Das neue Leben - Teil 1 - Re-Union (fm:Fetisch, 3850 Wörter) [1/4] alle Teile anzeigen

JANINA

Janina ist reich. Wenn man sich mit knapp zwölf Millionen Euro reich nennen kann. Eine Erbschaft. Aber sie ist Janina. Reichtum bedeutet ihr nicht viel. Reichtum ist relativ. Es beruhigt und macht Dinge möglich, die sonst nicht möglich wären. Sie steht nicht auf Eskapaden und auch nicht auf plötzliche, vor allem auffällige, Ausgaben. Das passt nicht zu ihr. So war sie nie und so wird sie auch nie sein. Würden ihre Freunde jedenfalls über sie sagen. Bescheidenheit ist eine ihrer ganz starken Tugenden.

Aber wie gut kennt man sich? Unter Freunden? Kann man wirklich in den Kopf des anderen hineinschauen? Will man das überhaupt? Oder ist jeder Blick einfach nur oberflächlich? Sie hat sich nie etwas aus derartig philosophische Fragen gemacht. Hat sich auf sich selbst, ihre Arbeit und ganz besonders auf ihre Familie konzentriert. Familie war immer der bestimmende Faktor in ihrem Leben. Nichts ging darüber. Gar nichts. Auch nicht ihr Partner. Entweder er hat das akzeptiert oder er gehörte einfach nicht dazu.

Janina steht mit ihrem Auto auf einem Parkplatz an der A1. Monoton klickt der Warnblinker. Der Scheibenwischer läuft auf höchster Stufe, schafft es aber nicht, das ganze Wasser wegzuwischen. Es schüttet wie aus Eimern und der Himmel sieht aus, als würde gleich die Nacht hereinbrechen. Welch ein Wetter! Glücklicherweise kam gerade dieser Parkplatz als der Himmel seine Pforten geöffnet hat. Vermutlich wird sie genau diesen Moment, in dem der Himmel seine ganze Last auf die Erde schüttet, nie wieder vergessen. Hat sie doch genau in die Moment auch ihre Last, die sie schon langer Zeit auf ihren Schultern hat, einfach abgeworfen.

Sie hat sich zurückgelehnt, die Augen geschlossen. Ihre Gedanken kreisen. Um ihr Leben, ihre Vergangenheit und vor allem um ihre Zukunft. Die neue finanzielle Situation hat etwas ausgelöst. Wie soll es weitergehen? Soll alles so bleiben wie es ist? Oder doch ein Neuanfang? Leisten könnte sie es sich. Jetzt jedenfalls. Sie müsste nicht einmal mehr arbeiten. Doch das will sie nicht. Arbeit ist für sie kein notwendiges Übel, sondern hält sie in Bewegung. Und die braucht sie unbedingt. Das wird sich in ihrem Leben definitiv nicht ändern. Sie wird aber reduzieren. Dieser Entschluss steht seit ein paar Tagen fest.

Plötzlich öffnet sie die Augen. Schaut starr geradeaus und klopft mit der flachen Hand auf das Lenkrad. Sie hat sich entschieden! Wie es weitergeht. Was sie aus ihrem Leben machen will. Änderungen stehen an. Und sie will nachholen. Dinge tun, die sie früher nicht getan hat.

Und sie weiß auch schon wie.

Schlagartig ist der Regen vorbei. So schnell der Regenguss gekommen ist, so schnell ist er auch schon wieder vorbei. Sie schaltet den Warnblinker aus und steuert ihren Wagen zurück auf die Autobahn. Noch während der Fahrt lässt sie den elektronischen Assistenten des Media-Systems die Nummer von ihrem Ex wählen.

Nach dreimal Klingeln geht er ran: "Hey, alles gut?"

"Ja, alles gut ... soweit."

"Soweit?" er staunt. "Und tatsächlich?"

"Ich möchte mit dir sprechen." gibt sie preis.

"Okay. Schieß los." gespannt hofft er darauf, dass sie darauf eingeht.

"Hast du am Wochenende Zeit?" fragt sie und ergänzt: "Am liebsten Samstag Abend."

"Moment. Ich schaue gerade mal." wieder einmal nimmt er sie auf den Arm. Das hat er früher schon gemacht und er wird es wohl auch in Zukunft tun.

"Als ob du jemals Samstags abends etwas vor hattest." provokativ konnte sie schon immer sein. "Ich bin um sieben bei dir."

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