingern, ihr Blick wandert immer wieder zur Tür. Sie weiß, dass Sandra bereits seit Monaten mit den Behörden spricht - die Sehnsucht und die Hoffnung in ihren Telefonaten sind ihr nicht entgangen. Sandra wäre die Richtige für Markus gewesen, davon ist sie überzeugt. Nur der Moment schien nie günstig genug, als hätte das Schicksal stets gezögert.
"Schon wieder Stau?", flüstert sie mehr zu sich selbst, als sie auf die Uhr schaut. Sandra hätte längst hier sein sollen. Markus sitzt zusammengerollt auf dem Stuhl, seine Beine wippen unruhig, er kratzt an einer kleinen Kerbe im Holz der Lehne. Frau Enghals lächelt, bemüht um Zuversicht. "Vielleicht sucht sie noch ein Geschenk für dich aus - oder hat unterwegs einen Abstecher für etwas Besonderes gemacht. Bestimmt will sie dich überraschen." Ihre Stimme ist weich, doch Markus sieht sie nicht an.
Er zieht die Schultern hoch, sein Blick bleibt am Boden haften. "Oder sie hat es sich einfach anders überlegt. Vielleicht bin ich wirklich nicht der, den jemand behalten will", murmelt er kaum hörbar, und ein feiner Riss zieht sich durch seine Stimme. Ein kurzer, fast panischer Gedanke schießt durch seinen Kopf: Warum soll sie anders sein als die anderen?
Frau Enghals spürt, wie ihre Kehle sich zuschnürt. Was muss in Markus vorgehen, dass er mit sieben Jahren schon so denken muss? Sie beugt sich vor, sucht seinen Blick. "Nein, Markus. Ich glaube das nicht. Nicht bei Frau K. - sie hat dich so fest im Herzen, wie es nur irgend geht. Glaub mir, sie kommt." Ihre Hand ruht kurz auf seinem Arm, ein Moment echter Nähe, doch Markus zuckt kaum merklich zurück, als wollte er sich schützen.
Sie greift zum Handy. Die Finger zittern leicht, als sie die Auslandsnummer von Sandra eintippt. Das Gespräch dauert nur Sekunden - eine Stimme am anderen Ende, knapp, abgehetzt. Sandra sei vor zwölf Stunden von New York nach Frankfurt geflogen. Dann bricht die Verbindung ab. Ein Rauschen bleibt zurück.
Frau Enghals starrt auf das Display. Ihr Herz schlägt schneller - Unruhe schwappt in ihr hoch. "Wann ist der Flug gelandet?", murmelt sie. Doch ihre Gedanken springen. Ihre Hände suchen schon mechanisch nach dem Browser, als der Bildschirm plötzlich eine Schlagzeile ausspuckt:
PAN AM Flug PAL456 über dem Atlantik abgestürzt - keine Überlebenden erwartet.
Frau Enghals' Blick gleitet immer wieder zu Markus, der jetzt ganz klein auf dem Stuhl kauert. Auf dem Bildschirm vor ihr verschwimmen die Buchstaben, als sie liest, was eigentlich nicht wahr sein kann. Es fühlt sich an, als würde sie durch einen schlechten Film stolpern, in dem jemand anderes Regie führt. Ihr Herz pocht schmerzhaft, sie presst die Lippen aufeinander und zwingt sich zur Fassung. Was hat dieses Kind nur verbrochen, dass das Schicksal ständig so gnadenlos zuschlägt? Sie schließt für einen Moment die Augen, ringt mit der Fassung, weil sie weiß, dass Markus alles mitbekommt. Die Verantwortung lastet schwer auf ihren Schultern - sie muss jetzt handeln, für ihn und sich selbst. Ihr Blick wandert zum Telefon. Ihre Hand zittert leicht, als sie den Hörer abnimmt und sich bemüht, fest und sachlich zu klingen, obwohl ihre Stimme beinahe bricht.
"Hier spricht Enghals. Das Bett von Markus Dreyer... ist das noch frei?" Sie hört das angespannte Schweigen am anderen Ende. "Nein? Gut. Ich bringe ihn zurück... Nein, es ist kein Scherz. Auf Wiederhören." Mit einem tiefen Atemzug legt sie auf. Ihr Innerstes tobt, doch nach außen bleibt sie ruhig. Sie darf jetzt nicht schwach werden.
Aus dem Augenwinkel sieht sie, wie Markus sich die Hände vor das Gesicht drückt, seine Schultern beben. Er ringt sich zu einem Satz durch - seine Stimme so leise, dass sie sich vorbeugen muss, um ihn zu verstehen. "Sie hat mich also auch sitzen gelassen." Die Worte schneiden durch den Raum, schwer und voller Verzweiflung. Seine Tränen laufen stumm, als könne er sich nicht wehren gegen das, was in ihm brennt.
Behutsam kniet Frau Enghals sich neben ihn, reicht ihm ein Taschentuch. Sie wartet, bis sich sein Atem beruhigt, und sucht vorsichtig seinen Blick. Ihr Herz krampft sich zusammen, als sie seine roten, verweinten Augen sieht. "Markus, ich weiß, wie weh das tut. Aber glaub mir: Frau K. hat dich nicht verlassen. Nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst." Sie hebt die Hand, zögert einen Moment, ehe sie ihm sacht über den Rücken streicht. "Sie wollte zu dir. Sie war schon unterwegs. Sie hat ihr Leben dafür gegeben, dich zu sehen."
Markus blickt sie verwirrt an, seine Stirn in Falten gelegt. "Was... was meinen Sie?" Seine Stimme ist brüchig, voller Angst, als würde er die Wahrheit kaum ertragen können.
Frau Enghals ringt nach Worten, sucht in seinem Blick nach dem richtigen Moment, um die Wahrheit zu sagen. "Die Maschine, mit der Sandra gekommen wäre... ist abgestürzt. Sie... sie hat es nicht geschafft, Markus." Ihre Stimme ist leise, weich, voller Mitgefühl. Sie lässt ihm Zeit, diesen Satz zu begreifen. "Sie ist nicht einfach weggeblieben. Sie war auf dem Weg zu dir, ganz sicher. Vergiss das nie."
Für einen Moment ist nur das Ticken der Uhr zu hören. Frau Enghals beobachtet, wie Markus' Gesicht sich verändert: Erst Erstarrung, dann eine Welle aus Schmerz, Fassungslosigkeit und Sehnsucht. Sie bleibt neben ihm, legt eine schützende Hand auf seine Schulter. Und obwohl sie weiß, dass ihre Worte den Verlust nicht lindern können, bleibt sie da - weil sie weiß, dass Markus jetzt jemanden braucht, der bleibt.
Einige Zeit war vergangen, seit Markus das letzte Mal wirklich auf jemand anderen gewartet hatte. Dann kam ein neuer Junge ins Heim: Sven. Anfangs begegneten sie sich mit einer Mischung aus misstrauischer Neugier und vorsichtiger Distanz - wie zwei streunende Katzen, die um ein Territorium schleichen, das sie beide für sich beanspruchen wollen. Ihre Blicke waren wachsam, manchmal herausfordernd, manchmal nur flüchtig. Mal war es ein Nicken, mal ein Schweigen, das mehr sagte als jedes Wort. Markus spürte sofort, dass hinter Svens Fassade viel mehr steckte als bloße Unsicherheit - vielleicht eine ähnliche Sehnsucht nach Zugehörigkeit, wie sie ihn selbst oft nachts wach hielt.
Mit der Zeit wuchsen sie zusammen. Erst ein paar geteilte Blicke, dann ein gemeinsames Grinsen über einen zu lauten Furz im Schlafsaal oder die schrägen Regeln der Heimleitung. Das Vertrauen kam langsam, tastend, aber es kam - und irgendwann war es einfach da. Aus vorsichtiger Neugier wurde Freundschaft. Eine, die nicht immer zur Freude der Betreuer war, denn wenn einer Mist baute, verschaffte der andere ihm ein Alibi. "Wir halten zusammen, egal was kommt", flüsterte Sven manchmal mit einem verschwörerischen Zwinkern, wenn sie sich in der Kaffeeküche vor den Erwachsenen versteckten. Aber Sven war mehr als ein Komplize - er war Markus' Bremse. Immer wenn Markus überdrehte, war Sven da, zog ihn mit einem leichten Schulterklopfen zurück ins Hier und Jetzt. "Nicht so schnell, Großer", sagte er dann, halb im Scherz, halb im Ernst.
In stillen Momenten dachte Markus: Mit Sven hab ich endlich jemanden, der bleibt. Nicht wie die anderen. Nicht wie Mama. Nicht wie Sandra. Er spürte Hoffnung, aber auch eine unterschwellige Angst - die Angst, dass das Glück wieder nur geliehen sein könnte.
Vier Jahre vergingen. Markus war nun elf, Sven schon zwölf. Sie teilten Geheimnisse, Mutproben und die Sehnsucht nach Familie. Doch dann kam der Tag, an dem das, woran sie beide längst nicht mehr geglaubt hatten, tatsächlich geschah: Sven wurde adoptiert - von einer griechischen Familie. Markus' Freude für seinen Freund war ehrlich, aber mit einem bittersüßen Nachgeschmack. Der Gedanke, wieder jemanden zu verlieren, nagte wie ein kleiner, beharrlicher Schmerz irgendwo tief in seiner Brust. Was, wenn ich wirklich für immer allein bleibe?, fragte er sich oft nachts, während er an die Decke starrte. Gleichzeitig blitzte ein Funken Hoffnung auf: Vielleicht zeigt mir das Leben ja doch noch einen Ausweg. Vielleicht, ganz vielleicht, kann aus all dem Verlust irgendwann etwas Neues entstehen.
Zum Glück wohnte Svens neue Familie nicht weit entfernt. Zwei, manchmal dreimal pro Woche besuchte Sven das Heim. Sie hatten ihr eigenes Begrüßungsritual: Eine Hand auf dem Rücken, eine auf der Stirn - dann tanzten sie wie gackernde Hühner im Gemeinschaftsraum und brachten alle zum Lachen, selbst die mürrische Köchin. Doch bald kam Markus' fünfzehnter Geburtstag, und alles änderte sich.
Markus erwartete Sven voller Sehnsucht. Als dieser endlich kam, begrüßten sie sich wie immer, doch diesmal schien etwas anders. Später zog Sven ihn zur Seite, ein ernster Schatten lag über seinem Gesicht.
"Ich muss dir was sagen", begann er, und zuckte leicht mit den Schultern - ein Zeichen, dass ihm etwas auf der Seele brannte. Markus versuchte die Stimmung zu heben: "Oh, bekommst du weniger Taschengeld? Oder wieder Krach mit Kassandra?"
Sven schüttelte den Kopf, fuhr sich nervös durch die Haare, wie er es immer tat, wenn er nach Worten rang. "Nein, mit Kass ist alles gut. Wir haben... einen Weg gefunden."
Markus spürte, wie die Unruhe in ihm wuchs. "Mensch Alter, Bro. Was ist los? Raus mit der Sprache!"
Sven atmete tief ein. "Ich... wir..."
"Was ich, wir? Mach es nicht so spannend!"
"Wir gehen weg." Jetzt war es raus. Markus hielt den Atem an.
"Weg? Nach Stuttgart? Oder München?"
"Nach Griechenland."
Die Worte trafen Markus wie ein Schlag. In seinem Inneren brach es für einen Moment still zusammen. Wieder verlässt mich jemand. Wieder bleibt nur Leere zurück. Wie soll ich das diesmal aushalten? Verzweiflung und Wut flackerten auf, aber da war auch Stolz für Sven - und eine klitzekleine Hoffnung. Vielleicht würde ihr Band ja doch stark genug sein?
Doch Markus brachte nur ein leises "Aber das würde..." hervor.
"Genau. Wir werden uns nicht mehr sehen können. Nur noch schreiben. Altmodisch per Brief oder per Smartphone."
"Warum? Warum so weit weg?" fragte Markus, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
"Meine Eltern haben dort ein Hotel geerbt. Oder übernommen. Ich weiß es selbst nicht genau. Aber deshalb müssen wir umziehen."
In seinem Kopf ratterten die Gedanken. Alle gehen. Immer bleibe nur ich. Vielleicht bin ich doch nicht der, der bleibt. Vielleicht bin ich der, den man zurücklässt. Aber ich will das nicht glauben. Nicht diesmal.
"Meinst Du, mir fällt das leicht?" Sven sah ihn fest an, seine Stirn in Falten. "Ich verlasse nicht nur Deutschland. Ich lasse dich zurück. Und das tut weh."
Die Verzweiflung in Svens Stimme war echt. Markus biss sich auf die Lippe, kämpfte gegen die Tränen. "Aber wir haben weiterhin Kontakt, oder?"
"Auf jeden Fall. Wir schreiben oder telefonieren. Versprochen."
Der Abschied kam zu schnell. Am Parkplatz wartete Svens Vater am Steuer, wie immer mit dem Finger, der ungeduldig auf das Lenkrad trommelte. Sven drückte Markus fest, dann stieg er ein. Markus stand da, schaute dem Auto hinterher, bis es nur noch ein Punkt am Horizont war. So wie damals bei Sandra, dachte er. Wieder fährt jemand weg. Und wieder bleibe ich zurück - allein mit meinen Fragen nach dem Warum.
"Reiß dich zusammen," murmelte er zu sich selbst, versuchte tapfer zu klingen. Sie wäre gekommen, um dich abzuholen. Und Sven werde ich wiedersehen. Irgendwie. Irgendwann. Vielleicht.
Doch mit den Jahren wurde die Distanz spürbar. Die Nachrichten wurden seltener, die Gespräche kürzer. Markus spürte, wie ihm der Halt entglitt, den Sven ihm gegeben hatte. Je mehr der Freund fehlte, desto mehr rebellierte er: tauchte manchmal tagelang ab, stritt sich, suchte etwas - vielleicht sich selbst. Doch direkt ins Heim ging er nie zurück. Immer führte sein erster Weg zu Frau Enghals.
Frau Enghals, mit ihrer festen Brille und dem ewig raschelnden karierten Rock, war die Einzige, die nie den Kontakt zu ihm abbrach. Sie hatte dieses kleine Räuspern, bevor sie etwas Wichtiges sagte, und ihren Lieblingsspruch: "Kein Sturm hält ewig, Markus. Aber jeder Sturm macht dich stärker." Sie hatte sogar mit ihrem Mann über eine mögliche Adoption gesprochen. Aber Markus hatte das durch seine Eskapaden immer wieder selbst verhindert. Jedes Mal, wenn er sich nach einer seiner Aktionen reumütig an ihren Küchentisch setzte, brachte sie ihm wortlos einen Tee mit Honig und sagte: "Erst trinken, dann reden." Dann entschuldigte er sich: "Tut mir leid, dass Sie sich Sorgen machen mussten."
Heute ist Markus' großer Tag. Er wird achtzehn. Volljährig. Er könnte das Heim nun verlassen. Doch wohin? Kein Geld, keine Ausbildung, keine Wohnung. Also bleibt er - zumindest vorerst. Er sitzt auf dem Bett, scrollt lustlos durch Videos auf seinem Smartphone. Ein Anruf kommt rein. Sven.
"Hey, Markus, alles Gute zum Geburtstag, Mann! Ich hoffe, du lässt es heute so richtig krachen!"
Markus lächelt schwach, sein Blick geht Richtung Fenster. "Danke, Sven ...", murmelt er, fast mehr zu sich selbst als in den Hörer. Ein Gefühl von Leere breitet sich in ihm aus - Geburtstage waren noch nie sein Ding, aber heute schmerzt es besonders.
"Na, Kopf hoch! Das ist dein Tag! Oder bist du schon am Feiern und ich störe?" Svens Stimme klingt gewohnt leicht und ein bisschen frech.
Markus zögert. "Nicht wirklich. Es hat sich ... niemand gemeldet. Bis auf dich. Und vielleicht ... meine Betreuerin."
"Wie hieß sie noch mal? Frau Enghals, oder? Die ist doch ganz in Ordnung, oder?"
"Ja, Frau Enghals. Sie hat gesagt, sie kommt später kurz vorbei. Sonst ... na ja, niemand. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt etwas erwartet habe." Ein leiser Stich. Markus spürt, wie seine Hoffnung ihn wieder einmal im Stich lässt.
"Wirklich? Nur ich? Komm schon, Markus, du bist doch nicht wirklich überrascht, oder? Nur weil's der Achtzehnte ist?"
Markus zieht die Schultern an. "Eigentlich nicht. Ich weiß ja, dass das Quatsch ist. Trotzdem hoffe ich jedes Jahr, sie ... meine Mutter ..." Er schweigt, und für einen Moment ist es, als würde die Stille alles andere übertönen. Warum kann ich nicht einfach abschließen?, fragt er sich.
"Du sehnst dich nach ihr. Ist doch klar." Sven bleibt locker, aber seine Stimme wird ein klein wenig weicher. "Sie ist und bleibt eben deine Mutter, auch wenn sie sich distanziert hat. Sie ist noch da. Meine Eltern ... na ja, die können sich nun wirklich nicht mehr melden - außer vielleicht mit ein paar Zeichen von oben."
Markus presst die Lippen aufeinander. "Du hast recht. Sie könnte sich melden. Wenn sie wollte." Eine Mischung aus Sehnsucht und Enttäuschung legt sich auf seine Worte.
Für einen Moment herrscht Schweigen. Dann räuspert sich Sven. "Weißt du was, Bro?" Er klingt, als würde er die graue Stimmung verscheuchen wollen. "Jetzt aber mal genug von dem Kram. Heute ist nicht der Tag für trübe Gedanken!"
Er hält kurz inne, die Spannung in seiner Stimme fast greifbar. "Ich wollte eigentlich was ganz anderes sagen ... Aber ich hab's vollkommen verpeilt, bei all dem Gerede. Dein Geburtstagsgeschenk!"
Markus muss ein bisschen schmunzeln, auch wenn sein Herz noch schwer ist. "Du hast mir was besorgt? Was kann das schon sein ... Ich tippe mal auf einen Gutschein für einen Stripclub, immerhin bist du ja gerade in Griechenland und ich sitze noch in Deutschland fest."
"Oh ich bekomme ein Geschenk von Dir? Warte, lass mich raten: Da du dich ja in Griechenland versteckst und ich hier in Deutschland bin, ist es bestimmt ein Gutschein für einen Stripclub oder Puff," lacht Markus.
Markus versucht, die Stimmung zu heben und lächelt. "Du hast dir tatsächlich etwas für mich ausgedacht? Lass mich raten: Weil du gerade am Mittelmeer die Sonne genießt und ich hier zu Hause sitze, hast du bestimmt irgendwas Ausgefallenes organisiert - vielleicht ein Ticket für ein griechisches Abenteuer? Oder schickst du mir einfach ein bisschen Sand in einer Flasche, damit ich wenigstens ein bisschen Urlaubsgefühl bekomme?"
Mit einem Augenzwinkern versucht Markus, nicht nur einen lockeren Spruch zu machen, sondern auch zu zeigen, wie sehr er die Verbindung zu Sven schätzt - selbst wenn sie gerade weit voneinander entfernt sind. Die spielerische Bemerkung lässt erkennen, dass er sich über die Aufmerksamkeit seines Freundes freut und neugierig ist, was ihn erwartet.
"Hm... eigentlich keine schlechte Idee. Aber den bekommst du frühestens, wenn wir uns wiedersehen - oder besser noch, ich schlepp dich dann höchstpersönlich dahin, und alles geht natürlich auf meine Rechnung!", lacht Sven und klopft dabei mit der Hand auf den Tisch, als könnte Markus das durchs Telefon spüren.
"Ich kann's echt kaum erwarten!", ruft Markus lachend, was die Stimmung noch lockerer macht. Für einen Moment vergisst er all die trüben Gedanken und merkt, wie ein warmes Gefühl in ihm aufsteigt.
"Das freut mich zu hören. Denn ich - wir - hoffen dich bald bei uns begrüßen zu können", sagt Sven mit einem Augenzwinkern - zumindest stellt Markus sich das so vor.
Markus runzelt die Stirn. "Wie meinst du das - mich begrüßen zu können?", fragt er neugierig und lehnt sich gespannt vor, obwohl sie ja nur telefonieren.
"Ganz einfach: Dein Geschenk ist ein dreiwöchiger Urlaub bei uns im Hotel. Du brauchst für nichts zu bezahlen. Zimmer, Essen, alles inklusive", erklärt Sven mit fast verschwörerischem Tonfall.
Markus ist sprachlos. Er spürt, wie sein Herz schneller schlägt und ein breites Grinsen sich auf seinem Gesicht ausbreitet. "Ich... ich kann gerade echt nichts sagen. Sven, danke. Und auch danke an deine Eltern." Er ringt kurz nach Worten, bevor er wieder zu sich findet.
"Heißt das, du kommst?", hakt Sven nach, seine Stimme voller Vorfreude.
"Alter, Bro - natürlich komme ich!", platzt es aus Markus heraus. Allein die Vorstellung, Sven wiederzusehen und gemeinsam Zeit zu verbringen, lässt ihn jetzt schon vor Freude übersprudeln.
"Sehr schön. Und das ist übrigens noch nicht alles."
Markus schüttelt leicht den Kopf, ein ungläubiges Lächeln auf den Lippen. "Mensch Sven, das ist wirklich zu viel..."
"Warte ab. Ich habe lange mit meinen Eltern gesprochen, und sie haben zugestimmt. Wenn du willst, kannst du bei uns im Hotel eine Ausbildung zum Hotelfachmann machen."
Markus' Augen werden groß. "Ich... ich kann was?" Mehr bringt er vor lauter Rührung nicht heraus. Sein Herz klopft wild, Tränen steigen ihm in die Augen. Er hält kurz inne, muss blinzeln, damit Sven seine Stimme wieder hören kann.
Sie telefonieren noch lange. Immer wieder lachen sie, tauchen in Pläne und Träume ein. Manchmal herrscht Stille, weil beide nicht fassen können, wie sich alles entwickelt. Schließlich verabschieden sie sich - denn wie versprochen ist Frau Enghals eingetroffen.
Aufgeregt erzählt Markus ihr sofort alles: vom Anruf, dem unglaublichen Geschenk und vor allem von der Aussicht auf die Ausbildung.
"Wow, das klingt wirklich großartig. Das könnte deine große Chance sein, Markus. Ich freue mich so für dich! Und besonders, weil es von Sven kommt. Siehst du, nicht jeder, der weggeht, lässt dich im Stich."
Markus' Begeisterung schlägt kurz in Nachdenklichkeit um. Mit gesenktem Blick sagt er leise: "Ich bin trotzdem ein bisschen traurig, Frau Enghals."
Sie schaut ihn überrascht an. "Warum denn, Markus?"
Er hebt den Kopf und ringt mit den Worten. "Weil ich dadurch den Menschen verlassen muss, der mir als Einzige gezeigt hat, dass ich jemand bin. Dass ich kein Nichts bin - das habe ich nur Ihnen zu verdanken."
Frau Enghals schluckt, ihre Augen glänzen. "Oh, Markus... wie hätte ich dich je vergessen können? Es bedeutet mir sehr viel, dass du so von mir denkst."
Für einen Moment zögert Markus, dann fragt er vorsichtig: "Darf ich Sie mal in den Arm nehmen? Mich bedanken. Und mich entschuldigen - für alles, was Sie wegen mir durchmachen mussten."
Mit einem sanften Lächeln öffnet Frau Enghals die Arme. "Das würde mich sehr freuen, Markus."
Drei Wochen später, in Griechenland.
Markus steht vor dem Hotel und schließt für einen Moment die Augen. Die Luft ist schwer von Wärme, sie trägt den würzigen Duft von Salz und Lavendel, gemischt mit einem Hauch Sonnencreme und dem süßen Geruch reifer Feigen. Über ihm surren Zikaden in den Bäumen, ihr unermüdliches Konzert scheint mit jedem Sonnenstrahl lauter zu werden. Ein leichter Windhauch streicht durch sein Haar und kitzelt angenehm seine Haut - fast so, als wolle er ihn willkommen heißen.
Langsam öffnet Markus die Augen und schaut sich um. Er hatte ein kleines Haus erwartet - zwanzig, vielleicht dreißig Zimmer. Stattdessen breitet sich vor ihm eine weitläufige Anlage aus, so groß, dass sie den Horizont beinahe verschluckt. Das goldene Schriftzug "Hotel - Grand Korfu" glänzt über dem Eingang und spiegelt das Sonnenlicht wider - fast zu glänzend, um real zu sein. Mindestens zweihundert Zimmer, schätzt Markus, während ein Gärtner langsam einen Schlauch aufrollt und zwei Gäste mit leichten Sommerröcken lachend an ihm vorbeigehen. Dahinter ein gepflegter Garten: Palmen wiegen sich sacht im Wind, in den Bungalows klimpern irgendwo Gläser, das entfernte Klappern von Geschirr vermischt sich mit dem Zwitschern eines unsichtbaren Vogels.
Markus bleibt stehen. Wie lange, das weiß er nicht. In seinem Kopf laufen Bilder ab - das Klackern der Zikaden scheint sie zu untermalen. Er erinnert sich an Nächte, in denen er allein im Bett lag und den Regen gegen die Scheibe hörte; an den Moment, als er das erste Mal von Sven hörte, dass es mehr für ihn geben könnte als immer nur den nächsten Tag zu überstehen. "Ob das hier wirklich der Anfang von etwas Gutem ist?", fragt er sich. Oder ist es nur ein kleiner Trost von dieser verdammten Bitch namens Schicksal, die ihn so oft im Stich gelassen hat? Manchmal, wenn er mutig war, hat er sich vorgestellt, wie es wäre, einfach irgendwo aufzuwachen und keine Angst mehr zu haben. Ob dieser Ort das sein könnte, geht es ihm durch den Kopf.
Er atmet tief durch, versucht, die Unsicherheit in seiner Brust nicht überhandnehmen zu lassen. Zwischen den Palmen blitzt das Licht - fast wie ein Versprechen. Er denkt an Frau Enghals' Umarmung, an ihre Worte: "Das ist deine große Chance." Seitdem trägt er eine zarte Hoffnung in sich, die sich immer wieder gegen seine Zweifel behaupten muss. Doch die Erinnerungen an all die Male, in denen ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, sind noch da - sie drängen sich in seinen Gedanken nach vorn, lassen ihn für einen Moment zögern. Was, wenn es doch wieder nur ein Umweg ist?
Der Wind bringt Kinderlachen und das leise Klappern von Badeschlappen mit sich, irgendwo ruft jemand etwas Unverständliches auf Griechisch. Markus spürt die Sonne auf seinem Gesicht, hört seinen eigenen Atem und weiß, dass er es herausfinden muss. Einen Schritt nach dem anderen. "Schauen wir mal, ob das hier der Anfang ist", denkt er und setzt langsam den ersten Schritt Richtung Eingang. Richtung Zukunft - während in seinem Kopf Hoffnung und Angst einen leisen Tanz miteinander tanzen.
Ende des Epilogs
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